Читать книгу Verliebt in meinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 12
Sechs
ОглавлениеAm nächsten Tag brachte ich ein paar Bücher in die Unibibliothek zurück. Der Weg dahin war irgendwie traurig, weil es vermutlich das letzte Mal war, dass ich die Uni besuchte. Das Unileben war einfach mein Ding, auch wenn ich mich auf die Zeit, die jetzt vor mir lag, freute.
Eigentlich hatte ich mich in der freien Woche auf einen Lesemarathon gefreut, aber nachdem Brad mir diesen so madig gemacht hatte, fühlte ich mich nicht mehr gut bei dem Gedanken, meine Nase zu Hause in Bücher zu stecken. Mich ließen die Gedanken an Brad in meinem Bett nicht los. Die Tatsache, dass Brad wie selbstverständlich bei mir geschlafen hatte und ich dabei dieses merkwürdige Kribbeln gefühlt hatte. Als ich mir erneut dieses Gefühl in Erinnerung rief, fiel mir auf, dass es sich schon sehr in meinem Unterleib abspielte. Eilig schob ich die Gedanken beiseite und bewertete sie als Nebeneffekt übermäßigen Alkoholkonsums. Ich schlenderte die Straßen entlang und genoss das wundervolle Frühlingswetter, als ich von Weitem jemanden erkannte. Mein Magen zog sich zusammen. Hektisch schaute ich mich um, ob ich irgendwo einen Busch finden würde, in den ich springen und mich verstecken konnte, aber das wäre wohl zu auffällig gewesen, denn die Person kam direkt auf mich zu. Wie angewurzelt blieb ich stehen und legte verlegen meine Hand um meine Umhängetasche, in der sich meine Bücher befanden.
Mein Herz raste, als Alex direkt vor mir stand und mich schüchtern anlächelte.
„Sally, wie schön“, sagte er, als wäre er erstaunt mich hier zu sehen. Dabei war es eher umgekehrt. Was machte er hier? Hatte er mir nicht vor ein paar Monaten gesagt, dass er nach New York zu seinen Dad in die Firma gehen wollte?
„Hi Alex“, antwortete ich perplex und bemühte mich um ein Lächeln. „Was machst du denn hier?“
„Puh, das ist eine lange Geschichte.“ Verlegen rieb er sich den Nacken und steckte eine Hand in die Hosentasche seiner Jeans. Nebenbei musterte ich ihn. Er sah gut aus in seinem roten Shirt und der ausgeblichenen Jeans. Eigentlich nichts Besonderes, aber alles, was Alex trug, machte er zu etwas Besonderem. Seine Haare waren ein wenig länger, als ich sie in Erinnerung hatte. Er trug sie seitlich und eine störrische Strähne schien ihm immer wieder ins Gesicht zu fallen.
„Du wolltest doch bei deinem Dad arbeiten“, erinnerte ich mich und trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
„Ja, das habe ich auch.“ Er schaute sich beiläufig um, so als würde er hoffen, dass uns niemand hier stehen sah. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, aber Alex schien unendlich nervös zu sein. „Ich habe nach ein paar Monaten festgestellt, dass es irgendwie doch nicht so mein Ding ist, der Laufbursche für meinen Dad zu sein. Ich denke, es ist sinnvoller, wenn ich in einer anderen Firma einen Job finde, denn Vater und Sohn an einem Arbeitsplatz ist einfach nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Und daher bin ich wieder hierher zurückgekommen und habe mich eben auf einen Masterstudienplatz beworben.“
„Oh, das klingt spannend“ Ich bekam kaum mehr aus mir raus. Mein Gehirn ratterte. Schnell wurde mir klar, dass es bedeutete, dass Alex wieder in der Stadt war. Und schnell wusste ich auch, dass das nichts Gutes bedeuten würde. Nein, nein, nein! Bitte nicht sowas!
Alex sah nicht gerade so aus, als würde er sich über meine Reaktion freuen. „Ich drücke dir die Daumen, dass es klappt“, schob ich noch schnell hinterher und schluckte. Die Situation war angespannt. Wir beide fühlten uns in der Gegenwart des anderen anscheinend sehr unwohl. Es war ja auch nicht so einfach jemandem gegenüber zu treten, den man wegen einem anderen verloren bzw. wegen einem anderen verlassen hatte.
„Danke“, antwortete er und schaute sich wieder verlegen um. „Wir werden sehen. Ich dachte nur, dass noch ein bisschen Weiterbildung nicht schaden kann. Und wie sieht es bei dir aus?“, wechselte er schnell das Thema und bedachte mich mit fragenden Blicken.
„Ich bin fertig mit der Uni und fange nächste Woche an im Verlag zu arbeiten. Dort, wo ich auch meine Abschlussarbeit geschrieben und nebenbei schon gearbeitet habe“, erklärte ich ihm. „Daher bringe ich noch ein paar Bücher zurück, die ich noch ausgeliehen hatte.“ Mit der rechten Hand klopfte ich auf meine Umhängetasche.
