Читать книгу Schwertmeister - Jennifer Roberson - Страница 12
SECHS
ОглавлениеSie brach durch, stieß zu, traf mich, genau über dem losen Gürtel. Ich spürte das kurze Kitzeln, als kalter Stahl Stoff und Haut zerteilte, leicht durch beides hindurchglitt, dann kurz eine Rippe erwischte, daran vorbeirieb, tiefer schnitt, in die Eingeweide stach. Es war überhaupt kein Schmerz zu spüren. Er wurde von Schock und Eis vereinnahmt. Und dann rann mir die Kälte durch die Knochen und biß in jeden Muskel.
Tief im Schlaf zuckte ich zusammen.
Ich sprang zurück, befreite mich aus der Klinge. Die Wunde selbst war nicht schmerzhaft, zu taub, um mich zu behindern, aber der Sturm tobte in meinem Körper. Das Blut, das ich verströmte, war Eis.
Ich zog ein Knie zum Bauch hoch, versuchte, die Wunde zu schützen. Versuchte, die Klinge abzuwenden, die meine Haut bereits durchdrungen hatte.
»Ergib dich!« schrie sie. »Ergib dich!« Entsetzen und ein Rest von Zorn machten ihren Tonfall schrill.
Ich wollte. Aber ich konnte nicht. Etwas war in mir, in meinem Schwert. Etwas kroch in das Blut und in die Knochen und Sehnen und in den neuen glänzenden Stahl. Etwas, das von Bedürfnis sprach. Das von der Möglichkeit des Sieges sprach. Das von Möglichkeiten zu verletzen sprach ...
Ich wachte schwitzend und wie ein Blasebalg atmend auf, wie der Hengst, wenn er zu hart angetrieben wird. Das Feuer war bis auf die Kohlen heruntergebrannt. Nur der Mond spendete Licht und bot wenig genug davon. Ich suchte in der Dunkelheit nach Del. Sah nichts als noch tiefere Schatten.
Hoolies, hatte ich das geträumt? Hatte ich das Ganze geträumt?
Ich setzte mich steif auf und wünschte sofort, ich hätte es nicht getan. Tief innen schmerzte es. Ich hatte mich im Schlaf gedreht, und die erst halb verheilte Wunde protestierte.
Mein Schwert schrie nach Blut.
Hatte ich das Ganze geträumt? Oder nur einen Teil davon?
Ein Zweig schnellte zurück. Bewegung. Vielleicht hatte ich es nicht geträumt.
Hoolies, mach es wirklich!
Ich starrte in die Dunkelheit. So angespannt, daß mir die Augen brannten, versuchte die schmale Linie zwischen Traum und Realität auszumachen.
»Ich werde dich töten«, keuchte sie. »Irgendwie ...« Und sie griff mich an, mich, brach durch meine schwache Abwehr und zeigte mir drei Fuß tödliches Jivatma. »Ergib dich!« schrie sie erneut.
Mein Schwert schrie nach Blut.
Del war fort. Da war ich sicher, und ich haßte es. Haßte mich selbst für den Sog der Angst, der Qual, das Aufwallen schmerzlicher Schuld. Was ich zu ihr gesagt hatte, hatte gesagt werden müssen. Ich bedauerte kein Wort davon. Aber keines meiner Worte hatte sie vertreiben sollen.
Die Worte hatten ihr nur eine Wahl lassen sollen.
Del trifft immer ihre eigene Wahl, egal, wie schmerzlich sie ist. Egal, wie fordernd. Sie weicht nicht aus und hält die beendete Aufgabe für wichtiger als die jeweilige Handlung. Zu meinem Ärger, besessene Delilah, war das Ergebnis immer wichtiger als die Art, wie etwas ausgeführt wurde.
Was bedeutete, daß sie vielleicht sehr wohl gegangen war, da ich ihr meine Antwort gegeben hatte.
Hatte ich das? Ich erinnerte mich nicht daran, mich geweigert zu haben, mit ihr zu tanzen, so bald sie ihr Unrecht eingestand.
Sie hatte ein Bußritual durchgeführt. Mich um Vergebung gebeten. Offen von Schande gesprochen und wie die ihre mich beeinflußt hatte. Aber nicht einmal, nicht einmal hatte sie zugegeben, daß sie im Unrecht gewesen war.
Hoolies, sie ist starrköpfig!
Leise fluchend entwirrte ich Decken und Felle von meinen Beinen, stand steif auf und fluchte noch stärker. Hörte dann den Rotschimmelwallach in der Dunkelheit schnauben und erkannte, daß Del nicht wirklich gegangen war, sie war nur einfach nicht da.
Nun, eine Frau hat ein Recht auf ihren Privatbereich.
