Читать книгу Schwertmeister - Jennifer Roberson - Страница 9

DREI

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Ein leiser, sanfter Gesang. Ein persönlicher, vertrauter Gesang. Mächtig in seinem Versprechen, geschwächt durch Nichtbeachtung.

Tief im Schlaf murmelte ich.

Ein leiser, trauriger Gesang, eine Spur von Verlangen, auf das nur hingewiesen wird, zu zaghaft, um von Bedürfnis zu sprechen.

Erinnerungen an beides.

Der Hengst rührte sich und weckte mich dadurch. Ich setzte mich auf, starrte angestrengt in die Dunkelheit und orientierte mich. Stand auf und trat zu dem Hengst, der teilnahmslos im Gras scharrte.

Sein Kopf war gesenkt, hing schwer am entspannten Hals herab. Er verlagerte sein Gewicht von einem Huf auf den anderen. Als ich ihn berührte, bemerkte er es kaum.

Plötzlich hatte ich Angst.

Einzelhieb und dieses Pferd waren alles, was ich jemals gehabt hatte. Und Einzelhieb war fort.

Ein leiser, sanfter, verlockender Gesang, der mir eine Gemeinschaft versprach, wie sie niemand jemals erfahren hat.

Gemeinschaft und Macht.

Er versteifte sich unter meiner Hand. Ich spürte die Anspannung in seinem Körper, hörte sie in dem rasselnden Schnauben, in dem Knirschen von Kies unter beschlagenen Hufen. Seine Ohren richteten sich steil auf und legten sich wieder an den Kopf an.

»He ...« Ich brach den Satz ab.

Ich hatte es seit Wochen nicht gespürt. Zuerst war es so fremdartig, daß ich es nicht erkannte. Dann glitt die Fremdartigkeit ab und verwandelte sich in Vertrautheit. Ein Mann vergißt nicht, wie es ist, wenn man krank ist.

Nicht krank krank. Das war ich zuvor auch schon manchmal gewesen, vom Wundfieber oder der nordischen Krankheit, die man ›Erkältung‹ nennt. Und auch nicht krank von zuviel Alkohol. Auch das habe ich schon erlebt, häufiger, als ich mich erinnern kann. Nein. Diese Krankheit betraf nicht den Körper, sondern die Seele, wie ein Namenstagsgeschenk eingeschlungen in eine Schärpe namens Angst.

Und selbst das war anders.

Alle Haare auf meinen Armen richteten sich auf. Kitzelten mich im Nacken. Strafften die Kopfhaut über dem Schädel. Ich zitterte unabsichtlich, schimpfte mich einen Narren und spürte dann, wie Übelkeit mein Inneres verknotete.

Man frage mich nicht, was es ist. Del hatte es Übereinstimmung mit der Magie genannt. Kem, der Schwertschmied, hatte gesagt, ich sei empfänglich für das Wesentliche der Magie, was auch immer das bedeuten mag. Ich weiß nur, daß es mich krank macht und ich mich unbehaglich fühle und daß es, aus meiner Sicht, sehr bitter ist. Da ich eine auffallend heitere, gutgelaunte Seele bin – oder zumindest eine Seele, die niemals Böses im Schilde führt –, mag ich es nicht besonders, wenn meine Empfindlichkeiten von etwas so Düsterem und Unberechenbarem wie der Magie strapaziert werden.

Wenn sie nur nicht bewirken würde, daß ich mich krank fühlte.

Vielleicht war es die Katze. Ich hatte zuviel Katze gegessen. Zuviel nordische Katze in den Bauch eines Südbewohners gestopft.

Aber der Hengst hatte keine Katze gegessen, und auch er war nicht glücklich.

Oder, was wahrscheinlicher war, das Schwert. Ichtraute ihm zu, daß es mein Leben auf mehr als eine Art verschlechtern konnte.

Andererseits ...

»Ach, Hoolies«, murmelte ich, als ich den Gestank der Hunde wahrnahm.

