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Kapitel 5 - 27 Jahre früher

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Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben, stand selbstbewusst da und genoss die Aufmerksamkeit, die ihm von seinen Freunden wieder einmal entgegengebracht wurde. Wobei Freunde vielleicht nicht der richtige Ausdruck war. Viele seiner Kommilitonen bezeichneten die Schar um ihn herum üblicherweise als sein Gefolge. Junge, karrierebesessene Männer, die jemanden brauchten, der ihnen sagte, wo es langging. Und wer war dafür besser geeignet als Warren Madfield? Der junge Mann, Anfang zwanzig, mit seinem unschlagbar guten Aussehen. Den rabenschwarzen Haaren, die er seitlich gescheitelt hatte. Der akkurat sitzenden Uniform, bestehend aus einem dunkelblauen Sakko und einer farblich identischen Anzughose, die seinem trainierten Körper schmeichelte, und seinem äußerst charmanten Lächeln. Ebendieses Lächeln ließ die jungen Studentinnen hier auf dem Campus nur so dahinschmelzen. Warren Madfield sah jedoch nicht nur blendend aus und hatte eine dominante Ausstrahlung, er besaß auch Geld – was vermutlich der ausschlaggebende Punkt war, weshalb ihm seine vermeintlichen Freunde zu Füßen lagen. Sie wussten, dass sie durch Warren in die angesagtesten Klubs kamen, und bei seinem Vater, Richard Madfield, mit viel Ausdauer an Lobgesängen gute Chancen auf einen hoch dotierten Job in der Anwaltskanzlei ergattern konnten.

„Komm schon, Warren“, bettelte James, einer der Freunde von Warren, der sich als letzter einen Platz in der Gruppe sichern konnte, „erzähl, wie das Bankett deines Vaters am Wochenende war. Wer war alles da? Und gab es nette Mädchen, denen du Honig ums Maul geschmiert hast?“ James war wohl der Schlimmste von allen, wenn es darum ging, sich einen Platz an der Seite von Warren zu erkämpfen. Immer wollte er alles haarklein von ihm wissen, nur, um es später anderen so zu erzählen, als wäre er persönlich dabei gewesen. Natürlich wusste Warren, dass James seine Geschichten benutzte und sie anderen als die seinen präsentierte, aber es war ihm egal. Irgendwie genoss er es sogar, auf diese Weise angehimmelt zu werden.

Achselzuckend stand Warren da und schaute in die vier fragenden Gesichter um ihn herum. Harrison, James, Peter und William – seine vermeintlichen Freunde. Wobei er Harrison tatsächlich am meisten mochte. Ja, er würde sogar so weit gehen und Harrison als seinen engsten Freund bezeichnen. Immerhin war er ihm gegenüber stets loyal und schaffte es sogar, seine eigene Meinung kundzutun, was er von den anderen drei Idioten nicht behaupten konnte. Diese waren eben einfach immer nur da. Wie anhängliche Kätzchen. Aber sie sahen allesamt gut aus und lechzten nach Warrens Aufmerksamkeit. Was wollte er also mehr?

„Es war eine stocksteife Veranstaltung wie jedes Mal“, begann Warren gelangweilt zu erzählen. „Wenn Lucy Chapman, die Tochter des Chefs von Chapman, Piers und Partner nicht da gewesen wäre, hätte ich mich vor Langeweile wohl im Schnapslager meines Vaters bedient“, erklärte Warren mit einem süffisanten Grinsen. Dabei war seine Geschichte nicht einmal ganz gelogen. Immerhin war Lucy Chapman wirklich dort gewesen, nur hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, weil Warren sich schon kurz nach dem Essen und entgegen seiner Behauptung tatsächlich großzügig im Schnapslager seines Vaters bedient hatte und früh schlafen gegangen war. Das mussten seine Freunde allerdings nicht wissen.

James pfiff durch die Zähne. „Wow, Lucy Chapman. Du lässt aber wirklich nichts anbrennen. Ich hatte mal was mit ihrer Cousine. Eine arrogante Ziege, sage ich euch.“ Warren glaubte ihm kein Wort. Erstens kannte er Lucys Cousine Daphne und wusste, dass sie sich niemals auf einen windigen Typen wie James einlassen würde, und zweitens war sie mindestens sechs Jahre älter als James und verlobt.

„Lucys Cousine?“, hakte Harrison ungläubig nach. James‘ bleiches Gesicht wurde, wenn das überhaupt möglich war, noch bleicher, und er begann zu stottern. „Ja, ihr wisst schon. Die große Blonde. Daphne heißt sie.“

Sie war zwar brünett, aber das ließ Warren lieber unkommentiert, denn etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Einige Meter hinter seinen Vollpfosten von Freunden entdeckte er plötzlich eine junge Frau. Dunkelbraune Haare, die ihr in leichten Wellen bis über die Schultern fielen. Eine schmale Figur, die in ihrer Uniform fast schon zerbrechlich wirkte, und ein zartes Gesicht, als wäre sie einem Kunstwerk entsprungen. Mit einem Zettel in der Hand schaute sie sich inmitten des Campus hilflos um.

Warren ließ seine miteinander diskutierenden Freunde stehen, die ihm fragend hinterher blickten. Mit langsamen Schritten marschierte er über den frisch gemähten Rasen auf die junge Frau zu, die im selben Moment aufblickte.

