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Der Niedergang der Messen
ОглавлениеAn der Wende zum 14. Jahrhundert verloren die Messen rasch ihre Bedeutung und ihr Niedergang war bereits um 1320 vollendet.
Die königlich-französische Politik, die den Messehandel der Deutschen störte, spielte dabei eine Rolle: Das Privileg von 1294 erinnerte die Zöllner des Königreichs Frankreich daran, dass die Lübecker, die sich mit in Deutschland gekauften Waren zu den Messen der Champagne begaben, den Weg ihrer Wahl benutzen durften; dagegen mussten sie für die in Flandern gekauften Waren die Straße von Bapaume nutzen. Das war bereits ein Indiz für den Willen, den Handel mit Produkten aus Flandern zu kontrollieren. Als Flandern nach 1302 gegen den Herrscher revoltierte, knüpfte Philipp IV. die den Hansekaufleuten eingeräumten Privilegien an die Bedingung, keine flämischen Produkte in Frankreich einzuführen. Philipp beabsichtigte, den flämischen Handel zu blockieren, während er die Energie und das wirtschaftliche Kapital der Deutschen in sein restliches Königreich umleitete. Dies bedeutete, die Interessen der deutschen Händler zu ignorieren, deren wirtschaftliche Verankerung in Flandern vorrangig blieb, bei den Osterlingen ebenso wie bei den Rheinländern. Erst unter Karl IV. wurden diese Zwänge wieder abgeschafft, deren hauptsächliche Konsequenz es war, dass die Ausländer von den französischen Märkten fernblieben, ohne jedoch die damaligen Schwierigkeiten in der Champagne zu beheben.
Die wichtigsten Ursachen des Niedergangs lagen jedoch woanders: Die Messen der Champagne waren der Treffpunkt zwischen den Niederlanden, Deutschland und den Mittelmeerländern gewesen; ihr Niedergang zu Beginn des 14. Jahrhunderts war bedingt durch die Verlagerung der Handelswege, die sich aus der Öffnung neuer Alpenübergänge und der Ausweitung der Mittelmeerschifffahrt bis in englische und niederländische Häfen ergab.
Gleichzeitig entwickelte sich eine andere Struktur des internationalen Handels und andere Umschlagplätze erlangten Bedeutung. Auf der alten Nord-Süd-Route wurde Chalon-sur-Saône wichtig: Die Besucher kamen hierher aus den benachbarten Regionen Frankreichs, aus den Niederlanden, aus Italien und aus dem Reich. Die Messen von Chalon verloren allerdings im 15. Jahrhundert zugunsten von Genf wieder an Bedeutung. Die Genfer Messen sind seit 1262 nachgewiesen, und sie ersetzten im 14. Jahrhundert weitgehend die Messen der Champagne, um zum privilegierten Treffpunkt der italienischen Händler für deren Geschäfte mit den Ländern nördlich und westlich der Alpen zu werden. Von der Belebung einer west-östlichen Handelsachse seit dem 14. Jahrhundert, die Oberdeutschland und Südfrankreich wie auch die iberische Halbinsel miteinander verband, profitierten die Genfer Messen ebenso wie von der Tatsache, dass der Hundertjährige Krieg die Straßen im Westen nicht gerade sicher machte.
Weiter im Norden waren es Köln, Dortmund und Frankfurt, die gewannen. Die Messen in Köln verkamen allerdings seit dem 14. Jahrhundert zu einem einfachen Jahrmarkt, der am zweiten Freitag nach Ostern stattfand; de facto war die Bedeutung der lokalen Händler zu stark und das Kölner Stapelrecht zu abschreckend, als dass sich eine große Messe hätte entwickeln können. Frankfurt dagegen hatte 1240 dank eines Privilegs Friedrichs II. die Einrichtung seiner Herbstmesse erreicht; 1330 erhielt es die Privilegien für eine zweite Messe in der Fastenzeit. Die Frankfurter Messen spielten eine wichtige Verteilerrolle für das deutsche Reich, fanden sie doch im Herzen eines Gebietes statt, dessen Pole Antwerpen, Breslau, Prag, Wien und Venedig waren81. Die wirtschaftliche Einflusszone Frankfurts reichte tatsächlich weitgehend bis zu den Grenzen des Reiches: Im Westen sind Trier und Metz zum ersten Mal 1339 und 1340 nachgewiesen; erst im 15. Jahrhundert treten französische Städte in Erscheinung.
Köln und Frankfurt fügten sich somit in eine neue transkontinentale Achse ein, die durch das Rheintal, Oberdeutschland und die italienischen Pässe Italien mit den Niederlanden verband. Die Messen der Champagne hatten somit jegliche internationale Bedeutung verloren und zogen keine deutschen Händler mehr an.
Ihre Bedeutung als Finanzplatz nahm nach dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts ebenfalls ab. Das Beispiel der Herzöge von Lothringen und Grafen von Bar, Lehnsherren des Reiches in der Nähe der Messen, soll genügen, um dies zu veranschaulichen: Von der wachsenden Höhe ihrer Ausgaben zur Kreditaufnahme gezwungen, hatten sie sich während des 13. Jahrhunderts an Bankiers aus Metz, aber auch an italienische Finanziers gewandt, die auf den Champagne-Messen vertreten waren. Nach 1328 waren es die Bankiers aus Metz, die allein ihre Hauptgläubiger wurden, bis sich ab 1370 der Niedergang der Metzer Banken bemerkbar machte.
Der Niedergang der Messen in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts war brutal und provozierte den Weggang der meisten Deutschen. Aus Abrechnungen der Grafschaft Champagne von 1323 und 1340 scheint hervorzugehen, dass die Vermietung und Nutzung des alten Hauses der Deutschen in Bar-sur-Aube nicht mehr wirklich dem ursprünglichen Zweck entsprach und dass sich die Deutschen nur noch episodisch in Bar aufhielten. Genauso verhält es sich mit der maison aux Allemans in Troyes: Bei der Saint-Rémy-Messe 1319 brachte das Haus überhaupt nichts und die Ursache dafür wird genannt: „Es gab keinen Händler“.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Deutschen und die Hansekaufleute die Champagne und die Straßen, die dorthin führten, für immer verlassen hätten. Dass die Bindungen zwischen Köln und Reims fortbestanden, ist durch die definitive Niederlassung von Kölnern in der Stadt in der Champagne im Lauf der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bewiesen. Eine Reihe von Rheinländern benutzten noch die Messestraßen, um Frankreich in Richtung Paris oder Normandie zu durchqueren; man kennt den Fall des Deutschen Matthieu Cheval, der seine Tuche in Troyes wie in Lendit oder 1461 auch in Dieppe kaufte82. Aber das ist nur eine schwache Erinnerung an die einstige Bedeutung.