Читать книгу Verliebt in deinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 15
Neun
ОглавлениеMitch war gar nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Eher kleiner, etwas pummeliger mit einem teddyähnlichen Gesicht – um nicht zu sagen: Er war das komplette Gegenteil von Brad. Seine Haare trug er so wie ich, eher langweilig. Seine Klamotten waren ebenfalls unauffällig. Ein dunkelblaues Shirt mit irgendeinem komischen Aufdruck und eine Jeans, die eher unvorteilhaft an ihm herunterhing. Dennoch entpuppte er sich als ein superlustiger Typ, so dass ich schon nach den ersten Minuten froh war, dass ich dem Abend zugestimmt hatte. Jemand so Unkomplizierten zu treffen stimmte mich sichtlich fröhlich.
„Endlich lerne ich dich mal kennen“, sprach Mitch direkt drauf los, obwohl man nur schwer gegen die Hintergrundmusik von der Bar ankam. „Brad hat mir schon eine Menge von dir erzählt.“
Verwundert sah ich Brad an, der mir direkt gegenüber saß. „Ach ja?“
„Ja, wirklich. Ich bin froh, dass du dich so lange um ihn gekümmert hast. Seit ich ihn kenne, baut er regelmäßig irgendeinen Mist und weiß nichts mit sich anzufangen. Dann kommt er schnell mal auf dumme Ideen. Ich konnte kaum glauben, dass er so lange nichts angestellt hat“, lachte er und rammte seinen Ellenbogen in Brads Seite.
Fragend sah ich Brad an, doch er schüttelte nur den Kopf. „Mitch war eine Weile nicht da. Wir kennen uns schon ewig und haben viel miteinander durchgemacht.“ Brad schien ein bisschen verlegen. Ich fragte mich, was Mitch wohl damit meinte, dass Brad regelmäßig Unfug machen würde.
„Ich war im Ausland“, bestätigte Mitch stolz. „Um genau zu sein, in Schweden“, fügte er noch hinzu, ehe er einen Schluck von seinem Bier nahm. Ich trank ebenfalls einen kräftigen Schluck. "Brad hat erzählt, dass deine Freundin auch gerade im Ausland ist.“
„Genau, Daph ist gerade in Deutschland. In Berlin, um genau zu sein. Dort ist sie an einer Schule und möchte das deutsche Bildungssystem besser kennenlernen.“
„Daph, so so“, wiederholte Mitch nickend, als würde er auf einem Kaugummi kauen und den Geschmack genauestens ergründen.
„Eigentlich heißt sie Daphne. Sie ist echt super und würde dir garantiert gefallen. Ich meine, sie ist echt hübsch und klug und vor allem cool drauf. Sie macht wirklich jeden Blödsinn mit“, schwärmte ich weiter, und plötzlich wurde mir wieder schmerzlich bewusst, wie sehr ich sie eigentlich vermisste. Was sie wohl zu Brad sagen würde? Immerhin war er total ihr Typ. Brad machte große Augen. „Na, dann freue ich mich, sie bald mal kennenzulernen“, prostete er mir zu und trank aus seiner Flasche.
„Sie kommt ja schon in ein paar Wochen wieder. Dann veranstalten wir eine große Wiedersehensfeier. Ihr Bruder hat eine Bar etwas außerhalb von Boulder, die er uns zur Verfügung stellen wird. Damit wollen wir sie dann überraschen. Ich würde mich freuen, wenn ihr mit dabei seid.“ Ich blickte von Brad zu Mitch und wieder zurück. Beide nickten lachend. „Klar kannst du mit uns rechnen“, stimmte Brad zu.
„Und was ist mit dir? Brad hat mir ja eine Menge erzählt, aber nicht, ob du einen Freund hast oder so“, brabbelte Mitch drauf los.
