Читать книгу Schwertmagier - Jennifer Roberson - Страница 11

FÜNF

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Wir ritten vielleicht eine Stunde lang ununterbrochen nach Süden. Eine gerade Linie würde uns ins Herz der Punja führen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht geplant, tatsächlich in die Punja hineinzureiten, aber das Furchtbare ist oft eigensinnig. Dank häufiger Sandstürme, Samume genannt, ist die Punja selten so, wie man es erwartet. Windgepeitscht und unruhig, bewegt sie sich. Alles in ihrem Weg, selbst etwas so Banales wie eine Grenze – oder eine Stadt, oder das ganze Gebiet eines Tanzeers – wird von den Sandmassen verschluckt. Was bedeutet, daß einem die Punja fast immer in die Quere kommt, egal wie sehr man es zu vermeiden versucht.

Wir unterbrachen unseren Ritt, weil ich wußte, wenn wir weiterritten, bestünde durchaus die Gefahr, daß wir uns verirrten. Sich im Süden zu verirren, ist lächerlich einfach, besonders wenn man dumm genug ist, es herauszufordern, indem man in einer mondlosen Nacht, nur mit den Sternen als Sichthilfe, zu weit reitet. Sterne erleichtern einem die Wahl einer allgemeinen Richtung, aber sie können nicht genug Licht für einen gefahrlosen Weiterritt liefern. Also hielten wir an. Del fragte warum, und ich erklärte es ihr. Irgendwie gereizt, wie ich zugeben muß. Ich war nicht besonders zufrieden mit dem Leben, und wenn ich nicht zufrieden bin, kann ich gereizt sein. Manchmal regelrecht widerwärtig. Aber nicht sehr häufig. Ich bin von Natur aus ein besonders gutgelaunter, ausgeglichener Mensch.

»Es ist schon genug«, grollte ich. »Steig ab, Bascha – du sitzt auf seinen Nieren. Und du bist nicht das, was ich als leicht bezeichnen würde.«

Del, die hinter mir saß, erstarrte. Aber dann tat sie, was ich gesagt hatte: Sie glitt rückwärts über den Rumpf des Hengstes und dann über seinen Schweif hinab.

»Nun?« fragte sie kurz darauf. »Du bist schwerer als ich – willst du nicht absteigen?«

Damit beschäftigt, meine Harnischriemen von den Botariemen zu entwirren, die vor meinen Knien befestigt waren – und da ich kein Narr war, hatte ich den Harnisch nicht wieder angelegt, falls das Schwert es als nächstes auf meinen Hals abgesehen haben sollte –, antwortete ich nicht sofort. Der Hengst seinerseits schnaubte geräuschvoll. Dann schüttelte er sich. Heftig. Vom Kopf bis zum Schweif.

»O Hoolies ... « Ein Pferd, das sich schüttelt, denkt nicht an den Reiter auf seinem Rücken. Es schüttelt sich einfach wie ein großer, nasser Hund, nur weitaus inbrünstiger.

Die Botas schwappten. Die Verzierungen am Zaumzeug rasselten. Die gesamte Ausrüstung klapperte. Und was mich betrifft, so protestierte jedes Gelenk. Wie auch meine Innereien.

»Du dickköpfiger, flohgebissener Ziegenbock ...« Ich kletterte schmerzerfüllt hinab, zog den Harnisch und das Schwert mit mir hinunter und versicherte mich, daß mein Kopf noch auf den Schultern saß. Gerade, als ich mich besser zu fühlen begann ... »Und?« fragte Del.

»Und was

»Was machen wir?«

»Wie sieht es denn aus?«

Sie dachte ernsthaft darüber nach. »Rasten?«

»Gut getippt!« sagte ich herzhaft und stampfte in die Dunkelheit davon.

