Читать книгу Verliebt in meinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 9
Drei
ОглавлениеMir wurde immer noch ganz warm ums Herz, wenn ich an unsere Versöhnung dachte. „Dass dieser blöde Termin auch direkt auf diesen Tag fallen muss. Man hätte diese langweilige Exkursion in das Geschichtsmuseum doch zu einem anderen Zeitpunkt ansetzen können. Wieso ist Brad da überhaupt mitgefahren? Normalerweise interessiert ihn sowas überhaupt nicht.“
„Es ist aber eine Pflichtveranstaltung, wenn er das Fach bestehen möchte“, erklärte mir Daph zum wiederholten Male.
„Ich weiß. Wir holen das nach. Immerhin hat er das versprochen“, murmelte ich, während ich um mein Auto lief und auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Daph war heute mein Chauffeur, sodass ich mich um nichts kümmern musste.
„Na, also. Und jetzt konzentrierst du dich bitte auf dich selbst und auf die Party heute Abend, einverstanden?“
Ich nickte heftig und lächelte dabei. Während der Fahrt schweifte ich noch kurz gedanklich in die vergangenen Monate. Die erste Zeit mit Brad und mir war nicht einfach. Wir gingen vorsichtig miteinander um. Niemand traute sich so recht so zu sein, wie er in Wirklichkeit war, nur um den anderen nicht zu verletzen. Manchmal war ich mir nicht sicher, ob wir es wirklich packen würden. Manchmal weinte ich, weil es nicht so lief, wie wir uns das bei der Aussprache erhofft hatten. Manchmal stritten wir. Aber glücklicherweise war es nur eine kurze Phase, wenn man bedenkt, wie lang und nervenaufreibend die Zeit davor gewesen war. Wir haben die Kurve gekriegt und Brad dachte immer seltener daran, dass er mich schon nackt gesehen hatte, was er irgendwann zugab. Wir lernten einander wieder zu respektieren und auf eine freundschaftliche Art und Weise zu lieben. Langsam und Schritt für Schritt wurden wir wieder die alten besten Freunde. Und mit jedem Tag, den wir erneut miteinander erlebten, wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn als meinen besten Freund vermisst hatte.
Auch wenn es so aussah, als würde alles den Bach runtergehen, so kam es am Ende doch noch zu einem Happyend. Ich hatte meine beste Freundin nicht vergrault, sondern sie einfach nur zur Weißglut getrieben. Sie kam am Versöhnungsabend nach Hause und hatte Tränen in den Augen, als sie mich und Brad gemeinsam auf der Couch sitzen sah. „Endlich seid ihr zur Vernunft gekommen“, und stürzte sich auf uns, um uns zu umarmen.
Und Daph sollte mal wieder Recht behalten. Es kehrte Ruhe ein und wir führten wieder ein normales Leben ohne Streit, Sorgen und vor allem ohne eine missglückte Beziehung, sondern als beste Freunde, die ich nie wieder von mir stoßen wollte. Nur schade, dass Brad ausgerechnet an meinem Abschlusstag nicht da sein konnte.
***
„Wieso halten wir hier an?“, fragte ich skeptisch, als ich auf das Gebäude blickte, in der sich die Bar von Daphs Bruder Simon befand.
„Ich habe nur mein Portmonee hier vergessen, als ich gestern Simon hier aushalf“, erklärte sie und schnallte sich ab. „Kommst du schnell mit rein?“
Ich schälte mich aus dem Auto und nahm mir vor, in der Bar endlich die Robe abzustreifen. Der Kies knirschte unter unseren Füßen. Der Parkplatz war leer und der Zustand des Gebäudes nicht mehr der allerbeste. Die Fassade blätterte ab und auch die Fenster wirkten nicht mehr sehr stabil. Simons Bar lief dennoch sehr gut und war in der Stadt ziemlich beliebt. Wir fanden nicht sehr oft den Weg hierher, weil sich die Bar leider zu sehr außerhalb befand und wir zum größten Teil zu Fuß unterwegs waren, wenn wir irgendwo etwas trinken gehen wollten.
„Gibt es eigentlich Pläne, den Weg hier vernünftig zu pflastern? Wäre ja schön, wenn die Gäste gefahrlos die Bar erreichen können, oder? Oder die Autos durch die ganzen Schlaglöcher nicht auseinanderfallen?“, redete ich leise vor mich hin.