„Vielleicht habe ich es dir nicht erzählt, weil es dich nichts angeht“, bremste Brad seinen Freund und sah entschuldigend in meine Richtung. Ich schüttelte schlichtend den Kopf. „Schon gut. Nein, ich habe keinen Freund“, beantwortete ich seine etwas zu direkte Frage.
„Na dann“, lachte er, „wie wäre es mit dem netten Jungen da drüben? Der sieht nämlich schon die ganze Zeit zu dir rüber.“ Er deutete mit seinem Bier in Richtung Theke. Und tatsächlich saß da ein junger Typ, der mich verschmitzt anlächelte. Leider Gottes war er nicht der Typ Mann, der bei mir ein Schlottern in den Knien hervorrief. Mal ehrlich, ich war selbst nicht wirklich eine Augenweide, aber der … nein! Wirklich nicht!
„Nicht so schüchtern. Scheint doch ein netter Kerl zu sein. Immerhin schaut er dich schon die ganze Zeit so lüstern an. Der hat bestimmt eine ganze Menge zu bieten“, spaßte Mitch weiter.
„Ach, wenn du ihn so interessant findest, dann geh du doch hin“, lachte ich künstlich und wagte noch einmal einen Blick an die Theke. Nein! Echt nicht!
Brad lachte ebenfalls. „Bist du etwas eingerostet?“, fragte er dann herausfordernd.
Entsetzt trank ich einen tiefen Schluck und bemerkte erst später am Abend, dass ich die ganze Zeit über Bier trank, obwohl ich dem sonst immer aus dem Weg ging.
„Ich? Eingerostet?“, fragte ich pikiert und legte geschockt eine Hand auf meine Brust.
„Ja, du!“ Brad schien es zu gefallen, mich herauszufordern, denn ich konnte dieses Leuchten in seinen Augen wieder sehen.
Ich schluckte schwer. „Du kennst mich ziemlich schlecht.“ Verkrampft versuchte ich mich cool zu geben. Ich wollte nicht vor den beiden Draufgängern einknicken. Und vor allem sollten sie nicht recht behalten, denn im Flirten war ich eine echte Niete und vor allem nicht interessiert daran, irgendwelchen Kerlen auf den Zahn zu fühlen. Männer direkt anzusprechen war nicht mein Ding.
„Na, dann zeig doch mal, was du kannst“, bohrte Mitch weiter. Man merkte ihm an, wie er auf etwas Unterhaltung fixiert war, und ich wusste, er und Brad würden nicht locker lassen, ehe ich mich darauf einließ, mit diesem verdammt unattraktiven Jungen, dem nur noch eine Zahnspange fehlte, um das Klischee des absoluten Lesers gerecht zu werden, ins Gespräch zu kommen.
„Ernsthaft jetzt?“, fragte ich und sah beinahe ängstlich zwischen Mitch und Brad hin und her. Beide nickten nur belustigt, aber bestanden darauf.
Schnaufend nahm ich einen weiteren Schluck und sah kurz auf den Holztisch unter meinen Händen. Komm schon!
Innerlich trat ich mich und blickte wieder zu den Jungs vor mir. Fett grinsend erhob ich mich plötzlich. „Also, bitte.“ Selbstbewusst drehte ich den Jungs den Rücken zu und kniff die Augen fest zusammen. Die Musik rumste noch immer, und als ich zu dem komischen Typen schaute, rutschte der schon aufgeregt wie ein Dackel, der auf sein Herrchen wartete, auf seinem Hocker hin und her.
„Großer Gott!“, fluchte ich leise und biss mir auf die Unterlippe, um ihm nicht direkt zu sagen, was ich von ihm hielt. Nachdem ich mich durch ein paar Menschen, die im Weg standen oder lässig zur Musik wippten, hindurchgeschlängelt hatte, erreichte ich diesen … diesen … Nerd.
„Hey!“, lächelte ich schüchtern und stellte mich seitlich neben ihn. Ich spürte die Blicke der feixenden Jungs auf mir und wagte nicht einen Moment, zu ihnen zu sehen. Sonst hätte ich vielleicht auch laut losgelacht, was den Jungen neben mir sicherlich aus der Bahn geworfen hätte.
