Читать книгу Verliebt in deinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 18
Zwölf
ОглавлениеAls ich den Parkplatz vor der etwas abgelegenen Bar erreichte, merkte ich, dass drinnen bereits die Lichter ausgeschaltet waren. Ich stellte meinen Wagen möglichst weit außer Sichtweite und parkte hinter der Bar. Von Daph war zum Glück noch nichts zu sehen. Als ich durch den Hintereingang in die dunkle Bar kam, konnte ich nicht auf Anhieb erkennen, wer alles da war, aber alle schienen auf ihrer Position zu stehen. Ich huschte an den Menschen vorbei und bedankte mich einmal laut in den Raum hinein für das Kommen. Ganz vorne in der ersten Reihe entdeckte ich Brad, direkt neben Mitch, der auf dem Boden kniete und mich bereits erwartete.
„Hey“, keuchte ich und kniete mich neben ihn auf den Boden.
„Hi, da bist du ja endlich!“
„Entschuldige. Ich habe mich etwas in der Zeit verschätzt und die Straßen waren voll“, erklärte ich umständlich Mir wurde ganz anders bei dem Gedanken daran, wie die Leute schauen würden, wenn sie mich sahen.
„Ich frage mich, was du so lange gemacht hast“, brummelte Brad vor sich hin. Etwas verletzt sah ich ihn von der Seite an, als gerade von hinten eine weibliche Stimme lauthals rief: „Ich glaube, sie kommen!“
„Okay Leute, ihr wisst, was ihr machen müsst?“, fragte ich laut. Ein lautes Gemurmel machte mir deutlich, dass alle verstanden hatten, was sie machen sollten, sobald Daph die Bar betrat.
Es herrschte eine gespannte Stille und mein Herz pochte mir bis zum Hals. Brad war eher ruhig und gelassen – wie immer.
Von draußen hörten wir das Knirschen auf dem Schotterweg, und Daphs genervte Stimme drang gedämpft in den Raum. „Und warum musst du ausgerechnet jetzt noch hier her? Simon, ich möchte nach Hause! Ich hatte einen langen Flug und ich habe Hunger …“
Ich lachte leise, es war einfach nur typisch für Daph.
„Nun warte doch einen kleinen Moment. Ich bin sofort fertig“, erklärte Simon ihr, schloss die Tür auf, und der Raum wurde durch das sich langsam abschwächende Sonnenlicht ein wenig heller.
Mit klopfendem Herzen sah ich direkt hinter Simon die Umrisse von Daph, die das Licht neben der Tür anknipste und wie vor den Kopf gestoßen dreinblickte. Alle sprangen wild auf und riefen laut: „Überraschung!“ Es war ein wahninniges Gefühl. Ich dachte in tausend Teile zu zerspringen. Dieser Moment, auf den ich schon so lange gewartet hatte, war endlich gekommen. Daph war wieder da und bei mir.
„Oh mein Gott!“, kreischte Daph wie ein kleines Mädchen und drückte sich schüchtern die Hände auf den Mund. „Oh mein Gott, oh mein Gott“, wiederholte sie perplex und als sie mich in der ersten Reihe sah, kam sie wie von Sinnen auf mich zugestürmt und drückte mich fest.
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und meine Lippen bebten, als ich sie endlich in meinen Armen halten konnte. Ich schloss die Augen und schluckte schwer. Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl, einen Menschen, der dir viel bedeutet, nach so langer Zeit wieder in den Armen zu halten.
„Endlich bist du wieder da“, hauchte ich und spürte, wie heiße Tränen mein Gesicht hinunterliefen. So viele Steine fielen mir vom Herzen und Erleichterung machte sich in mir breit. Es war ein befreiendes Gefühl.
„Ich habe dich total vermisst. Ich freue mich so, wieder zuhause zu sein“, schluchzte Daph. „Du bist doch verrückt“, fügte sie noch hinzu, als sie von mir abließ und sich ungläubig umsah. Um uns herum sammelten sich die Menschen, die Daph begrüßen wollten. Dann sah sie wieder mit tränenden Augen zu mir und begriff erst jetzt, dass etwas anders war. „Scheiße Sall, wie siehst du denn aus?“ Ihre Augen waren weit geöffnet und ihr Mund stand ebenfalls offen, als sie an mir herab sah. Es war genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Unter ihren Worten zuckte ich allerdings etwas zusammen. „Ich habe mich nur etwas in Schale geworfen, mehr nicht“, gab ich unsicher von mir.
„Etwas in Schale geworfen? Sall, du siehst toll aus!“, sagte sie, nahm eine meiner lockigen Haarsträhnen zwischen ihre Finger und zwirbelte diese begeistert umher. „Was ist mit deiner Brille?“
„Kontaktlinsen“, erklärte ich knapp.
