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2.1. Die Chronologie der Bündnis- und Freundschaftsverträge58

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Die Beziehungen zwischen den Königen von Westfranzien, aus dem Frankreich geworden ist, und den Königen von Ostfranzien, aus dem sich das Römische Reich entwickelt hat, waren eng gewesen, als die beiden aus der karolingischen Tradition hervorgegangenen Königreiche sich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts definitiv trennten und in gewisser Weise zur Kenntnis nahmen, dass sie voneinander unabhängige Königreiche mit denselben Rechten geworden waren. Eine ganze Serie von Treffen der Herrscher illustriert diese Enge ihrer Beziehungen. Danach kam es erst wieder unter den Staufern zu persönlichen Treffen. Das „Loch“ dazwischen erklärt sich zunächst aus der Tatsache, dass sich die beiden politischen Gebilde definitiv voneinander getrennt hatten; zudem wurden beide mit schweren inneren Problemen konfrontiert.

Mit der zunehmenden Behauptung des französischen Königs im Innern seines Königreichs und der Wiederherstellung der kaiserlichen Macht durch Friedrich I. Barbarossa lebten die Kontakte wieder auf, zunächst unter schwierigen Vorzeichen und in einem Kontext des Misstrauens und starker Rivalität. Es war das Zusammentreffen von 1171 zwischen Vaucouleurs und Toul, das die Annäherung zwischen dem König von Frankreich und dem Kaiser markierte und die erste von sieben Phasen einläutete, die man in den Beziehungen zwischen den beiden Königreichen im Laufe unserer Periode unterscheiden kann. Von den 1170er bis zu den 1230er Jahren fanden verschiedene Treffen zwischen den deutschen und den französischen Herrschern statt. So waren es 1212 der Sohn von Philipp August, der künftige Ludwig VIII., und Friedrich II., die sich nahe Vaucouleurs trafen. Die Schlacht von Bouvines 1214 ist eine Folge dieses Zusammentreffens.

Was auf diese Weise entstanden war, war klar und deutlich ein dynastisches Bündnis Kapetinger-Staufer, gerichtet gegen die gegengleiche Allianz Welfen-Plantagenêts. Dieses Bündnis war eine Art Grundpfeiler der Politik dieser beiden Dynastien geworden und es wurde bei jedem Herrscherwechsel im Königreich erneuert. Sieben Freundschaftsverträge wurden also von 1187 bis 1232 zwischen den Kapetinger- und den Stauferherrschern geschlossen. Aufgesetzt auf einem Formular, das sich nur wenig veränderte, handelte es sich um einen echten Sicherheitspakt zwischen zwei Herrschern, ergänzt um einen Beistandspakt gegen gemeinsame Gegner.

In einer zweiten Periode, die vom Abschluss des letzten Paktes im Jahr 1232 bis 1294 dauerte, gab es keinen Vertrag zwischen den französischen und den deutschen Herrschern; ein von Richard von Cornwall im Mai 1258 unternommener Versuch blieb von Ludwig dem Heiligen unbeantwortet, der wenig bestrebt war, sich im Konflikt um den deutschen Thron zu engagieren. Diese Abwesenheit von Freundschafts- und Bündnispakten spiegelt jedoch keine wachsende Spannung zwischen beiden Herrschern wider. Vielmehr resultiert sie daraus, dass das Bündnis Plantagenêts-Welfen keine Gefahr mehr für die beiden Herrscher darstellte.

