Читать книгу Das Geheimnis um die Madfield Tochter - Jennifer Lillian - Страница 14
Kapitel 9
Оглавление„Können wir bitte gehen? Mir wird langsam schlecht“, murrte Glen, während er seiner besten Freundin Maylin über die Schulter blickte, die gerade dabei war, eine weitere Parfumprobe auf ihr Handgelenk zu sprühen.
„Würdest du freundlicherweise aufhören rumzunörgeln? Immerhin bin ich diejenige, die hier die Arbeit hat. Oder möchtest du ein Parfüm für deine Mutter aussuchen?“
Glen schnaubte und ließ theatralisch den Kopf in den Nacken fallen. „Wenn ich ein Parfüm ausgesucht hätte, dann hätte ich einfach irgendwas genommen und nicht alle Proben auf meinem Arm verteilt. Die riechen ohnehin alle gleich.“
„Sagte der Mann, der sich seit zehn Jahren von seiner besten Freundin immer das gleiche After Shave zu Weihnachten schenken lässt.“ Maylin zog eine Augenbraue in die Höhe und bedachte Glen mit einem abschätzigen Blick. „Ich kann dir allerdings sagen, dass du dich in diesem Jahr von deinem Men‘s-Heaven-Duft verabschieden darfst, denn ich habe mir fest vorgenommen, dich mit etwas Neuem zu überraschen.“
„Was ist falsch an Men‘s Heaven?“
„Nichts, außer dass mein Großvater – wenn er denn noch leben würde – den gleichen Duft getragen hätte. Glenny, du brauchst etwas, das besser zu dir passt.“
Glen sah Maylin skeptisch an und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Und das wäre?“
„Etwas Sportliches, Frischeres. Du bist so gut gebaut, siehst gut aus und hast ungeachtet der Tatsache, dass du immer nach Opa riechst, einen modernen Kleidungsstil.“ Maylin stellte das Parfum, das sie in der Hand hielt, zurück ins Regal und angelte nach dem nächsten. Es war schwierig, eine freie Stelle zu finden, die sie noch nicht an ihrem Arm besprüht hatte, und somit griff sie nach Glens Arm.
„Klingt beinahe so, als wäre ich dein Traummann“, scherzte er und hielt ihr widerwillig seinen Arm entgegen. Er verzog das Gesicht, als ihm der süßliche Duft nach Ringelblume in die Nase stieg und schüttelte entschieden den Kopf. „Okay, das reicht!“ Er nahm Maylin den Flakon aus der Hand, stellte ihn zurück an seinen Platz und griff nach einer rosafarbenen Verpackung daneben. „Hier. Das ist es. Wir nehmen das für meine Mutter, der es nebenbei gesagt auch egal ist, ob sie nach Rosen oder Gänseblümchen duftet.“ Er hielt Maylin die Schachtel vor die Nase, die augenrollend seinen Arm losließ. „Na schön! Ist ja deine Mutter. Richte ihr mein Mitgefühl aus, wenn sie an ihrem Geburtstag ihr Geschenk auspackt, das sich als Flop entpuppt. Warum hast du mich dann eigentlich mitgenommen, wenn du ohnehin nicht auf meine Ratschläge hörst?“ Sie machten sich auf den Weg zur Kasse, und Glen konnte es kaum erwarten, wieder nach draußen an die frische Luft zu kommen. Wie hielten die Leute, die hier arbeiteten, das den ganzen Tag lang aus? Da konnte man doch nur noch seinen Geruchssinn verlieren. Und dazu die warme Kaufhausluft. Es war die reinste Hölle und grenzte an Körperverletzung.