„Vermutlich nicht in tausend Jahren. Der Zustand ist schon ewig so und Simon schickt regelmäßig Anträge an den Vermieter und auch an die Stadt, aber es tut sich nichts.“
„Hm, das ist ja nicht sehr schön“, sprach ich, als Daph vor mir die Tür öffnete und wir in die Bar eintraten. Plötzlich tönte es ganz laut „Überraschung!“
Buntes Licht erhellte den Raum und ganz viele Menschen sprangen aus dem Nichts hervor. Mir entfloh ein leiser Schrei und mein Herz blieb eine Sekunde lang stehen. Erschrocken legte ich meine Hand aufs Herz und schluckte, ehe ich begriff, was hier vor sich ging. Vor mir stand Daph und strahlte mich an. Perplex schaute ich von ihr zu den anderen, die mich anlachten. Ich schüttelte ganz überwältigt mit dem Kopf und musste meine Tränen zurückhalten. Eine Überraschungsparty ganz allein für mich! Als ich die Leute auf mich zukommen sah, fiel mein Blick auf ein vertrautes Gesicht und schlagartig blieb mir die Spucke weg. Brad kam mit großen Schritten auf mich zu und schloss mich in seine Arme. „Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss, Nerdy!“
„Danke!“ Mehr brachte ich kaum hervor, da ich so überwältigt war. Ich machte mich von ihm los und schaute ihn mit großen Augen an. „Was machst du hier? Solltest du nicht auf der Exkursion sein?“
„Denkst du etwa ich verpasse deinen großen Tag wegen so einem öden Ausflug? Diese Exkursion hat mir ein gutes Alibi geliefert.“ Schelmisch grinsend sah er mich an.
Dann schüttelte ich den Kopf. „Ich hätte gleich merken müssen, dass da irgendetwas faul ist. „Also steckst du hinter dem Ganzen hier?“ Mit meinen Armen machte ich eine ausladende Geste.
„Damit alles läuft muss sich ja jemand kümmern, der fähig ist und da ich von der Besten gelernt habe …“ Er kratzte sich am Hinterkopf. Sofort musste ich daran denken, wie ich damals gemeinsam mit Brad die Willkommensfeier für Daph vorbereitet hatte. Genau hier in dieser Bar. Unglaublich, wie lange das schon wieder her war.
„Aber ich muss ehrlich zugeben, ich war nicht ganz alleine daran beteiligt. Ich hatte einen Assistenten.“ Er deutete mit dem Kopf hinter sich und ich entdeckte Adrian, der besitzergreifend den Arm um die Taille meiner besten Freundin gelegt hatte und freundlich lächelte. Noch immer ging mir das Herz auf, wenn ich die beiden als glückliches Pärchen zusammen sah. Es hatte auch lange genug gedauert! Ich ging zu Adrian rüber und legte meine Arme um seinen Hals. „Danke Adrian. Es ist toll geworden. Ehrlich, ich bin komplett überwältigt.“
„Das haben wir gerne für dich gemacht“, antwortete Adrian.
„Wie wäre es, wenn du erst einmal die anderen Gäste begrüßt. Hinterher darfst du uns dann mit Belobigungen überschütten“, sagte Brad mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Ich nickte und wandte mich den anderen Gästen zu, die mir einer nach dem anderen gratulierten. Es waren einfach alle da. So viele Eindrücke konnte ich kaum aufnehmen. Meine Schwester, Thomas und Tara, Mitch. Alle hatten Bescheid gewusst und hinterhältig gelacht, als ich sie fragte, ob sie alle unter einer Decke steckten. Auch ein paar Studenten, mit denen ich gemeinsam Kurse belegt hatte, die aber heute nicht ihre Entlassung feierten, sondern noch ein oder zwei Semester vor sich hatten, waren gekommen, um mir zu gratulieren. Irgendwann hatte ich mich durch alle Gratulanten gekämpft. Selbst aus dem Verlag war Annabelle gekommen, die am Empfang im Verlagshaus Millers One arbeitete. Zum Schluss marschierte ich zu Simon, der freudestrahlend hinter dem Tresen hervorkam und mich in die Arme nahm. „Alles Gute zum Abschuss, Kleines“, sagte er. „Sally ist jetzt also erwachsen.“ Ich lachte. „Na ja, also erwachsen würde ich nicht unbedingt sagen …“
„Na, dann sagen wir mal, dass du reifer geworden bist.“ Er wischte sich seine wilden Haare aus der Stirn und stupste mich in die Seite.
