Читать книгу Das Geheimnis um die Madfield Tochter - Jennifer Lillian - Страница 6

Kapitel 1

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Schnell lief sie in ihr Zimmer im ersten Stock und stolperte beinahe, als sie einen Fuß leise, aber in eiligem Tempo vor den anderen setzte. Doch ihr Plan ging natürlich nicht auf. Ihr Vater Warren schien eine Funkortung zu haben, wann immer es darum ging, seine sich ins Haus schleichende Tochter abzufangen. Maylin hatte erst drei Stufen hinter sich gebracht, da tauchte er aus dem Wohnzimmer direkt neben der Treppe auf. Noch so ein Talent, was sie häufig verfluchte: sein geräuschloses Umherwandeln. Plötzlich stand er hinter ihr. Immer wieder hatte sie sich gefragt, wie er es schaffen konnte, sich so lautlos zu bewegen. Es war beinahe, als würde er schweben!

„Maylin“, sagte er. Sein Ton verriet, dass er wegen irgendetwas aufgebracht war, und Maylin ahnte bereits, dass es mit ihrer versäumten Hausarbeit zu tun haben musste.

„Hi Dad“, brachte sie in wesentlich versöhnlicherem Ton hervor und drehte sich noch auf der Stufe zu ihrem Vater um. Sie grinste unschuldig, doch ihr Lächeln erstarb, als sie ihren Vater erblickte. Warren stand da im dunkelgrauen, maßgeschneiderten Anzug und richtete sich seine Manschettenknöpfe an den Ärmeln. Sein Blick wie immer ernst und undurchdringlich.

„Ich mache mich jetzt auf den Weg zu einem Mandanten. Wie sieht dein heutiger Ablauf aus?“

Maylin deutete mit dem Finger hinter sich in Richtung Zimmer. „Gerade wollte ich mich um ein paar Dinge für die Uni kümmern.“

„Wie weit bist du mit deiner Hausarbeit zum Thema Staatsrecht?“, fragte Warren, ohne auf Maylins Aussage einzugehen.

„Nun, ich … es gibt noch ein paar Details, die ich recherchieren muss, aber ich denke, dass ich sie bald fertig habe und abgeben kann.“ Maylin rang sich ein zaghaftes Lächeln ab, um ihren Vater ein wenig zu besänftigen.

„Das möchte ich auch meinen, Maylin. Es ist ja schon unglaublich, dass du sie überhaupt noch einmal neu schreiben musst! Du kannst von Glück sagen, dass ich ein so gutes Wort für dich bei deinem Professor eingelegt habe. Wer weiß, wie das Ganze sonst ausgegangen wäre. Du solltest dich in Zukunft mehr bemühen, deine Termine einzuhalten. Ich habe dir doch zu Weihnachten den Terminplaner geschenkt.“

„Den ich wirklich benutze.“

„Das hoffe ich doch. Der hat mich ein halbes Vermögen gekostet. Er soll dir helfen, deine Termine zu koordinieren, und nicht nur schick aussehen.“ Mit dunklen Augen schaute Warren sie an. Seine buschigen Augenbrauen bildeten dabei eine gerade Linie. Warren Madfield wirkte nicht nur durch seine Ausstrahlung respekteinflößend auf andere Menschen, auch seine Mimik konnte selbst seiner eigenen Tochter einen gewaltigen Schauer über den Rücken jagen. Folgsam nickte Maylin, obwohl sie am liebsten ganz andere Töne angeschlagen hätte. „Entschuldige Dad, dass ich dir solche Umstände bereitet habe. Ich setze mich sofort an die Hausarbeit und gebe sie schon am Ende der Woche ab.“ Kaum merklich versuchte Maylin, den Rückzug anzutreten, doch ihr Vater räusperte sich, sodass sie sich nicht traute, ihm den Rücken zuzukehren. Warren schien sich mit dieser Antwort nämlich nicht zufrieden geben zu wollen. Nachdem er seinen Ärmel gerichtet hatte, sah er seine Tochter durchdringend an. „Sobald ich heute Abend daheim bin, möchte ich von dir eine genaue Inhaltsangabe und sämtliche Zusammenfassungen zu deinem aktuellen Stand. Lege dir deine Deadline schon auf zwei Tage vor der eigentlichen Abgabe, denn ich möchte sie vorher genau durchgelesen haben. Noch eine missglückte Arbeit kannst du dir nicht erlauben, und ich möchte sicher sein, dass das, was du einreichst, dem Namen Madfield würdig ist.“