Ich hatte vergessen, wie es war, in ihrer Nähe zu sein, weiße Augen in der Dunkelheit schimmern zu sehen, ihren Gestank zu riechen. Den Druck von vielen von ihnen zu spüren, die so nahe an mich herandrängten.

Ich hatte Spürhund gespielt. Jetzt jagten sie mich.

Der Hengst erkannte den Geruch auch. Er hatte, wie auch ich, schon zuvor getötet, hatte pelzige Körper unter kaltem südlichen Stahl zerschmettert, hatte es aber nicht mehr gemocht als ich. Wir waren nicht für die Magie gemacht, beide nicht, sondern waren nur dafür auf der Welt, unter südlicher Sonne den Sand zu bereisen. Ohne die Gunst der Magie.

Das Schwert lag in der Scheide neben dem Feuer, neben meinem Schlafplatz. Es war, so dachte ich grimmig, ein Zeichen des Verfalls meiner Gewohnheiten, daß ich meine Waffe zurückgelassen hatte, als ich zu dem Hengst gegangen war. Es zeigte außerdem einen ungewöhnlichen Hang zur Sorge auf, die niemals eines meiner Laster gewesen ist, und auch meine entschiedene Abneigung gegen das nordische Schwert. Ich meine, es war ein Schwert, ob ich es nun mochte oder nicht. Es konnte mein Leben retten, selbst wenn ich es nicht mochte. Aber in diesem Moment vermochte es gar nichts zu tun, weil ich es zurückgelassen hatte. Ich hatte nur ein Messer und kein Pferd für die Flucht. Oder für einen Angriff, wenn es dazu kommen sollte. Ich mußte zu Fuß zurechtkommen.

Weiße Augen schimmerten hell in der Dunkelheit. Leise versammelten sich die Hunde und trugen Schatten anstelle von Kleidung. Schwarz und Grau auf Grau und Schwarz. Ich konnte ihre Anzahl nicht ausmachen.

Es kam mir in den Sinn, daß der Hengst vielleichttrotz allem geritten werden könnte, Schmerzen hin oder her. Nicht weit, nicht weit genug, um ihn zu verletzen, einfach weit genug. Genug, um die Bestien hinter uns zu lassen.

Aber Rückzug war nicht der Anlaß, zu dem ich hergekommen war. Das entsprach nicht dem Versprechen, das ich gegeben hatte.

Ich atmete tief ein. »Na los«, sagte ich, »versuchen wir es.«

Reine Prahlerei vielleicht. Nicht mehr als Lärm. Aber es ist immer einen Versuch wert, weil es manchmal gelingt.

Manchmal.

Sie krochen aus den Schatten in das rotgraue Leuchten verglühender Kohlen. Mit Mähnen versehene, graue, gefleckte Bestien: teilweise Hund, teilweise Wolf, teilweise Alptraum. Ohne jegliche Schönheit, ohne eine Spur von Unabhängigkeit. Was sie taten, geschah auf Befehl eines anderen, es war nicht ihre eigene Entscheidung.

Der Hengst bewegte sich unbehaglich. Er stampfte und zerschmetterte den Fels.

»Versuchen wir es«, wiederholte ich. »Bin ich zu nahe an das Lager herangekommen?«

Sie kamen alle auf einmal, wie eine Woge schlammigen Wassers. Wie eine Überschwemmung verschluckten sie mein Lager und ebbten zurück, auf die Bäume zu.

Aber die Flut hatte das Schwert mit sich genommen.

Ungläubig starrend, sah ich das Schimmern des Knaufs, ein von dem Heft zurückgeworfenes Aufblitzen des Mondlichts. Sah Zähne sich um die Scheide schließen, sie abstreifen und sie zurücklassen. Offensichtlich bedeutete die einer benannten Klinge innewohnende Schutzmagie für gleichermaßen magische. Bestien keinen Unterschied.

Wodurch ich mich fragte, warum es sie überhaupt gab, wenn sie gegen die Hunde nutzlos war.