„Ich weiß nicht, ob ich mit dem Wort reifer unbedingt zufriedener bin, aber da du es bist, lasse ich es mal so stehen. Jedenfalls bin ich sehr dankbar für die Überraschung. Die ist euch wirklich gelungen.“
„Keine Ursache. Dafür kennt man ja Leute, die eine Bar betreiben, oder?“
Ich nickte zustimmend. „Klar, solche Menschen muss man sich immer warmhalten.“
„Was darf ich dir zu trinken einschenken? Vielleicht erst einmal einen Sekt? Warte eine Sekunde.“ Er wandte sich ab und kümmerte sich um das Getränk. Während ich wartete, tippte mir jemand auf die Schulter. Als ich mich umdrehte, erkannte ich die bekannten Gesichtszüge und eine zierliche Statur. „Mom!“, kreischte ich vor Freude und schlang meine Arme um sie.
„Alles Gute zum bestandenen Abschluss, mein Schatz“, murmelte sie in mein Ohr und ich hörte, wie ihre Stimme brach. Ich ließ von ihr ab und betrachtete sie gerührt. Mom stand kurz vor einem Tränenausbruch.
„Ich fasse es nicht, dass du hier bist“, stammelte ich.
„Na, ich werde doch wohl nicht die Entlassungsfeier meiner eigenen Tochter verpassen.“ Empört schaute sie mich an. „Du glaubst nicht, wie sehr ich mich freue, dich hier zu sehen.“
„Ich freue mich auch hier zu sein. Ich war sozusagen Teil der Überraschung. Und als du dein Zeugnis abgeholt hast, bin ich fast vor Stolz geplatzt.“
„Du warst auch da? Warum habe ich dich dann nicht gesehen?“
„Irgendwie musste ich ja verhindern, dass du mich siehst. Sonst wäre das hier doch alles aufgeflogen. Deine Freunde und deine Schwester haben sich so viel Mühe gegeben, das konnte ich ihnen einfach nicht vermasseln. Also habe ich mir das alles vom Weiten angesehen und bin gleich nach der Zeugnisvergabe hierher gefahren.“ Noch einmal legte ich meine Arme um sie und schluckte den Kloß runter, der sich in meinem Hals breitmachte. Der Tag war einfach überwältigend.
„Nun geh zu deinen Freunden, stoß mit ihnen an und iss Kuchen, anstatt hier mit deiner alten Mutter zu plaudern.“ Ihre Lippen umspielte ein Lachen.
„Ich plaudere gerne mit meiner alten Mutter“, scherzte ich. „Schön, dass du da bist!“ Noch einmal drückte ich sie fest und versuchte mir anschließend, einen weiteren Überblick zu verschaffen. Maria kam zu mir und deutete auf den großen Tisch, der sich entlang der hinteren Wand erstreckte. „Na? Kriegst du keinen Ton mehr raus?“ Sie kicherte. „Das ist alles für dich.“ Ich starrte auf die vielen verschiedenen Kuchen, die dort aufgetischt worden.
„Jeder hat was mitgebracht. Da vorne gibt es Kaffee und Tee.“ Sie deutete auf eine schön hergerichtete Kaffeestation.
„Unglaublich. Ihr seid echt die Besten“, sprach ich leise und schenkte meiner Schwester ein breites Grinsen. Dann nahm ich die einzelnen Kuchen in Augenschein. Von einer schmackhaft aussehenden Sahnecreme-Torte, über Apfelkuchen, bis hin zum Pekanusskuchen, gab es alles, was das Herz begehrte. Beim Pekanusskuchen blieb mein Blick hängen. Maria verstand sofort meinen Blick. „Den hat Mom mitgebracht. Sie hat darauf bestanden.“
„Ich bin im siebten Himmel“, schwärmte ich. „Wer soll das nur alles essen?“
„Na du und deine Gäste natürlich.“ Plötzlich ertönte hinter mir Daphs laute Stimme. Maria und ich blickten uns überrascht um.
