Читать книгу Der Schnüffel-Chip - Jay Bates - Страница 20

17.

Оглавление

Der Park hatte etwa die Form einer Banane, über zwei Kilometer lang und im Mittel dreihundert Meter breit. Es gab sechs Eingänge, symmetrisch an den Enden und in der Mitte verteilt. Morgens um elf Uhr, an diesem kalten Märztag, war er noch menschenleer.

Das änderte sich schlagartig, allerdings nur am rechten äußeren Ende des Parks. Zwei Rentner tauchten auf, die Zeitung unter dem Arm und nahmen auf verschiedenen Bänken Platz, die Kragen ihrer Mäntel hochgeschlagen. Ein Gärtner fuhr mit seiner Karre in ihrer Nähe herum und fegte Laub. Eine junge Mutter mit Kinderwagen flanierte auf und ab, beugte sich ab und zu über den Wagen und turtelte mit ihrem Baby. Und als hätte es bei dieser Inszenierung noch gefehlt, tauchte ein Liebespaar auf und spazierte Händchen haltend und glücklich miteinander tuschelnd im Kreise.

An den einander gegenüberliegenden Eingängen hatten sich je zwei Männer mittleren Alters in unauffälliger Kleidung postiert ?­­ das Empfangskommitee für das, das jetzt geschah: fast synchron tauchten zwei Limousinen auf, hielten an den Eingängen und ließen zwei Männer, ebenfalls unauffällig aber sichtbar eleganter gewandet, aussteigen. Sie gingen wortlos auf die Wartenden zu, streckten die Arme ein wenig ab und ließen sich mit einem kleinen elektronischen Gerät untersuchen, nicht größer als ein Handy. Das Ganze erfolgte schnell und für einen zufälligen Betrachter unmerklich. Danach gingen sie zu einer Bank im Park und setzten sich, ohne sich zu begrüßen, in einem Abstand voneinander, wie er gewöhnlich von Fremden eingehalten wird. Einer zog ein Buch heraus, der andere eine Zeitschrift. Augenblicke später waren sie in die idyllische Inszenierung ”Park im Frühling” einbezogen.

Sie hatten einander weder begrüßt noch sich vorgestellt.

Einer begann, halblaut, hinter seiner Zeitschrift verborgen: „Sie sind also der Anbieter...”

Sergej Czazclik von der Firma ”Intixx” vergewisserte sich: „...und Sie der Interessent! Was brauchen Sie im Einzelnen?”

„Wir wollen den Code, genauer: das Programm zu seiner Erzeugung.”

Wozu wollen Sie das Codeprogramm, wenn ich fragen darf? Was wollen Sie damit machen?”

„Darf ich umgekehrt Sie das fragen?”

Sergej reagierte schroff: „Natürlich nicht. Wir verkaufen Ihnen keine Software und schon gar nicht unsere Ideen.”

„Sehen Sie! Auch wir haben schützenswerte Ideen...”

Das war natürlich eine Sackgasse gewesen. Czazclik schämte sich, sich überhaupt auf dieses Gebiet gewagt zu haben. Bei diesen harmlosen kleinen feingeschliffenen Dialogen durfte man nie als Verlierer dastehen. Grundregel. Peinlich, peinlich!

Dabei lagen die Anwendungen des Codeprogramms auf der Hand: Ein gefälschter ePass hatte einen extrem hohen Preis, und man konnte getrost mehrere Jahre an Geschäftstätigkeit einkalkulieren, bis die Dubletten entdeckt waren und bis vor allem die internationalen Standards geändert waren – schließlich war das ja der Grund für den anfänglichen ”Schnellschuss” gewesen, einen Pass mit einfacher Verschlüsselung als Interimslösung anzubieten. Andernfalls hätte niemand mehr ohne extreme bürokratische Schwierigkeiten in die USA einreisen können. Danach hatte man auch gemerkt, dass Experten sich noch schwerer auf Kompromisse einigen konnten als Politiker – und das wollte etwas heißen.

Sergej versuchte, seine Position wieder zu festigen: „Also, wie gesagt: Es tut mir leid, das Programm ist unser Eigentum. Es ist unverkäuflich. Wir verkaufen nur Dienstleistungen, die auf dem Code beruhen. Also was möchten Sie?”

„Pässe, unter anderem. Echte. Mit Chip.”

„Ich dachte, die können Sie selbst produzieren?”

„Ja, aber nur die einfach codierten. Die mit dem täglich wechselnden Code aber nicht, da wir das Verschlüsselungsprogramm nicht haben. Das haben angeblich nur Sie, wie wir gehört haben... leider!”

