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Auf der anderen Seite des Atlantiks blickten ein mürrischer älterer Herr und eine aufgeregte junge Frau in einem fensterlosen Raum auf einen riesigen Bildschirm, auf dem sich verschlungene Muster zeigten. Man hätte sie für Tapetendesigner halten können oder Mathematiker, die den Verästelungen von Fraktalen folgten. Sie zoomten in die Verzweigungen der Grafik hinein und erzeugten neue Muster, die sich in neuen Fenstern auftaten. Ihr Vokabular wäre für Außenstehende unverständlich gewesen – nur, dass es hier keine Außenstehenden gab. Zwei von Tausenden hochbezahlter Spezialisten, die sich ihn ihrem Code unterhielten.

„John, ich würde gerne mal genauer in den Londoner Knoten schauen…“

„Ich würde beim De-CIX anfangen, Rachel… Frankfurt ist das No.1 Internet traffic hub in Europa.“

Die junge Frau – offensichtlich ein Trainee – wurde noch aufgeregter: „O ja. Moment, die fangen gerade zwei DDoS-Attacken ab… O, und hier bekomme ich eine cross-reference-Warnung: eine Meldung über einen Mord in Deutschland hat Aktivitäten in einem überwachten Firmen-Netzwerk ausgelöst. Das zeigt mir der britische GCHQ im Tempora-Programm. Und der Kincais-Algorithmus zeigt in unserem »Prism« dazu passende Skype-Aktivitäten. Das wird ja immer interessanter…“

„Bleib ruhig. Es ist nichts Politisches und nichts Terroristisches. Das BKA zeigt kaum traffic, das Innenministerium in Berlin auch nicht. Hast du finanzielle Aktivitätsmuster, die dazu passen?“

„Nichts zu sehen. SCISSORS und Protocol Exploitation zeigen auch nichts Auffälliges.“

„Haben wir was über das Opfer?“

„Nein. Kein Facebook-Profil, keine E-Mails, im Netz praktisch nicht sichtbar.“

„Hm! Entweder ein Profi oder ein Sozialfall. Aber wir können uns ja nicht persönlich um jeden kümmern. Was die Algorithmen nicht markieren, muss uns egal sein. Die Zahl der Morde bei uns ist ja in allen Großstädten stark rückläufig, dank der IT-gestützten Strategien beim Polizeieinsatz. Letztlich dank unserer Tätigkeit. »Wissen ist Macht«, sagte Lord Bacon, aber es ist auch Schutz der Bürger. Was die Deutschen machen, kann mir egal sein.“

„Aber wir müssen uns den BND warm halten, er überwacht den ausländischen Datenverkehr, der durch Deutschland führt. Die Nahost-Strecke, über die Datenströme aus Krisenregionen verlaufen. Was soll ich tun, John?“

„Gib dem Ganzen einen Prism-Schlüssel und leite es an einen Sachbearbeiter weiter. Soll er sich darum kümmern. Er soll entscheiden, ob er es an das Consolidated Intelligence Center in Wiesbaden schickt. Oder, das Foreign Affairs Directorate ist ja eigentlich zuständig für Kooperationen mit anderen Ländern. Sollen die das behandeln, damit sie das deutsche politische Führungspersonal vor dem Backlash schützen können, falls es bekannt wird, dass wir die Finger in ihren Geheimdiensten haben. Sie wissen ja offiziell nichts davon, haha! Das Internet ist für sie »Neuland«. Dabei kann es jeder Schüler in Wikipedia nachlesen. Na ja, nichts, was uns wirklich betrifft. Ein Einzelfall interessiert uns nicht. Die Metadaten brauchen wir: wer wann mit wem kommuniziert hat. Ich möchte dir jetzt lieber das Targeting and Mission Management zeigen, die Steuerung des Ganzen. Die Global Access Operations. Der Prototyp Boundless Informant beschreibt die GAO-Datensammelmöglichkeiten mit Metadaten. Anders werden wir den drei Milliarden Erkenntnissen pro Monat ja nicht Herr. Er kann nach Ländern auswerten, nach Organisationen, nach Individuen. Bis in höchste Detailtiefe. Wie du es gerade an diesem Einzelfall gemacht hast, Rachel. Aber das war ja nichts Bedeutendes.“

Und damit glitt ein aufblitzendes Warnzeichen in das Dunkel eines bürokratischen Ablaufs. Es hätte ein weiteres Menschenleben retten können.

Der Schnüffel-Chip

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