Читать книгу Schwertmagier - Jennifer Roberson - Страница 15

NEUN

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Eine der leichtesten – und zerstörerischsten – Arten, einen berittenen Feind zu überwältigen, ist, sein Pferd zu Fall zu bringen. Das ist nicht ehrenwert, das ist nicht schön. Aber es geschieht schnell. Und gelegentlich hat es den Nutzen, daß damit alle Arbeit getan ist. Ich habe Gegner gekannt, die von fallenden Pferden oder durch den Fall an sich getötet wurden. Das spart Zeit und Kraft. Und während man natürlich immer darauf hoffen kann, hofft man auch einfach darauf, daß der Schreck einem den berittenen Mann in den Weg fallen läßt. Dann führt man seine Arbeit zu Ende.

Wenn ich kämpfe, ob nun innerhalb der Grenzen des Kreises oder in der Welt draußen ohne Ehrenkodex, erfahre ich eine Art Verlangsamung der Zeit. Während nichts wirklich stillsteht, ist dennoch alles verlangsamt, so daß mein Sehvermögen nicht von Bewegungen getrübt wird, die sonst zu schnell ausgeführt werden, als daß man sie verfolgen könnte.

Ich hatte einst geglaubt, es sei die Art, in der jedermann einen Kampf oder Tanz sieht, bis ich es meinem Shodo gegenüber einmal beiläufig erwähnte. Am nächsten Tag hatte er mich eine Übungsstufe hinaufbefördert und mich einem wohlbekannten, erfahrenen Schwerttänzer namens Abbu Bensir übergeben, der meine Behauptung überprüfen sollte. Ich besiegte ihn nicht nur, sondern zeichnete ihn auch fürs Leben, indem ich ihm fast die Kehle zerquetschte.

Nachdem ich den Schock, den Übungstanz tatsächlich gewonnen zu haben, überwunden hatte, erklärte ich meinem Shodo, daß Abbus Kampfmuster ziemlich leicht zu parieren waren, weil er träge und selbstzufrieden war, aber hauptsächlich, weil ich den Weg-innerhalb-des-Weges gesehen hatte: die Bögen und Streiche und Stöße, bevor Abbu sie ausgeführt hatte. Es war einfach eine Sache des Sehens der Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten und Alternativen und des Auswählens der Handlungsweise, der mein Gegner am ehesten einen Erfolg zutraute. Es erforderte eine schnelle Beurteilung seiner Technik, ein blitzschnelles Abschätzen seines Stils und eine sofortige Gegenbewegung.

Ich dachte, jedermann mache es so. Wie sonst sollte man den Tanz gewinnen?

Schließlich erfuhr ich, daß nicht jedermann die Fähigkeit besaß, Bewegung zu sehen, bevor sie ausgeführt wurde, oder den wahrscheinlichsten Handlungskurs des Gegners zu erspüren und dann eine Gegenbewegung zu gestalten, bevor die Handlung stattfand. Eine solche Fähigkeit der Voraussicht und der entsprechenden Reaktion war, wie mir mein Shodo erklärte, die reinste Gabe, auf die ein Schwerttänzer jemals hoffen konnte. Und daß ich, der ich begnadeter war als die meisten, den Lohn sehr lange Zeit ernten würde, sogar Jahre – wenn ich diese Gabe nicht wegwerfen würde, indem ich träge oder zu selbstzufrieden werden würde.

Hochmütig, ja. Vollkommen selbstsicher. Aber niemals, niemals selbstzufrieden.

Der berittene Borjuni kam heran. Alles verlangsamte sich pflichtgetreu, so daß ich alle Möglichkeiten und den Weg-innerhalb-des-Weges sehen konnte. Ich wartete geduldig, das Schwert bereit, und beobachtete, wie er auf mich zuritt, erpicht auf ein Todesversprechen.

Oh, der Tod war versprochen, in Ordnung. Aber nicht mein Tod. Ich brachte das Pferd unter ihm zu Fall und durchbohrte ihn, noch während er herabfiel.

Einer weniger: sieben waren noch übrig. Natürlich würde sich Del einiger von ihnen annehmen.

Ich fuhr auf der Stelle herum, gerade als das Pferd um sich schlug und schrie, bedauerte kurz die Verschwendung, wußte aber, daß das Überleben viele widerliche Dinge erfordert. Später würde ich dem Pferd, wenn ich überlebte, den endgültigen Todesstoß geben, aber im Moment ...

