Читать книгу Verliebt in deinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 8
Zwei
ОглавлениеAls der Typ hinter mir die Tür vom Hörsaal schloss, schlug ich mir fassungslos die Hand auf die Stirn. „Du meine Güte! Das ist mir noch nie passiert. Was ist nur in mich gefahren? Das muss ich unbedingt wieder geradebiegen.“ Nervös drehte ich mich im Kreis und hielt plötzlich inne, als ich ihn mit einem schiefen Lächeln vor mir stehen sah. „Was grinst du so? Ich meine das ernst!“
„Ach nichts.“ Er lächelte weiter, als amüsiere er sich köstlich über mich. Ich kreiste weiter in dem Gang vor dem Hörsaal umher. Vereinzelt liefen Studenten an mir vorbei und musterten mich fragend, ehe sie weitergingen.
„Das hat bestimmt Auswirkungen auf meine Note. Der Idiot kann mich ohnehin schon nicht leiden. Der wird sich einen Spaß daraus machen und hat endlich einen Grund, mir einen reinzuwürgen. Was tue ich jetzt nur? Ich muss eine Hausarbeit schreiben, um das wiedergutzumachen“, schlug ich vor und wandte mich zum Gehen.
„Hey, warte mal!“, hörte ich den Typen hinter mir herrufen.
„Was?“ Etwas gereizt drehte ich mich noch einmal um, drauf und dran, meinen Weg in die Bibliothek einzuschlagen.
„Willst du mich jetzt einfach hier so stehen lassen?“, fragte er dann irritiert und sah sich etwas hilflos um.
„Ähm, ja?“, gab ich verwirrt zurück. Was dachte der sich denn? Immerhin trug er eine gewisse Mitschuld an dem Vorfall, den ich jetzt ausbaden musste. Wenn es ihm egal war, was mit seinen Noten passieren würde, war das seine Sache. Ich hingegen konnte mir so einen Vorfall absolut nicht leisten.
„Findest du das nicht ein bisschen unhöflich? Ich meine, wir sitzen ja nun irgendwie im selben Boot und du hättest ja nicht lachen müssen.“ Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und machte einen auf unschuldig. Ich legte die Stirn in Falten und sah ihn perplex an.
„Du könntest zumindest einen Kaffee mit mir trinken gehen“, schlug er freundlich vor. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Einen Kaffee?“
„Kannst gerne auch was anderes trinken. Aber wenn du jetzt eine Extraarbeit schreibst, nur um dem Prof in den Hintern zu kriechen, dann würde ich vermutlich schon etwas über dich schmunzeln“, gestand er achselzuckend.
Ich war völlig vor den Kopf gestoßen und konnte kaum antworten. Was dachte der Typ sich eigentlich?
„Also, was ist nun?“, fragte er und legte den Kopf etwas schief. „Nur einen Kaffee oder so, und wenn es nervig mit mir ist, dann lasse ich dich in Ruhe, versprochen. Aber ich finde, nach diesem Rausschmiss haben wir uns das verdient, und ich habe eine Chance, dich wieder zum Lachen zu bringen, echt verdient.“
Ich trat zögernd von einem Fuß auf den anderen. Mich fragte ziemlich selten jemand, ob ich einen Kaffee mit ihm trinken wollen würde. Irgendwie war mir die Situation zu blöd. Andererseits sollte ich vielleicht die Gelegenheit nutzen. Immerhin schien er nicht viele Leute hier zu kennen. Er saß ganz alleine in der Vorlesung. Und ich? Ich konnte mich auch nicht gerade mit einer Vielzahl an Freunden brüsten. Neue Leute kennenzulernen würde mir sicherlich guttun.
Außerdem konnte ich ja gehen, wenn es mir zu blöd werden würde. Seufzend nickte ich schließlich. „Okay, lass uns auf einen Kaffee gehen.“
***
Wir hatten uns draußen auf dem Rasen an einen Holztisch gesetzt. Die Sonne schien und der Hof war überraschend ruhig. Logisch, die meisten Studenten saßen in ihren Vorlesungen. Ich hatte das Gefühl, sämtliche Regeln zu brechen, die ich mir so mühsam auferlegt hatte.