„Und die Klamotten und die Haare, ich bin … wow … Sally!“
„Vielleicht solltest du erstmal den anderen Gästen Hallo sagen. Wir können später noch in Ruhe quatschen“, lachte ich und drängte sie in die wartende Menge, die sie unbedingt begrüßen wollte. Sie nickte nur knapp, ließ aber den Blick nicht von mir, als sie sich zu den anderen gesellte und sich von fast jedem Anwesenden umarmen ließ. Innerlich war ich gleich drei Köpfe größer.
Ich war um ein paar Jahre zurückversetzt.
So mischte ich mich etwas zurückhaltend unter das Volk, um mich noch einmal für deren Erscheinen zu bedanken. Wenn ich richtig schätzte, dann waren etwa fünfzig oder sechzig Gäste anwesend. Darunter auch meine beiden Freundinnen aus der Uni – Lisa und Charlotte. Beide saßen etwas abseits der großen Gruppe und bestellten sich gerade an der Bar bei Simon etwas zu trinken.
„Und?“, fragte ich, als ich mich neben die beiden stellte. „Gefällt es euch?“
Lisa sah mich überrascht an aber ich konnte etwas anderes in ihrem Blick erkennen. „Wahnsinn, wie siehst du denn plötzlich aus?“ Mit ihrer linken Hand richtete sie ihre dicke Brille und machte beinahe ein besorgtes Gesicht. Auch Charlotte starrte mich fast schon entsetzt an.
„Ich habe mir einfach nur die Haare etwas schneiden lassen und ein paar andere Klamotten an, mehr nicht“, erklärte ich etwas gereizt. Man durfte ja offen zeigen, wenn einem etwas nicht ganz gefiel, aber die missbilligenden Blicke von Lisa und Charlotte gingen mir gehörig auf die Nerven. So verändert hatte ich mich gar nicht. Gut, meine strengen, stets nach hinten gebundenen, braunen Haare waren nun offen und lockig. Und ja, ich war geschminkt. Dezent wie ich finde, dennoch nicht dezent genug für andere Leute in diesem Raum.
„Naja, musst du ja wissen, ob du dich zu so einer entwickeln möchtest“, knurrte Charlotte auf einmal leise und deutete mit ihrem Kopf unauffällig auf Daph. Die beiden konnten Daph noch nie wirklich leiden und umgekehrt war es eigentlich ebenso. Dennoch hielt ich es für eine schöne Idee, auch die beiden einzuladen, damit sich alle etwas näherkamen, aber das schien mal wieder nach hinten losgegangen zu sein.
Ich sah beiläufig zu Daph rüber, die trotz der langen Reise wie immer toll aussah. Ihre langen Haare fielen locker über ihre Schultern, und ihre zerrissene Jeans passte ebenso zu ihr wie ihr weitausgeschnittenes Top. Sie war vielleicht etwas freizügig, manchmal fand ich ihre Kleiderwahl auch zu gewagt, aber ich wollte ihr keine Vorwürfe machen. So war sie nun mal, das machte sie aus. Was auch immer für ein Problem die beiden Spießer hier neben mir hatten, es war mir schlichtweg egal.
Ich verzog das Gesicht. „Könnt ihr euch nicht einfach mal zusammenreißen? Ich meine, immerhin ist das hier ihre Party, und sie ist meine beste Freundin.“ Wie oft musste ich denen das eigentlich noch erklären? Ich hatte das Gefühl, dass unsere Freundschaft in den letzten Wochen ziemlich gelitten hatte. Sowieso konnten die beiden sich nie damit anfreunden, dass ich mit jemandem wie Daph zusammenlebte. Auch in der Uni beschäftigten die beiden sich viel lieber mit mir und meiner Auswahl an Freunden als mit den wirklich wichtigen Themen.
„Und dein Loverboy? Mit dem du immer herumhängst?“, fragte Charlotte etwas gelangweilt. „Was läuft da so? Seit wann bist du eigentlich in diese obere Liga aufgestiegen? Immerhin beobachten wir dein komisches Auftreten schon seit einigen Wochen.“
Fassungslos schüttelte ich mit dem Kopf. „Hört ihr euch eigentlich zu? Was ist denn auf einmal los mit euch?“ Ich blickte von Lisa zu Charlotte und wieder zurück. Beide sahen eher unbeeindruckt drein. Mit ihren langweiligen Haaren, billigen Klamotten und noch schlimmeren Schuhen hatten sie einfach kein recht, sich über mich lustig zu machen.
„Wahnsinn! Ihr seid so oberflächlich. Außerdem bin ich in gar keine Liga aufgestiegen. So ein Schwachsinn! Und Brad ist einfach nur ein sehr guter Freund!“, verteidigte ich mich und ärgerte mich direkt deswegen. Warum musste ich mich rechtfertigen? Sie schienen mir ja nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln zu gönnen.
