Читать книгу Das Geheimnis um die Madfield Tochter - Jennifer Lillian - Страница 15

Kapitel 10

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„… und jetzt soll ich für euch Detektiv bei der Zeitung spielen, habe ich das richtig verstanden?“ Glens Gesichtsausdruck entsprach nicht dem, was Maylin sich erhofft hatte. Sie hatten es sich in seiner Wohnung gemütlich gemacht und aßen chinesisches Take-Away Essen. Maylin hockte mit dem Rücken an die Couch gelehnt, die Beine weit von sich gestreckt, während Glen ihr gegenübersaß und sich mit stutziger Miene eine halbe Frühlingsrolle in den Mund schob.

„Detektiv spielen klingt irgendwie falsch. Wir wollen nur wissen, ob du die Möglichkeit hast, dich ein bisschen im Archiv umzusehen. Vielleicht habt ihr die ganzen alten Ausgaben digitalisiert, dann wird es noch leichter für dich.“

„Der verdammte Verlag ist so altmodisch - es wundert mich, dass wir nicht auf alten Schreibmaschinen unsere Artikel schreiben“, schnaubte Glen missmutig.

„Dann weißt du ja, wo du deine nächste Mittagspause verbringen kannst“, scherzte Maylin. „Ich bin mir sicher, im Archiv gibt es ein paar Mäuse, mit denen du dein Sandwich teilen kannst.“

„Ha ha!“ Glen tippte seiner Freundin mit dem Fuß gegen ihr Bein. „Na gut, was soll‘s. Ich kann mich ja mal umschauen. In welchem Jahr muss ich suchen?“

„1993. Oder war es 1994? Ich glaube eher 1994, aber versuch es am besten in diesen beiden Jahren.“

Glen machte eine Geste, um Maylin zum Weitersprechen aufzufordern. „Mehr habt ihr nicht? Frühling, Sommer, Herbst, Winter? Wann ist der Unfall genau gewesen?“

Maylin stocherte in ihrer Nudelbox und zuckte entschuldigend mit den Achseln. „Viel mehr weiß Alice nicht darüber.“

„Aber dass ihre Mutter einen Unfall hatte, weiß sie, oder?“

Maylin deutete mit ihren Essstäbchen auf Glen. „Das war geschmacklos.“

„Entschuldige. Also gut“, seufzte er dann, „ich sehe mal, was ich da unten so finden kann. Aber ich brauche mehr Infos. Ihren Namen zum Beispiel. Das kostet dich was.“

Maylin lächelte. „Was immer du willst.“

„Ein Essen, guten Wein aus dem Keller deines Vaters …“

„Lässt sich einrichten“, grinste Maylin. „Apropos Vater. Ich sollte mich langsam auf den Weg machen.“

„Aber ich denke, dein Vater ist unterwegs und kommt heute nicht nach Hause.“

Seufzend stellte Maylin ihre leere Box auf den Couchtisch vor sich. „Ja, nur hat er mir vor seiner Abreise mit einem Wink zu verstehen gegeben, dass er mich nicht mehr auf meinem Smartphone anrufen wird, sondern seinen Kontrollanruf jetzt auf dem Festnetztelefon macht.“

Kopfschüttelnd stellte auch Glen seine Pappschachtel auf den Tisch und wischte sich mit einer Serviette über den Mund. „Dein Vater schafft es, mir auf die Nerven zu gehen, selbst wenn er meilenweit entfernt ist.“

Maylin nickte. „Ich weiß. Glaub mir, es geht mir nicht anders. Der Abend war trotzdem schön.“ Sie lächelte wehmütig, denn sie wollte eigentlich noch gar nicht nach Hause. Aber sie konnte das väterliche Geschimpfe in ihrem Kopf schon deutlich hören.

„Auch wenn der Abend nur als Vorwand gedient hat, um mich zu eurem Spion im Verlag zu machen?“, scherzte er und fuhr sich mit einer Hand durch die wuscheligen braunen Haare.

