Читать книгу Verliebt in seinen Freund - Jennifer Lillian - Страница 11

Fünf

Оглавление

Brad verspätete sich insgesamt eineinhalb Stunden. Ich saß noch immer zusammengesackt am Tisch und starrte auf die halb aufgegessene Lasagne, ein paar lose Tomatenstücke auf meinem Teller und die Schüssel mit der Schokoladenmousse. Irgendwann vernahm ich dann das Geräusch des Schlüssels im Schlüsselloch. Auf dem ersten Blick wirkte Brad müde und kaputt, doch als er mich dort sitzen sah, veränderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. Erst sah er überrascht, dann schuldbewusst aus, nachdem er seinen Blick über den Tisch schweifen ließ. Ich hörte ihn etwas murmeln, während er sich aus der Jacke schälte und dann eilig auf mich zukam. Ich wandte mein Gesicht ab.

„Schatz? Sag bitte, dass es nicht das ist, wonach es aussieht.“ Kleinlaut ging er neben mir in die Hocke und legte seinen Arm um meine Schultern.

„Es ist genau das“, antwortete ich knapp und entzog mich seiner Berührung. Mir stieg der Geruch von Bier in die Nase, und ich ahnte bereits, dass die Besprechung in Biertrinken übergegangen war.

„Hätte ich gewusst, dass du das hier alles zauberst, dann …“

„Was wäre dann passiert? Hättest du dann auf das Biertrinken verzichtet?“, herrschte ich ihn an und sprang sauer vom Stuhl hoch. Brad stand auf und machte einen Schritt rückwärts. Seufzend ließ er den Kopf hängen. Mit angespanntem Körper ging ich in die Mitte des Wohnzimmers, um mehr Platz um mich herum zu haben, wenn ich ihm meine Meinung sagen würde. Ich wollte nicht streiten. Ich hasste Streit, und daher war es das Letzte, was ich wollte. Aber ihm zu sagen, was ich gerade dachte, war mir in diesem Moment sehr wichtig.

„Es tut mir leid. Wir hatten in der Uni noch eine wichtige Besprechung. Ich habe mich doch für das Tutorenprogramm eingeschrieben. Scheinbar hatte ich das vergessen und Alex hat mich daran erinnert.“ Bei dem Namen Alex hielt er kurz inne, um meine Reaktion zu überprüfen. Ich zuckte kaum merklich mit einem Augenlid und versuchte so wenig wie möglich an Emotionen zu zeigen. Vor meiner Brust verschränkte ich abwehrend die Arme. Brad suchte noch nach weiteren Worten, ehe er weitersprach und rieb sich verlegen am Hinterkopf. „Danach wurde für die ganze Truppe noch ein Bier spendiert, und scheinbar habe ich mich da verquatscht. Er machte einen Schritt auf mich zu und legte vorsichtig die Hände auf meine Schultern. „Wenn ich gewusst hätte, dass du kochst, dann hätte ich die Zeit niemals so aus den Augen verloren. Es tut mir unendlich leid.“ Sein Gesicht verriet, dass es ihm wirklich sehr leidtat, aber mir tat es weh, versetzt zu werden, nachdem ich mir so viel Mühe gemacht hatte.

„Und was ist mit deinem Smartphone? Ist das ins Klo gefallen, oder warum konntest du dich nicht melden?“ Ich entzog mich erneut seinem Griff.

Brad seufzte. „Ich habe mich doch gemeldet.“

„Ja, du hast dich für die erste halbe Stunde entschuldigt. Wie erklärst du die restliche Stunde?“ Ich festigte meinen Stand, weil ich wusste, dass ich im Recht war. Er hätte sich schließlich wenigstens melden können.

„Du hast Recht. Ich hätte mich melden müssen. Warum hast du denn nicht gesagt, dass das Essen kalt wird?“ Er wirkte beinahe flehend, als wolle er sagen, dass ich nicht länger sauer sein sollte.