Die Sinne dröhnten. Meine Ohren konzentrierten sich auf die sich durch den Sand grabende Vielfalt von Hufen. Auf das Klappern der Messingverzierungen am Zaumzeug. Auf das heftige Schnauben eines Pferdes, das kurz durchpariert wird. Ich duckte mich, führte eine blitzschnelle Finte auf die Vorderbeine aus, ließ den Borjuni sein Pferd beiseite reißen, während er mit blitzender Klinge abwärts schlug. Ich fing sie ab, Stahl kreischte. Stieß zu, wandte mich um, führte eine Gegendrehung aus, riß mich ruckartig los, trat beiseite, duckte mich ein zweites Mal. Wieder der Schlag auf die Vorderbeine. Wieder das Beiseitereißen. Er schätzte sein Pferd zu hoch ein. Das beeinträchtigte seine Konzentration.

Ich stach mit ausgerichteter Klinge blitzschnell zu, schnitt tief in sein von einem knöchelhohen Stiefel bekleidetes Bein ein, hörte ihn entsetzt und wütend schreien. Der Schmerz würde schnell genug einsetzen – aber ich wartete nicht darauf. Als er im Sattel zur Seite rutschte und das fast abgetrennte Bein schwach umklammerte, griff ich hinauf, bekam einen Arm zu fassen, riß ihn vom Pferd. Schnitt die empfindliche Kehle mühelos durch.

Zwei.

Die runenbeschriftete Klinge wurde naß von hellem, frischem Blut. Ich hörte in meinem Kopf einen Gesang, das geflüsterte Murmeln eines Gesangs, das mir in die Knochen kroch. Dafür war es geschaffen worden, mein göttergesegnetes Jivatma. Das war seine spezielle Aufgabe, das Blut des Feindes zu verspritzen. Das war seine besondere Gabe: das Fleisch von den Knochen zu trennen, sogar diese zu zerteilen und den Feind zu vernichten ...

Wut und Macht und Verlangen.

Ich erkannte undeutlich, daß nichts davon aus mir geboren wurde, sondern aus etwas – jemand – anderem.

Der Gesang wollte nicht weichen.

Ich fuhr herum, schoß vorwärts, schlug zu. Pferde überall. Sie bevölkerten die kleine Oase, beengten meinen persönlichen Kreis. Ich hörte Dels rauhes Atmen, Bruchstücke nordischen Gesangs, die gemurmelten Selbstermahnungen, mit abgehacktem, hastigem Atem ausgestoßen. Pferde überall, schnaubend und stampfend und schreiend und um sich schlagend ...

Zuschnappende Zähne, schlagende Hufe ...

Wilde, rollende Augen ...

Geschriene südliche Flüche und Drohungen zu zerstückeln ...

Der dichte, heiße Geruch von sich mit Sand vermischendem Blut ...

Del, die das Sonnenlicht mit einem Weberschiffchen magischen Stahls wob ...

Zorn ... und Macht ... und VERLANGEN ...

Chosa Dei wollte freikommen.

Das Tageslicht um mich herum explodierte.

Der Feind rief etwas. Ich konnte es nicht verstehen, konnte die Worte nicht enträtseln. Wußte nur, daß der Feind vernichtet werden mußte ...

»Tiger ... Tiger, nein ...«

Am Ende der Klinge gefangen. Von Verfärbung gefangen: Ich mußte nur in den Hals des Feindes einschneiden, die empfindliche Haut kaum schlitzen, und der Feind wäre vernichtet.

»Tiger ... zwing mich nicht dazu ...«

Es flüsterte in meinem Kopf. Ein kleiner, vollkommener Gesang. Nimm sie jetzt, sang er. Nimm sie JETZT, und laß mich frei.

So viele Pferde getötet. So viele Feinde ...

Das Fluchen erklang jetzt in nordischer Sprache. Einen Moment verwirrte es mich ... dann schwoll der Gesang in meinem Kopf an.

»... vernichten ...«, murmelte ich laut.

Ich mußte nur mit der geschwärzten Schwertspitze ihre Kehle berühren ...

»Du dreimal verfluchter Sohn eines Ziegenbocks!« schrie sie. »Welche Art Dummkopf bist du? Willst du diesen Tanz, du Narr? Willst du wirklich, daß wir einander das antun, was niemand sonst uns antun kann?«

Niemand sonst?

