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Zwischen dem Königreich Frankreich und dem früheren Königreich Arelat
ОглавлениеHinsichtlich des Königreichs Arelat war die Situation dagegen eine andere. Das Königreich Arelat oder Königreich Burgund-Provence war eine politische Einheit, die spätestens Mitte des 13. Jahrhunderts jegliche politische Realität verloren hatte. Sicherlich war die Vorstellung einer Zugehörigkeit dieser Gebiete zum deutschen Reich nicht völlig verschwunden, aber das war dann auch schon alles.
Bei einer Untersuchung durch päpstliche Vertreter anlässlich des nicht realisierten Projektes des Verkaufs der Dauphiné an den Papst48 erklärte im Jahr 1339 ein Zeuge, der im Bezirk von Oisans lebte, dass dieses Gebiet früher Teil des Königreichs von Vienne gewesen sei und er die Münzen des letzen Herrschers dieses Königreichs gesehen habe.
Als der Herzog von Sachsen am 5. September 1281 der Überlassung des Königreichs Arelat als Reichslehen an den künftigen Schwiegersohn von Rudolf, Karl Martell von Anjou, zustimmte, schrieb er von dem Königreich Vienne oder Arelat, „das früher zum Reich gehörte und das immer noch als Reichslehen behauptet werden sollte“. Aufgrund der langen Vakanz, die es mehr als zweihundert Jahre erlebt habe, sei es aber so zerstückelt, dass die Erinnerung an seine Grenzen oder seine Rechte praktisch nicht mehr existiere49.
Karl IV. versuchte in den 1360er Jahren, der Vorstellung von der Zugehörigkeit des Königreichs Arelat zum Reich wieder Gehalt zu verleihen, indem er sich in Arles krönen ließ. Es war jedoch offensichtlich, dass das Königreich Arelat nicht mehr existierte, und auch Karl zog daraus die Konsequenzen, indem er Savoyen an das deutsche Königreich angliederte.
Das Königreich Arelat bildete folglich das perfekte Objekt für die dynastischen Ambitionen des mächtigen Nachbarn, der westlich der Rhône saß. Der König von Frankreich war vor allem daran interessiert, dort seine jüngeren Brüder unterzubringen. So landeten 1245 –1246 der König von Frankreich, Ludwig der Heilige, und seine Mutter Blanca von Kastilien einen Coup beim Tod des letzten Grafen der Provence aus dem Haus der Raymond-Bérengers, indem sie den jungen Bruder König Ludwigs mit Beatrix, der Erbin der Provence, verheirateten. Nachdem er sich so in der Provence niedergelassen hatte, suchte Karl von Anjou, seine Besitzungen in erheblichem Umfang zu vergrößern. Das Königreich Arelat war Teil seiner Ziele, und in den Jahren 1275 –1280 standen die Anjous kurz vor einem Abkommen mit König Rudolf, das zum Preis einer Hochzeit zwischen dessen Tochter Clementia und Karl Martell, dem Enkel Karls von Anjou, ihnen die Zuerkennung des Königreichs Arelat als erblichen Titel gebracht hätte, aber die Sizilianische Vesper von 1282 ließ alle Pläne scheitern. Das sizilianische Aufbegehren engte auf entscheidende und dauerhafte Weise die Handlungsspielräume der Anjous ein, und erneut war es der König von Frankreich selbst, der vom 13. Jahrhundert an auf das Königreich Arelat und seine verschiedenen Fürstentümer zu schielen begann. Das französische Königshaus erzielt in der Tat wichtige Erfolge; die Frage ist jedoch, ob das, was traditionellerweise als „zunehmender französischer Einfluss“ bezeichnet wird, nicht tiefergehend aus der dynastischen Politik herrührte.
Das Vivarais war auf der rechten Rhôneseite gelegen, weitgehend vom deutschen Reich abgeschnitten und von einem Bischof mit strukturell schwacher Herrschaftsgewalt, dem Bischof von Viviers, dominiert. Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass es sich nur geräuschlos in das französische Königreich integrieren konnte von dem Moment an, als der König den Grafen von Toulouse auf Linie gebracht und in Beaucaire einen Seneschall installiert hatte50. Seit den Jahren 1226 –1238 scheint der Seneschall Pérégrin von Latinier versucht zu haben, die Anerkennung der Oberhoheit des Königs von Frankreich zu erwirken. Die Krise des deutschen Reiches nach dem Tod Friedrichs II. und vor allem der Übergang der Provence an die Anjous sowie der erbliche Übergang der Grafschaft Toulouse zunächst an den Bruder des Königs Alfons von Poitiers, dann, nach dem Tod von Alfons 1271, an den König von Frankreich selbst, machten das Ende der territorialen Herrschaft des Bischofs von Viviers unvermeidbar. Hugo von La Tour du Pin, der 1263 Bischof geworden war, versuchte noch einmal, an die historischen Rechte des Reiches über sein Bistum zu erinnern, indem er sich auf eine Urkunde König Karls von der Provence aus dem Jahr 862 berief.