„Das hört sich super an, Glückwunsch.“ Alex wirkte völlig überfordert mit der Situation und ich hoffte, dass wir schnell ein Ende finden würden, denn mein Kopf schwirrte bereits. Mit einem solchen Treffen hatte ich wirklich nicht gerechnet.
„Also, ich werde dann mal …“, begann Alex nach einer kurzen Pause und deutete mit einem Nicken an, dass er seinen Weg fortsetzen wollte.
„Okay.“ Ich nickte zustimmend und rang mir ein freundliches Lächeln ab. Mit einer Hand krallte ich meine Tasche fester, damit ich nicht Gefahr lief, Alex einfach zu umarmen. Dieser Drang hatte sich in mir breitgemacht, seitdem ich ihn auf mich zukommen sah. Er war mir immer noch wichtig, und das merkte ich in diesem Moment wieder besonders. Auch wenn ich das die letzten Monate einfach beiseite geschoben hatte. Jetzt, wo er so nah vor mir stand, schien alles noch einmal an die Oberfläche zu kommen, was ich ganz tief in mir vergraben hatte und das durfte absolut nicht passieren. Die Katastrophe schien unaufhaltsam auf mich zuzukommen und das musste ich dringend aufhalten.
„War schön, dich mal wiederzusehen. Also, mach’s gut“, sagte er, lächelte mir knapp zu und setzte zum Gehen an.
„Hat mich auch gefreut. Bis dann, Alex“, entgegnete ich ihm unsicher und versuchte so schnell wie möglich einen großen Abstand zwischen uns zu bringen.
***
In der Bibliothek schmiss ich mehr oder weniger die Bücher auf den Tresen, damit die Bibliothekarin diese abscannen konnte. Es war natürlich schade, dass ich nun meinen kleinen geplanten Abschied in der Uni nicht nachgehen konnte, aber nach dem Treffen mit Alex war an nichts anderes mehr zu denken. Nachdem ich alles erledigt hatte, stürmte ich wieder aus der Uni und marschierte so schnell es ging nach Hause. Die Rückkehr von Alex hatte mich völlig aus der Bahn geworfen. Nachdem er damals aus Boulder verschwand, hatte ich ihn in meinem tiefsten Innern begraben und dachte nur noch sehr selten an ihn. Alex war mir sehr wichtig gewesen und nachdem wir sowas wie eine Beziehung geführt hatten, tat es mir unendlich leid, dass ich ihn damals einfach so abserviert hatte. Das hatte er wirklich nicht verdient, aber meine Entscheidung stand fest: ich wollte Brad zurück in meinem Leben haben. Die Tatsache, dass Alex wieder da war, war mehr als gefährlich. Der Drang, den ich eben empfunden hatte, ihn einfach so in meine Arme zu schließen und fest an mich zu drücken, war es ebenfalls.
Zuhause angekommen, war ich froh, dass Daph noch nicht wieder da war und sich irgendwo in der Weltgeschichte rumtrieb. Das verschaffte mir Zeit, erst einmal meine Gedanken zu sortieren, ohne dass meine Freundin neugierig nachfragte. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und versuchte mich darauf zu besinnen, was ich wirklich gespürt hatte, als ich Alex wiedersah. Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass ich wieder Gefühle für ihn entwickelte, wie ich es schon einmal getan hatte. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir bewusst, dass mein Herz zwar ordentlich gepocht hatte bei seinem Anblick, jedoch eigentlich mehr auf Grund seines plötzlichen Auftauchens als durch irgendwelche Gefühle. Schlagartig beruhigte mich diese Erkenntnis. Doch was genau bedeutete seine Rückkehr für mich und vielmehr für Brad? Dass es nicht gut war, dessen war ich mir bewusst. Es roch nach Ärger, wenn ich wieder mit ihm in Kontakt treten würde. Ich musste daher versuchen, ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen, so schwer mir das vermutlich fallen würde. Wäre Brad nicht gewesen, dann hätten Alex und ich vielleicht eine Chance gehabt. Eines war mir klar: Alex hatte eine Freundin verdient, die ihn bedingungslos liebte. Die immer an seiner Seite war und nicht abgelenkt von Gefühlen für den Ex-Freund, Ex-Besten-Freund und dann wieder besten Freund. Er war ein toller Mensch, er hatte definitiv was Besseres verdient, als jemanden, der sich seiner Gefühle nie richtig sicher war. Scheiß Gefühle! Wieso musste man auch ständig was fühlen?
Ächzend erhob ich mich vom Bett und sah mich in meinem Zimmer um. Plötzlich bekam ich das dringende Bedürfnis, mein Zimmer auf den Kopf zu stellen und komplett umzudekorieren. Ich brauchte eine kleine Veränderung in meinen vier Wänden, um mich und meine bescheuerten Gefühle für eine Weile auszublenden.