Diese Situation änderte sich grundlegend mit der Erhebung Adolfs von Nassau zum Römischen König 1292. Der König von Frankreich, dessen Beziehungen zum englischen König sich auf einen Krieg hin entwickelten, fürchtete erneut ein Bündnis sozusagen in seinem Rücken zwischen dem englischen und dem deutschen König. Er musste dem eine eigene Allianz entgegenstellen, und natürlich suchte er sie bei dem Hauptgegner Adolfs von Nassau, Herzog Albrecht von Habsburg, in Form eines dynastischen Paktes Kapetinger-Habsburger. Dieses Bündnis stand am Beginn einer langen Periode, in der die Könige von Frankreich erneut eine aktive Politik in Richtung des Reiches betrieben. Aber diese Politik war in erster Linie von einem defensiven Willen getragen, waren die französischen Herrscher doch geradezu besessen von der Idee, die von ihren englischen Widersachern unternommenen Versuche zu unterbinden, im Reich einen Bündnispartner gegen den König von Frankreich zu finden. So schloss Philipp der Schöne sofort nach dem Ausbruch des anglo-französischen Konflikts 1293 eine Reihe von Vasallenpakten mit verschiedenen Fürsten und Herren des Reiches. Diese Reihe wurde unterbrochen, als die beiden Könige von Frankreich und England einen Waffenstillstand schlossen und vor allem ein Bündnisvertrag zwischen Philipp dem Schönen und Albrecht von Österreich zustande kam. Die Bestrebungen wurden jedoch ab 1303 fortgesetzt, als sich der Konflikt zwischen dem König von Frankreich und dem Papst verschärfte. Eine neue Reihe von Fürsten und Herren des Reiches traten nun in den Dienst des französischen Königs oder in ein Bündnis mit diesem ein.

Die gesamte erste Hälfte des 14. Jahrhunderts steht im Zeichen der Bemühungen des Königs von Frankreich, die Gefahr eines Bündnisses zwischen den Königen von England und Deutschland abzuwenden. Folgerichtig versuchte Philipp der Schöne mit mehr oder weniger großem Erfolg, einen Freundschafts- und Bündnisvertrag von König zu König zuerst mit Albrecht I., dann mit Heinrich VII. abzuschließen, um sich jeglicher Sorge bezüglich des Kaisers und der deutschen Fürsten zu entledigen.

Auch die Versuche des Königs von Frankreich, die Kaiserkrone zu erlangen, muss man zumindest teilweise aus dieser Perspektive heraus verstehen. Der Gewinn der Kaiserkrone für sich selbst oder für einen nahen Verwandten hätte es dem König von Frankreich erlaubt, das politische Spiel in Deutschland besser zu beherrschen. Der Versuch von 1273 war in dieser Hinsicht nur ein erster Versuchsballon, bei dem der König von Frankreich auf Anstoß seines Onkels Karl von Anjou handelte. Die Versuche von 1308, 1313 –1314 und in den 1320er Jahren scheinen hingegen von einem echten Willen zum Erfolg getragen zu sein.

Parallel dazu, zugleich als Unterstützung dieser Politik wie als Garantie im Fall ihres Scheiterns, betrieben die Könige von Frankreich eine Hegemonialpolitik an der Grenze zum Reich etwa gegenüber den Bischöfen und Städten Verdun und Toul oder gegenüber den Herzögen von Lothringen. Sie versuchten mit unterschiedlichem Erfolg, die Wahlen der rheinischen Erzbischöfe zu kontrollieren, um diese zu ihren Klienten zu machen. Sie schlossen auch Bündnisse mit den großen Fürstenhäusern des Reiches, den Habsburgern (1324) und vor allem, ab 1322, den Luxemburgern.

Diese Bemühungen stehen gewiss in einem Kontext steigender Spannungen mit der englischen Krone, aber ohne dass die englische Gefahr aufgrund der Schwäche der englischen Monarchie während der Regierung Eduards II. sehr groß gewesen wäre. Dies erlaubte es den französischen Königen, gegenüber dem Reich eine spürbar energischere Politik zu treiben als nötig gewesen wäre, um die Bedrohung durch ein Bündnis zwischen dem englischen König und dem deutschen König oder deutschen Fürsten abzumildern.