Papst Klemens IV. bekundete am 16. Juni 1268 seine persönlich gewonnene Überzeugung, das Vivarais gehöre zum Reich; Ludwig IX. ließ seinen Seneschall vorläufig zurückziehen, aber ab 1272 musste der Papst erneut intervenieren. Ein Brief von Rudolf von Habsburg an Philipp den Schönen, den man auf 1285 datieren kann, der aber auch nur eine Schreibübung gewesen sein könnte, forderte den König auf, seine Eingriffe zu Lasten der Kirche von Viviers zu unterlassen. Nichtsdestotrotz nahm der Bischof von Viviers am 1. April 1287 vom französischen König einige Herrschaften zu Lehen. Dies war der Moment, an dem der tatsächliche Übergang des Bistums unter die Kontrolle des Königs von Frankreich erfolgte. Ein Übereinkommen zwischen dem König von Frankreich und dem Bischof von Viviers von Januar/Februar 1306 bestätigte dann offiziell den Austausch der Wappen des Reiches durch jene des Königs im Siegel des Bistums und bestätigte die Steuerfreiheit seiner Bewohner.
Bei Lyon handelt es sich um einen komplexeren, aber im Grunde recht ähnlichen Fall.
Ende des 13. Jahrhunderts hatte sich das Reich schon seit langem aus Lyon zurückgezogen; es hatte seit mehr als einem Jahrhundert seine Souveränität nicht mehr ausgeübt51. Im selben Kontext weitete der König von Frankreich seine Autorität über die Stadt aus; auch hier ist der entscheidende Faktor weniger im Expansionswillen des Herrschers zu sehen, der auf jeden Fall bis in die 1290er Jahre seltsam reserviert erscheint, als in den inneren Konflikten im Erzbistum zwischen Bürgern, Domkapitel und Erzbischof. Die Bürger bevorzugten offenbar die Herrschaft des Königs vor der des Domkapitels. 1307 anerkannten Erzbischof wie Domkapitel die königliche Machtstellung in der Stadt. In dem 1312 geschlossenen Vertrag zwischen dem König und dem Erzbischof erkannte dieser faktisch die Integration Lyons in das französische Königreich an. Das Eingreifen des Reichs beschränkte sich auf eine folgenlose Prahlerei Heinrichs VII. in einem Brief an Philipp den Schönen anlässlich der Kaiserkrönung.
Wenn das Vivarais und Lyon als territoriale Erwerbungen des französischen Königreichs betrachtet werden können, ist die Franche-Comté52 das Objekt einer klassisch-dynastischen Politik von Seiten des Königs von Frankreich, der versuchte, die Territorien zu vermehren, die an seine Erben übergehen würden; es wäre falsch, hierin die Auswirkungen eines Willens zur Vergrößerung des Königreichs zu sehen.
