Читать книгу Schwertmagier - Jennifer Roberson - Страница 16

ZEHN

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Ich wartete. Ich beobachtete, wie sie den Hengst absattelte und dann anpflockte, angesichts meines Knies meine Arbeit für mich tat, und dann sah ich zu, wie sie uns ein Lager für die Nacht bereitete. Es war noch nicht eigentlich Nacht, aber nah daran. Außerdem war der Hengst besonders müde, weil ich nicht hatte zu Fuß gehen können, um ihm Ruhe zu gönnen.

Wir hatten keinen nennenswerten Schutz, nur eine verstreute Ansammlung kärglicher, verkrüppelter Bäume, die fast kein Laub an den knorrigen Zweigen trugen, und einen schmalen Streifen spärliches, verbranntes Wüstengras. Einige Steine und ein wenig Anmachholz dienten als Feuerstelle. Ein trauriges, schäbiges Lager, aber unseren Bedürfnissen angemessen.

Was auch immer diese Bedürfnisse waren, unter den gegebenen Umständen.

Ich wartete. Ich beobachtete, wie sie Decken ausbreitete, das kleine Feuer schürte, Nahrung und Wasser austeilte. Sie sagte nicht viel. Sah mich kaum an. Tat einfach, was getan werden mußte, ließ sich dann auf ihrer Decke nieder.

Auf der anderen Seite des Feuers.

Eine Vorahnung flackerte auf, aber ich verdrängte sie, versuchte die Normalität wiederherzustellen, indem ich in die vertraute Neckerei verfiel. »Es ist nur ein Knie«, sagte ich zu ihr. »Eigentlich nicht ansteckend.«

Del runzelte kurz, aber vielsagend die Stirn. Es gibt solch einen gewissen Blick in ihren Augen, egal wie sehr sie ihn auch zu verbergen versucht. Sie trägt der Welt gegenüber eine Maske – und manchmal auch immer noch mir gegenüber –, aber ich kann sie jetzt besser durchschauen als zu der Zeit, als wir uns zum erstenmal trafen. Was man auch erwarten sollte.

Mühsam behielt ich einen unbefangenen Tonfall bei. »Aha«, nickte ich, »es ist gar nicht das Knie. Das bedeutet, daß ich es bin.«

Del kniff ganz kurz die Lippen zusammen. Sie warf mir einen schnellen Blick zu, kaute kurz und nachdenklich auf ihrer Unterlippe und verzog das Gesicht dann zu einer Grimasse der Nichtigkeit.

»Nun?« drängte ich. »Ich weiß, daß ich lange kein richtiges Bad mehr genommen habe, aber das gilt auch für dich. Und das hat mich niemals abgehalten.«

»Weil du keine Selbstbeherrschung besitzt. Wie die meisten Männer.« Aber die Erwiderung klang halbherzig, es war kein unterschwelliges Sticheln in ihrem Tonfall.

Ich gab die Normalität auf. »In Ordnung, Bascha – sag, was du sagen mußt.«

Del war eindeutig unglücklich. »Vertrauen«, sagte sie weich.

Ich legte meine Hand auf das in seiner Scheide steckende Schwert neben mir. »Dies.«

»Es ist ein Greuel. Die Seele des Schwertes ist schwarz. Chosa Dei hat das Jivatma verdorben, den Ehrenkodex verdorben ...«

»... und du hast Angst, daß er mich verdorben hat.«

Del antwortete nicht sofort. Farbe stieg in ihre Wangen und wich dann genauso schnell wieder. »Ich schäme mich«, sagte sie schließlich. »Zu vertrauen und dann doch auch nicht zu vertrauen. Die Wahrhaftigkeit der Treue in Frage zu stellen ...« Sie vollführte eine hilflose Geste, als fehlten ihr die richtigen Worte. »Wir, du und ich, haben viel im Namen der Ehre und anderer Dinge getan. Das Vertrauen wurde niemals in Frage gestellt, wie es im Kreis angemessen ist, ob es nun ein gezogener oder ein im Geiste existierender Kreis ist.« Ihr Akzent trat deutlicher hervor, sie mühte sich mit den südlichen Worten ab. »Aber jetzt steht es in Frage. Jetzt muß es in Frage stehen.«