Und dann sah ich das Licht.
O Hoolies, Bascha, was tust du jetzt?
Boreal natürlich. Del ging ohne sie nirgendwohin. Sie gebrauchte sie nicht immer, denn sie mochte nicht prahlen, aber wenn sie es tat, dann konnte es sich sehen lassen. Wie jetzt, mit dem Licht.
Del hatte etwas vor.
Ich bin groß, aber ich kann mich leise bewegen. Ich habe in der Kindheit, in der Sklaverei, gelernt, wie man für lange Zeitspannen bewegungslos bleibt. Wie man unsichtbar wird, so daß man von niemandem bemerkt wird. Das rettete mich vor zusätzlichen Auspeitschungen, vor Schlägen und Hieben und Knüffen. Das hatte ich aus einem Bedürfnis nach Selbsterhaltung kultiviert, und es diente mir sogar in der Freiheit. Es diente mir gerade jetzt.
Leise bewegte ich mich, in meinen Umhang eingehüllt, und glitt leichten Fußes durch die Schatten. Ab und zu hielt ich inne, ahmte Bäume nach, denn manche Leute sagen, ich sei dazu groß genug. Und schließlich sah ich Delilah in der Dunkelheit knien und leise ihr Schwert ansingen.
Ungeachtet dessen, was mit meinem Schwert geschehen war, als ich die Katze getötet hatte, ist mir Musik noch immer fremd. Ich verstehe sie nicht. Und ich verstand es auch jetzt wirklich nicht, obwohl die Worte deutlich genug waren, wenn sie auch in der nordischen Sprache anstatt in der südlichen gesungen wurden. Aber der Gesang war ein persönlicher Gesang, einzig und allein für Boreal komponiert.
Del singt ihr Schwert oft an. Nordbewohner tun dies, man frage mich nicht warum. Im Süden tanzen wir nur und lassen die Bewegung für sich selbst sprechen. Aber auf Staal-Ysta hatte ich gelernt, daß es für einen Schwerttänzer üblich – nein, notwendig – war zu singen. Eine Variation des Tanzes. Musik für den Kreis.
Für Del war es mehr als das. Es war Musik für das Schwert. Sie stimmte damit seine Macht und gebrauchte sie, abhängig von dem Gesang, der Boreals Magie nutzbar machte.
Del sang sanft, und Boreal erwachte zum Leben.
Ich habe es schon zuvor gesehen. Tropfen für Tropfen, Perle für Perle, die die Klinge von der Spitze bis zum Heft entlangliefen bis der Stahl entflammte. Aber dieses Mal war das Licht schwach, persönlich, als dämpfe sie es absichtlich. Ihr Gesang war kaum ein Flüstern, und die Antwort, die kam, desgleichen.
Schuld flackerte auf. Dies war eindeutig ein persönliches, privates Ritual, für Del allein bestimmt. Aber ich ging nicht fort. Ich konnte es nicht. Ich habe der Magie immer mißtraut, und jetzt mißtraute ich Del.
Tief innen zog sich etwas zusammen. Etwas, das von Unbehagen zeugte. Etwas, das von Angst zeugte.
Würde es immer dasselbe sein? Oder waren wir zu weit gegangen?
Del sang ihren Gesang, und das Schwert erwachte zum Leben.
»Hilf mir«, flüsterte sie. »O hilf mir ...«
Es war die nordische Sprache, nicht die südliche, aber ich hatte genug davon gelernt, um zu verstehen. Die Notwendigkeit hatte mich geformt, und dieser Augenblick war nicht anders.
Del sog den Atem ein. »Mach mich stark. Ich muß stark sein. Mach mich hart. Ich muß hart sein. Laß mich nicht so weich sein. Laß mich nicht so schwach sein.«
Sie war die stärkste Frau, die ich kannte.
»Ich habe ein Verlangen«, flüsterte sie, »ein starkes und mächtiges Verlangen. Eine Aufgabe, die beendet werden muß. Ein Gesang, der beendet werden muß. Aber jetzt habe ich Angst.«
Licht kräuselte sich am Schwert hinauf. Es pulsierte, als antworte es.
»Mach mich stark«, bat sie. »Mach mich wieder hart. Mach mich zu der, die ich sein muß, wenn ich meinen Gesang beenden soll.«
Ziemlich leicht zu erbitten. Schwerer, so dachte ich, damit zu leben.
Ein letztes Mal bat sie sanft: »Mach, daß ich mich nicht mehr darum sorge, was er denkt.«
O Hoolies, Bascha. Tu dir das nicht an.
Aber es war bereits zu spät. Boreal war stumm. Delilah hatte ihre Antwort bekommen.
Und ich hatte ein Schwert zu hassen.