„Hallo Prinzessin. Hast du endlich den Weg zu deinem Prinzen gefunden?“ Mir verging mein aufgesetztes Grinsen und es veränderte sich in pures Entsetzen. Am liebsten hätte ich ihm sein schmieriges Lachen aus dem noch widerlicheren Gesicht gehauen. Mal im Ernst: Pickel, fettige Haut, noch fettigere Haare und dann so eine große Klappe? Wie hätte ich da noch anders reagieren sollen?
„Weißt du, ich bin jetzt selber nicht gerade Miss America, aber ganz ehrlich: Mit so einem ekelhaften Prinzengelaber machst du dir nicht unbedingt Freunde. Also am besten ist, du gibst mir jetzt etwas zu trinken aus und ich gebe dir dafür widerwillig einen flüchtigen Kuss auf die Wange, sodass die Jungs da vorne am Tisch denken, dass ich es echt draufhabe. Schau bitte nicht so auffällig rüber“, ermahnte ich ihn. „So profitieren wir beide. Du kannst dich heute Nacht noch in Ruhe darüber freuen, und ich habe meine Ruhe vor dämlichen Sprüchen der Jungs. Glaub mir, das könnte mir sonst noch sehr lange nachhängen.“ Der Möchtegernprinz ließ die Kinnlade mindestens einen Meter herunterfallen. Ich hatte selten ein so schockiertes Gesicht gesehen und musste mich zusammenreißen, nicht laut aufzulachen. Aber er folgte tatsächlich meinem Rat und bestellte mir einen Drink, für den er von mir mit einem Kuss auf die Wange belohnt wurde. Grinsend ging er zurück zu seinen Kumpels.
Ein paar Minuten später saß ich mit triumphierendem Blick wieder auf meinem Platz.
***
„Ich hätte nicht gedacht, dass du das durchziehst“, meinte Brad beeindruckt.
„Ich auch nicht. Sein Blick war Gold wert. Hut ab!“, ergänzte Mitch und nickte anerkennend.
„Danke, meine Herren, aber stille Wasser sind tief“, scherzte ich und so stießen wir weiterhin auf den witzigen Abend an. Nach ein paar Stunden und ein paar weiteren Bieren – ich hatte ganz vergessen, wie gut Bier eigentlich schmecken konnte – warf Mitch einen Blick auf seine Uhr. „So, meine Lieben“, flötete er und erhob sich leicht schwankend von seinem Platz. „Der Papa bekommt gleich noch heißen Besuch, und wie heißt es so schön? Heißen Besuch lässt man nicht warten.“ Wenn mich nicht alles täuschte, dann lallte er mittlerweile, was mich zum Lachen brachte. Brad schüttelte ebenfalls lachend den Kopf. „Und wer ist der heiße Besuch?“, fragte er dann.
„Ein Gentleman genießt und schweigt. Aber eines kann ich euch verraten: Die Dame wird morgen Schwierigkeiten haben, aufrecht zu gehen.“
Ich schluckte etwas entgeistert und verzog das Gesicht.
Dann rückte Mitch sein Hemd zurecht und nickte mir noch einmal entgegen. „Sally, es war sehr nett, dich kennenzulernen.“
„Geht mir genauso“, stimmte ich ihm lachend zu. Bevor er aus dem Club verschwand, klopfte er Brad noch einmal auf die Schulter. „Mach’s gut, Alter!“
„Er ist manchmal ein bisschen seltsam“, entschuldigte Brad sich bei mir, als Mitch außer Hörweite war.
„Schon gut, er ist doch sehr lustig“, entkräftete ich seine Bedenken.
„Was meinst du? Sollen wir auch bald los?“, wollte er wissen, nachdem er vielsagend auf sein leeres Bier blickte.
„Sehr gerne!“