Infolge der Heirat von Beatrix, der Tochter von Graf Rainaud III., mit Kaiser Friedrich I. war die Grafschaft an einen jüngeren Sohn Barbarossas gefallen, Otto I.; dieser Übergang hatte jedoch die Gegnerschaft eines guten Teils des Adels hervorgerufen. Auf Otto I. folgten sein Schwiegersohn Otto II. von Meran und dessen Sohn Otto III., nach der Ermordung Ottos 1248 folgte ihm seine Schwester Alix, die Gemahlin Hugos von Chalon, nach, die die Grafschaft an seinen ältesten Sohn, Otto IV., übertrug. Otto IV. heiratete Mahaut von Artois. Im Jahr 1291 schloss Otto, der bis zum Hals in Schulden steckte, jedoch mit Philipp dem Schönen den Vertrag von Evreux ab; er vollendete anschließend die Übereinkunft mit dem Vertrag von Vincennes von 1295, mit dem er seine älteste Tochter Johanna mit einem Sohn Philipps des Schönen verlobte. Ferner verpflichtete er sich, die Grafschaft an seinen künftigen Schwiegersohn abzutreten, falls er ohne Söhne sterben würde, und er überließ bereits jetzt die Leitung der Grafschaft dem König von Frankreich gegen eine gewichtige Entschädigung. Die Abtretung löste eine Rebellion des Adels in der Grafschaft aus, angeführt vom jüngeren Zweig der Grafen von Chalon. Schließlich heiratete Philipp der Lange, ein jüngerer Bruder Philipps des Schönen, Johanna. Als er unerwartet den Königsthron bestieg, wurde er auch Graf von Burgund. Aber er starb 1322 und hinterließ nur drei Töchter. Als Johanna, die Tochter Ottos IV. und Mahauts, ebenfalls starb, folgte im Erbgang seine älteste, mit dem Herzog von Burgund Odo IV. (1315 –1349) verheiratete Tochter, die die Grafschaft gleichzeitig mit dem Artois erbte. Das Herzogtum und die Grafschaft Burgund waren somit unter derselben Herrschaft vereint. Nach dem Tode Odos erbte sein Enkel Philipp IV. (von Rouvres) das gesamte Territorium, bestehend aus dem Artois, dem Herzogtum und der Grafschaft Burgund; aber er starb am 21. November 1361 ohne Erben. Während König Johann der Gute das Herzogtum Burgund beschlagnahmte, um es schnell an seinen Sohn Philipp den Kühnen weiterzugeben, fielen das Artois und die Grafschaft der Großtante des Verstorbenen, Margarete, als letzter Enkel von Otto IV. und Mahaut zu, trotz einer Urkunde Kaiser Karls IV., die Philipp den Kühnen am 15. Januar 1362 in der Grafschaft Burgund einsetzt. Margarete gelang es jedoch, siegreich aus dem darauf folgenden Krieg hervorzugehen. Als die Gräfin im Mai 1384 starb, hinterließ sie das Erbe ihrem Sohn Ludwig von Male. Dieser überließ nach seinem Tod 1384 seine Gebiete seinem Schwiegersohn, dem Herzog von Burgund, Philipp dem Kühnen. Die Grafschaft war also erneut mit dem Herzogtum Burgund vereinigt, vor allem aber war sie in die territoriale und politische Einheit integriert, die den Etat bourguignon bilden sollte.
Nach dem Tod Karls des Kühnen im Januar 1477 gelang es dem König, nicht ohne Schwierigkeiten und ohne Widerstand eines Teils des Adels in der Grafschaft, sich des Landes zu bemächtigen. Der Vertrag von Arras von 1482 beließ Ludwig XI. seine militärischen Erwerbungen, darunter die Grafschaft von Burgund, die Teil der Mitgift von Maximilians Tochter, Margarete, war, die den Thronfolger heiraten sollte. Nach dem Bruch des Heiratsversprechens im Jahr 1491 überließ der Vertrag von Senlis vom 24. Mai 1493 die Grafschaft Burgund den Habsburgern.
Die Bemühungen des Königs von Frankreich, die Franche-Comté in das Königreich „einzugliedern“, waren in Wirklichkeit sehr begrenzt geblieben. Jedenfalls hatte der Adel des Landes mehrheitlich eine Wahl getroffen sowohl bezüglich der Erbdynastie, das heißt von da an zugunsten der Habsburger, als auch bezüglich der alten staatlichen Zugehörigkeit, das heißt zugunsten des Reiches53.
Die Dauphiné54 war Teil des Königreichs Burgund-Provence und somit des Reiches: Noch 1291, als in Morat kirchliche und weltliche Herren aus dem Königreich Arelat ihre Treue zum Römischen König bestätigen kamen, war der Dauphin Humbert unter ihnen. In der päpstlichen Untersuchung von 1339 nahmen einige Zeugen Bezug auf diese Abhängigkeit. Wilhelm von Cornet, der Pfarrer von Morestel, erklärte gehört zu haben, dass der Dauphin ein Vasall des Kaisers sei. Wenn es nur einen echten Kaiser gegeben hätte, so seine Aussage weiter, hätte der Dauphin ihm für die Dauphiné den Lehnseid leisten müssen. Aber Richard Blanchi, der Kastellan von Allevard, wusste zu diesem Thema die folgende Anekdote zu berichten: Der Dauphin Johann II., der von Kaiser Heinrich VII. aufgefordert worden war, zu ihm zu kommen, hatte sich geweigert, obwohl er nur zwei Meilen vom kaiserlichen Hof entfernt war, und hatte sich in die Dauphiné zurückgezogen.