Zorn.

Und Macht.

Und Verlangen.

Blut tropfte von der Klinge. Ein Tröpfchen lief den Bogen eines vertrauten nordisch-hellen Schlüsselbeins hinab und unter die elfenbeinfarbene Tunika.

Del hob ihre Waffe. In ihren Augen sah ich, wie heftige Anklage durch grimmige Entschlossenheit ersetzt wurde.

Mir fiel etwas ein.

Ich sprang in dem Moment zur Seite, als sie die Klinge in Vorbereitung auf eigenes Handeln beiseiteriß. Ich sprang, stieß zu, ließ mich fallen und rollte herum, schabte durch blutgetränkten Sand. Verlor irgendwie das Schwert und stand mit leeren Händen wieder auf ...

Um gewaltigen nördlichen Stahl zu küssen, der auf meinem Mund lag.

Ich kauerte da auf den Knien, rang nach Luft, versuchte angestrengt, nicht zu zucken oder Schmerz zu zeigen oder zu blinzeln, während Del aus zornigen Bansheesturmaugen auf mich herabsah.

Sie sah mich an und maß mich. Betrachtete das Schwert, das zehn Fuß entfernt lag. Sah mich wieder eindringlich an.

Nach einem langen angespannten Moment knirschte Del mit den Zähnen. »Wie, zu den Hoolies, soll ich wissen, wann du es bist und wann nicht?«

Weil ich es tun konnte, weil ich ihren Namen kannte, legte ich einen Finger auf Boreals Schneide und schob sie ein wenig von meinem Mund fort. »Du könntest fragen«, schlug ich sanft vor.

»Fragen! Fragen! Inmitten der Feindseligkeiten, wenn ich nicht weiß, ob ich auf eine Borjuniklinge aufgespießt werden soll – oder auf deine –, soll ich fragen, ob ich dem Mann, der mein Partner sein soll, trauen kann?« Blaue Augen blitzten, während sie einen sarkastischen Tonfall annahm. »Entschuldige, Sandtiger, bist du mir heute freundlich gesinnt oder nicht?« Del schüttelte den Kopf. »Was für ein Narr bist du?«

»Schlechter Scherz«, murmelte ich. »Entweder das, oder du hast keinen Sinn für Humor.«

»Ich finde überhaupt nicht witzig, was gerade geschehen ist.« Del runzelte düster die Stirn. »Weißt du überhaupt, was geschehen ist?«

»Ich glaube, ich habe einige Leute getötet.« Ich sah mich kurz um und registrierte entseelte Körper. Ich zählte acht davon. »Hast du etwas dagegen, wenn ich aufstehe?«

»Von mir aus kannst du Steine pinkeln, solange du dich nicht diesem Schwert näherst.«

Mein Gott, sie war erschreckt. Ich atmete tief ein und stand auf, bemerkte Schmerz und Qual und Ziehen und Zwicken, den ganzen Nachklang des Kampfes.

Ich machte einen Schritt. »Del, ich bin nicht ...« Ich brach mit einem erstickten Fluch der Erkenntnis ab und setzte mich dann schwerfällig in den Sand.

»Was ist los?« fragte Del mißtrauisch.

Ich war zu sehr mit Fluchen beschäftigt, um antworten zu können: Ganz vorsichtig streckte ich mein rechtes Bein aus, spürte das knirschende Krachen darin, beugte mich dann im Gebet an die Götter zerschmetterter Knie darüber.

»Hoolies ... nicht mein Knie ... bitte nicht mein Knie ...« Ich atmete stoßweise, Schweiß brannte in Kratzern und Schnitten. »Das kann ich nicht gebrauchen ... das kann ich wirklich nicht gebrauchen ... o Hoolies, nicht mein Knie ...«

Dels Stimme klang jetzt normaler. »Bist du in Ordnung?«

»Nein, ich bin nicht in Ordnung – sehe ich so aus? Klinge ich so?« Ich schaute zu ihr hoch, versuchte den Schmerz fortzuzwingen. »Wenn du mich nicht gezwungen hättest, anzugreifen und mich herumzurollen, dann wäre jetzt ...«

»Mein Fehler! Mein Fehler? Du Sohn eines Ziegenbocks – meine Kehle befand sich an der Spitze deines Schwertes!«

»Ich weiß ... ich weiß ... es tut mir leid ...« Das tat es auch, aber ich konnte in diesem Moment noch nicht damit umgehen. Es war zu gewaltig, zu bedrohlich – außerdem brachte mein Knie mich um, und es war einfacher, sich darauf zu konzentrieren als auf das, was ich Del angetan – oder fast angetan –hatte. »O Hoolies, laß es gut sein ... nichts Dauerhaftes ...«

»Was hast du getan?« fragte sie.

