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Sieben

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Mein Smartphone klingelte, und ich sprang wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung. „Verdammt, wo habe ich es gestern Abend bloß hingelegt?“, fluchte ich und durchsuchte das Wohnzimmer und die Küche. Schließlich fand ich es in meiner Tasche wieder, die ich am Abend zuvor dabeihatte und achtlos ins Wohnzimmer geschleudert hatte. Gerade noch rechtzeitig konnte ich den Anruf von Daph entgegennehmen.

„Hallo?“

„Sall? Mensch, da bist du ja endlich. Ich habe dich gefühlt tausend Mal angerufen und dir geschrieben. Wo warst du? Ist alles in Ordnung?“, rief sie besorgt in den Hörer, und ich spürte, wie dringend ich ihre Stimme gebraucht hatte. Erleichtert setzte ich mich auf die Couch und zog die Beine an mich heran.

„Ja, alles gut. Entschuldige, Daph, ich war gestern Abend noch was trinken und habe völlig vergessen, mein Handy auf laut zu stellen“, erklärte ich betroffen und ließ meinen Kopf auf die Lehne des Sofas fallen.

Am anderen Ende herrschte Stille.

„Hallo? Daph? Bist du noch da?“

„Du warst was trinken?“ Daph betonte jedes einzelne Wort, als hätte sie nicht richtig verstanden, was ich gesagt hatte.

„Ja, ich habe da jemanden in der Uni kennengelernt. Brad heißt er. Ein ziemlicher Spinner, aber eigentlich ganz in Ordnung. Ich wollte nicht alleine sein und bin dann mit ihm abends unterwegs gewesen“, erklärte ich und lächelte dabei leicht. Erst jetzt merkte ich, wie untypisch sich das für mich anhörte.

„Einen Typen? Brad heißt er? Sall! Ich bin nicht mal vierundzwanzig Stunden weg und du triffst dich mit einem Typen. Ich glaube es nicht“, säuselte sie erfreut ins Telefon. „Ist er heiß?“

„Daph, das ist doch total egal. Ich glaube, dass wir Freunde werden können. Mehr nicht.“ Ich zupfte an einer Haarspitze herum und begutachtete sie auf Spliss.

„Freunde? Sally, spinnst du? Freundschaften zwischen Mädels und Jungen. Du weißt, wie ich dazu stehe …“

„Freundschaften zwischen Männern und Frauen sind durchaus möglich, Daph. Auch wenn das nicht deine Stärke ist“, lachte ich. „Aber ich kann das. Ich will nichts von dem. Es macht nur Spaß, was mit ihm zu unternehmen und ich bin nicht so alleine.“

Von seinen Plänen, mich irgendwie lockerer zu machen, erzählte ich ihr lieber nichts. Gerade jetzt wollte ich auf blöde Kommentare, die mir meinen kurzen Hype wieder kaputt machen konnten, gerne verzichten.

„Ich traue dem Braten nicht“, sagte Daph mehr zu sich selbst als zu mir, und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie bereits einen Zettel und Stift in der Hand hatte und wilde Theorien niederschrieb. Bei dem Gedanken lachte ich kurz.

„Brauchst du auch nicht. Es ist alles gut, wirklich. Ich mag ihn irgendwie. Und er ist neu hier und scheint nicht viele Leute zu kennen. Wir trösten uns quasi gegenseitig“, erklärte ich gelassen.

„Hm“, machte Daph lediglich. Ich wechselte eilig das Thema und fragte sie, wie ihr Flug war und was sie gerade so machte. Ich war erleichtert zu hören, dass es ihr gut ging und sie in ihrer WG gut aufgenommen wurde. Die nächsten Tage würden stressig für sie werden, weshalb nicht allzu viel Zeit zum Telefonieren bleiben würde. Somit war ich auf mich gestellt, was zur Abwechslung sicherlich nicht schlecht war.

***

Daph war immer wieder auf Männer reingefallen, die ihr eine Freundschaft vorgaukelten. Das hieß aber nicht, dass so eine grundsätzliche Freundschaft nicht möglich war, sondern eher, dass sie bisher nicht den richtigen Freund gefunden hatte. Bei mir war das anders. Ich hatte zwar nicht viele Freunde, aber die, die ich hatte, waren in der Regel für mich da.

Früher legte ich viel Wert auf das Pflegen von Kontakten. Soziale Medien wie Facebook und Twitter hatten mich durch den Tag begleitet, darüber definierte ich mich sehr stark. Welche Freundschaft davon wirklich echt war, merkte ich erst spät: gar keine.

Meine jetzigen Freunde waren mir zwar wichtig, aber ich ließ sie nicht besonders nah an mich heran. Vielleicht war es Selbstschutz oder sowas in der Art, ich weiß es nicht. Aber sie waren da, wenn ich sie brauchte und auch umgekehrt. Ich lernte vor allem mit ihnen für die Uni. Vielleicht nutzten sie meinen schlauen Kopf auch manchmal etwas für ihre Zwecke aus, aber das war mir egal. Sie wussten mit meiner Art umzugehen und ließen mich so sein, wie ich bin. Was sie allerdings hinter meinem Rücken über mich und mein Leben sagten, daran dachte ich lieber nicht. Dass mein Lebensstil eher langweilig war, wussten meine Uni Mädels, Lisa und Charlotte sowie Daphs Clique.