Nach der umstrittenen Thronbesteigung Philipps VI. im Jahr 1328 und vor allem nach der kraftvollen Rückkehr einer englischen Offensivpolitik infolge der Thronbesteigung Eduards III. musste sich die Politik der französischen Könige wieder stärker defensiv ausrichten. Seit 1332, in Zusammenhang mit seinem eklatanten Bruch mit dem rührigen Robert von Artois, bemühte sich der König von Frankreich, freilich ungeschickt, die Manöver des englischen Königs in den Niederlanden zu verhindern. 1337–1338 wuchs die Gefahr, als Ludwig der Bayer im Juli 1337 die Verhandlungen mit dem französischen König abbrach, um sich mit dem König von England zu verbünden, der gerade dabei war, Bündnisse mit zahlreichen Fürsten und Herren der Niederlande und des Reiches zu schließen59. Die Antwort des Königs von Frankreich bestand darin, selbst Bündnisse mit Partnern im Reich zu suchen: mit seinen beiden alten Verbündeten, den Bischöfen von Lüttich und Metz, mit den Friesen, mit König Johann von Böhmen, der sich als sein engster und beständigster Alliierter im Reich erwies und auch seinen Schwiegersohn, Herzog Heinrich von Niederbayern, in das französische Bündnis drängte, mit den Habsburgern, aber ohne dauerhaften Effekt, ebenso wie mit einer Reihe anderer, weniger wichtiger Adliger.

Philipp VI. gelang es schließlich, Kaiser Ludwig den Bayern vom Bündnis mit dem König von England abzubringen, und er konnte mit ihm einen Freundschaftsvertrag schließen (1340 –1342); infolgedessen konnte er auch seine Allianz mit mehreren wichtigen Fürsten erneuern, vor allem den rheinischen Kurfürsten. Im Gegenzug erleichterte Philipp VI. 1346 –1347 die Übernahme des Erbes von Hennegau-Holland durch die Wittelsbacher. Auf diese Allianz gestützt, hatte es der König von Frankreich einige Jahre lang nicht mehr nötig, eine aktive Bündnispolitik gegenüber dem Reich zu betreiben.

Nach dem Tod Ludwigs des Bayern 1347 und der Anerkennung Karls IV. als Römischer König war die Gefahr einer Allianz der beiden Könige von Deutschland und England wieder gegeben. Daraus resultierten zunächst verschiedene Verträge mit deutschen Fürsten zwischen Mai 1347 und 1356. Aber nach schwierigen Verhandlungen zwischen den Häusern von Frankreich und Luxemburg wurde im Jahr 1356 das Bündnis, das einige Jahre vorher mit den Luxemburgern geschlossen worden war, als dauerhafter Bündnisvertrag zwischen den Königen von Frankreich und Deutschland erneuert. Zwar verzichteten die Könige von England nach 1356 und bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts sicherlich nicht darauf, mit den Herrschern des Reiches und/oder einigen großen deutschen Fürsten eine Allianz zur gegenseitigen Absicherung einzufädeln. Aber die dauerhafte Besetzung des deutschen Throns durch die Luxemburger und die Festigkeit des Bündnispaktes der beiden königlichen Häuser von Frankreich und Luxemburg/ Böhmen erlaubten es dem König von Frankreich, sich darum keine allzu großen Sorgen zu machen. Die Häufigkeit der Freundschafts- und/oder Vasallenverträge zwischen dem König von Frankreich und deutschen Fürsten sank jedenfalls im Zeitraum 1356 –1378 bemerkenswert, auch wenn der König über den Umweg von Rentenlehen noch bewaffnete Männer in Deutschland rekrutierte.

Die Festigkeit und Wirksamkeit der Allianz zwischen den beiden Königshäusern von Frankreich und Luxemburg-Böhmen wurde jedoch vom Ende der 1370er Jahre an durch den Beginn des Großen Schismas, die Hochzeit von Wenzels Schwester mit Richard II. und dann, nach und nach, durch den Verlust von Wenzels Einfluss im Reich auf die Probe gestellt. Der Gründungsvertrag von 1356 wurde weiterhin ständig erneuert, aber dieses Bündnis entband den französischen König nicht länger davon, erneut eine aktive Bündnispolitik im Reich zu betreiben. Diese zielte auf den Erzbischof von Köln, Friedrich von Saarwerden, und seinen Bruder Heinrich, den Grafen Adolf von Kleve, den Grafen Engelbert von der Mark, den Pfalzgrafen bei Rhein, hier allerdings ohne Erfolg, den Herzog Wilhelm von Geldern-Jülich ebenso wie seine Söhne und treuen Verwandten, den Habsburger Leopold III., die Wittelsbacher in Bayern und Hennegau-Holland, den Grafen Arnold von Blankenheim und verschiedene andere Adlige wie Eberhard I. von Eppstein oder Bruno von Rappoltstein.

