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Kapitel 11

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Dustin Goarant schnappte seinen Koffer und machte sich von seinem Büro im Kommissariat auf den Weg nach unten. Auf dem Parkplatz warteten bereits Yannick Detru, der Pathologe, und ein Mitarbeiter von Dustin. Sie wollten zusammen zum Flughafen fahren. Der Hubschrauber wartete schon auf die drei, als sie am Flughafen ankamen.

Eine Leiche erwartete Yannick Detru auf Ouessant und auf Dustin Goarant wartete ein neuer Tatort, Stang Ar Glann. Für den einen bedeutete es eine Obduktion, für den anderen jede Menge Spurenanalyse und Laborarbeit. Der Flug war kurz und am Hubschrauberlandeplatz, neben dem Radarturm und in unmittelbarer Umgebung des Leuchtturms Stiff, wartete bereits der Einsatzwagen der Gendarmerie.

Yannick Detru untersuchte den leblosen Körper von Didier Callac.

Ewen war mit Paul im Haus geblieben und wartete ungeduldig auf das erste Ergebnis seines Kollegen.

„Wie ist der Mann gestorben, Yannick? Ich habe keine Schusswunde entdecken können.“

„Ich würde sagen, dass man ihn mit einer dünnen Drahtschlinge erwürgt hat. Sieh, hier ist ein ganz dünner Abdruck um seinen Hals herum.“

„Also erwürgt. Da hat jemand auf Nummer sicher gehen wollen, dass niemand etwas von der Ermordung mitbekommen sollte. Rund um das Haus hier stehen noch andere bewohnte Häuser. Ein Schuss hätte die ganze Nachbarschaft aufgescheucht.“

„Das stimmt, es muss ein relativ lautloser Mord gewesen sein. Alles Weitere kann ich natürlich erst nach einer Obduktion sagen.“

„Dann kann ich mich jetzt an die Arbeit machen?“

„Sicher Dustin, die Leiche gehört jetzt dir.“ Yannick nahm seine Tasche und entfernte sich einige Schritte von der Leiche.

Dustin begann mit seiner akribischen Suche nach Spuren. Alles war von Bedeutung: Pflanzenreste, Fasern, Haare und vieles mehr.

In der Zeit, in der Paul und Ewen auf die Kollegen gewartet hatten, hatten sie sich schon vorsichtig im Haus umgesehen. Die beiden Kommissare hatten nichts Auffälliges entdeckt. Die Leiche wollten sie nicht durchsuchen, bevor Yannick und Dustin sie nicht freigegeben hatten. Zu schnell waren Spuren vernichtet oder mit eigenen Haaren, Fasern oder sonstigen Materialien verunreinigt. Das würde die Arbeit von Dustin nur erschweren. Auch im Garten waren keinerlei Hinweise auf den oder die Eindringlinge zu finden gewesen.

„Ewen, ich habe etwas!“, rief Dustin.

Ewen trat zu ihm.

„Was hast du gefunden, Dustin?“

„Hier, in der Innentasche seiner Jacke ist vor einiger Zeit Heroin gewesen. Der Beutel muss beschädigt gewesen sein. Kleine Reste sind zurückgeblieben.“

„Heroin? Das ist ja interessant. Damit gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Toten. Bei Marc Noret haben wir zehn Kilo gefunden und bei Didier Callac mindestens einen Beutel in der Jackentasche? Haben die beiden das Heroin gefunden, oder sind sie an einem Geschäft beteiligt gewesen?“

„Das herauszufinden, ist deine Arbeit, lieber Ewen.“

Paul war zu den beiden getreten und hatte die letzten Worte mitgehört.

