Читать книгу Verliebt in deinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 9
Drei
ОглавлениеDie Gäste trafen ein. Es waren nicht viele, nur Daphs engste Freunde. Die große Party war für den Tag geplant, an dem sie wieder zurück nach Hause kommen würde. Deshalb lümmelten wir gemütlich auf der Couch und auf dem Fußboden: Lynn, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte und umgekehrt, Susan, Luke, Patrick und Claudia, Daph und ich. Eine lustige Runde, in der ich vortäuschte, ständig ein neues Bier zu trinken. Auf lästige Sprüche wie Warum trinkst du so wenig, mach dich mal locker oder Komm schon, auch du kannst dir mal einen reinbrennen, hatte ich keine Lust. Deshalb trank ich sehr lange an meinem einen Bier, stand gelegentlich auf, ging an den Kühlschrank und ließ es so aussehen, als hätte ich immer wieder ein neues in der Hand. An sich war der Abend ziemlich witzig, und die vernichtenden Blicke von Lynn versuchte ich größtenteils zu ignorieren. Das war ich schon gewohnt von ihr.
Wir erzählten und lachten viel miteinander. Daph unterhielt für gewöhnlich die Gruppe und schwärmte von ihren Plänen in Deutschland und was sie sich alles ansehen würde. Sie erzählte vom Brandenburger Tor und von dem Zoo, den sie dort unbedingt besuchen wollte. Sie versprach, allen regelmäßig Bilder zu schicken und uns immer auf dem Laufenden zu halten. Mir hingegen fiel es einfach schwer, auf Leute zuzugehen und Freundschaften zu schließen. Ich redete einfach zu ungerne über mich selbst und wollte keine Informationen von mir preisgeben. Deswegen beließ ich es bei den paar Kontakten, die ohnehin nicht viele Fragen stellten. Bis auf Daph und meinen Mädels in der Uni, Lisa und Charlotte, hatte ich keinen weiteren Kontakt. Sie akzeptierten mich so, wie ich war.
Irgendwann verabschiedete ich mich aus der Runde, drückte Daph kurz und schleppte mich müde ins Bett. Das Gelächter und die Musik, die aus dem Wohnzimmer zu hören waren, ließen mich erst nicht einschlafen. Außerdem kreisten viele Gedanken in meinem Kopf, die mich noch eine ganze Weile wachhielten. Wie sollte ich die nächsten Wochen ohne meine beste Freundin, die mich immer mitzog, bloß überstehen? Mit dicken Tränen in den Augen, die mein Kopfkissen benetzten, schlief ich schließlich ein.
***
Mein Wecker klingelte um sechs Uhr früh. Ich kletterte niedergeschlagen aus dem Bett. Draußen war alles still. Sollte Daphne nicht eigentlich schon längst aufgestanden sein? Ihr Flug ging doch schon bald. Ich tapste durch das Wohnzimmer auf die andere Seite des kleinen Apartments. Als ich mich so umblickte, bemerkte ich die leeren Flaschen und die Chipstüten auf dem Fußboden. Ich schüttelte genervt den Kopf. Das würde also meine Nachmittagsbeschäftigung sein: Aufräumen.
Ich klopfte an Daphs Zimmer. Es regte sich nichts. Ich öffnete die Tür. Alles war dunkel. Mit zusammengekniffenen Augen erkannte ich Daph in ihrem Bett. Ihre Klamotten lagen im Zimmer kreuz und quer verteilt. Ich seufzte kurz und schüttelte den Kopf. Es war einfach typisch für meine Freundin. Was auch immer bevorstand, ein Abend mit Alkohol warf sie komplett aus der Bahn. Kichernd nahm ich Anlauf und sprang wie wild geworden auf ihr Bett.
Sie kreischte panisch auf und schlug um sich. „Was zum Teufel … Wer zum Teufel … Teufel nochmal!“
Ich lachte laut auf. „Aufstehen, du Sonnenschein. Musst du nicht bald los?“
Ich hopste immer weiter auf ihr herum und vermutlich tat ich ihr dabei auch etwas weh, da sie mich ruppig beiseite stieß.
„Was? Wie spät ist es?“
„Aua!“, keifte ich und rieb mir meinen Oberschenkel, den Daph unsanft getroffen hatte. „Es ist sechs.“
„Nein! Das darf doch nicht … Oh Mist!“ Sie wischte sich über ihr Gesicht. Dieses Mal grinste ich zynisch und knipste ihr Nachttischlicht an.
„Tja, wer abends lange säuft, der kommt morgens zu spät, nicht wahr, Daphne Bearson?“
„Spar dir deine klugen Ratschläge“, schimpfte sie und kroch halbtot aus dem Bett.
„Na los, du machst dich fertig, ich koche Kaffee und mache uns ein schnelles Frühstück“, schlug ich vor und verschwand mit einem vielsagenden Lachen im Wohnzimmer.
Der Abschied fiel uns so unendlich schwer. Wir standen eine halbe Ewigkeit Arm in Arm in unserem Wohnzimmer und kämpften gegen unsere Tränen. „Hoffentlich wird die Zeit schnell vergehen. Versprich mir, dass du auf dich aufpasst, dich jeden Tag meldest und nicht schwanger nach Hause kommst, ja?“
„Das mit dem schwanger werden kann ich nicht garantieren, aber alles andere geht klar. Ich melde mich, so oft ich kann“, schniefte sie und sah mich eindringlich an. „Du kommst klar, oder?“
Ich nickte. „Klar, was denkst du denn? Endlich sturmfrei“, log ich und hob die Arme.