„Weil es eine Überraschung werden sollte. Ich wollte einfach mal wieder einen schönen Abend mit dir verbringen“, erklärte ich etwas ruhiger und wandte mich von ihm ab. Brad fasste mich an den Armen und hielt mich auf. „Aber das kann doch noch immer ein schöner Abend werden. Es ist doch erst halb neun.“

„An einen schönen Abend glaube ich inzwischen nicht mehr. Kannst du dir vorstellen, wie schlecht ich mich fühle? Ich habe den ganzen Nachmittag damit verbracht, einzukaufen und das Essen zu machen. Jetzt habe ich fast alles alleine aufgegessen, damit du von deinem Lieblingsessen nichts mehr abbekommst und mein Magen bedankt sich dafür. Auch den blöden Wein habe ich fast alleine ausgetrunken. Nach einem schönen Abend ist mir jetzt leider nicht mehr.“ Mit geballten Fäusten stapfte ich davon. Genervt stieß ich meine Zimmertür auf und schluckte schwer, als ich die Lichterkette am Kopf meines Bettes sah und den süßlichen Duft einatmete, den ich sorgsam versprüht hatte, um die Atmosphäre aufzulockern. Hinter mir hörte ich wie Brad ins Zimmer trat und erneut seufzte. Das tat ihm jetzt richtig leid. Innerlich triumphierte ich. Sollte er doch an seinem schlechten Gewissen eingehen! Dass Alex mit der Sache zu tun hatte, machte das Ganze nicht unbedingt besser. Immer dieser Alex. Irgendwie brachte er mir nur Ärger. Dass Brad und er sich mittlerweile wieder so gut verstanden, wollte mir einfach nicht in den Kopf gehen.

Brad legte behutsam seine Hände von hinten auf meine Schultern und drehte mich zu sich um. Er schaute bedrückt in meine Augen. „Ich bin ein Idiot.“

„Richtig“, stimmte ich ihm zu und wollte mich wieder aus seinem Griff lösen, doch er hielt mich dieses Mal fester. „Ich kann verstehen, dass du sauer bist. Aber ich kann nicht mehr, als mich zu entschuldigen. Also entweder wir streiten für den Rest des Abends, oder wir versuchen noch das Beste daraus zu machen. Ich habe davon nichts gewusst. Glaub mir, ich wäre sofort gekommen, wenn ich geahnt hätte, was du hier für mich auf die Beine gestellt hast. Ich weiß das sehr zu schätzen.“

Ich presste meine Lippen aufeinander, um nicht antworten zu müssen und wich seinem Dackelblick gekonnt aus. Ich hatte keine Lust auf weiteren Streit und schon gar nicht wollte ich, dass er jetzt noch nach Hause fuhr. Also musste ich zusehen, dass ich meinen Gemütszustand wieder beruhigte.

Brad strich mir mit seinem Daumen über meine Wange und schaute mich noch immer eindringlich an. „Ich verspreche, ich mache das wieder gut. Ich übernehme den Abwasch, in Ordnung?“

Nach längerem Zögern nickte ich schließlich resigniert. Der Knoten in meinem Magen begann sich etwas zu lösen.

„Das Essen ist jetzt zwar kalt, aber die Lichterkette ist immer noch an“, sagte er schmunzelnd und deutete auf das Bett.

„Du glaubst doch nicht, dass ich jetzt noch mit dir ins Bett gehe!“, knurrte ich ihn an, während er mich schon mit einem ganz leichten Druck in Richtung Bett schob. Obwohl ich so sauer auf ihn war, begann es in mir dennoch leicht zu prickeln. Nein, das darf jetzt nicht sein! Ich hasste mich dafür. „Nein Brad, echt nicht. Ich bin sauer auf dich“, jammerte ich und versuchte ihn von mir wegzuschieben. Doch Brad lachte vergnügt und ich sah das Funkeln in seinen Augen. Mein Unterleib begann plötzlich gewaltig zu beben. Jeder Versuch, das zu unterdrücken, war zwecklos. Brad schaffte es immer, mich rumzukriegen. Ich zwang mich jedoch stark zu bleiben. Das Ende vom Lied war: Wir schliefen miteinander und der ganze vermasselte Abend war vergessen.