Ich seufzte tief. Mein verbundenes Knie schmerzte unaufhörlich, wie auch alles andere. »Ich sollte dich vermutlich fragen, was ich getan habe. Nur um verstehen zu können. Ich erinnere mich nach dem zweiten Borjuni kaum an etwas.«

»Du hast sie getötet«, sagte Del einfach. »Und dann hast du mich zu töten versucht.«

»Wirklich versucht? Oder nur scheinbar ... « Ich ließ von der Ironie ab. Der aus Prahlerei und Sarkasmus gestaltete Schild war nicht erforderlich. Die Vorstellung war zu unheimlich. Die Wahrheit zu schmerzlich. »Bascha ...«

»Ich bin sicher«, kam sie mir zuvor. »Ich weiß, daß nicht du es warst, nicht wirklich du – aber spielt das eine Rolle? Chosa Dei will mich. Chosa Dei will dich ... und für kurze Zeit hatte er heute Besitz von dir ergriffen.« Del zupfte heftig an ihrer Decke, riß eine abgenutzte Ecke ein. »Der Gesang, den du gesungen hast, war ... nicht richtig. Es war kein Gesang aus dir selbst heraus. Es war ein aus ihm entstandener Gesang ...«

Ein erster Hauch von Erkennen verursachte mir Unbehagen, und ich regte mich auf meiner Decke: Es war leichter, ihre Ängste auszuräumen, als darauf einzugehen. »Ich kann ihn beherrschen, Del. Ich muß nur stärker sein.«

»Er wird stärker. Tiger, verstehst du nicht? Wenn du dich der Gewalt überläßt, verleiht ihm das die Macht. Wenn er erst genug davon erlangt hat, wird er das Schwert als Brücke zu dir und dann dich als seinen Körper benutzen.« Sie verzog angewidert das Gesicht. »Ich habe es heute gesehen, Tiger. Ich habe ihn heute gesehen, wie ich ihn in dem Drachen gesehen habe.«

Ich war schnell mit Ablehnung bei der Hand. Es war einfach. »Ich glaube nicht ...«

Sie ließ mich den Satz nicht beenden. »Chosa Dei hat aus deinen Augen geschaut. Chosa Dei war in deiner Seele.«

Ein ganz schwaches Aufflackern der Angst entzündete sich in meinem Magen. »Ich habe ihn besiegt«, platzte ich drängend heraus. »Letzte Nacht, und heute wieder. Ich werde ihn weiterhin besiegen.«

Die Sonne war jetzt vollständig untergegangen. Feuerschein lag auf ihrem Gesicht. »Bis er zu stark wird.«

Verzweiflung, verbunden mit schwacher Verärgerung. Aber der Ausbruch erfolgte heftig. »Was erwartest du? Ich kann dieses Schwert nicht auf die Art loswerden, wie ein vernünftiger Mensch es tun würde – du hast gesagt, es sei zu gefährlich, es zu verkaufen, es fortzugeben oder wegzuwerfen, weil er dann seinen Körper hätte. Und ich kann das Schwert nicht vernichten – du hast gesagt, dann käme sein Geist frei. Was bleibt mir also übrig? Was, bei den Hoolies, soll ich tun?«

Dels Stimme klang fest. »Du hast zwei Möglichkeiten«, sagte sie ruhig. »Eine kennst du bereits: Finde einen Weg, das Schwert zu befreien. Die andere ist noch schwerer.«

Ich fluchte heftig. »Was, bei den Hoolies, ist schwerer, als einen Magier aus der Legende aufzuspüren – Chosas Bruder, keinen Geringeren! –, der vielleicht gar nicht existiert?«

»Sterben«, antwortete sie sanft.

Das war ein Schlag in die Magengrube, aber ich ließ es sie nicht merken. »Sterben ist leicht«, erwiderte ich.

Del antwortete nicht.