„Sehr gut. Ich hab dich lieb!“, sagte sie noch einmal, drückte mich und verschwand mit gesenktem Kopf durch die Tür nach draußen, wo ihr Taxi zum Flughafen bereits wartete.
„Schreib mir sofort, wenn du angekommen bist!“, rief ich ihr hinterher.
„Natürlich!“, lächelte sie zurück und winkte mir noch einmal, bevor sie im Taxi verschwand.
Nachdem ich die Haustür schloss, rannten mir die Tränen über mein Gesicht, und ich sah mich mit hängenden Schultern in unserem chaotischen Wohnzimmer um. Es würden die längsten sechs Monate meines Lebens werden.
***
Nachdem ich endlich einmal wieder pünktlich in der Uni ankam, erfuhr ich, dass die Vorlesung ausfiel. Irgendwie war ich erleichtert darüber, denn großartig konzentrieren konnte ich mich mit Sicherheit nicht. Zu tief saßen noch die Gedanken an Daph und ihrer langen Abwesenheit. So suchte ich mir draußen einen sonnigen Platz und stützte meinen Kopf auf meine Hand, da dieser sonst auf den Holztisch knallen würde. Ich vermisste Daph jetzt schon und dachte gerade darüber nach, wie ich die nächste Zeit alleine zurechtkommen sollte, als mir jemand einen heißen Becher Kaffee vor die Nase stellte.
„Himmel, du schläfst ja bald ein“, stellte Brad erschrocken fest, als er sich gegenüber auf die Bank setzte. Kurz setzte mein Herz aus bei seinem Anblick, denn ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass er mich heute überhaupt noch beachten würde. Ich griff dankend nach dem Kaffee und legte meine Hände seufzend darum.
„Zu viel gesoffen gestern? Oder einen durchgezogen? Nein, warte, sag nichts. Ich glaube, du hast wie ein wildes College-Girl die Nacht durchgetanzt und einen Typen nach dem anderen klargemacht, nachdem du was mit dem Captain der Football-Mannschaft hattest.“
„Haha“, antwortete ich und schüttelte genervt den Kopf.
Brad schwieg einen Moment und biss sich auf die Lippe, als wollte er seine Worte wieder zurückziehen. „Sorry, es ist wegen deiner Freundin, oder?“
Ich nickte stumm.
„War der Abschied sehr schwer?“, fragte er dann deutlich einfühlsamer.
„Schon ja, nachdem sie beinahe den Flug verpennt hätte. Abschiede liegen uns einfach nicht“, erklärte ich traurig.
„Aber sie kommt ja wieder.“ Er sah mich etwas mitleidig an.
„Ja, in einem halben Jahr“, antwortete ich gereizt. Typisch Männer, dachte ich. Hatten überhaupt kein Verständnis für emotionale Gefühlsausbrüche und weibliche Bedürfnisse.
Er nahm einen Schluck aus seinem Becher und bedachte mich mit einem fragenden Blick. Als er den Becher auf den Tisch stellte, fragte er schließlich: „Und was hast du so in der nächsten Zeit vor?“
„Das frage ich mich auch gerade. Weißt du, Daph ist meine beste Freundin. Wir machen alles zusammen. Wir wohnen ja auch zusammen, und plötzlich ist sie weg und ich fühle mich so alleine. Aber was erzähle ich dir das eigentlich?“, fragte ich mich selbst und vergrub mein Gesicht wieder in meinen Händen.
„Hm“, machte er und legte seinen Kopf schief. „Ich denke, du hast ein großes Problem“, stellte er dann mit ernstem Gesicht fest.
„Wow, danke. So viele Komplimente am Morgen bin ich gar nicht gewohnt“, konterte ich. Seufzend nahm ich einen Schluck und sah Brad an. „Und welches Problem habe ich deiner Meinung nach?“, fragte ich dann nach einer Weile, da es mich ja irgendwie doch interessierte, welches Problem Brad bei mir sah.
„Ich glaube, du kannst dich nicht alleine beschäftigen.“
„Oh, und wie kommst du darauf?“, wollte ich mit scharfem Unterton in der Stimme wissen. Normalerweise war ich Fremden gegenüber nicht so unfreundlich. Im Gegenteil, ich lächelte eigentlich immer, um mich nicht noch unbeliebter zu machen. Aber Brad forderte es irgendwie heraus.
„Naja, sieh dich doch mal an. Du sitzt hier und grübelst wie jemand, der wegen Mordes eingesperrt wurde“, stellte er klar, als wäre das die Erkenntnis des Jahrhunderts.
Wahnsinn. Was für ein Vergleich. Ich stöhnte etwas genervt. „Aber, ich habe die Lösung für dein Problem“, gab er etwas zu arrogant von sich und schmunzelte abwartend. Seine blauen Augen verengten sich derweil etwas.
„Na, und die wäre?“
„Ich werde dich die nächsten Wochen beschäftigen.“
Ich lachte fast hysterisch auf. „Ja genau, weil du ja auch nichts Besseres zu tun hast.“ Kopfschüttelnd nahm ich wieder einen Schluck Kaffee und ließ meinen Blick bedächtig über den Hof kreisen.
„Habe ich nicht“, gab er entrüstet von sich.
„Du kannst es ja versuchen“, presste ich nicht gerade zuversichtlich hervor und hoffte, er würde es einfach auf sich beruhen lassen. Ich brauchte kein Mitleid. Wirklich nicht.
„Glaube mir, Nerdy. Ich kann ganz schön fordernd sein“, drohte er und zwinkerte mir belustigt zu. Ich drehte mich leicht auf der Bank, um zu sehen, ob er nicht doch einem hübschen Mädchen hinter mir zuzwinkerte. Aber da war niemand. Er meinte tatsächlich mich.