„Damit ich ein bisschen Zeit mit meiner besten Freundin verbringen kann. Und außerdem hatte ich gehofft, dass du genau weißt, was meiner Mutter gefällt, ohne dass wir in Parfüm baden müssen.“
Maylin schmunzelte. „Brauchst du auch noch einen Duft für deinen Vater? Ich kann dir da behilflich sein.“
„Lieber nicht.“ Glen legte das Geschenk für seine Mutter auf den Kassentresen, hinter dem eine Kassiererin mit pechschwarz gefärbtem Haar ihn verstohlen musterte und errötete. Maylin seufzte innerlich. Nirgendwo konnte sie mit Glen hingehen, ohne dass die Frauen ihm hinterherschmachteten. Sie hingegen erntete immer nur missbilligende Blicke, wenn sie an seiner Seite war. „Glücklicherweise“, fuhr Glen fort, ohne auf das reizende Lächeln der jungen Frau hinter dem Tresen einzugehen, „interessiert sich mein Vater für alte Autos, und da schenke ich ihm wie jedes Jahr einen Gutschein für eine professionelle Autoreinigung.“
„Wie originell. Dein Vater muss unglaublich stolz auf dich sein“, neckte Maylin ihn.
Glen bezahlte das Geschenk und schenkte der Kassiererin lediglich ein höfliches Lächeln. Maylin konnte ihr die Enttäuschung am Gesicht ansehen und folgte Glen nach draußen.
Vor dem Kaufhaus angekommen, wurden sie von einer Schar von Menschen geradezu überrollt.
„Die Stadt ist heute wieder besonders voll“, bemerkte Maylin und beobachtete, wie Glen auf seine Armbanduhr blickte.
„Was hast du erwartet? Es ist Samstag, da ist die Stadt immer überfüllt.“
„Maylin?“, hörten sie plötzlich eine weiche Stimme hinter sich. Beide drehten sich fragend um, und Maylin lachte überrascht auf. „Alice!“
Sie umarmten sich zur Begrüßung. „Wie schön, dich hier zu treffen. Gehst du shoppen?“, fragte sie Alice, die ihre Jacke enger um sich zog, als ein frischer Windstoß sie aufwirbelte.
„Eigentlich gehe ich nur ein bisschen bummeln und wollte gleich noch irgendwo einen Tee trinken. Den ganzen Tag im Wohnheim, auf der Arbeit oder in der Uni zu verbringen, kann manchmal ganz schön erdrückend sein“, antwortete sie und warf einen fragenden Blick auf Glen. Maylin folgte ihrem Blick und schlug sich mit einer Hand gegen die Stirn. „Oh, entschuldigt bitte. Glen, das ist Alice, die ich in der Uni kennengelernt habe“, Maylin deutete auf ihre Freundin, „und Alice, das ist mein bester Freund Glen.“
Beide reichten sich lächelnd die Hand.
„Freut mich, dich kennenzulernen“, lachte Alice fröhlich, „ich habe schon viel von dir gehört.“
„Hoffentlich nur Gutes. Weißt du, May neigt dazu zu übertreiben, und egal, was sie über mich erzählt hat, es ist garantiert nur halb so schlimm“, scherzte Glen.
„Sie hat nur Gutes über dich erzählt, keine Sorge“, beruhigte Alice ihn.
„Dann habe ich ja noch mal Glück gehabt.“ Glen sah Maylin eindringlich an und schmunzelte verschmitzt. „Na ja, wie dem auch sei, ich muss mich leider verabschieden. Meine Mutter hat Geburtstag“, erklärte er und hob dabei das Parfüm als Beweisstück in die Höhe.
„Und da fiel Glenny am gleichen Tag ein, dass er sich vielleicht mal nach einem Geschenk umsehen könnte“, fügte Maylin kopfschüttelnd hinzu.
„Darüber könnt ihr euch auslassen, wenn ich weg bin.“ Er legte einen Arm um seine Freundin und drückte sie zum Abschied an sich. „Wir sehen uns morgen Abend?“
„Wenn mein Vater sich nicht anders entscheidet und tatsächlich die Nacht in London bleibt, dann ja.“ Maylin fand es schrecklich, dass sie sich verstecken mussten und nur die Zeit nutzen konnten, wenn ihr Vater auf Geschäftsreise war.
„Gut, dann melde dich einfach. Alice, hat mich gefreut.“ Glen schüttelte Alice zum Abschied die Hand und verschwand mit eiligen Schritten in der Menschenmenge.
„Dein Freund ist sehr nett“, lächelte Alice und bemerkte, wie Maylin ihm hinterher blickte.