»Und außerdem hat Chosa – in diesem Schwert – bereits versucht mich zu töten. Erinnerst du dich? Warum sollte Sterben also sinnvoll sein?«

Sie verzog den Mund. »Ich bezweifle, daß er dich töten wollte. Es ist eher wahrscheinlich, daß er dich verletzen wollte. Ernsthaft, ja, weil du dann geschwächt wärst. Dann könnte er das Schwert ... und schließlich auch dich vereinnahmen. Aber wenn du sterben solltest...« Sie verstummte. Es waren keine weiteren Worte mehr nötig.

In dem Bemühen, mein Knie nicht zu belasten, warf ich mich mit dem Rücken voran auf meine Decke und starrte in den sich verdunkelnden Himmel. Die Nachtluft war, wie immer in der Wüste, kühl, im Gegensatz zur Hitze des Tages. »Also, so wie ich es verstehe ...« – ich runzelte die Stirn –, »... muß ich nur am Leben bleiben ... und unversehrt ... lang genug, um Shaka Obre zu finden, der mir dabei helfen kann, dieses dreimal verfluchte Schwert zu befreien ... oder jegliche Form von Gewalt vermeiden, um ihm keine Macht zu geben ... oder dir nicht den Rücken zuwenden.«

Das verblüffte sie. »Mir!«

Ich wandte den Kopf, um sie anzusehen. »Sicher. Damit du nicht über Möglichkeiten nachzudenken beginnst, Chosa zu bekämpfen – durch mich –, ohne daß eine Befreiung erfolgt.«

Del keuchte vor Empörung. Es war fast komisch.

Ich brachte ein halbherziges Grinsen zustande. »Das ist ein Scherz, Bascha. Aber ich vergesse immer: Du hast keinen Sinn für Humor.«

»Ich würde nicht ... ich könnte nicht ... ich würde niemals ...« Sie brach verärgert ab, verlor den Faden.

»Ich sagte bereits, daß es ein Scherz war!« Ich rollte mich auf eine Hüfte, entlastete das wunde Knie und stützte mich auf einen Ellbogen auf. »Siehst du jetzt, was ich damit gemeint habe, daß du keinen Sinn für Humor hast?«

»Es ist nichts Lustiges daran, die Ehre zu verlieren, die Selbst...«

Plötzlich sehr müde, rieb ich mir mit einer Handfläche übers Gesicht. »Vergiß es. Vergiß, daß ich etwas gesagt habe. Vergiß, daß ich überhaupt hier bin.«

»Das kann ich nicht. Du bist hier ... und jenes Schwert auch.«

Wieder ›jenes Schwert‹. Ich seufzte tief, war mir einer erschöpften Niedergeschlagenheit bewußt und legte mich erneut auf meiner Decke zurück. »Geh schlafen«, schlug ich vor. »Am Morgen wird es besser sein. Alles ist am Morgen besser – darum haben sie ihn erfunden.«

»Wer?«

»Die Götter vermutlich.« Ich zuckte die Achseln. »Woher, bei den Hoolies, soll ich das wissen? Ich bin nur ein Jhihadi.«

Del legte sich nicht hin. Sie saß auf ihrer Decke und betrachtete mich nachdenklich.

»Geh schlafen«, sagte ich.

Ein abwehrendes Achselzucken. »Ich werde noch eine Weile hier sitzenbleiben. Wache halten.«

Ich zuckte ebenfalls die Achseln, nahm es nur allzu bereitwillig hin. Es kam häufig genug vor. Ich kuschelte mich vorsichtig unter meine Decke, fluchte leise wegen der festen Verbände, die es mir schwer machten, mein Knie bequem zu lagern, und hörte dann ganz auf, mich zu bewegen.

Etwas Neues kam mir in den Sinn. Etwas, was mir nicht gefiel, wovon ich aber wußte, daß es möglich war. Noch eher wahrscheinlich.

»Du willst Wache halten?« grollte ich. »Mich vor Gefahren beschützen – oder dich vor mir beschützen?«

Del antwortete gelassen. »Was auch immer nötig sein wird.«

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