„Apropos Loverboy: Er scheint schon Sehnsucht nach dir zu haben“, stellte Lisa nebenbei fest und wandte sich von mir ab. Ich sah mich um und entdeckte Brad hinter mir, der auf mich zu warten schien. Endlich jemand normales, dachte ich und trat grinsend auf ihn zu, in der Hoffnung, dass Lisa und Charlotte verschwinden würden. „Hey, danke nochmal, du hast mich heute Abend echt gerettet.“
„Ja, kein Ding“, er sah sich nervös um und beachtete mich kaum. Ihm fiel scheinbar nicht mal meine Aufmachung auf. Mir hingegen fiel immer wieder auf, wie gut er aussah. Er beachtete mich gar nicht. Mein Magen zog sich schwer zusammen, und mein Lächeln wich mir aus dem Gesicht. Ich wollte ja nicht um jeden Preis auffallen, aber ein einfaches Gut siehst du aus hätte es auch getan.
„Sag mal, könntest du mich dann vielleicht mal deiner Freundin vorstellen? Ich meine, die sieht ja echt hammermäßig aus.“
Ich räusperte mich kurz und sah rüber zu Daph, die noch immer freudestrahlend durch die Menschenmenge tänzelte.
„Klar“, entgegnete ich nur knapp.
„Alles okay?“, fragte er dann, als er bemerkte, wie meine Stimmung rapide in den Keller gegangen war und sah mich prüfend an.
Ich nickte nur. „Sicher.“
„Warte mal! Hey, deine Haare und dein Gesicht sehen irgendwie anders aus.“ Er musterte mich von oben bis unten und trat einen Schritt zurück. Dabei legte er seine Hände auf meine Schultern, um mich etwas auf Distanz zu halten. „Sally, du siehst toll aus!“, jubelte er dann, und über sein Gesicht huschte ein Lächeln. Ein ehrliches Lächeln.
„Danke“, gab ich nur leise von mir. Dass es ihm erst jetzt aufgefallen war, tat mir irgendwie weh, und ich konnte mich kaum über seine Worte freuen.
„Komm, du wolltest zu Daph.“ Ich schritt an ihm vorbei und kämpfte mich mit einem Gefühl, als hätte mir jemand in den Magen geschlagen, zu meiner Freundin durch, die mich bereits erwartungsvoll anlächelte.
„Oh Sall. Ich kann dir gar nicht oft genug sagen, wie toll du aussiehst. Ehrlich, du bist wunderschön!“
„Das ist sie, nicht wahr?“, hörte ich dann plötzlich Brads Stimme neben mir und zuckte beinahe zusammen, als er nach vorne kam und Daph charmant anlächelte. Daph bedachte ihn mit einem überraschten Blick. Man konnte die Verwandlung in ihrem Gesicht förmlich beobachten. Von erschrocken zu überrascht bis hin zu vollkommen von den Socken.
„Oh, mit wem habe ich denn hier das Vergnügen?“, kicherte sie und reichte ihm etwas zu schnell die Hand. Ich sah den beiden dabei zu, wie sie sich gegenseitig anstrahlten – oder viel mehr anschmachteten. Beiläufig deutete ich auf Brad. „Daph, das ist Brad.“ Und dann zu Daph. „Brad, das ist Daphne.“
„Daph bitte!“, wandte sie schnell ein und schaute von mir zu Brad „Du bist der mysteriöse Typ, der meine Sally so verwandelt hat“, stellte sie in einem amüsierten Ton fest.
„Scheint so, ja“, bestätigte er lachend. Erst jetzt lösten sich ihre Hände wieder voneinander.
„Tolle Arbeit“, kicherte sie. „Ich habe ihr schon tausend Mal gesagt, sie soll doch einfach mal was mit ihren Haaren machen und sich schminken, sie ist ein so hübsches Mädchen, aber scheinbar hört sie nicht auf mich“, lachte Daph weiter.
Genervt presste ich meine Lippen fest aufeinander und verflüchtigte mich, ohne dass die beiden Turtelnden es auch nur bemerkten. Den Abend hatte ich mir definitiv anders vorgestellt, und so verbrachte ich die nächste Zeit an der Theke und vernichtete eine Flasche Bier nach der anderen. Ich hatte mich verändert. Nun war ich an dem Punkt, an dem ich endlich zufrieden war. Wenn man das zufrieden nennen konnte. Ich hatte mich für den Abend hergerichtet. Mich darauf gefreut, mein neues Aussehen zu präsentieren und meine beste Freundin endlich wiederzusehen. Aber alles, was ich gerade fühlte, war ein nerviges Ziehen in meinem Bauch. Ein Gefühl von Unbehagen und auch ein kleines bisschen Enttäuschung.