„Ja, er kann aber auch manchmal ganz schön nervtötend sein“, grinste sie dann und widmete sich ihrer Freundin. „Wollen wir vielleicht zusammen einen Tee trinken?“
„Ich hätte dich jetzt das Gleiche gefragt.“
Wenig später hatten sie es sich im Tee House um die Ecke in einer abgelegenen Sitznische gemütlich gemacht. Es war viel los, die Leute kamen und gingen. Sie waren froh, dass sie überhaupt noch einen Platz gefunden hatten. Maylin kannte dieses Teehaus gut und war einige Male mit Glen hier gewesen. Ein Ort, an dem ihr Vater sie und Glen wahrscheinlich nicht vermuten würde. Sie liebte den aromatischen Duft der verschiedenen Kaffee- und Teesorten. Auch wenn es typisch englisch war, Tee zu trinken, liebte sie Kaffee genauso. Auch die Kuchenauslage war vielversprechend und das Personal immer sehr freundlich.
„Wie lange kennst du Glen eigentlich schon?“, fragte Alice, während sie zwei Löffel Zucker in ihren Tee rührte.
„Schon ein paar Jahre. Wir haben uns damals bei einem Zeitungsverlag kennengelernt. Ich habe in den Ferien dort gearbeitet, und Glen hat ein Praktikum gemacht. Wir hatten einige gemeinsame Projekte und sind seitdem gute Freunde.“
„Du bei einem Zeitungsverlag?“, hakte Alice nach und trank einen Schluck Tee.
„Für meinen Vater stand schon immer fest, dass ich eines Tages Anwältin werden sollte, aber ich habe darauf bestanden, vorab noch in anderen Bereichen ein paar Erfahrungen zu sammeln. Ich fand es immer spannend, wie es wohl in großen Verlagshäusern vor sich geht und habe meine Ferien genutzt, um mehr kennenzulernen als stumpfsinnige Paragrafen und Gesetze“, erklärte Maylin und lehnte sich mit einem Cappuccino in der Hand auf ihrem Sessel zurück.
„Und was arbeitet Glen jetzt?“
„Er ist noch immer bei der Zeitung und ist Journalist. Manchmal beneide ich ihn um seinen Job. Immerhin kommt er viel herum und muss nicht ständig in irgendwelchen Hörsälen sitzen und sich durch dicke Wälzer kämpfen.“
Alice nickte wissend. „Also hat er nicht studiert?“
„Nein, irgendwie ist er da durch sein Praktikum so reingerutscht. Glen ist in vielerlei Hinsicht ein Glückspilz.“ Maylin lächelte vor sich hin, und Alice nahm ihre Freundin ganz genau unter die Lupe. „Kann es sein, dass du und Glen …“
„Oh nein, nein, nein!“ Maylin hob abwehrend die Hände und blickte sich um, ob auch niemand ihrem Gespräch lauschen konnte. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Glenny und ich sind wie Geschwister. Alles andere wäre … nein, auf keinen Fall.“
Alice unterdrückte ein Lachen. Ihr war klar, dass Maylin nicht ganz ehrlich zu ihr war.
„Glen hat hier und da ein paar Dates und ist der Frauenschwarm schlechthin. Ich bin das komplette Gegenteil von ihm“, erklärte Maylin weiter und hatte das Gefühl, sich aus der Sache rausreden zu müssen.
„Gegensätze ziehen sich bekanntlich an“, grinste Alice.
Entschieden schüttelte Maylin den Kopf. „Das mag auf viele andere zutreffen, gilt aber nicht für uns. Ich bin eher diejenige, die er braucht, bei der er sich ausheulen kann, wenn er von einer Freundin sitzen gelassen wurde, oder eben ein Geschenk für seine Mutter sucht.“
„Was ist eigentlich mit deiner Mutter?“, wechselte Alice dann das Thema und biss ein Stück von ihrem Shortbread ab.