***

Am nächsten Morgen musste Brad wieder früh los, da in diesem Semester sehr viel auf seinem Programm stand. Er hatte sich alle möglichen Wahlkurse in sein Semester gepackt, anstatt diese auf die folgenden Semester aufzuteilen. Ich hatte zum Glück nicht mehr viel zu tun, da sich die Klausurenphase ankündigte. Schon bald waren Ferien. Nachdem Brad verschwunden war, fühlte ich mich schlecht. Ich wollte eigentlich immer noch sauer auf ihn sein und ihm zeigen, dass er mich enttäuscht hatte. Stattdessen hatte ich mich mal wieder von ihm einlullen lassen. Er und sein verdammter Körper zogen mich einfach magisch an. Brad löste etwas in mir aus, das ich einfach nicht kontrollieren konnte, und so schaffte er es immer wieder, mich zu verführen, obwohl ich doch eigentlich sauer auf ihn war. Natürlich war die Art, sich zu versöhnen, die schönste gewesen, aber das durfte ich nicht jedes Mal durchgehen lassen. Ich nahm mir vor das nächste Mal, standhaft zu bleiben und meinen Standpunkt besser zu vertreten.

An diesem Morgen versuchte ich einfach die negativen Gedanken wegzuwischen und mich auf meine neue Arbeit zu konzentrieren. Neben dem Studium hatte ich gemerkt, dass mein gespartes Geld langsam aufgebraucht war. Auch meiner Mom wollte ich nicht unnötig auf der Tasche liegen. Sie überwies mir monatlich ein bisschen Geld. „Geld zum Leben“, nannte sie es, aber da ich wusste, dass sie schon Maria unterstützte, versuchte ich ohne Moms Geld auszukommen. Es musste also ein Job her. Als Literaturstudentin, die eines Tages in einem Verlag arbeiten wollte, bot es sich natürlich an, auch jetzt schon in dieser Branche zu jobben. Eine Kommilitonin hatte mir den Kontakt eines Jugendbuchverlags gegeben, die auf der Suche nach externen Lektoren waren. Als ich mich vor ein paar Monaten dort vorgestellt hatte und der Verlag sehr überzeugt von mir war, bekam ich die Studentenstelle und durfte nun mein Geld damit verdienen, Manuskripte von Autoren zu lesen und zu lektorieren. Besser ging es nicht, und es machte mir unendlich viel Spaß.

Ich suchte in meiner Tasche nach dem Manuskript, das ich gerade bearbeitete und machte mich auf in ein Café in der Nähe. Ständig von zu Hause zu arbeiten war irgendwie nicht mein Ding, deswegen suchte ich verschiedene Cafés auf und arbeitete von dort aus. Außerdem wollte ich heute so wenig wie möglich zu Hause sein, da ich sonst zu sehr an den gestrigen Abend erinnert wurde. Immer wieder schweifte ich ab und dachte darüber nach, was ich eigentlich falsch machte und woran es liegen könnte, dass unsere Beziehung nach so kurzer Zeit bereits eingeschlafen war. Ich bestellte einen Cappuccino. Neben mir lagen das Manuskript eines Fantasybuches und ein Stift zum Korrigieren. Allerdings konnte mich nicht motivieren, mit der Arbeit zu beginnen. Noch war es sehr früh, sodass Ruhe in diesem kleinen Café herrschte. Ich genoss diese Stille noch eine Weile, ehe die Mütter, die ihre Kinder in den Schulen oder Kindergärten abgegeben hatten, herkamen und sich über ihr Leben und ihr Mutterdasein beschweren würden oder über die Nachbarn tratschten.