„Darf ich euch um eure Aufmerksamkeit bitten?“, rief Daph und hatte sich dafür auf einen kleinen Hocker gestellt, damit sie jeder sehen konnte. Sie sah umwerfend aus. Eine enge dunkle Jeans und eine weißblaugestreifte Kurzarmbluse mit einem niedlichen Rüschensaum um die Taille herum. Ihr langes blondes Haar ließ sie wellig über die Schultern hängen. Sie schaute zu mir und zwinkerte kurz. „Wenn ich Sally kurz herbitten dürfte?“, fuhr sie fort und ich spürte eine leichte Röte in meinem Gesicht aufsteigen. Maria gab mir einen kleinen Stoß, nachdem sich die Gäste abwartend zu mir umdrehten. Etwas nervös ging ich zu Daph rüber. „Wie ihr ja alle wisst, hat Sally heute einen Abschnitt in ihrem Leben beendet, um jetzt einen neuen zu beginnen. Noch einmal herzlichen Glückwunsch, Sall.“ Die Gäste klatschten in die Hände und ich nickte zum Dank schüchtern in die Menge.
„Wir hoffen, dass wir dich nicht allzu sehr erschreckt haben, aber wir dachten, diese Überraschung würde dich voll aus den Socken hauen.“
Wieder nickte ich zustimmend. „Oh ja, das habt ihr geschafft.“
Aus der Menge ertönte freundliches Gelächter.
„Jedenfalls wollen wir dir alle herzlich gratulieren und dir eine kleine Freude machen, bevor wir heute Abend bis zur Besinnungslosigkeit feiern. Auf diesem Weg möchte ich dir auch unbedingt noch sagen, wie stolz ich auf dich bin, Sall.“ Daph bekam feuchte Augen und schluchzte leise. „Du hast das alles so toll gemeistert und die Uni mit einem super Zeugnis abgeschlossen. Auf dich wartet jetzt die Arbeit im Verlag, auf die du so hart hingearbeitet hast. Ich hoffe, dass ich diesen nächsten Abschnitt auch noch mit dir gemeinsam erleben darf und bin überglücklich, dich als Freundin an meiner Seite zu haben.“ Schniefend wischte sich Daph eine Träne beiseite. „Ach verdammt, jetzt schweife ich auch noch ab.“ Die Zuhörer lachten wieder. Ich atmete tief ein und wieder aus, um mich ebenfalls unter Kontrolle zu halten, und nicht vor allen Menschen hier zu heulen.
„Na ja, jedenfalls, wünschen wir dir alle nur das Beste und vor allem viel Erfolg auf deinem weiteren Lebensweg, liebe Sall.“ Applaus ertönte und ich schaute in zustimmende Gesichter. Wie hatte ich all diese Menschen um mich herum nur verdient? Auch Brad stand ganz vorne in der Menge und bedachte mich mit stolzen Blicken.
„Für alle Gäste: Simon hat am Tresen genügend Sekt für alle vorbereitet, damit wir anstoßen können und danach bitte ich alle, sich über das Kuchenbüffet herzumachen, damit nichts übrig bleibt. Auch hier noch einmal unseren herzlichen Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass wir gemeinsam diesen schönen Nachmittag miteinander verbringen können und so viele Leckereien verputzen dürfen. Auch danke an dich, Simon!“ Daph nickte ihrem Bruder entgegen, der gerade mit einem Tablet voller Sektgläser durch die Reihen ging, um jeden ein Glas zu geben. Maria drückte mir eins in die Hand, dann hielt Daph ihres hoch und rief laut: „Auf Sally und diesen wundervollen Tag!“
„Auf Sally“, ertönte es und mein Gesicht begann zu glühen, als alle auf mich tranken. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so etwas Tolles erlebt zu haben. Ich nippte an meinem Glas und wandte mich an meine Freundin, die von ihrem Hocker gehüpft war. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich bin.“
„Das brauchst du auch nicht, genieß es einfach.“
„Das mache ich auf jeden Fall. Wenn ich daran denke, dass ich mich gestern noch in die Küche gestellt habe und die ganzen Snacks vorbereitet habe …“, erinnerte ich mich.
„Nicht so wild. Die sind hier. Ich bin dir sehr dankbar, damit hast du uns selber einiges an Arbeit abgenommen.“ Daph lachte heimtückisch. „Mehr oder weniger hast du bei deiner eigenen Überraschungsparty mitgeholfen.“
„Hört sich ganz schön schräg an“, stimmte ich ihr zu und hielt ihr mein Glas entgegen, um auch noch einmal mit ihr anzustoßen.
„Danke. Wirklich Daph. Was ihr hier gemacht habt, ist einfach unglaublich.“
„Na, dann lass uns trinken und endlich anfangen zu feiern.“ Sie kicherte und trank einen Schluck aus ihrem Glas.
„Sehr gerne. Aber erst muss ich diese verdammten Klamotten ausziehen. Ich sterbe hier drinnen!“