„Du drückst das völlig falsch aus“, versicherte ihm Maylin. „Sieh es vielmehr so: Du bist jetzt ein offizielles Mitglied in unserer Recherche-Gruppe.“

„Da fühle ich mich aber geehrt“, lachte Glen, als er sich vom Fußboden erhob und die Arme über dem Kopf reckte. Dabei konnte Maylin einen Blick auf Glens Bauch erhaschen und bemerkte den schmalen Streifen feiner Härchen, der sich bis in den Saum seiner Boxershorts zog. Hastig wandte sie den Blick ab und suchte nach ihrer Handtasche.

„Ich sehe Alice am Montag in der Uni. Sicherlich freut sie sich, wenn du uns hilfst. Immerhin findet sie dich sehr nett“, erklärte Maylin und hängte sich ihre Tasche über die Schulter. Glen begleitete sie zur Haustür, die sich direkt neben dem Wohnzimmer befand. In der Tür blieb er stehen und stützte sich mit einem Arm im Rahmen ab. „Ich bin ja auch nett. Wie könnte sie da etwas anderes empfinden?“

„Du bist ein Angeber, weißt du das?“ Maylin schüttelte lachend den Kopf.

„Vorsicht! Dieser Angeber“, er legte die Hand auf seine Brust, „soll euch immerhin bei eurem Cold Case helfen. Solltet ihr es mit eurem Fall ins Fernsehen schaffen, möchte ich unbedingt erwähnt werden.“

Maylin grinste. „Du wirst die Hauptrolle spielen, denn ohne dich würden wir es ohnehin nicht packen.“ Sie drückte Glen einen Kuss auf die leicht kratzige Wange, auf der sich ein kleiner Bartschatten abzeichnete. „Vielen Dank schon mal.“

„Du weißt, dass ich alles für dich tun würde“, antwortete er mit einem Lächeln, das ehrlich gemeint war.

„Das weiß ich. Und ich würde es noch viel mehr zu schätzen wissen, wenn du nicht immer so rumjammern würdest, wenn ich dich um einen Gefallen bitte.“ Sie boxte ihn neckend gegen den Oberarm, bevor sie sich abwandte und sich in der Hoffnung, dass ihr Vater seinen Kontrollanruf noch nicht getätigt hatte, auf den Weg nach Hause machte.

***

„Ist ja super, dass dein Freund uns helfen möchte“, strahlte Alice und öffnete ihren olivfarbenen Parka, als sie merkte, dass sie an diesem strahlenden Frühlingstag besser nicht ihre wärmste Jacke angezogen hätte. Maylin trank währenddessen einen Schluck von ihrem Smoothie, den sie sich auf ihrem Weg in die Uni besorgt hatte. „Ja, man kann sagen, dass er sich darüber gefreut hat, uns helfen zu können“, lachte Maylin bei dem Gedanken an den Abend bei Glen. „Doch ich glaube, dass wir ihn besser dabei unterstützen könnten, wenn wir mehr Informationen hätten. Wir brauchen den Zeitpunkt des Unfalls, damit er weiß, wo er suchen muss. Außerdem den Namen deiner Mutter und weitere Details.“

Alice überlegte einen Moment. „Ich weiß nur, dass meine Mutter Margareta Redford hieß. Mehr haben mir meine Adoptiveltern nicht erzählt. Ich vermute, sie wollten mich vor dem Ganzen so gut es geht schützen.“

„Und du hast nie nachgebohrt?“, fragte Maylin ungläubig.

Kopfschüttelnd blickte Alice auf ihre Hände. „Meine Adoptiv-Mum hat es nie verwunden, dass sie keine eigenen Kinder kriegen konnte. Sie hat mich daher ganz besonders in Watte gepackt, vermutlich aus Angst, dass man mich ihr auch noch wegnehmen könnte. Früher wollte ich unbedingt mehr über meine leibliche Mutter wissen, doch Mum hat mir immer wieder gesagt, dass sie nichts wisse, außer, dass sie einen Autounfall hatte. Sie bat mich, als ich mit etwa sechzehn Jahren noch einmal versucht habe, mehr darüber herauszufinden, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Auch wenn meine leibliche Mutter nicht mehr am Leben war, hatte ich das Gefühl, dass Mum Angst hatte, mir sei die Bindung zu Margareta wichtiger als die zu ihr. Deshalb habe ich es dann irgendwann sein lassen und mir überlegt, selbst tätig zu werden. Zumindest habe ich in meiner Geburtsurkunde nachgesehen und herausgefunden, dass sie mit Nachnamen Redford hieß. So hieß ich übrigens auch bis zum Zeitpunkt meiner Adoption, mit Vornamen sogar Alison. Das war etwa ein Jahr vor dem Unfall. Außerdem bin ich hier in der Stadt geboren. Das bedeutet ja, dass Margareta zum Zeitpunkt meiner Geburt hier irgendwo gelebt haben muss.“

