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Vorspann

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Liebes Tagesbuch,

was für eine dämliche Anrede, nicht wahr? Ich schreibe dir im Grunde nur, weil Onkel Joe es von mir verlangt hat.

Es ist jetzt drei Tage her, seit sie Peter in dieses Heim für Schwererziehbare gesteckt haben. Seither war Onkel Joe ununterbrochen hier. Um Mam zu unterstützen, wie er sagt. Er meint, es wären schwere Zeiten und da müsse die Familie näher zusammenrücken, obwohl er eigentlich gar keine richtige Familie von uns ist, aber Onkel Joe bleibt Onkel Joe und ich habe ihn wirklich gern. Na ja, vielleicht fange ich einfach ganz von vorne an, wie Onkel Joe es gesagt hat: Mein Name ist Charms Krystofiak und ich bin zehn Jahre alt. Ja, ich heiße wirklich Charms und kann nicht mehr zählen, wie oft Leute mich das in meinem Leben gefragt haben. Ich wohne in Siggs, einer Stadt, in der nie irgendwas Spannendes passiert. Mit meiner Mam und meinem Bruder Peter lebe ich in einem grauen Haus mit Garten am Stadtrand. Zumindest war das so bis vor drei Tagen: Peter ist zwölf und leider macht er ständig Ärger, weswegen Mam immer sehr traurig ist. Sie sagt dann immer, wie froh sie ist, dass ich anders bin, denn leider haben wir keinen Papa mehr, der dafür sorgen könnte, dass Peter sich benimmt. Er ist ziemlich früh bei einem Motorradunfall gestorben. Für Mam war das schlimm, aber ich erinnere mich nicht an ihn, weil ich zu dem Zeitpunkt noch zu klein war. Na ja, aber es gibt ja noch Onkel Joe.

Und Onkel Joe sorgt dafür, dass wir uns auf unsere Bestimmung konzentrieren. Es ist eine ganz besondere Aufgabe, und wir, Peter und ich, können stolz sein, dass wir für sie ausgesucht wurden. Wenn wir groß sind, werden wir nämlich Teil eines riesigen Filmprojekts sein! Die Handlung ist streng geheim, aber wenn mal alles fertig ist, bekommen wir dafür Geld und können uns alles kaufen, was wir wollen. Onkel Joe sagt immer, der Film wird unser Leben dokumentieren. Das klingt ziemlich öde, denn so viel passiert darin, ehrlich gesagt, nicht. Das Drehbuch, hat er mir erklärt, umfasst einen Rahmen, in dem wir uns bewegen und improvisieren. Improvisieren bedeutet übrigens: Tun, was uns gerade einfällt. Onkel Joe sagt, es wird ein großes Experiment und wir sind die Stars darin. Ich hoffe nur, im Heim machen sie Peter bis dahin wieder gesund. Es wäre blöd, wenn ich alleine ans Set müsste, auch wenn ich bis dahin erwachsen sein werde. Einmal habe ich Onkel Joe gefragt, warum die mit dem Film so lange auf uns warten. Bis wir erwachsen sind, meine ich, und er hat gesagt, weil wir eben etwas Besonderes sind.

Mir fällt gerade nicht mehr ein, was ich über mein Leben erzählen könnte. Außer, dass ich ziemlich gut in der Schule bin. Letzte Woche hatte ich eine Eins auf meine Mathearbeit.

Ich werde dieses Tagebuch ab jetzt jeden Tag bis zum Dreh führen, wie Onkel Joe es verlangt hat. Keine Ahnung, warum, er möchte die Einträge gerne lesen, wodurch es eigentlich kein Tagebuch mehr ist. Aber das macht mir nichts aus, Onkel Joe darf ruhig wissen, was bei mir so ansteht.

Gut, das wäre dann mein erster Eintrag.

Charms

Occido

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