Der Übergang an den König von Frankreich 1343 –1349 ist das Ergebnis einer Reihe von weitgehend zufälligen Ereignissen. Der Dauphin Humbert II. hatte seinen einzigen Sohn im Oktober 1335 verloren; von Schulden geplagt, kam er auf die Idee, seine Güter zu verkaufen. 1337 bot er sie Robert an, dem König von Sizilien und Grafen der Provence, aber dieser hielt den Preis für übertrieben und der Handel kam nicht zustande. Ein erneuter Versuch beim Papst 1338 –1339 scheiterte ebenso. Der König von Frankreich war dagegen sehr interessiert an der Ausdehnung seines Einflusses in dieser Region. 1335 bemächtigte er sich der Stadt Sainte-Colombe auf dem rechten Ufer der Rhône, gegenüber von Vienne, die Teil der Grafschaft Vienne war und daher unter der Herrschaft des Erzbischofs und des Dauphins stand; trotz ihrer Proteste mussten sie nachgeben. Die königlichen Amtsträger ließen einen Turm am Kopf der Brücke errichten, die die Rhône überquerte, um Vienne mit Sainte-Colombe zu verbinden. Sobald die Operation durchgeführt war, begann der König, seine Position zu konsolidieren, indem er die wichtigsten Landherren der Dauphiné an sich band. Er bewilligte zahlreiche Lehensübertragungen, vor allem zugunsten enger Berater des Dauphins wie Amblard von Beaumont. Vor allem besaß er die Treue eines beim Dauphin sehr einflussreichen Mannes, des Erzbischofs von Lyon, Heinrich von Villars.
Die Erwerbung erfolgte in mehreren Etappen. Einem am 23. Februar 1343 in Villeneuve-les-Avignon aufgesetzten Vertrag zufolge verpflichtete sich Humbert, sollte er ohne Erben sterben, die Dauphiné an Philipp, den zweiten Sohn des Königs von Frankreich, oder an einen der Söhne des Herzogs der Normandie, des künftigen Johann des Guten, abzutreten. Die Dauphiné blieb ein autonomes Fürstentum und behielt ihre Identität. Es wurde nur schlicht und einfach die alte fürstliche Linie durch eine neue ersetzt. Ein neuer (geheimer) Vertrag vom 7. Juni 1344 setzte dann den Herzog der Normandie und seine Söhne an Philipps Stelle.
Bei seiner Rückkehr vom Kreuzzug fügte sich Humbert II. darein, sein Fürstentum sofort dem ältesten Sohn des Königs abzutreten. Das war der Inhalt des am 30. März 1349 geschlossenen Abkommens von Romans. Zur gleichen Zeit verkündete der Dauphin das Statut Delphinal, beinhaltend die Rechte und Freiheiten, auf die sich von nun an die Identität der Dauphiné gründen sollte. Am 16. Juli 1349 fand die Zeremonie statt, in deren Verlauf Humbert offiziell seine Ländereien an den Sohn des Herzogs der Normandie übergab. Woraufhin dieser schwor, das Statut Delphinal zu respektieren.
Die Kaiser waren in dieser Angelegenheit nicht völlig untätig geblieben. Schon im März 1335, als der König von Frankreich die Operation von Sainte-Colombe beendete, hatte Ludwig von Bayern einen Vertreter zum Dauphin Humbert II. entsandt, um diesen an seine Oberhoheit zu erinnern. 1346 hatte der neu gewählte Karl IV. Humbert II. in einem Brief angeboten, ihm seine Privilegien zu bestätigen, was auch eine Art war, diesen an seine Autorität zu erinnern. Weil der Dauphin am Kreuzzug teilnahm, war es der Erzbischof von Lyon, Heinrich von Villars, der eine höfliche, aber abwartende Antwort verfasste. Im Dezember 1356 erinnerte Karl IV. den künftigen Karl V. auf der Reichsversammlung in Metz an seine Autorität über die Dauphiné und verpflichtete ihn, den Treueid zu leisten, aber übertrug ihm auch das Reichsvikariat in der Dauphiné. Die Krönung in Arles änderte nichts an der Situation, und 1378 übertrug Karl IV. dem künftigen Karl VI. das Reichsvikariat über das gesamte Königreich Arelat.
