Читать книгу Verliebt in deinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 16
Zehn
ОглавлениеWir schlenderten nebeneinander her. Der Abend war toll gewesen und ich hatte seit langem mal wieder richtig viel Spaß gehabt. Ich fühlte mich irgendwie erleichtert.
„Das mit dem komischen Typen da vorhin war echt eine lustige Nummer“, lachte Brad kurz auf und schien den Abend noch einmal in Gedanken durchzugehen.
„Ähm, ja. Sehr komisch.“ Jetzt, wo Mitch weg war, lag mir meine kleine Lüge ganz schön auf der Seele. Warum es mich so störte, was ich mit dem Typen abgezogen hatte, wusste ich nicht. Aber es fühlte sich nicht richtig an, Brad gegenüber nicht ehrlich zu sein.
„Brad, das vorhin war nicht ganz das, wonach es aussah“, fing ich schüchtern an und spielte an meiner dünnen Jacke, die ich mir locker über die Schultern geworfen hatte.
„Was meinst du?“
„Naja, ich habe dem Typen mehr oder weniger Angst eingejagt und ihn viel mehr dazu gezwungen, mir etwas zu bestellen. Er hat es sicherlich nicht getan, weil ich so reizend zu ihm gewesen bin.“ Ich erzählte ihm von dem Versuch, den beiden Jungs zu imponieren, um nicht immer als Spießerin dazustehen. Dabei war meine Stimme sehr kleinlaut und brüchig. Aber ich fühlte mich besser bei dem Gedanken, nur Mitch auf die falsche Fährte gebracht zu haben.
Brad lachte laut. „Ist das dein Ernst?“
Ich nickte und senkte meinen Blick auf den Boden. Ich wollte nicht flirten, und schon gar nicht mit dem komischen Typen da. Aber mein Schauspiel kam mir plötzlich so falsch vor, und so lange ich das zugeben konnte, kam ich mir nicht allzu schäbig vor. Wenn Brad wüsste, wie ich eigentlich gestrickt war … Irgendwann würde ich die Karten sowieso auf den Tisch legen müssen, aber vorerst wollte ich die Füße still halten.
„Ist doch nicht so schlimm. Immerhin hatten wir was zu lachen. Und Mitch muss es meiner Meinung nach auch nicht unbedingt wissen. Bei ihm stimmt nämlich auch immer nur ein Achtel von dem, was er erzählt.“ Ich spürte Brads Blick von der Seite. Du bist also kein Flirt-Typ, richtig?“
Ich schüttelte eilig den Kopf und blickte nach vorne. Die Straßen waren relativ ruhig für einen Freitagabend. Nur wenige Leute begegneten uns. Der Weg zu meiner Wohnung konnte manchmal tatsächlich etwas unheimlich sein. Aber die Luft war noch angenehm warm und klar, nur mittlerweile etwas frisch. „Erzähl mal: Wie bist du so drauf, wenn du ein Date hast? Ich meine, bist du der Kein Kuss beim ersten Date-Typ oder eher der Ich gehe voll ran-Typ?“ „Na, was glaubst du denn?“, entgegnete ich zynisch und hob eine Braue hoch.
„Wie du schon sagtest: Stille Wasser sind tief.“ Achselzuckend blieb Brad stehen und sah mich eindringlich an. „Hattest du überhaupt schon mal ein Date?“
„Klar!“, protestierte ich etwas zu laut, was mich vermutlich total ins falsche – oder eher richtige – Licht rückte. Was sollte ich ihm sonst antworten? Egal, was ich antworten würde, die Antwort wäre nicht aufrichtig.
Brad legte den Kopf schief, und ich konnte in seinen Augen sehen, wie sich seine Pupillen weiteten. Er presste die Lippen fest aufeinander, so als würde er angestrengt versuchen, in meinen Augen zu lesen. Verunsichert blickte ich von links nach rechts und dann wieder zu ihm. Auf einmal schien er mir so nahe zu sein wie niemals zuvor.
„Hm“, machte er nur, als wäre ich eine Formel, die man nicht auf Anhieb lösen konnte. Sein Körper, seine Wärme, sein Duft – all das zog mich magisch an. Ich fühlte mich fast überfordert. Dann hob er beide Hände und hielt mein Gesicht fest. Ganz sanft, ganz vorsichtig. Seine Hände waren warm und etwas rau. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Er begutachtete meine Augen ganz eingehend, als würde er meine Gedanken studieren. In all der Zeit, die ich ihn kannte, hatte er sich noch nie so vertraut angefühlt. So unbeschreiblich gut. Mit seinen Daumen streichelte er meine Wangen und lächelte. Dann plötzlich presste er seine Lippen auf die meinen.