Zwei von ihnen nahmen das Schwert ungeschickt mit dem Maul auf. Einer hielt das Heft, der andere die Klinge, und sie knurrten sich gegenseitig eifrig an, wie zwei Hunde, die um einen Stock kämpfen. Aber dieser Stock war aus Stahl. Mit Magie belegter, von Göttern gesegneter Stahl.

Die anderen umkreisten sie wie die Wachphalanx eines Tanzeers. Sie strebten den Bäumen zu, den Schatten, die ich nicht durchdringen konnte.

Hoolies, sie hatten das Schwert gewollt.

Soviel zu meinem eigenen Wert.

Ich mußte fast lachen. Wenn sie dieses dreimal verfluchte Ding so sehr wollten, dann sollten sie es haben. Ich wollte es nicht. Das war ein Weg, es loszuwerden.

Nur daß ich es besser wußte. Die Bestien konnten es niemals gebrauchen, aber der Mann, der sie geschaffen hatte, konnte es. Und das wollte ich nicht riskieren, denn er war derjenige, den ich suchte.

Ganz ruhig zog ich die Wachpfeife unter meiner wollenen Tunika hervor und steckte sie mir zwischen die Lippen. Solch ein winziges, unbedeutendes Ding, aber von Wesen gemacht, an die zu glauben mir noch immer schwerfiel, obwohl ich sie selbst gesehen – und gehört – hatte. Canteada. Ich erinnerte mich ihrer silbrigen Haut, ihrer fedrigen Schöpfe, ihrer geschickten Finger und froschähnlichen Kehlen. Und ich erinnerte mich ihrer Musik.

Musik war in der Pfeife, wie auch Macht. Und so wartete ich einen Moment lang, um falsche Hoffnungen zu wecken, und blies dann einen unhörbaren Ton.

Es gelang, wie immer. Sie ließen das Schwert fallen und flohen.

Ich grinste an der Pfeife vorbei, ging hinüber und hob die Klinge auf.

Und wünschte, ich hätte sie nicht berührt.

Ein Schamgefühl durchflutete mich. Scham, Zorn und Kummer, daß ich das Schwert so schlecht behandelt hatte, obwohl es soviel Besseres verdiente. Was hatte es mir getan?

Ungläubig spie ich die Pfeife aus. Ich hatte diese Gedanken nicht gedacht. Sie waren von irgendwoher gekommen. Die Empfindungen waren von irgendwoher gekommen.

Ich warf das Schwert erneut zu Boden. Es schlug dumpf im Gras auf, glühte im Schein der Kohlen und des Mondlichts rotweiß. »Sieh mal, du«, sagte ich, »du bist vielleicht nicht so wie irgendein Schwert, das ich jemals gekannt habe, aber das gibt dir nicht das Recht, mir zu sagen, was ich denken soll. Es gibt dir nicht das Recht, mich so zu beeinflussen, daß ich mich schuldig, beschämt oder ärgerlich fühle – oder sonst irgend etwas, hörst du mich? Magie, verfluchte Magie – ich will nichts mit dir zu tun haben, und daran wird sich niemals etwas ändern. Soweit es mich betrifft, können die Hunde dich haben ... Nur soll dich niemand in die Hände bekommen, der sich deiner Magie zu bedienen weiß ...«

Ich brach jäh ab. Ich erkannte genau, wie dumm es sich anhörte, daß ich mit einem Schwert sprach.

Nun, mit einem Schwert zu sprechen, ist nicht so schlimm. Ich denke, wir alle tun dies von Zeit zu Zeit, bevor wir in einen Kreis eintreten. Aber mit einer magiebelegten Klinge zu sprechen, verursachte mir ausgesprochenes Unbehagen. Ich hatte Angst, sie könnte es verstehen.

Ich wischte mir die schweißnassen Handflächen an der Kleidung ab. Diese Empfindungen hatte ich nicht erwartet. Diese Scham hatte ich nicht erwartet.

Und ich hatte ganz bestimmt nicht die Macht erwartet, die darauf wartete, freigelassen zu werden.