„Heroin auch bei ihm? Der Mann ist doch Imker, beziehungsweise der Verwalter einer großen Imkerei, woher hat er dann das Heroin? Bei Noret haben wir angenommen, dass er es im Wasser gefunden hat.“

„Vielleicht hat er es ja auch im Wasser gefunden, Callac besitzt eine kleine Yacht. Der Kollege Leriche hat uns doch darüber informiert.“

„Er hat nur ein einziges Paket in seiner Jackentasche gehabt, und das hat nicht im Wasser gelegen. Bei Noret haben wir das Heroin in mehrere Schichten Ölpapier eingewickelt gefunden.“

„Stimmt Paul, das kann dann aber nur bedeuten, dass Callac das Heroinpaket entweder gekauft, oder auf dem Land gefunden hat. Wir werden dem nachgehen. Ich will mir sowieso sein Boot genauer ansehen. Vielleicht finden wir dort weitere Hinweise.“

Dustin arbeitete sich systematisch durch die einzelnen Räume, nahm Fingerabdrücke ab und sicherte alles, was an Spuren zu finden war.

„Wir machen uns auf den Weg zur Gendarmerie, Dustin. Wir sprechen uns dann dort, wenn ihr hier fertig seid. Ich kümmere mich um die Überführung der Leiche in die Pathologie“, sagte Ewen und verließ das Haus. Er und Paul gingen die wenigen Meter zurück ins Büro der Gendarmerie.

„Sie haben ein langes Gespräch mit Didier Callac geführt. Bestimmt hat er Ihnen alles über seine Bienen erzählt?“, fragte Leriche.

„Monsieur Callac konnte uns nichts erzählen, er hatte keine Stimme mehr“, antwortete Ewen sarkastisch.

„Wie, er hatte keine Stimme?“

„Monsieur Callac ist bei unserem Eintreffen bereits tot gewesen. Im Augenblick ist unsere Spurensicherung am Tatort.“

Ewen konnte sehen, wie die Farbe aus Leriches Gesicht verschwand.

„Ich habe mich schon gewundert, als Sie gebeten haben, dass wir unseren Wagen zum Hubschrauberlandeplatz senden sollen, um ihre Kollegen abzuholen. Habe aber nicht im Traum daran gedacht, dass es erneut einen Toten gegeben haben könnte, schon gar nicht Callac. Ich habe ihn seit vielen Jahren gekannt, wir waren ein wenig befreundet. Ich habe des Öfteren nach Feierabend ein Glas Wein mit ihm, auf der Terrasse des Hotels Le Fromveur, getrunken. Sein Lieblingsthema ist die Welt der Bienen gewesen. Vor allem unsere schwarze Biene hat es ihm angetan gehabt. Er ist ein Experte auf dem Feld gewesen.“

„Ich kenne noch einen weiteren Experten, Pierre Berthelé.“

„Sie kennen Pierre?“

„Ja, bei meinem letzten Urlaub auf Ouessant habe ich ihn kennengelernt. Er hat mir alles Wissenswerte über die schwarzen Bienen erzählt.“

„Gut, Pierre Berthelé ist einer der wenigen auf der Insel, die nicht nur Honig produzieren wollen, sondern sich auch für das gesamte Umfeld interessieren.“

„Monsieur Leriche, Sie haben am Morgen gesagt, dass Callac ebenfalls eine Yacht besitzt. Wo finden wir das Boot?“

„Seine Motoryacht liegt im Port du Stiff. Sie ist leicht zu finden, sie heißt Callac I.“

„Wir werden uns das Boot morgen ansehen. Es ist schon etwas später geworden und ich will mich noch mit meinen Kollegen von der Spurensicherung unterhalten, bevor die sich auf den Rückweg begeben.“

Dustin, der den Weg zur Gendarmerie vom letzten Mittwoch bereits kannte, trat mit Yannick ein und steuerte zielstrebig auf einen freien Stuhl zu.

„Oh, ich muss mich erst einmal hinsetzen. Ganz schön anstrengend so eine Hausdurchsuchung.“

Yannick nahm sich ebenfalls einen freien Stuhl und setzte sich dazu.

