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13.

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Wie immer registrierte Yasmin Stökel auf dem Weg zu ihrem Mittagsmahl die Blicke der Männer, die ihre trotz der Pelzjacke provozierenden Brüste anstarrten, ihre perfekte Nase und ihre sinnlichen Lippen ?­­ all das war ja auch teuer genug gewesen. Langsam schlenderte sie dahin, in Gedanken versunken. War es richtig gewesen, mit Ümid so schnell zusammenzuziehen? Mit dreiundzwanzig? Sie hatte zwar das Gefühl, dass er sie liebte und es nicht nur auf ihr Geld abgesehen hatte ?­­ er hatte offenbar selbst genug, aber niemand wusste, woher ?­­, aber sie misstraute ihrem Gefühl. Zu oft schon war sie so verliebt gewesen wie jetzt, und nach einigen Wochen oder Monaten war nichts mehr davon übrig gewesen.

Um einen verkrüppelten Bettler machte sie einen großen Bogen. Sie kannte die Geschichten aus dem Fernsehen: die mitleidheischenden, von rumänischen Profi-Banden geschickt platzierten Elendsgestalten, deren Tages­einnahmen abends in die Taschen der Chefs flossen. So bemerkte sie die Gruppe Jugendlicher nicht, die ihr immer dichter folgte. Und als es geschah, war sie vollständig überrascht. Sie war umringt, eine Hand drückte ihr den Kopf herunter, und ehe sie überhaupt reagieren konnte, wurde sie durch eine offene Seitentür in einen Kleinbus gedrängt, immer noch gefangen in der Gruppe, die wie ein Haufen von Spielern beim American Football im Inneren des Wagens über ihr zu Boden taumelte. Sie fühlte, wie ein kratziger Wollsack über ihren Kopf gestülpt wurde, und ehe sie einen Laut von sich geben konnte, war ihr auch diese Möglichkeit durch ein breites Packband verwehrt, das von außen um den Wollsack geschnürt wurde. Dann wurden ihre Hand- und Fußgelenke mit einem weichen dicken Strick gefesselt. Hilflos lag sie auf dem Boden des Wagens und versuchte, die aufkommende Panik zu bekämpfen.

Keiner der Passanten hatte offenbar mitbekommen, dass die Gruppe von grölenden Jugendlichen mit den Bierflaschen, die sich in einen offenen Kleinbus fallen ließen wie ein Fußballteam nach erfolgreichem Torschuss, ein attraktives junges Mädchen unter sich begrub. Und wenn es jemand mitbekommen hatte, dann hatte er sicherheitshalber weggeschaut.

Der Wagen setzte sich in Bewegung, fädelte sich zügig in eine Lücke des Verkehrs ein und bog um die nächste Ecke. Längere Zeit holperte er über die Straßen der Stadt und schien öfter gezielt die Richtung zu wechseln. Yasmin versuchte, die Kurven mitzuzählen, um sich irgendwie den Weg einzuprägen. Aber das gelang ihr nicht. Ihre Angst hinderte sie daran, sich zu konzentrieren, ebenso wie die fast alle Geräusche übertönende Techno-Musik aus dem Autoradio. Wäre ich nur nicht ohne Hasso gegangen, dachte sie immer wieder. Aber nun war es zu spät.

Plötzlich hörte sie eine Polizeisirene, erst schwach, dann immer lauter. Sie kam von hinten. Der Wagen verlangsamte ein wenig die Fahrt. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Sie sah schon eine Armee grimmiger Beamter vor sich, die ihre Entführer mit gezogenen Pistolen stoppten und in Handschellen legten. Dann war das Sirenengeräusch eine Sekunde neben dem Wagen und zog vorbei. Im Ton tiefer und leiser werdend entfernte es sich in Fahrtrichtung. Die Jugendlichen johlten vor Begeisterung und stellten ihre Füße auf den Sack mit ihrem Opfer.

Je länger sie fuhren, desto schlechter wurde die Wegstrecke. Offensichtlich hatten sie die Innenstadt inzwischen verlassen, denn sie schienen jetzt auch schneller zu fahren. Das Zeitgefühl war ihr vollkommen verloren gegangen. Soweit sie das beurteilen konnte, waren sie auf einer relativ einsamen Landstraße angelangt. Dann wurde die Geschwindigkeit plötzlich verringert und der Wagen bog schaukelnd auf einen weichen holperigen Boden ab. Langsam fuhr er durch platschende Pfützen. Es roch nach Wald, das konnte sie feststellen.

Ihr war schlecht vor Angst. Ihr Magen revoltierte, ein bitterer Geschmack stieg ihre Speiseröhre empor und beinahe hätte sie sich übergeben. Sie zwang sich, den Brechreiz zu unterdrücken. Das Klebeband auf dem Wollsack über Mund und Nase hinderte sie am Schreien, aber auch am Atmen. Sie brachte nur ein qualvolles Ächzen heraus, das aber niemand beachtete. Sie wusste, sie würde an ihrem Erbrochenen ersticken, wenn sie sich nicht beherrschte. Keiner würde sich darum kümmern. Wenn sie tot ankäme, würden sie sich ein neues Mädchen holen.

Ihre Panik stieg von Minute zu Minute. Ein krampfendes Gefühl schoss durch ihren Unterleib. Sie wusste, was kommen würde. Zu oft hatte sie im Fernsehen Berichte gesehen, wo Jugendliche Mädchen entführt und vergewaltigt hatten. Im Alkoholrausch, unter Drogeneinfluss oder auch total nüchtern. Das machte keinen Unterschied. Hauptsache, man hatte seinen Spaß und den Ruhm in der Szene, wenn man die Aufnahmen mit dem Foto-Handy in das Internet gestellt hatte.

Am Ende des Waldweges wurde sie aus dem Wagen auf den weichen Waldboden geworfen. Der Geruch nach feuchtem Moder stieg in ihre Nase. Die Männer stiegen aus. Plötzlich fühlte sie, wie sich eine Hand unter ihre Pelzjacke schob, unter ihr T-Shirt, über ihre nackte Haut wie eine kalte trockene Schlange. O Gott!, dachte sie verzweifelt und ihre Angst brach in einem Schluchzen aus ihr heraus. Jetzt würde das kommen, was sie am meisten gefürchtet hatte. Die Panik nahm ihr fast die Sinne.

Doch dann vernahm sie, gedämpft durch den Wollsack über ihrem Kopf, eine gebieterische Stimme: „Lass’ das! Das ist nicht unser Auftrag! Wir sollen sie nicht anrühren!”

Sofort ließ der Grapscher von ihr ab, ohne einen Ton zu sagen.

Sie spürte, wie eine kalte Flüssigkeit über ihre Fesseln gegossen wurde. Wieder dieselbe Stimme: „In einer halben Stunde ist das Papier aufgeweicht. Dann kannst du dich losmachen. Geh zur Straße, dann kommst du schon irgendwie nach Hause! Sag’ deinem Lover, er soll seinen Job machen! Und wenn ihr plaudert oder zur Polizei geht, dann hilft euch dein Köter auch nicht mehr!”

Der Motor des Wagens heulte auf. Und dann waren sie weg.

Der Schnüffel-Chip

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