Wie konnte es sein, dass wir nach nur ein paar Monaten so eine festgefahrene Beziehung führten? Eigentlich sollten wir die glücklichsten Menschen auf Erden sein. Wir sind verliebt, wir sind jung, dachte ich, was kann uns da im Wege stehen? Der Alltag hatte voll zugeschlagen! Und das einfach viel zu früh. Wir gingen gemeinsam in die Uni, lernten zusammen, wenn es sich ergab und gingen mit den gleichen Leuten abends was trinken, wenn es die Zeit erlaubte. Zu Beginn unserer Beziehung waren wir noch oft ins Kino oder in ein Restaurant gegangen, aktuell bestellten wir uns Pizza und sahen uns einen Film auf der Couch an. Punkt. Jetzt kam es mir so vor, als wüsste der eine nichts mit dem anderen anzufangen. Es musste doch etwas geben, das wir beide noch nicht gemeinsam erlebt hatten, das für uns beide neu war. Was wäre in unserer Beziehung ein neues Erlebnis? Nachdenklich trank ich einen Schluck und ließ die heiße Flüssigkeit sich langsam in mir ausbreiten. Vielleicht könnten wir einen Kochkurs besuchen, dachte ich. Aber im gleichen Moment fielen mir seine miserablen Kochkünste wieder ein und ich verwarf den Gedanken. Als nächstes kam mir die Idee, dass man einen Freizeitpark besuchen könnte. Allerdings vertrug mein Magen die wilden Achterbahnfahrten nicht, somit kam das auch nicht in Frage. Ich warf einen Blick auf das Manuskript neben mir. Die Reise zu den Sternen. Ein ziemlich einfallsloser Titel, wie ich fand. Ich setzte ein Kreuz daneben, um anzumerken, dass ein neuer Titel aus meiner Sicht nötig war. Grübelnd tippte ich mit den Fingern auf den Tisch und beobachtete zwei Mädels, die lachend das Café betraten und die Dame hinter dem Tresen fragten, ob sie ein paar Urlaubsbroschüren auslegen dürften. Die Dame nickte freundlich und nahm ihnen die Broschüren ab, die sie sorgsam neben die anderen Flyer und Werbeartikel neben der Kasse legte. Mein Blick wanderte wieder zurück zum Manuskript. Und wieder zurück zu den Urlaubsbroschüren. Plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich sprang hastig von meinem Stuhl und griff nach einer der Broschüren. Auf der Hauptseite befand sich ein wunderschönes Holzhaus, mitten im Wald, direkt am See. Einfach nur traumhaft. Gespannt blätterte ich durch die Seiten und war von dem Anblick des Hauses ganz angetan. Eine tolle, wenn auch rustikale Einrichtung. Gemütliche Schlafzimmer und eine wunderschöne Küche. Ein Wohnzimmer mit einladender Couch und einem großen Fernseher. Neben dem Wohnzimmer gab es einen Hobbyraum mit Billardtisch und Dartscheibe. Meine Augen wurden immer größer. Die Aussicht auf den See war unbeschreiblich. Natürlich wusste ich, dass die Hersteller dieser Broschüre ein wenig nachgeholfen hatten, aber das Haus bot eine wunderschöne Aussicht auf den funkelnden, blauen See, der von einem harmonisch wirkenden Wald umgeben war. Und da war sie, die Idee – ein gemeinsamer Urlaub war die Lösung! Ich stellte mir ein gemütliches Lagerfeuer vor. Gitarrenmusik und Harmonie pur! Langsam ließ ich mich auf meinem Platz nieder. Der Preis des Hauses war gar nicht so hoch wie erwartet. Das Haus bot für bis zu zehn Personen Platz. Sollten Brad und ich lieber alleine Urlaub machen oder mit Freunden? Ich wägte beide Varianten ab. Wenn ein Urlaub mit Brad alleine so aussah, dass wir eben auf einer anderen Couch saßen, uns Pizza bestellten und Filme schauten, dann konnte ich gerne darauf verzichten. Nein, wir brauchten mehr Schwung. Eine unternehmenslustige Truppe um uns herum, die uns mitzog und zusammenschweißte. Ich stellte mir vor, dass es mit ein paar Freunden mehr Abwechslung geben würde. Wir könnten uns nachts aus dem Haus schleichen und im See baden. Wir könnten auf dem Billardtisch … ich schüttelte meinen Kopf, um mit meinen Gedanken nicht zu sehr abzuschweifen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch etwa drei Stunden Zeit hatte, bis Daph nach Hause kam. Zuversichtlich schob ich die Broschüre in meine Tasche und widmete mich endlich meiner Arbeit.

Verliebt in seinen Freund

Подняться наверх