Sie hatte sich so fest zusammengerollt wie eine Katze vor dem Sprung.

In meinem Kopf hörte ich einen Gesang. Einen leisen, sanften Gesang, der Gesundheit und Wohlstand und ein langes Leben versprach, als sei er ein Gott.

»Jivatmas sterben«, sagte ich heiser. »Das habe ich schon erlebt, zweimal. Du bist nicht unbesiegbar, und du machst uns nicht unsterblich. Versprich mir nicht, was du nicht halten kannst.«

Zeichen verschwammen und verblaßten. Ich beugte mich hinab und hob das Schwert auf.

Es brannte in meinen Händen.

»Hoolies ...« Haut verschmolz mit Stahl. »Laß los!« Ich schrie. »Du dreimal verfluchter Sohn einer Ziege ... Laß meine Hände los!«

Stahl haftete fest, liebkoste, vereinnahmte. Ich dachte erneut an geschmolzene Augen in einem von einer Klinge gespaltenen Schädel.

»Zu den Hoolies mit dir!« schrie ich auf. »Was willst du ... meine Seele?«

Oder versuchte ich, eine Seele zu geben?

... jetzt auf den Knien ...

... Hoolies, o Hoolies ... an einem Schwert festhaftend ... o Hoolies, an einem Schwert festhaftend ...

... und für wie lange?

Schweiß rann mir den Körper hinab. In der kalten Nachtluft dampfte ich. »Niemand hat mir jemals erzählt ... niemand hat jemals gesagt ... niemand hat mich davor gewarnt ...«

Nun, vielleicht hatte man das doch getan. Ich hatte nur nicht richtig zugehört.

Schweiß brannte mir in den Augen. Ich blinzelte, senkte den Kopf zu einer Schulter hinab, rieb nasses Haar zurück. Ich stank nach Schweiß, alter Wolle und Schmutz, vermischt mit dem beißenden Geruch der Angst.

Ich atmete stoßweise ein. »Was, zu den Hoolies, bin ich ...«

Feuer entzündete den Himmel.

Zumindest dachte ich, daß es Feuer war. Es war etwas. Etwas Helles und Blendendes. Etwas, das den Glanz des Mondes und der Sterne mit einer außergewöhnlichen, an den Rändern mit Spitze versehenen Schönheit abschwächte.

Und es war so schön wie nichts, das ich jemals gesehen habe. Nichts, das ich jemals erträumt hatte. Kniend hielt ich das Schwert fest in meinen Händen – oder das Schwert hielt mich fest und schaute, mit offenem Mund, und ließ den Kopf zurücksinken, bis ich den Glanz der nordischen Lichter sah. Die Magie himmelgeborenen Stahls, von den Göttern mit Runen verziert, in menschlichem Blut getauft.

Gepriesen durch den Gesang.

Am Himmel tanzte ein Vorhang schimmernden Lichts. Die Farben waren stumme, ineinanderfließende Herrlichkeit. Sie kräuselten sich. Tröpfelten. Tauschten ihre Plätze. Trafen sich und verschmolzen miteinander, bildeten neue Farben. Helle, flammende Farben, wie Feuer am Himmel. Sie machten die Nacht lebendig.

In meinem Kopf hörte ich einen Gesang. Einen neuen und mächtigen Gesang. Kein Gesang, den ich kannte. Er kam nicht von meinem Schwert, das zu neu war, um so zu singen. Von einem Schwert geringen Alters. Von einem Schwert, das die Macht verstand, da es von seiner eigenen Macht wußte und auch wußte, wie man diese Gabe schützte. Ein Schwert, das aus dem Norden geboren war, aus Eis und Schnee und Sturm, aus dem kalten Winter, der aus einem scharfkantigen Bansheesturm heult.

Ein Schwert, das meinen Namen kannte und dessen Namen ich auch kannte.

Samiel fiel mir aus den Händen. »Hoolies«, krächzte ich, »sie lebt.«

Schwertmeister

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