Del fing den Hengst ein, bevor er mir folgen konnte. »Wohin gehst du?«

Mußte sie alles wissen? »Etwas erledigen.«

»Geht es dir wieder schlecht?«

»Nein.«

»Was ist dann – oh. Schon gut.«

»Das ist es auch nicht«, murmelte ich. »Immer der Reihe nach.« Oder umgekehrt, das kommt darauf an, wer man ist und was man vorhat.

Mit einem Schwert.

Mit meinem Schwert.

Dessen wahrer Name Samiel war: heißer Wüstenwind, mit der Kraft eines Sturms hinter sich.

Dessen Name von einem als Chosa Dei bekannten Mann verfälscht worden war, einem Magier der Legende, dessen Gabe, wenn er sie benutzen konnte, darin bestand, mächtige Magie zu sammeln. Wenn sie richtig gesammelt wurde, würde ihre ursprüngliche Form zunichte gemacht, und Chosa Dei formte sie für seine eigenen Zwecke neu.

Er hatte viele Dinge zunichte gemacht, einschließlich eines großen Teils des Südens. Er hatte Menschen zunichte gemacht. Und jetzt wollte er mich.

Ich schlüpfte aus meinem Burnus, trug jetzt nur noch einen Wildlederdhoti und die Kette aus Sandtigerkrallen. Nicht einmal Sandalen schmückten meine Füße, und Sand setzte sich unter Zehennägeln fest. Lange Zeit stand ich in der Wüstendunkelheit einfach da und hielt das im Harnisch steckende Schwert fest. Der bloße Gedanke, die Klinge aus der mit Runen versehenen Scheide herauszuziehen und sie zum Leben zu erwecken, ließ meine Knochen brennen. Das bewirkt die Magie bei mir. Sie frißt sich ihren Weg durch meine Knochen, läßt sogar meine Zähne schmerzen und vereinnahmt mich völlig. Ein durch Magie kranker Magen ist schlimmer als der beißende Hund, der in einer Weinflasche lebt.

Sinnlosigkeit wallte auf. Meine Stimme klang dadurch belegt. »Götterverfluchtes, hooliesgezeugtes Schwert ... warum konnten mich die Nordbewohner nicht eine Klinge ausborgen lassen, anstatt mich zu zwingen, dieses dreimal verfluchte Ding, das man Jivatma nennt, zu nehmen – anstatt mich zu zwingen, es zu ›gestalten‹.«

Schweiß rann mir an den Schläfen und die narbigen Furchen meiner in Muskeln und Haut eingebetteten Rippen hinab. Wie ich bereits sagte, hatte ich zu lange kein Bad mehr genommen. Ich roch mich, ich roch Schweiß, ich roch Angst. Und den beißenden Geruch der Magie, der sogar meine Zähne überzog.

Ich riß Samiel frei. Im Sternenlicht war das Schimmern des Stahls gedämpft. Ein Aufblitzen, ein Glänzen, ein Schimmern. Und die Schwärze von Chosa Dei, der ein Drittel der Klinge vereinnahmte. Ich beugte mich vor. Spie aus. Sehnte mich nach Wein, Aqivi, Wasser. Nach etwas, was den Geschmack verdrängen würde. Nach etwas, was meinen Magen beruhigen würde. Nach etwas, was das in meinen Knochen schmerzende Brennen lindern würde.

Ein kurzer Schauder schüttelte mich. Die Haare auf meinen Armen und Oberschenkeln richteten sich auf. Mein Nacken kribbelte.

»Ich weiß, daß du da bist«, flüsterte ich fest. »Ich weiß, daß du da drinnen bist, Chosa. Und du weißt, daß ich hier draußen bin.«

Ein herabrinnender Schweißtropfen drohte mir ins Auge zu geraten. Ich wischte die salzige Feuchtigkeit schroff mit einem angespannten Unterarm fort, rieb mit dem Handgelenk über brennende Augenbrauen. Und biß den Kiefer fest zusammen, während ich die Erinnerungen als Vorbereitung für den Tanz fließen ließ.