Aber eine Freundschaft, die ich hatte, entwickelte sich erstaunlicherweise echt gut.

Seit ein paar Wochen hingen Brad und ich oft miteinander herum. Wir sahen uns in der Uni, aßen zusammen zu Mittag und gingen abends gelegentlich mal was trinken. Und wenn wir uns nicht sahen, dann texteten wir uns gegenseitig mit Nachrichten zu, schickten uns lustige Bilder oder Videos. Sogar abendliche Einschlaf-SMS gehörten zu seinem abendlichen Ritual, bevor er ins Bett ging. Und wenn ich ehrlich war, konnte ich ohne diese Nachrichten am Abend kaum mehr einschlafen. Er brachte mich zum Lachen, schenkte mir Selbstvertrauen und nahm mich einfach, wie ich war. Ich hatte ihn anfangs als gefährlich für mich eingestuft. Er würde in mir Seiten wecken, die ich lieber nicht mehr ans Tageslicht lassen wollte. Nur durch seine hartnäckige Art, die gleichzeitig so liebevoll und witzig war, ließ ich ihn letzten Endes doch in mein Leben, was sich ganz schön verändert hatte. Je länger ich ihn kannte, desto besser lernte ich, mein wahres Ich zu zeigen. So konnte ich eine wunderbare Freundschaft mit ihm führen und mein einsames Leben etwas erträglicher gestalten.

***

„So, ich habe dann alles“, kündigte Brad mit einem riesigen Grinsen an und hob triumphierend seine Shoppingtüten hoch. Manchmal war er einfach nur komisch.

„Das ging ja richtig schnell.“ Ich schaute demonstrativ auf meine Armbanduhr. „Nur drei Stunden für zwei Jeans, einen Pullover und Schuhe. Respekt. Können wir dann endlich gehen?“, fragte ich leicht gereizt. Der Tag zog sich so lange hin. Überall shoppende Mädels, die sich Klamotten kauften und Cliquen, die sich nur so zum Spaß in diesem Einkaufscenter aufhielten, um cool abzuhängen. Ich wollte einfach nur noch weg von hier.

„Ich könnte noch neue Unterwäsche gebrauchen“, lachte Brad und verzog schelmisch das Gesicht. Ich verzog ebenfalls das Gesicht.

„Ach, komm schon. Du hast mir so schön beigestanden und mich eigentlich überhaupt nicht gut beraten, was ich nebenbei mal loswerden wollte, Nerdy, da möchte ich dir wenigstens was Gutes tun.“ Brad legte den Arm um meine Schulter und lenkte mich wieder in die Tiefen des Centers.

„Wir könnten was essen gehen“, schlug ich vor.

„Ja, später.“ Wir hielten an und Brad drehte mich ein wenig nach links.

„Schau mal: Du hast ja jetzt diese Kontaktlinsen, die dir echt gut stehen und ich finde …“

„Du findest was?“, fiel ich ihm misstrauisch ins Wort.

„Naja, du bist immer so mürrisch. Vielleicht würden dir neue Klamotten mal ganz guttun. Passend zu deinem Anti-Brillen-Gesicht wären neue Sachen an dir ganz nett“, redete Brad auf mich ein.

„Und du willst mir jetzt Klamotten aussuchen, habe ich das richtig verstanden?“

Er nickte heftig. Ich sah an ihm vorbei zu dem Frauenladen hinter ihm. In den Schaufenstern hingen wirklich schöne Sachen. Etwas wehmütig schluckte ich. Ich durfte diesen Schritt eigentlich nicht gehen. Aber je länger ich Brad kannte, desto mehr verfiel ich wieder in …

„Also, was sagst du?“, durchbrach Brad meine Gedanken und gab mir einen zu heftigen Stoß auf den Arm.

„Na gut. Aber wenn ich das nicht mag, was du mir da aussuchst, dann gehen wir sofort. Dann gehe ich sofort“, herrschte ich ihn an, und somit traten wir in den überfüllten, bunten, lebensbedrohlichen Laden.

Die Atmosphäre war aufregend. Die laute Musik im Hintergrund übertönte meine Gedanken. Ich konnte mich gar nicht auf mich konzentrieren, sondern nur auf den Duft von süßem Parfum und von neuen Klamotten und auf die bunten Farben, die auf Kleiderbügeln hingen oder auf großen Schautischen ausgelegt waren. An jeder Seite hingen Spiegel, die ich allerdings, so gut es ging, vermied. Ich gehörte hier nicht rein und schon gar nicht in die Spiegel. Aber der Rausch und mein Herzklopfen bei all den Bildern ließen mich das einmal vergessen. Brad war ganz in seinem Element und suchte ausgefallene Kleidungsstücke zusammen, die ich anprobieren sollte. Da ahnte ich noch nicht, was das in mir bewirken würde.

Verliebt in deinen Freund

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