Achselzuckend blickte Maylin in ihren Becher. „Die hat uns verlassen, als ich noch ganz klein und mein Bruder Nick gerade einmal ein paar Monate auf der Welt war. Ich habe eigentlich keine Erinnerungen an sie.“
„Das tut mir sehr leid.“
„Ist schon okay. Ich glaube, das Ganze ist weniger schlimm, wenn man von Anfang an keine enge Beziehung zueinander hatte.“ Maylin presste die Lippen zusammen. Sie sprach nicht gern über ihre Mutter, die sie eigentlich gar nicht kannte. Ihr Leben lang hatte sie sich gefragt, wie sie wohl war und ob sie vielleicht sogar nach ihr suchen sollte, doch sie entschied sich jedes Mal dagegen. Ihr Vater hatte ihr deutlich gemacht, dass sie wunderbar allein klarkommen würden und ihre Mutter ohnehin kein Interesse an ihr gehabt hatte. Es gab wohl einen anderen Mann, für den sie alles stehen und liegen lassen hatte und mit dem sie ins Ausland gezogen war. Ihr Vater hatte mal irgendwas von Portugal erwähnt, doch Maylin hatte nicht weiter nachgefragt.
„Das kann ich gut verstehen“, antwortete Alice leise. „Ich habe meine Mutter auch nicht wirklich gekannt. Immerhin war ich gerade mal eineinhalb Jahre alt, als sie den tödlichen Unfall hatte, und davor lebte ich schon bei einer Pflegefamilie.“
„Weißt du, was genau passiert ist?“, hakte Maylin nach und rückte etwas näher an den Tisch, damit die Leute um sie herum nicht alles mitbekamen.
Traurig schüttelte Alice den Kopf. „Leider nein.“ Dann wurden ihre Augen größer, als wäre ihr ein spontaner Einfall gekommen. „Kann ich dir etwas erzählen, was du für dich behältst?“
„Natürlich!“
Alice trank einen Schluck und senkte dann ihre Stimme. „Manchmal habe ich ein seltsames Gefühl, was den Unfall meiner Mutter angeht.“
„Wie meinst du das?“
„Ich weiß auch nicht, es ist nur so ein Gefühl. Ich meine, ich weiß eigentlich gar nichts darüber, außer, dass sie einen Autounfall hier in der Gegend hatte. In einer steilen Kurve stadtauswärts. Angeblich ist sie gefahren und hat die Kontrolle über den Wagen verloren. Das war‘s. Mehr weiß ich nicht. Aber ich würde gerne mehr über sie und den Unfall herausfinden. Zum Beispiel, wo sie hinwollte oder von wo sie gekommen war. Immerhin hatte sie mich zu dem Zeitpunkt schon weggegeben. Meine Adoptiveltern haben es mir einige Jahre später erzählt, nachdem ich sie mit Fragen zu meiner Mum gelöchert habe.“
Maylin kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. „Hast du nie einen Zeitungsartikel gefunden, in dem vom Unfall berichtet wurde?“
Kopfschüttelnd blickte Alice auf ihren Tee, als befänden sich die Antworten aller Fragen direkt in ihrem Becher. „Nein, ich habe nie etwas darüber gefunden, sondern weiß nur das, was meine Mum mir erzählt hat. Auch im Internet gibt es nichts. Es ist, als hätte der Unfall nie stattgefunden.“
„Das ist wirklich seltsam“, bestätigte Maylin.
„Ich würde einfach nur gerne mehr darüber wissen. Vielleicht, um sie wenigstens ein bisschen kennenzulernen“, erklärte Alice und begann, nachdenklich in ihrem Tee zu rühren. „Klingt das komisch?“
„Auf gar keinen Fall! Wenn du möchtest, kann ich dir dabei helfen.“
Überrascht blickte Alice auf. „Wirklich?“
„Na klar! Zu zweit ist es bestimmt einfacher, mehr über den Unfall herauszufinden. Außerdem hätten wir ein Ass im Ärmel.“
Alice zog fragend die Brauen hoch. „Wie meinst du das?“
„Glen kann uns bei den Recherchen helfen. Immerhin arbeitet er bei der Tageszeitung. Mit Sicherheit wird es irgendetwas über den Unfall im Archiv zu finden geben, jedenfalls wenn er hier in der Gegend passiert ist.“
Nachdenklich tippte sich Alice mit dem Zeigefinger an die Lippe. „Da könntest du recht haben.“