„Also Ewen, nun die ersten Ergebnisse der Hausdurchsuchung. Ich habe eine ganze Reihe von Fingerabdrücken sichern können. Ich muss sie noch auswerten, aber ich kann jetzt schon sagen, dass sie nicht nur von Callac stammen. Dann habe ich auf seinem Rücken einige Fasern gefunden. Sie könnten vom Pullover des Angreifers stammen. Näheres sage ich dir, sobald ich sie mir genauer angesehen habe. Auf dem Fußboden, rund um den Leichenfund, sind Sandkörner gewesen. Ich habe sie eingesammelt. Vielleicht findet sich ja etwas Besonderes darin.“

„Sand gibt es hier ja obwohl wir am Meer sind, nicht so viel“, meinte Ewen. „ Da macht es vielleicht Sinn, von den vier kleinen Stränden Proben mitzunehmen, um sofort eine Vergleichsanalyse durchführen zu können. “

„Nur so wenige kleine Strände gibt es auf Ouessant?“, Yannick stellte die Frage dem Gendarmen Leriche, der neben ihm saß.

„Ja, wir haben nur ganz wenige Strände, den Plage de Corz, gleich neben dem Hafen, dann die beiden kleineren Strände, den Plage du Prat und den Plage de Porzic Gwenn auf der südlichen Krabbenschere, auf dem Weg zur Pointe de Porz Doun. Im Norden gibt es dann noch den Plage de Yusin und im Südosten der Insel den kleinsten Strand, den Plage d´Arlan. Ansonsten haben wir hier nur Felsenküste.“

„Das kommt uns natürlich sehr entgegen“, meinte Dustin und sah den Kollegen Leriche an.

„Natürlich gibt es weitere Stellen, an denen man etwas Sand finden kann aber eben keine richtigen Strände.“

„Wenn es nur wenige Strände gibt, dann können wir vielleicht tatsächlich etwas mit dem gefundenen Sand anfangen. Die mineralische Zusammensetzung ist schließlich durchaus etwas unterschiedlich, je nach dem Ort des Strandes.“

Dustin fuhr mit seinem kurzen Bericht fort.

„Unter den Fingernägeln von Callac habe ich etwas Haut und Blut gefunden. Ich denke, dass Callac seinen Mörder gekratzt hat, als er versucht hat sich zu wehren. Es ist bestimmt für eine DNA-Analyse ausreichend.“

„Das ist doch eine gute Nachricht. Auch wenn wir noch nicht wissen von wem es stammt.“

„Das ist für den Augenblick alles, was ich euch sagen kann. Wir machen uns dann wieder auf den Rückflug, es sei denn, dass es hier noch weitere Leichen gibt.“

„Es reicht fürs Erste mit den Leichen, Dustin. Ich möchte nicht, dass noch mehr dazukommen.“ Ewen reichte Dustin die Hand und verabschiedete sich von seinen beiden Kollegen.

Während Dustins Bericht, war sein Mitarbeiter im Hintergrund geblieben und hatte sich nicht in das Gespräch mit Paul und Ewen eingemischt. Ewen und Paul verabschiedeten sich auch von dem Assistenten und begleiteten die drei zur Tür.

Jean-Paul Berthelé brachte sie mit dem Dienstwagen wieder zum Hubschrauber.

Ewen beneidete seine Kollegen, die am Abend wieder in ihrer vertrauten Umgebung weilen würden. Er musste nicht nur auf Carla verzichten, sondern auch auf seine gewohnten amuses gueules.

Es war jetzt auch wieder Zeit für ein Abendessen. Seit dem Frühstück hatten weder Paul noch er etwas zu sich genommen. Ewen war gespannt, was das Restaurant des Hotels heute als Tagesmenü zubereitet hatte.

Sie verabschiedeten sich vom Kollegen Leriche und machten sich zu Fuß auf den Weg zurück zu ihrem Hotel.




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