Sergej ging auf die implizierte Frage nicht ein. „Wie viele Ausweise wollen Sie denn?”

„Hundert, zweihundert. Vielleicht mehr. Wer weiß?”

„Also reden wir über etwa ein bis zwei Millionen Dollar? Das ist doch gar nichts, ich glaube nicht, dass sich dafür der Aufwand lohnt.”

„Na, Sie treiben doch noch keinen Aufwand! Ich denke, Sie haben das Codeprogramm noch gar nicht. Dies ist doch ein Leerverkauf, vermute ich. Sie besorgen es sich erst, wenn Sie den Auftrag in der Tasche haben!”

„... und Anzahlung, schon richtig.“ Sergej hatte sich zu einem Verwirrspiel entschlossen. „Aber vielleicht haben wir das Programm ja schon? Ist ja nicht Ihr Problem! Trotzdem: viel Risiko für wenig Gewinn.”

„Wir haben längerfristig noch andere Ideen, wir könnten zusammenarbeiten, auf Provisionsbasis für Sie.”

„Das wäre?”

„Umsatzsteuer-Vergütung. Wir führen Luxusgüter aus, bekommen an der Grenze die Mehrwertsteuer erstattet, Sie knipsen das Bit im Chip aus und wir führen die Ware wieder ein... oder genauer: bringen sie wieder herein, denn sie wurde ja nicht ausgeführt, nach den Daten auf dem Chip. Ob das nun eine Rolex ist oder ein Pelz oder gleich das ganze Auto... und wir kassieren auf alles die Umsatzsteuer, auf den Neupreis. Da kommt dann etwas mehr zusammen als nur eine Million. Wäre das was?”

„Hmmh, viel Kleinarbeit...”

„Unser Geschäftsplan sieht einen Umsatz von etwa zwanzig Millionen vor pro Jahr, da können Sie eigentlich nicht klagen. Netto!”

Sergej zierte sich wie die sprichwörtliche Jungfrau. „Hmmh, etwa um drei Millionen Gewinn, nach Abzug aller Unkosten...”

„Jahr für Jahr!”

„Und die müssen wir teilen...”

„Zwei zu eins, und Sie haben fast nichts dafür zu tun.”

„Na ja, also irgendwie...”

„Schauen Sie, wir reden über ein Gesamtvolumen von etwa vierzehn Milliarden. Milliarden! Die gehen dem Staat durch Umsatzsteuer-Manipulation verloren, steht in der Zeitung. Jedes Jahr!”

„Aber das ist doch nicht nur Ihre Gruppe! Gesamtvolumen, mag ja sein... In dem Bereich tummeln sich doch Tausende, bunte Fische aller Größe.”

„Wir denken auch noch weiter nach, über eine Expansion in EG-Subven­tionen zum Beispiel. Wenn unsere Zusammenarbeit bei der Umsatzsteuer klappt...” Der Interessent ließ offen, was dann wäre. Aber dies schien das letzte Zuckerstückchen zu sein, das der Bieter für seine Entscheidung brauchte.

Sergej gab sich überzeugt: „OK, dann machen wir das. Mit Vertrag?”

„Ihr Wort würde mir genügen, und so sollte es auch umgekehrt sein.”

„Na schön.”

Der Interessent hatte noch eine letzte Frage: „Übrigens, kennen Sie Morat?”

„Nein – wer soll das sein?”

„Schon gut, vergessen Sie es!”

Sergej Czazclik stand auf und klappte seine Zeitschrift zusammen. Sein Angebot war im Prinzip akzeptiert worden – mehr hatte er nicht erreichen sollen.

Dieses Aufbruchsignal nutzte der Interessent für einen kleinen Nachtrag: „Nebenbei: Ihre Methoden gefallen uns nicht besonders, sie könnten effizienter sein.”

Der Anbieter lächelte, aber seine Augen lächelten nicht mit. Solche Frechheiten musste er sich nicht bieten lassen. „Sie zahlen nicht für unsere Methoden. Sie zahlen für die Ergebnisse. Wir versuchen, keinen Staub zu machen, anders als Sie. Das unterscheidet uns.” Damit wandte er sich grußlos zu Gehen.

Der Interessent zog die Mundwinkel nach unten, entgegnete aber nichts. Stattdessen blieb er noch ein paar Minuten sitzen. Dann tat er so, als ob er fror und erhob sich ebenfalls ?­­ nicht sehr gut gespielt für einen kritischen Betrachter, hätte es einen gegeben.

Fünf Minuten, nachdem sie gegangen waren, war der Park wieder menschenleer. Nur der Gärtner zog weiter lustlos seine Runde.

Der Schnüffel-Chip

Подняться наверх