Diese Liste von Fürsten und Adligen zeigt deutlich, dass die Politik in Richtung des Reichs mehr und mehr die Angelegenheit des Herzogs von Burgund und Grafen von Flandern, Philipps des Kühnen, war, eines Onkels des neuen Königs Karl VI. Zu Beginn erwies sich der Herzog tatsächlich als wirksames Relais der Politik des französischen Königs. Es ist allerdings klar, dass diese Politik auch von seinen eigenen burgundischen dynastischen Interessen geleitet wurde. Philipp war es, der die Hochzeit des Königs von Frankreich mit der Prinzessin aus dem Hause Bayern, Elisabeth/Isabeau, bewerkstelligte, und es waren offensichtlich vor allem die territorialen Interessen des Herzogs von Burgund in den Niederlanden, die ihn zu einer engen Allianz mit den Wittelsbachern trieben. Er verheiratete seinen eigenen Sohn Johann ohne Furcht mit Margarete, der Tochter Albrechts von Bayern-Hennegau, und seine Tochter Margarete mit Wilhelm von Osterbant, den Sohn Albrechts von Bayern. Ebenso ist der königliche Kriegszug gegen den Herzog von Geldern 1388 eine Konsequenz aus dem Bündnis des Herzogs von Burgund mit Brabant.

Ende des 14. Jahrhunderts entschied Ludwig von Orléans, der große Rivale Philipps des Kühnen und Bruder des Königs, diese burgundische Politik zu durchkreuzen. Dies erwies sich als ein letzter und sehr gefährlicher Destabilisierungsfaktor der französischen königlichen Politik gegenüber dem Reich, während das französische Königtum zugleich mehr und mehr von den sich wiederholenden Anfällen von Wahnsinn des Herrschers paralysiert war. Das Bündnissystem, das seit 1356 funktioniert hatte, aber dessen Grenzen bereits seit Beginn der 1380er Jahre offenbar wurden, ist dann in den Jahren 1400 –1410 an den Folgen verschiedener Faktoren buchstäblich explodiert: Der Pakt der Häuser Frankreich und Luxemburg-Böhmen erfüllte seine Rolle nicht mehr, sei es, weil die Luxemburger 1400 die Krone des Römischen Königs verloren, sei es, weil Sigismund sich dem englischen Bündnis zuwandte. Vor allem die Lähmung der königlichen Macht in Frankreich und der drohende Bürgerkrieg verhinderten praktisch die Entwicklung einer kohärenten Politik seitens der französischen Könige. Die dynastische Politik Burgunds und Orléans’ erhielt Vorrang vor der traditionellen königlichen Defensivpolitik in Deutschland, die darauf abzielte, das Risiko eines Bündnisses des englischen Königs mit dem deutschen König oder den deutschen Fürsten zu mindern. Die Politik des Herzogs von Orléans, die gegen die burgundische Politik gerichtet war, erwies sich als sehr aktiv: Bündnis mit Wenzel 1398, massive Gewinnung von Vasallen im Nordwesten Deutschlands, zunächst im Jahr 1398, dann noch stärker 1400 –1402 sowie 1405, gegen König Ruprecht gerichtete Bündnisse. Diese Politik zielte auf die Gewinnung von Reichsgebiet (Luxemburg) und vielleicht sogar auf den Erwerb der Königswürde ab. Die Konkurrenz zwischen Orléans, Burgund und England zeigt sich beispielhaft anhand der Bemühungen aller drei Mächte, sich eine Allianz mit Herzog Adolf II. von Kleve zu sichern. In dieser Situation der Schwäche, ja sogar des Verschwindens der königlich-französischen Politik wurde die Gefahr eines gegen Frankreich gerichteten Bündnisses erneut akut. Ruprecht I. schloss einen Bündnis- und Heiratsvertrag mit dem neuen Lancaster-König Heinrich IV. Auch Sigismund ging nach anfänglichen Bemühungen, die alte Allianzpolitik mit dem französischen Königshaus wiederaufzunehmen, dann den Frieden im Innern des Hauses Frankreich wie in Europa wiederherzustellen, entschlossen zur englischen Allianz über und erklärte dem König von Frankreich den Krieg. Dieses Bündnis führte allerdings zu gar nichts oder zumindest zu nicht viel, nämlich der Beteiligung des Pfalzgrafen an der Militärkampagne Heinrichs V. im Jahr 1420, deren hervorstechendstes Ereignis die Belagerung und Eroberung von Melun war.