Ich erinnerte mich an das, was ich getan hatte, in den Tiefen des Drachenschlundes. Wie ich es, an die äußerste Grenze meiner Kraft und meines Willens und meiner Dringlichkeit getrieben, irgendwie geschafft hatte, Chosa Dei innerhalb der Mauern seines Gefängnisses, tief im Drachenberg, zu besiegen. Indem ich alle meine Reserven heraufbeschworen und all meinen Glauben an etwas anderes als die Magie, an die Macht des Fleisches, nicht der Götter der Magie, über Bord geworfen hatte. Ich hatte die Skepsis beiseite geschoben, weil ich es tun mußte, und hatte die tief im Stahl ruhende nordische Magie willkommen geheißen. Ich hatte sie benutzt, sie in diese und jene Richtung gebeugt, sie gesungen, auf nordische Art, sie gezwungen, mir zu dienen – bis ich auch nicht besser war als Chosa, bis ich zunichte machte und neu gestaltete ... das Schwert für meine Bedürfnisse neu tränkte. Ich stimmte es, als ich es nicht hätte tun sollen, am Rande der Tore zu den Hoolies, und als ich genau wußte, warum ich es tat, es sehr, sehr genau wußte. Als ich genau wußte, was ich tat und für welche Frau ich es tat.

Warf ich es ihr vor? Nein. Sie hätte dasselbe für mich getan. Monate zuvor waren wir uns bei einem Kampf begegnet, der über ihr Schicksal, und über meines, entscheiden sollte. Wir hatten beide verloren, aber keiner hatte sich ergeben. Und wenn es soweit käme, würden wir beide es noch einmal genauso machen. Aber in dem Moment in Chosas Höhle, im Herzen des Drachenberges, hatte ich alle Macht heraufbeschworen und mein nordisches Jivatma zu etwas umgestaltet, das mehr war als ein Schwert. Etwas, das mehr war als Magie.

Und etwas, das weniger als gut war.

Ich ließ den Harnisch aus meiner linken Hand gleiten. Jetzt hielt ich nur das Schwert, wie man ein Schwert stets hält: fest, am Heft, die Finger um, geknüpftes Leder gelegt, wobei sich die zwanzig Jahre alten Schwielen der Handflächen in Haut und Leder und Stahl einpaßten. Sich in Seele und Geist einpaßten und in das Ding, das aus einem Mann macht, was immer er sein soll.

Fast die Hälfte meines Schwertes war schwarz, verkohlt wie durch Feuer. Aber die Flamme war kalt wie der Tod und lebte in dem Stahl. Bestand auf unerfreuliche Weise neben dem, was das Schwert sein sollte: ein Jivatma namens Samiel, Vorläufer der Stürme, genau wie Dels Boreal. Ihre Stürme waren nordisch kalt. Meine waren südlich heiß.

Aber Chosa lebte auch dort. Chosa erfüllte jede Faser der mit der Klinge verflochtenen Magie. Das unsichtbare Netz pulsierte, angeschwollen durch sein Gift. Wenn Chosa nicht vernichtet würde, wenn die Klinge nicht befreit würde, würde Samiel sterben. Und Chosa würde hervorbrechen, würde den nächstbesten Körper beanspruchen, um sich darin einzunisten. Der Schwerttänzer, der als Sandtiger bekannt war, würde einfach aufhören zu existieren. An seiner Stelle befände sich Chosa Dei, sechshundertzweiundvierzig Jahre alt.

Oder dreiundvierzig?

Hoolies, wie die Zeit verrinnt.

Ich hob das Schwert an und versenkte es dann tief in südlichem Sand. Ich hörte das Zischen der beiseite gedrängten Sandkörner, das Eindringen des Stahls in die Erde. Dann kniete ich mich hin und umschloß das lederumwickelte Heft mit einem harten, schwieligen Gefängnis. Ein weiteres Gefängnis für Chosa.

Eines, das er bereits zu zerstören begonnen hatte.

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