Dann musst du sie wohl selbst schreiben, hätte Maylin beinahe laut ausgesprochen, besann sich jedoch eines Besseren, sonst kam er womöglich noch auf die grandiose Idee, dass sie die Hausarbeit schon heute Abend komplett fertig abliefern sollte, was so gut wie unmöglich war. Daher nickte sie und zwang sich erneut zu einem Lächeln, das gequält wirkte. „Heute Abend gebe ich dir einen Zwischenstand.“

„Gut“, sagte Warren wesentlich sanfter. Sobald er das bekam, was er wollte, konnte er einfühlsam, freundlich und hilfsbereit sein. Das wusste Maylin nur zu gut. Daher wagte sie es auch nicht, sich überhaupt gegen ihren Vater aufzulehnen, sondern sie gehorchte ihm. So konnte der Hausfrieden erhalten bleiben, obwohl sie immer wieder den Drang verspürte, ihrem Vater die Stirn zu bieten. Manchmal brauchte es nicht mehr viel, und sie wäre explodiert. Warren erkannte den missmutigen Blick seiner Tochter und streckte daher die Hand nach ihr aus. Stumm stieg Maylin die paar Stufen zu ihrem Vater hinab und ergriff seine Hand. Ihr fiel auf, dass er sie gerade erst eingecremt haben musste, denn sie fühlte sich weich und noch leicht feucht an. Warren legte die Hände auf die Schultern seiner Tochter und lächelte versöhnlich. „Ich meine das nicht böse, meine Liebe. Das weißt du hoffentlich?“

Maylin lächelte ebenfalls und nickte.

„Mir ist es wichtig, dass du und dein Bruder nicht vom Weg abkommen. Daher muss ich manchmal ein bisschen strenger an die Sache gehen. Eine verpatzte Arbeit ist nicht nur eine verpatzte Arbeit. Nein, vielmehr kann sie sich auf unseren Ruf auswirken. Und was sagt es über jemanden aus, wenn man durch Prüfungen fällt?“ Fragend hob er die Augenbrauen.

„Dass man versagt hat“, beantwortete Maylin seine Frage.

„Richtig. Und du bist eine Madfield, und Madfields versagen niemals! Ich hoffe, dass du das nicht vergisst.“

„Natürlich nicht.“ Wie auch, immerhin predigte er ihr diesen Satz beinahe jeden Tag.

„Sehr gut. So, meine Kleine, ich muss los. Die Mandanten warten nur ungern, wie du weißt. Also, heute Abend möchte ich dann deine Zusammenfassung sehen.“ Er drückte seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn, ehe er nach seiner Aktentasche griff und ohne ein weiteres Wort aus dem Haus marschierte.

Maylin stand noch einen Moment da und starrte vor sich hin. Hatte sie draußen durch den Wind schon leicht gefröstelt, so fror sie jetzt mitten im Eingangsbereich noch mehr. Das Madfield-Anwesen war das, was jeder Mensch wohl als ein Traumschloss bezeichnen würde, doch nicht so Maylin. Alles hier wirkte akkurat aufeinander abgestimmt und perfekt gepflegt. Keine Staubflusen oder schief liegenden Tischdecken, von Krümeln auf dem Fußboden ganz zu schweigen. Das Dienstmädchen Amalia leistete ganze Arbeit. Maylin dachte darüber nach, dass wenn ihr Vater ihr Arbeitgeber wäre, sie ebenfalls niemals zulassen würde, dass auch irgendwo nur ein Staubkorn zu finden sein könnte. Ihr Vater war da peinlich genau. Spätestens in der großen Eingangshalle, die in hellen Pastelltönen gehalten war, blieb den Besuchern der Mund vor lauter Sprachlosigkeit offen. Maylin konnte diesen hallenden und ungemütlichen Eingangsbereich nicht ausstehen. Viel lieber war sie bei Glen, der in seiner kleinen Wohnung am Stadtrand so leben konnte, wie er es wollte. Dort gab es nichts, worüber man ehrfurchtsvoll staunen musste, dennoch war es in seinen wenigen Quadratmetern gemütlich und vor allem zeugten seine vier Wände von Persönlichkeit. Das Madfield-Anwesen glich eher einem Museum, in dem man nichts berühren durfte.

Einatmen, ausatmen. Ein paarmal schluckte Maylin und schloss für einen Moment fest die Augen. Nachdem ihr innerer Ärger verpufft war, ging sie in ihr Zimmer, dem einzigen Raum in diesem Haus, bei dessen Gestaltung sie freie Hand gehabt hatte, und den sie sich mit Lichterketten, Kerzen und kuscheliger Bettwäsche so gemütlich wie nur möglich eingerichtet hatte. Sie packte ihre Tasche und machte sich auf den Weg in die Bibliothek der Universität, immerhin hatte sie eine Hausarbeit zu schreiben.

Das Geheimnis um die Madfield Tochter

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