Mein Herz machte einen Satz. Ein lautes Pochen. Warme weiche Lippen. Warme Hände. Mein heftiges Zittern. Meine Nervosität. Es war eine Achterbahn voller verschiedener Gedanken und Emotionen. Seine Lippen legten sich wie ein Schleier auf meinen ab. Seine Zunge, ganz sanft in meinem Mund, die nach meiner suchte. Mein Atem stockte, und mein Herz stand fast still. Mein Magen drehte sich im Kreis, genauso wie meine Sinne. Sein Duft. So sportlich. So männlich. So hundertprozentig Brad.
Irgendwann schloss ich die Augen, um es zuzulassen. Dann ließ er von mir ab und sah mich wieder fragend an. Als würde er jetzt mehr in meinem Gesicht lesen können. Als hätte er die eine Matheformel geknackt.
Ich fand meinen Atem wieder. Nur schwer und langsam. Aber nicht mehr meine Gedanken. Mein Körper bebte. Alles war so anders. Ich war so anders.
„Hm“, sagte er wieder und trat bedächtig einen Schritt rückwärts. „Du bist echt nicht der Kuss-Typ“, lachte er dann plötzlich und wuschelte durch meine Haare, „und dein angewiderter Blick spricht Bände!“
Um mich herum schien sich alles zu drehen. Nicht einmal meine Mimik hatte ich scheinbar unter Kontrolle. Dabei wollte ich gar nicht angewidert dreinblicken. Verwirrt grinste ich bloß. „Ähm, ja. Da könntest du recht haben. Nicht so der Kuss-Typ …“
Meine eigene Stimme hörte sich in meinen Ohren so fremd an. Wie angewurzelt stand ich einfach da und rührte mich nicht von der Stelle.
„Hey, alles cool“, grinste er dann und strich mir über die Wange. „Das war nur ein kleiner Test, Nerd. Aber ich sehe, dass du ein kleines bisschen Hilfe brauchst“, grinste er dann. Ein Test …
Ich nickte verstohlen. „Mag sein.“ Hilflos blickte ich in alle Richtungen und wünschte mir, dass sich die Erde unter mir auftat, ich hineinspringen und mich tief in ihr vergraben konnte.
„Aber sei froh, dass du mich hast. Ich helfe dir dabei, den Richtigen zu finden.“ Brad legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich mit sich. „Auf jeden Topf passt ein Deckel!“
Mit hochrotem Kopf und bebendem Herzen wankte ich stumm neben ihm her. Das war das erste Mal, dass ich ahnte, wie gefährlich Brad wirklich für mich sein konnte.
***
Die nächsten Tage waren komisch. Oft war ich in Gedanken versunken oder ertappte mich dabei, wie ich einfach nur da saß und wild grübelte. Ich verdrängte den Kuss, der ja scheinbar absolut unbedeutend für Brad war. Auch er hatte ihn nicht mehr erwähnt und gab sich gelassen und cool wie immer. Zwischen uns war eigentlich eh alles wie immer. Es war ja auch nur ein bedeutungsloser, projektartiger Kuss. Mehr nicht!
Wir saßen gerade bei mir zuhause vor dem Laptop und planten die Wiedersehensparty für Daph, die ja bald wieder zurückkommen würde. Ich konnte es kaum erwarten. Endlich wieder ein vertrautes Gesicht, mit dem ich über typische Mädchenthemen sprechen konnte. Klar tat ich das auch manchmal mit Brad, aber im Grunde eignete sich Daph einfach besser – immerhin war sie meine beste Freundin, die mich schon so einige Mal aus dem tiefsten Loch gezogen hatte, und von daher würde ich ihr eine irrsinnig tolle Wiedersehensparty bescheren. All ihre Freunde sollten kommen sowie ihre Familie, Mitch und Brad. Netterweise bot Brad sich an, mir bei den Vorbereitungen zu helfen – ich hatte ja auch eigentlich keine Ahnung von Partys, wie er mir immer wieder deutlich zu verstehen gab. Ich war gerade dabei, die Liste der eingeladenen Gäste nieder zu tippen, da stellte er uns eine Tasse mit heißem Kaffee auf den Wohnzimmertisch. „Ich bin schon sehr gespannt auf Daph. Nachdem, was du alles erzählt hast, scheint sie ja echt cool zu sein.“
„Ja“, stimmte ich ihm zu und ließ von meiner Tastatur ab. „Du wirst sie sehr mögen, schätze ich. Ihr habt so ziemlich den gleichen Humor.“
„Ja? Welche Art von Humor?“
„Ihr seid beide sehr direkt und manchmal auch kränkend, aber verpackt es geschickt in einen witzigen Ton“, erklärte ich trocken.