Nach der Ermordung des Herzogs von Orléans (23. November 1407) war der Herzog von Burgund der einzige französische Fürst, der überhaupt eine deutschlandorientierte Politik betrieb, zum Beispiel durch die Hochzeit Antons von Burgund mit Elisabeth von Görlitz 1409, das Bündnis mit dem Pfalzgrafen Ludwig 1412 oder dasjenige mit Herzog Friedrich von Österreich-Tirol 1416. Es handelte sich um eine rein dynastische Politik. Dazu kam noch die Tatsache, dass die politische Entwicklung in Frankreich nach dem Vertrag von Troyes 1420 definitiv dazu führte, dass der Herzog von Burgund zum Hauptgegner des legitimen Vertreters des französischen Königshauses wurde. Für die Politik der Könige von Frankreich im Reich bedeutete dies, dass die Haltung gegenüber Burgund ihr bestimmendes Element wurde.

Seit den 1420er Jahren gründete sich eine einheitliche königliche Politik um den Sohn und rechtmäßigen Erben Karls VI., den sogenannten Dauphin von Bourges; seine Politik gegenüber dem Reich war vor allem gekennzeichnet von der Sorge, die möglichen Gefahren abzuwenden, die mit der burgundischen Bedrohung heraufzogen. Zunächst war der Herzog von Burgund als Verbündeter des Königs von England der erklärte Gegner, dann war es der Herzog von Burgund selbst.

Von 1420 bis zur Mitte der1430er Jahre ging es für den König von Frankreich in der Tat darum, die anglo-burgundische Bedrohung im Reich zu beseitigen: 1425 –1428 nahm Karl VII. den Kontakt mit Sigismund wieder auf, der durch den Vertrag von Canterbury im Prinzip immer noch mit dem König von England verbündet war. Dies führte im Juli bis September 1431 und vor allem 1434 zum Abschluss einer Allianz des französischen Königs mit dem Kaiser, sie blieb jedoch ohne konkrete Folgen. Das österreichische Bündnis ist dagegen von größerer Bedeutung: Ende 1427 schickte Karl VII. eine Delegation zu Herzog Friedrich IV., Herrscher von Vorderösterreich und daher im Konflikt mit dem Herzog von Burgund um das Erbe seiner Schwägerin Katharina von Burgund und seine Territorialinteressen am Oberrhein. 1430 schlossen beide Fürsten einen Bündnisvertrag. In seinen Allianzverhandlungen mit Herzog Friedrich IV. hatte der König von Frankreich nicht gezögert, seinem Verbündeten die Grafschaft Artois im Tausch für sein militärisches Eingreifen anzubieten! Dieses Bündnis führte jedoch nur zu einem eher zurückhaltenden Feldzug des Herzogs von Braunschweig, eines Schwagers des Herzogs, in der Champagne und zu der lästigen Angelegenheit französisch-italienischer Händler, die durch den beutegierigen Herzog von Österreich unter dem Vorwand, dass sie burgundische Händler seien, ihrer Güter beraubt wurden. Der Herzog von Burgund antwortete seinerseits, indem er 1430 sein schon altes Bündnis mit dem Erzbischof von Köln reaktivierte.