»Es verdreht«, platzte ich heraus. »O Hoolies, ich hasse Knie ... sie versagen immer, wenn man sie am meisten braucht, oder halten dich die ganze Nacht wach ... « ich wischte mir den Schweiß aus den Augen. »Vermutlich geht es dir ganz einfach gut. Dir mit deinen einundzwanzig Jahren.«

»Zweiundzwanzig«, verbesserte sie mich.

»Einundzwanzig, zweiundzwanzig – wen kümmert das? Du kannst alles tun, was du willst, deinem Körper alles abverlangen, und er folgt ohne Murren ...«

Ich bewegte vorsichtig das Knie, suchte nach Dingen, die es nicht geben sollte, wimmerte unter Schmerzen. »Ich wünschte, ich wäre noch mal so jung wie du ...«

»Nein, das tust du nicht«, sagte sie barsch und steckte ihr Schwert schließlich in die Scheide, um sich neben mich zu hocken und mein Knie zu untersuchen. »Ich kenne keine Menschenseele, die die Weisheit, die sie statt eines jüngeren, unwissenderen Körpers erlangt hat, dagegen eintauschen würde.« Sie hielt inne. »Natürlich nur, wenn sie Weisheit erlangt hat.«

Ich sah Blut an Armen und Beinen und auf ihrer Tunika. Ihr Zopf klebte vor Blut. »Bist du in Ordnung?«

»Einer von uns muß es sein, und du bist bereits verletzt.« Ihre Handfläche lag kühl auf meinem Knie. »Wirst du reiten können?«

»Wenn ich eine Wahl habe: nein!«

Del verzog den Mund. »Das kommt darauf an«, sagte sie, »ob du abwarten willst, ob ihre Borjunikameraden hierher kommen, um nachzusehen, was ihre restlichen Leute von der Mittagsmahlzeit fernhält.«

Ich betrachtete die Gefallenen. Acht, wie zuvor. Auch eine Handvoll toter und sterbender Pferde. Mein Hengst stand noch da, wo ich ihn zurückgelassen hatte, an einer Palme festgebunden. Er war nicht sehr glücklich, von so viel Tod umgeben.

Ich runzelte die Stirn. »Vier Tiere fehlen.«

»Sie sind davongestürmt. Wenn es ein Lager gibt, werden sie dorthin flüchten.«

»Und von der Niederlage künden.« Ich streckte das Bein erneut aus, prüfte das Knie. »Du hast recht: Wir haben keine Wahl. Hol mir etwas, womit ich dies verbinden kann, und wir werden aufbrechen. Wir können es nicht einmal wagen, lang genug zu bleiben, um uns um die Leichen zu kümmern – das überlassen wir den anderen Borjuni.« Und als sie davonging, fügte er hinzu: »Vergiß nicht, die Botas wieder aufzufüllen.«

Del warf mir einen beredten Blick zu, der besagte, daß sie sehr wohl wußte, was getan werden mußte, bevor wir aufbrächen, aber sie schwieg. Sie trat grimmig zu dem nächstgelegenen Körper, schnitt ein Stück von dem Burnus ab und kam zurück, während sie den Stoff zerriß. Sie ließ die Streifen auf mich herabregnen.

»Hier. Ich werde mich um die Botas kümmern. Du kümmerst dich um dein Knie – und dann wirst du dich um jenes Schwert kümmern.«

Jenes Schwert.

Als sie davonging, schaute ich hin und sah das gefürchtete Schwert. Es lag ruhig im Sand, rot und schwarz und silbern gefleckt.

Das Schwert, mit dem ich eine Handvoll Borjuni getötet hatte, die es zweifellos verdient hatten ... und mit dem ich auch Del zu töten versucht hatte?

Hoolies, ich hatte Angst, aber ich wagte nicht, sie es merken zu lassen, weil sie dann erkennen würde, wie fragwürdig meine Selbstsicherheit war.

Ich rieb mir erschöpft über das Gesicht und verband dann mein schmerzendes Knie.

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