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Sechs

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„Ich sollte gehen“, war das Einzige, was ich dazu sagen konnte, nahm meine Tasche und verschwand, wie unter Strom stehend, aus der verdammten Kneipe. Bloß weg hier. Ich drückte mich an einer Meute von Menschen vorbei, ohne den Ausgang aus den Augen zu lassen. Die Musik dröhnte in meinen Ohren, dicht gefolgt von meinem wildschlagenden Herzen. Mein Puls raste. Er sollte einfach still sein. Einfach nur still! Wie konnte ein Mensch, den ich erst etwas länger als vierundzwanzig Stunden kannte, so mein Leben auseinandernehmen und infrage stellen?

Draußen in der Dunkelheit der Stadt angekommen, sog ich tief die Luft ein und pustete sie angespannt wieder aus. Mit den Tränen kämpfend schlängelte ich mich durch die volle Straße und bog in eine ruhigere Ecke ein, um allen Menschen auszuweichen, die mich womöglich noch auf meinen Zustand ansprechen würden.

„Hey! Sally!“, hörte ich Brads Stimme hinter mir. Daraufhin ging ich noch einen Schritt schneller. Ich weiß nicht, warum ich so sauer auf ihn war. Vermutlich nicht, weil er mir das alles gesagt hatte, sondern weil er so ein verdammt guter Menschenkenner war. Aber so jemanden in mein Leben zu lassen, war zu gefährlich. Viel zu gefährlich.

„Sally, warte bitte!“, rief er wieder, und ich hörte seine Schritte hinter mir näherkommen. Mit rollenden Augen blieb ich stehen, drehte mich aber nicht um. Stattdessen schnaufte ich wieder genervt aus. In mir hatte sich so viel Druck angestaut, den ich am liebsten laut herausgeschrien hätte.

Als er mich abgehetzt erreichte, legte er seine Hand auf meinen Arm, den ich ihm gleich wieder entzog. „Was willst du? Ist dir noch was an mir aufgefallen, dass du dringend loswerden musst?“

„Nein, so ein Quatsch. Es tut mir leid, wenn ich dir zu nahegetreten bin“, entschuldigte er sich.

„Zu nahe ist gut. Mitten rein trifft es wohl eher“, korrigierte ich ihn und setzte mich wieder in Bewegung.

„Meinetwegen auch das.“ Er hielt mich wieder am Arm fest und sah mich eindringlich an. „Sally, wirklich. Ich meine es ernst. Du hast mich gefragt, und ich habe geantwortet. Und wenn es zu direkt war, dann entschuldige ich mich dafür. Ich dachte nur, das sollte mal gesagt sein. Schau dich doch mal an. Du musst so nicht sein.“

Schnaufend sah ich auf den Boden und blickte kurz darauf mit Tränen in den Augen zu ihm hoch. „Ja, vielleicht hast du recht. Aber ich bin eben so. So lebe ich. Ich kenne es nicht anders. Ich treibe mich nicht in irgendwelchen Kneipen rum und trinke auch keinen Alkohol. Ich lerne sehr viel und gehe kaum aus dem Haus. Das ist zugegebenermaßen nicht das perfekte Leben. Aber es ist nun mal meins.“

„Und du willst es nicht ändern?“, fragte Brad nach.

„Wie sollte ich das machen? Mir die Haare schneiden, kurze Röcke tragen und mir einen neuen Namen zulegen?“, antwortete ich genervt.

„Wäre eine Maßnahme“, sagte er grinsend, wofür er gleich einen fiesen Blick erntete. „Nein, pass auf. Du sollst dich nicht ändern, nur das rauslassen, was du gerne rauslassen möchtest. Versteck dich nicht. Ich habe dir angesehen, welche Panik du hattest, dass deine Freundin nach Deutschland fliegt. Aber das musst du ja gar nicht. Immerhin bist du alles andere als auf den Mund gefallen. Das bekomme ich ja am laufenden Band zu spüren. Aber ich finde nur traurig, wenn sich jemand einigelt, vom Leben nichts hat und es niemanden gibt, der ihn so ein bisschen aus dem Loch herausholt.“

Stumm stand ich da und trat von einem Fuß auf den anderen.

„Also? Nimmst du meine Entschuldigung an, und wir beginnen noch einmal von vorne? Ich, der nichtsnutzige Draufgänger, und du, das unscheinbare Mädchen, das endlich aus ihrem Käfig ausbrechen will?“ Er hielt mir seine Hand entgegen. Ich kaute bedächtig auf der Innenseite meiner Wange und wand mich innerlich. Einem wildfremden Typen Vertrauen schenken und ihm auch noch das Gefühl geben, dass er recht hatte, in dem was er über mich zu wissen glaubte? Allerdings fragte ich mich im selben Moment, ob ich mich tatsächlich so, wie ich derzeit lebte, wohlfühlte oder mir einfach nur was vormachte. Und wenn ich ehrlich in mich hineinhorchte, dann wünschte ich mir schon einiges anders in meinem Leben. Ich hasste es, dass Brad so richtiglag.

„Du redest eine Menge Mist, weißt du das? Aber, was soll’s? Also, meinetwegen“, lächelte ich jetzt nachgiebig. „Ich denke jedoch nicht, dass du viel Erfolg haben wirst“, prophezeite ich ihm.

„Das lass mal meine Sorge sein. Komm, ich bringe dich nach Hause“, sagte er dann, legte seine Hand auf meinen Rücken und lenkte mich zum Weitergehen.

„Mal angenommen, du möchtest deinen Namen tatsächlich ändern, was wäre das für einer?“

„Hm.“ Ich zögerte einen Moment. „Lucy Strong.“

Brad lachte laut los. „Was ist denn das für ein beschissener Name?“

„Ich finde, der steht für Stärke“, nuschelte ich.

„Ich finde, du hast sie nicht mehr alle“, fügte Brad lachend hinzu.

„Das kann auch sein“, gab ich zustimmend zurück. „Denn, wenn ich sie noch alle hätte, dann würde ich jetzt nicht mit dir hier entlanglaufen.“

„Da könntest du sogar recht haben“, neckte er mich und stieß mich leicht in die Seite, was mich zum Lachen brachte.

Und dieser verrückte und ehrliche Abend war der Anfang meiner Freundschaft mit Brad.

Verliebt in deinen Freund

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