Mit dem Vertrag von Arras 1435 hatte Karl VII. Sigismund fallen lassen, aber er hatte seinen österreichischen Verbündeten an der französisch-burgundischen Versöhnung beteiligt. Offensichtlich befreit von der burgundischen Bedrohung, hatte er die Möglichkeit, eine großangelegte Politik im Reich zu führen. In der Tat ließ er die Armagnaken-Truppen sich in den Fehden des Reiches engagieren; er fordert lautstark die Befreiung seines Onkels, Ludwigs des Bärtigen von Bayern-Ingolstadt, des Bruders der Königin Isabeau, der von seinen Verwandten als Gefangener gehalten wurde; er stellte sich selbst an die Spitze einer Armee, die sich zum Schutz von König René nach Lothringen begab (es handelte sich vor allem um eine finanzielle Operation zugunsten König Renés und auf Kosten von Metz), und er entsandte seinen Sohn, den künftigen Ludwig XI., Krieg gegen die Schweizer zu führen und vor allem das Elsass zu verwüsten.

Die Ambitionen dieser deutschlandorientierten Politik des Königs von Frankreich waren jedoch nicht so beeindruckend, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Sie war zunächst von kurzer Dauer; ihr vordringliches Ziel war es, sich des Militärs zu entledigen, das nach dem Waffenstillstand von Tours (1444) recht lästig geworden war; dann war sie lediglich die Antwort auf einen Hilferuf Kaiser Friedrichs III. selbst als Vertreter der habsburgischen Interessen gegenüber den Schweizern und des österreichischen Adels der Vorlande; schließlich war sie auch Ausdruck des Willens, den Herzog von Burgund in Schach zu halten.

Der König von Frankreich hatte in der Tat die burgundische Gefahr nicht aus den Augen verloren. Schon den lothringischen Feldzug und jenen seines Sohnes im Elsass konnte man als Warnung an die Adresse des burgundischen Expansionismus ansehen; sie hatten keine französische Gebietserweiterung zum Ziel. Der König beschäftigte sich sehr damit, Bündnisse im Reich zu knüpfen, um sich dem Herzog von Burgund entgegenzustellen. Er unterstützte die Gegner des Herzogs in der Angelegenheit des Herzogtums Luxemburg. Über den Umweg seines treuen Verbündeten, des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck, der seine eigenen Interessen und die seines Kölner Kollegen im Blick hatte, schloss er 1444 –1445 eine breit angelegte Allianz mit den Kurfürsten (Trier, Köln, Pfalzgraf bei Rhein, Sachsen) und mit anderen Fürsten und Adligen (Jülich und Blanckenheim), die offensichtlich gegen den Herzog von Burgund gerichtet war. In der Fehde von Soest unterstützte er den Erzbischof von Köln gegen den Herzog von Kleve, der selbst vom Herzog von Burgund unterstützt wurde. Darüber hinaus verfolgte er seinen Bündnisplan mit dem Zweig Tirol und Vorderösterreich der Habsburger; eine Hochzeit zwischen seiner Tochter Radegunde und Erzherzog Sigismund war verhandelt worden; nach dem unerwarteten Tod von Radegunde wurde daraus eine Hochzeit zwischen der Tochter eines engen Alliierten des französischen Königs, des Königs von Schottland, mit Sigismund, was im Jahr 1448 wiederum zum Abschluss eines engen Bündnisses zwischen dem König von Frankreich und Sigismund führte.