„Das ist doch schon mal ein Anhaltspunkt. Margareta Redford“, wiederholte Maylin den Namen. „Hast du ihren Namen mal gegoogelt?“

„Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen“, verteidigte sich Alice lachend. „Natürlich habe ich das, aber ich konnte nichts Brauchbares finden.“

„Warum hast du denn deinen Vater nicht gefragt, wenn deine Mum sich so quergestellt hat?“

Achselzuckend kaute Alice an ihren Nägeln. „Weil der in Sachen unangenehme Gespräche etwa so redselig ist wie ein Baumstumpf. Der Einfachheit halber hat er mich immer wieder an meine Mum verwiesen. Du siehst also, die Fragerei nach meiner leiblichen Mutter erwies sich als Sackgasse.“

„Weißt du von irgendwelchen Verwandten? Tanten, Onkel, Großeltern?“

Wieder schüttelte Alice den Kopf. „Soweit ich weiß, leben meine Großeltern nicht mehr. Geschwister habe ich auch keine. So stand es jedenfalls in meiner Geburtsurkunde.“

Maylin nickte. „Gut, dann finden wir einfach gemeinsam mehr über deine Mum raus. Und wenn wir mehr über sie wissen, erfahren wir bestimmt auch mehr über den Unfall“, schloss sie und reckte das Gesicht in die Sonnenstrahlen, die an diesem zauberhaften Frühlingsmorgen auf sie herabschienen.

„Ich habe nur keine Ahnung, wo wir anfangen sollen zu suchen“, gab Alice zu bedenken und rutschte auf der ungemütlichen Parkbank hin und her.

Maylin dachte einen Moment nach und kaute, wie so oft wenn sie sich konzentrierte, an ihrer Unterlippe. „Wenn wir wüssten, auf welche Schule sie ging, oder ob sie vielleicht studiert hat, dann könnte man bestimmt auf alten Klassenfotos oder in Archiven mehr über sie finden. Oder über ihre Mitschüler“, sinnierte sie. „Wir sollten jedenfalls Glen Bescheid geben, dass wir zumindest einen Namen haben. Dann könnte er womöglich mehr herausfinden als wir.“

Alice nickte wenig zuversichtlich. Als Maylin dies bemerkte, schenkte sie ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Kopf hoch, das wird spannend! Zusammen finden wir mehr über den Unfall deiner Mutter raus. Wir haben Glen auf unserer Seite, und der versteht was von seinem Job.“

Alice erwiderte ihr Lächeln. „Ich danke dir für deine Hilfe und natürlich auch für die von Glen. Ich habe das Gefühl, jetzt schon ein Stück näher dran zu sein als noch vor ein paar Wochen.“

„Und jeden Tag wird es ein bisschen mehr“, fügte Maylin hinzu und empfand eine ungeahnte Motivation. Sie hatte sich schon immer für Recherche und das Aufdecken von Geheimnissen interessiert. Ihr Bruder hatte sie früher häufig beim Schnüffeln in seinen privaten Sachen erwischt und sie als Gnatty bezeichnet, was die liebevolle Bezeichnung einer fiesen Stechmücke war. Stechmücken empfand Nick als überaus lästig, und das traf auch auf seine Schwester zu. Mit den Jahren hatte sie gelernt, ihre Spuren zu verwischen und sich nicht mehr so schnell ertappen zu lassen. Bei der Suche nach Alices Mutter konnte sie ihre jahrelang antrainierten Fähigkeiten wieder aufleben lassen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als stünde Alice, Glen und ihr ein kleines Abenteuer bevor – das, was sie sich schon seit Langem insgeheim gewünscht hatte.

Das Geheimnis um die Madfield Tochter

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