Die Könige von Frankreich zögerten jedoch lange, die Dauphiné als ein französisches Gebiet zu betrachten. Noch 1453 befahl der Dauphin Ludwig, der künftige Ludwig XI., im Konflikt mit seinem Vater seinem Juristen Mathieu Thomassin, Dokumente zusammenzutragen, die beweisen sollten, dass das Land unter der vollen Souveränität des Dauphins stand. Das Unternehmen blieb ohne Folgen55. Ein Jahrhundert enger Verbundenheit hatte die Integration der Dauphiné in das französische Königreich unmerklich vorbereitet. Als der Augsburger Patrizier Sebastian Ilsung 1446 auf dem Weg nach Santiago de Compostela durch die Dauphiné kam, hatte er keinen Zweifel: Die Dauphiné, das ist Frankreich.
Der Tod des letzten Grafen der Provence aus der katalanischen Dynastie, Raimund Berengar V., hatte die Nachfolge seines Schwiegersohns Karl von Anjou, des Gatten seiner vierten Tochter und zugleich Bruders des Königs, ermöglicht. Diese erste angevinische Dynastie hielt sich bis 1380/1382 auf dem Thron der Provence, als Ludwig I. von Anjou, der Bruder König Karls V. und Gründer des zweiten Hauses Anjou, von Königin Johanna adoptiert wurde. Diesem zweiten Haus Anjou gelang es, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, die provenzalische Erbschaft anzutreten. Sie behielt sie bis zum Tod König Renés 1481; dieser wurde von König Ludwig XI. verpflichtet, sein Herzogtum Provence an seinen Neffen Karl von Maine und nicht an seinen Enkel, Herzog René von Lothringen, abzutreten. Karl III. starb am 11. Dezember 1481 und vermachte sein Herzogtum an den König von Frankreich. Die Provence wurde von nun an ins französische Königreich integriert.
Im 14. und 15. Jahrhundert blieben einige Gebiete zwischen dem französischen und dem deutschen Königreich in der Schwebe, und zuweilen wurden Klagen laut, wenn ein und derselbe Fürst ein Fürstentum regierte, das zum Teil im Königreich Frankreich, zum Teil im deutschen Reich lag. Der betroffene Fürst, der Graf von Flandern zum Beispiel, konnte versuchen, sich auf diesem Umweg der königlichen Autorität zu entziehen, ein Bestreben, wogegen die königlichen Juristen vorzugehen versuchten56. Aber im Großen und Ganzen hatte sich die Grenze seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts nicht verändert und sie wurde immer noch als unantastbar angesehen.
Der schon lange fortgeschrittene Verfall des Königreichs Arelat als politische Einheit und der mehr und mehr symbolische Charakter seiner Zugehörigkeit zum Reich hatten es dem König von Frankreich ermöglicht, das Vivarais und vor allem das Erzbistum Lyon ins Königreich zu integrieren, so gespalten wie es war zwischen den verschiedenen Interessen der Bürger, des Domkapitels und des Erzbischofs. Anderswo hatten die Könige von Frankreich eine klassische dynastische Politik betrieben, die nicht auf eine Erweiterung der Grenzen des französischen Königreichs abzielte, zumindest nicht vor den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts. Sie war in jedem Fall nicht gegen das Reich gerichtet57. Selbst der erste Akt der großen Auseinandersetzung zwischen dem französischen Königshaus und den Habsburgern anlässlich der Aufteilung des burgundischen Reiches zwischen 1478 und 1492 führte zu einer zumindest formellen Anerkennung der alten Grenzen; Ludwig XI., der gezeigt hatte, dass er bereit war, diese Ordnung umzustoßen, musste weitgehend zurückweichen. Umgekehrt verpflichtete sich Philipp der Schöne noch 1498 im Vertrag von Paris, dem König von Frankreich für die Grafschaften Flandern und Artois den Lehnseid zu leisten.
Am Ende des 15. Jahrhunderts wird jedoch deutlich, dass die dynastische Politik und die Politik der Vergrößerung des nationalen Territoriums mehr und mehr zusammengehen; die Beispiele der Dauphiné und der Provence zeigen es. Von einer bewussten Politik zur Vergrößerung des Königreichs im 14. bis 15. Jahrhundert auf Kosten des Reiches zu reden, wäre jedoch eine Fehlinterpretation. Die Untersuchung der politischen Beziehungen zwischen beiden Königreichen wird das bestätigen.