Seit den 1450er Jahren und noch stärker seit der doppelten Thronbesteigung von Ludwig XI. und Karl dem Kühnen bestand das einzige Ziel der französischen königlichen Politik darin, die deutschlandorientierte Politik des Herzogs von Burgund zu durchkreuzen. Während er auf Distanz zu Erzherzog Sigismund ging, näherte sich der König immer mehr den Schweizern an, mit denen er 1452 das „ewige Bündnis“ schloss. 1453 erneuerte er seinen Bündnispakt mit dem Pfalzgrafen, dessen Elsasspolitik dem Herzog von Burgund lästig wurde, ebenso wie mit dem Markgrafen Jakob von Baden. In der luxemburgischen Angelegenheit versuchte er weiterhin, den Herzog von Burgund zu stören, indem er nach dem Tod von Ladislaus Posthumus die Ansprüche des Herzogs von Sachsen unterstützte. 1456 –1457 plante er im Übrigen, seine Tochter Madeleine mit Ladislaus Posthumus zu verheiraten, aber dieser starb am 23. November 1457 während der Hochzeitsvorbereitungen (1468 lancierte Sigismund den Plan einer Hochzeit zwischen Maximilian und einer Tochter des Königs von Frankreich). Im Juli 1459 schloss Karl VII. durch Vermittlung seines Verbündeten, des Markgrafen von Baden, einen Bündnis- und Freundschaftspakt mit dem Kaiser und den Kurfürsten. Man schlug ihn als Schiedsrichter vor; es gelang ihm, nach dem Tod von Jakob von Sierck seinen Kandidaten auf dem Bischofsstuhl von Trier zu platzieren. Nach dem Tod von Ladislaus zögerte er sogar nicht, die Krone von Böhmen für seinen jüngeren Sohn zu fordern.

Ludwig XI. erneuerte 1463 das Verteidigungsbündnis mit den Schweizern, und dieses wurde 1470 noch erweitert, nachdem der arme Erzherzog Sigismund von Tirol, von Ludwig XI. schroff abgewiesen, keine andere Wahl hatte, als 1469 sein Schicksal wieder in die Hände des Herzogs von Burgund zu legen, indem er mit diesem den Vertrag von Saint-Omer abschloss. Karl dem Kühnen war es in der Tat gelungen, verschiedene Fürsten in der königlichen Allianz zum Umschwenken zu bringen: Der Pfalzgraf bei Rhein war 1465 von der französischen zur burgundischen Allianz gewechselt – der König von Frankreich reagierte, indem er ein Bündnis mit den Gegnern des Pfalzgrafen, dem Markgrafen von Baden und dem Markgrafen von Brandenburg, suchte. Auch versuchte er, den Herzog von Lothringen in sein Bündnis mit einzubeziehen. Im August 1469 war dem Herzog von Burgund nicht nur das Bündnis mit Sigismund von Tirol, sondern auch das mit dem König von Böhmen, Georg Podiebrad, geglückt. Die Gegenpolitik von Ludwig XI. im Reich ist wohlbekannt: die erfolglose Einmischung 1471 in die Affäre von Geldern und das Scheitern eines Bündnisses mit dem Grafen von Montbéliard 1473 –1474, dann aber die Rückkehr des Erzherzogs Sigismund zur königlichen Allianz 1474, das Bündnis mit dem neuen Herzog René II. von Lothringen im August 1474 (der sich somit von der Allianz, die er mit dem Herzog von Burgund am 15. Oktober 1473 geschlossen hatte, wieder befreite), und schließlich die mit Kaiser Friedrich III. vom 31. Dezember 1474 bis zum 17. April 1475 geschlossene große Allianz.

Der Tod Karls des Kühnen vor Nancy im Januar 1477 eröffnete also die große Auseinandersetzung der Häuser Frankreich und Österreich. Es handelt sich zweifellos um eine neue Etappe in den politischen Beziehungen zwischen dem Königreich Frankreich und dem Reich, denn die Faktoren, die die Politik der Könige von Frankreich gegenüber dem Reich bisher praktisch völlig bestimmt hatten – erst der englische, dann der burgundische Faktor –, waren verschwunden (Burgund) oder konnten nur mehr eine schwache Rolle spielen (England). Es handelt sich jedoch zugleich um eine zutiefst dynastische Auseinandersetzung zwischen Fürstenhäusern, die sich um Erbrechte über verschiedene Gebiete und Fürstentümer stritten, zunächst um die Erbschaft Karls des Kühnen in Burgund, dann um jene in Italien.

WBG Deutsch-Französische Geschichte Bd. II

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