„Und?“ Der Typ mit den schönen Augen nickte in meine Richtung. „Bist du immer so ein … naja … strebsames Mädchen?“
Ich bedachte ihn mit einem finsteren Blick. „Nein, bin ich nicht.“ Mit meiner rechten Hand wackelte ich etwas an meinem Kaffeebecher und beobachtete, wie der Kaffee kleine Wellen schlug. „Naja, eigentlich doch. Aber so darf mich nur meine beste Freundin nennen“, erklärte ich dann mit einem leichten Lachen.
„Verstehe. Und du bist tatsächlich noch nie aus dem Unterricht geflogen?“, wollte er dann mit unverständlichem Blick wissen. Ich schüttelte den Kopf und presste wehmütig die Lippen aufeinander.
„Puh, das ist ja fast schon traurig“, sagte er. „Und was meint deine beste Freundin dazu?“
„Daph? Hm, die hat dazu ihre ganz eigene Meinung“, lachte ich schließlich.
„Dann sollte ich mich wohl mal mit ihr kurzschließen und herausfinden, wie wir dich ein bisschen lockerer machen können. Er nahm einen Schluck aus seinem Becher, ohne seine Augen von mir zu nehmen.
„Tja, da wirst du lange warten können. Sie reist morgen nach Deutschland und macht ein Auslandssemester. Dass Daph dieses Auslandssemester machen wollte, stand schon sehr lange fest. Immerhin wollte sie Lehrerin werden und in ihrer Studienzeit auch Schulen in anderen Ländern kennenlernen. Jetzt stand erst einmal Deutschland auf ihrem Plan, wo sie an einer Schule in Berlin Kinder unterrichten würde. Ich wusste, wie wichtig dieser Teil ihrer Laufbahn war. Aber je näher der Tag ihrer Abreise rückte, desto mehr zog sich mein Magen schmerzlich zusammen. Wen hatte ich denn dann noch an meiner Seite, wenn sie weg war? Ohne sie fühlte ich mich schlichtweg allein. Nein, jetzt bloß nicht drüber nachdenken!
Ich erzählte ihm von ihren Plänen, dort an einer Schule zu unterrichten. Überhaupt fiel es mir leichter, über Daph zu sprechen als über mich. Über mich gab es ja auch nicht so viel Interessantes zu berichten. „Oh, dann … muss ich mich wohl vorerst alleine um dich kümmern“, lachte er und entlockte mir ebenfalls ein Lachen.
„Sag mal, wie heißt du eigentlich?“, fragte ich ihn. Immerhin verbrachten wir mittlerweile schon den halben Vormittag miteinander.
„Ich bin Brad. Brad Archer“, stellte er sich vor. „Und verrätst du mir auch deinen Namen? Oder soll ich dich einfach Nerd oder so nennen?“
„Es wäre besser für dich, wenn du das lässt. Ich bin Sally Walters“, antwortete ich und schob meine Brille wieder etwas höher.
„Sally“, wiederholte er langsam meinen Namen. „Sally, ich glaube, wir werden eine lustige Zeit miteinander haben“, grinste er mich frech an.
„Und wie kommst du darauf?“, fragte ich skeptisch zurück.
„Naja, dein Kaffee ist schon seit einer Weile leer, und du bist noch nicht abgehauen.“
***
So stürmisch ich am Morgen in die Uni gefahren bin, so stürmisch eilte ich am Nachmittag nach Hause. Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich mit Brad draußen auf der Bank saß und einen Kaffee nach dem anderen schlürfte, aber es bescherte mir ein Lächeln auf den Lippen, wenn ich bloß daran dachte. In meiner Lage freute man sich über jedes Fünkchen Aufmerksamkeit, und zudem hatte es, zugegebenermaßen, wirklich viel Spaß mit ihm gemacht. Brad brachte mich unentwegt zum Lachen und ich fühlte mich für ein paar Momente einfach mal dazugehörig und gemocht. Obwohl der Tag nervenaufreibend angefangen hatte, nahm er mittlerweile schöne Ausmaße an. Wäre da nicht Daphs Abschiedsparty am Abend gewesen.