Ihre blauen Augen glänzten in der morgendlichen Sommersonne, und Warren verschlug es einen Moment lang die Sprache. Wann hatte er das letzte Mal eine so schöne Frau gesehen?

„Hey“, sagte er einen Tick zu laut und spürte eine ungewohnte Unsicherheit in sich aufkeimen.

„Hallo“, antwortete sie und blickte schnell wieder auf ihren Zettel in der Hand.

„Bist du neu hier?“, fragte Warren und blieb mit leichtem Abstand vor ihr stehen. Wieder schaute die junge Frau hoch und lächelte schüchtern. „Ist das so offensichtlich?“

Warren grinste und deutete auf ihren Zettel. „Na ja, ein bisschen wirkst du so, als wärst du auf Wanderschaft und suchst nach der richtigen Route.“

Lächelnd ließ die junge Frau das Blatt sinken und zuckte resigniert mit den Achseln. „Ich bin auf der Suche nach der Bibliothek. Aber dieser Campus ist einfach so groß, und alle Gebäude sehen gleich aus. Es würde mich nicht wundern, wenn ich schon mehrmals an der Bibliothek vorbeigelaufen wäre.“

Warren lachte laut auf und spürte die Blicke seiner Freunde im Rücken, die sich vermutlich schon die Mäuler darüber zerrissen, dass Warren sich wieder einmal an eine Frau ranmachte. Immerhin war er an der Universität dafür bekannt, ein Weiberheld zu sein. Aber dieses Mädchen hier war anders. Sie war keines, das man ansprach, um mit ihm was trinken zu gehen und anschließend irgendwo gemeinsam zu verschwinden. Sie wollte er wirklich kennenlernen. „Wenn du dich umdrehst, dann wirst du merken, dass du dein Ziel längst erreicht hast.“ Amüsiert deutete er mit dem Finger auf das große Gebäude, auf dem in großen Lettern Library über dem Eingang stand.

Die junge Frau folgte seinem Blick und lachte ebenfalls, während sie sich mit der Hand gegen die Stirn schlug. „Na bitte, hab ich es nicht gesagt? Ich war vor einer halben Stunde schon einmal hier und bin daran vorbeigelaufen.“ Sie schaute Warren grinsend an. „Ich sage ja, hier sieht alles gleich aus.“

„Dann bin ich froh, dass ich helfen konnte. Erstes Semester, nehme ich an?“

Sie nickte.

„Ich bin übrigens Warren Madfield“, sagte er dann, um das Gespräch nicht einschlafen zu lassen, und hielt ihr die Hand hin. Zögernd ergriff die junge Frau sie.

„Warren Madfield“, wiederholte sie langsam und verzog den Mund zu einem wissenden Lächeln. „Schon komisch. Ich bin erst ein paar Tage hier, habe Schwierigkeiten dabei, den Hörsaal, die Mensa und die Bibliothek zu finden, aber der Name Warren Madfield ist mir bereits mehrere Male untergekommen.“

Warren zuckte kaum merklich zusammen und versuchte, nicht rot anzulaufen. „Dann hoffe ich, dass du nur Gutes über mich gehört hast.“

Die junge Frau zögerte einen kurzen Moment und nahm sich Zeit, Warren zu mustern. Natürlich entging ihr nicht, dass er für den Bruchteil einer Sekunde irritiert gewesen war. Warren Madfield war kein unbeschriebenes Blatt. Das hatte sie inzwischen schon mehrmals von den Studentinnen hier auf dem Campus zu hören bekommen. Dass aber auch alle Frauen von ihm schwärmten und nun sie diejenige war, mit der er eine Unterhaltung führte, schmeichelte ihr ein bisschen. Die Art, wie er sich nervös im Nacken kratzte und sich immer wieder mit einer Hand durch die rabenschwarzen Haare fuhr, gefiel ihr. Sie hatte schon viel von ihm gehört, aber dass er ein nervöser Typ sein sollte, war ihr neu. Er trat von einem Bein auf das andere und vermied es, ihr länger als ein paar Sekunden in die Augen zu sehen.

„Man hört so alles Mögliche“, erwiderte sie daher ausweichend und ließ nach einer gefühlten Ewigkeit seine Hand wieder los.

„Die Geschichten würden mich aber brennend interessieren. Vielleicht erzählst du sie mir mal bei einem Essen?“ Mit hochgezogenen Brauen beobachtete er die Reaktion der jungen Frau, die ihren Namen noch immer nicht genannt hatte. Er konnte kaum in Worte fassen, wie sehr sie sein Interesse geweckt hatte. Einerseits wirkte sie unschuldig, hilflos und zart, doch auf der anderen Seite schien sie das genaue Gegenteil davon zu sein und machte den Eindruck, als wäre sie unerreichbar. Eine Herausforderung. Warren liebte Herausforderungen.

Schließlich nickte sie. „Ich bin zwar niemand, der aus dem Nähkästchen plaudert, aber ein Essen sollte wohl in Ordnung sein.“

Warren atmete erleichtert aus. „Dann verzichten wir auf die Geschichten über mich, und du erzählst mir lieber welche über dich, einverstanden?“

„Wir werden sehen. Ich bin übrigens Maggie.“

Das Geheimnis um die Madfield Tochter

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