„Das hört sich nach einer tollen Eigenschaft an. Und wenn sie wirklich so tickt, dann ist es perfekt, dann werde ich sie ganz sicher mögen und sie mich. Ich wollte nämlich nicht um mein Revier kämpfen müssen“, lachte er und stupste mich kurz an.
„Wie meinst du das denn?“, fragte ich misstrauisch und kniff finster die Augen zusammen. Wenn Brad mich von der Seite anstieß, dann hieß das entweder, dass er was wollte oder vorhatte, mir etwas Böses zu sagen. Von daher kein Wunder, dass ich stutzig wurde.
„Naja, nicht, dass sie dich nur für sich beansprucht und ich nun die Biege machen darf, wenn sie wiederkommt.“ Er fuchtelte ungeschickt an seiner Tasse herum.
Ich schüttelte verständnislos den Kopf. „Nein, wie kommst du darauf?“
„Naja …“, stotterte Brad weiter.
„Ich denke, für Daph ist es in Ordnung, wenn ich neben ihr noch andere Kontakte pflege.“ Ich richtete meine Augen wieder auf die Liste. Irgendwie war seine Angst ganz süß und innerlich freute ich mich darüber.
Mittlerweile war die Gästeliste prall gefüllt. Es würden eine Menge Leute kommen. Die Location stand ebenfalls fest. Die Feier würde in der Bar von Daphs Bruder stattfinden. Dadurch konnten ordentlich Kosten gespart werden, denn Simon und ich achteten darauf, die Party nicht zu teuer, aber trotzdem zu einem unvergesslichen Abend zu machen. Alles schien perfekt zu laufen.
„Daph ist Single, richtig?“, unterbrach mich Brad gerade beim Korrekturlesen der Einladungen. Geistesabwesend nickte ich und hörte, wie Brad begann, lauter Fragen zu stellen. Aber ich war so in meine Planungen vertieft, dass ich erst angeschrien werden musste, um wieder in unsere Welt zurück zu kehren.
„Ob du mir noch zuhörst!?“, brüllte Brad mich von der Seite an und ließ mich heftig zusammenzucken.
„Scheiße!“, fluchte ich und rieb mir wütend mein Ohr. „Spinnst du?“
Brad nestelte an seinem Becher herum. „Du bist ja voll abgedriftet“, stellte er genervt fest.
„Entschuldige, aber die Einladungen sind wichtig. Ich muss sie rechtzeitig fertig bekommen und wegschaffen, damit alles gut geht. Also, was willst du wissen?“
„Wegen Daph“, begann er sichtlich leiser. „Du meintest, sie sei Single. Und du meintest auch, wir würden uns gut verstehen.“
„Ja, und weiter?“, fragte ich ungeduldig, bis es mir plötzlich dämmerte. „Ach, du willst, dass ich euch verkupple, wenn sie dir gefällt, richtig?“ Ich schüttelte lachend den Kopf.
Unschuldig sah Brad mich an. „Ich dachte mir, dass sie vielleicht mein Typ ist. Du schwärmst ja so von ihr. Und sie hat den gleichen Humor wie ich. Da ich also nicht selber mit mir liiert sein kann und ich mich, nebenbei bemerkt, echt hammermäßig finde, dachte ich, könnte so eine Maus gut zu mir passen.“
Ich lachte über seine äußerst merkwürdige Bemerkung. „Ja, allerdings schwärme ich viel von Daph, aber ich schwärme auch vom Lesen und das schreckt dich tierisch ab. Aber kein Problem. Ich sehe mal, was ich tun kann. Daph ist halt ein heißer Feger, und du bist ja auch ziemlich von dir überzeugt. Ich denke, das könnte passen“, neckte ich ihn.
Brad grinste nur breit. „Na, dann sorgen wir mal dafür, dass das eine verdammt geile Party wird!“
Ich wandte mich lächelnd wieder den Einladungen zu und klickte auf „Drucken“. Der Tag des großen Wiedersehens rückte immer näher, und mein Herz machte einen riesigen Hüpfer.