Ich hetzte zurück in unser kleines Apartment, was für Studenten eigentlich groß genug war. Nachdem ich die drei Stufen zur Haustür hochgesprungen war und die Tür aufgeschlossen hatte, legte ich mir in Windeseile eine Schürze an und machte mich an die Arbeit. Ich hatte vor, für Daph ihren Lieblingskuchen zum Abschied zu backen. Apfelkuchen.
Nachdem die Küche aussah wie ein Schlachtfeld und ich mich vor lauter Mehl im Spiegel kaum wiedererkannte, sprang ich noch schnell unter die Dusche und richtete das Wohnzimmer für die Party her. Ist ja nicht so, als hätte ich in meinem Leben noch nie gefeiert. Ich vermied es nur, so gut es ging, viel Alkohol zu trinken.
Nicht mehr Herr meiner Sinne zu sein, bedeutete für mich, die Kontrolle zu verlieren und das konnte ich absolut nicht verantworten. Lieber trank ich nur ein Bier und war damit schon bedient. Während andere Leute am nächsten Tag noch mit einem kräftigen Kater zu kämpfen hatten, konnte ich den Tag entspannt angehen. Es war keine Seltenheit, dass Daph den Tag nach einer Feier im Bett verbrachte, während ich Ordnung in unserem Apartment machte.
Als die Getränke kaltgestellt und alle teuren Gegenstände außer Sichtweite waren, kam Daph abgehetzt nach Hause.
„Sieh mal einer an“, kicherte sie, als sie sich umsah. „Wahnsinn, danke dir, Sall! Es ist ja alles so gut wie fertig.“ Sie ließ erleichtert ihre Einkaufstaschen auf den Boden fallen und kam mit eiligen Schritten auf mich zu. Sie drückte mich fest und ihre Stimme wurde zittrig.
„Oh Sall. Was mache ich nur ein halbes Jahr lang ohne dich? Ich danke dir, dass du schon alles vorbereitet hast.“ Sie hielt mich eine Armeslänge von sich, um mich zu mustern.
„Was ist?“, fragte ich beinahe nervös. Hatte ich schon erwähnt, dass ich es nicht leiden konnte, wenn mich jemand zu lange musterte?
„Nichts, du siehst nur so toll aus, Sall. Ach herrje, ich werde gerade sehr sentimental“, schniefte sie und drückte mich noch einmal. Bevor mir ebenfalls die Tränen kamen und die anderen Gäste eintrafen, lief ich schnell um den Küchentresen, der Teil des offenen Wohnzimmers war, herum und holte den Apfelkuchen aus dem Backofen.
„Ich habe hier noch eine Kleinigkeit für dich“, lächelte ich und streckte ihr den Kuchen entgegen.
„Oh mein Gott, vielen lieben Dank.“ Sie schnupperte kurz daran und gab ein stöhnendes Geräusch von sich. „Ich liebe Apfelkuchen. Du bist die Beste!“, kreischte sie vor lauter Freude, klatschte wie ein typisches Collegegirl in die Hände und ließ dabei ihre langen, blonden Haare hin und her wippen. Selbst dabei sah sie wunderschön aus. Daph konnte einfach alles machen. Ob ungeschminkt oder geschminkt. In Jogginghosen oder in engen Jeans. Sie war eines von den Mädchen, die immer gut aussahen und sich keine Gedanken um ihr Aussehen machen mussten. Da konnte ich mit meiner Brille auf der Nase und den langweiligen Haaren einfach nicht mithalten.
„Versteck ihn lieber, sonst überlebt der heute Abend nicht“, riet ich Daph und deutete dabei auf den Kuchen.
„Du hast recht. Davon nehme ich mindestens ein Stück mit auf meine Reise nach Deutschland. Dann habe ich sozusagen einen Teil von dir dabei.“