Читать книгу Schwertmagier - Jennifer Roberson - Страница 12

SECHS

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Das Brüllen brach aus meiner Kehle hervor. Im Moment kümmerte es mich nicht. Es genügte einfach zu schreien, meine Kehle mit dem Willen und der Kraft aufzurauhen, zu versuchen, Chosa zu besiegen.

Aber das Brüllen erstarb fast augenblicklich, und auch das Begreifen. Ich wußte nur, daß ich das Schwert festhielt, oder es hielt mich fest, und das war alles.

Er war stark, das war Chosa Dei. Und er war sehr, sehr zornig. Er haßte es, in einem Gefängnis aus nordischem Stahl gefangen zu sein. Er haßte das Schwert selbst, weil es wagte, ihn gefangenzuhalten. Und er haßte auch mich, weitaus tiefer und weitaus stärker, mit kalter, beharrlicher Kraft. Ich war derjenige. Ich war der Mensch. Ich war der Feind, der ihm die Seele genommen und sie in einem Schwert eingesperrt hatte.

Der schmale Schnitt im Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger schmerzte. Wie auch der Schnitt an meinem Fuß. Und ich wußte mit untrügerischer Sicherheit, daß solch ungeschickte ›Unfälle‹ nicht aufhören würden. Wenn überhaupt, würden sie schlimmer werden. Vielleicht sogar tödlich. Chosa hatte Samiel ein wenig kennengelernt. Jetzt streckte er sich aus, dehnte die Begrenzung, tat, was immer er konnte, um mir zu schaden. Um das Schwert für mich genauso gefährlich zu machen wie für meine Feinde.

Also war es jetzt an mir, ihm zu zeigen, wer der Herr war. Leichter gesagt als getan. Nicht nur, daß Magie so schlecht riecht, sie schmerzt auch.

Ich klammerte mich mit aller Kraft an das Heft, die Hände um Stahl und Leder geschlossen. Ich schüttelte mich, und das Schwert schüttelte sich mit mir, schnitt tief in südlichen Sand ein. Ich spürte, wie die Anspannung die Handgelenke, die Unterarme und dann die Schultern vereinnahmte und die Muskeln sich verknoten ließ. Sehnen standen, wie straff gespannte Seile, überall an meinem Körper hervor. Ich knirschte mit den Zähnen und stieß zischend Salsetflüche aus, spie all die Schmähungen aus, mit denen der Stamm mich bedacht hatte, als ich in südlicher Sklaverei geschuftet hatte, körperlich zu stark, um gebrochen zu werden, geistig zu schwach, um zu kämpfen.

Jetzt kämpfte ich. Die Salset hatten mich lediglich besiegt. Chosa Dei würde mich vernichten.

Schweiß rann mir das Gesicht herab, tropfte auf eine staubige Brust. Nicht durch Sandalen behindert, gruben sich die Zehen krampfhaft in den Sand. Mein ganzer Körper kribbelte. Gallenflüssigkeit kitzelte meine Kehle, hinterließ einen bitteren Geschmack.

»... nicht ...«, sagte ich. »... NICHT...«

Mehr konnte ich nicht hervorbringen.

Das Sternenlicht flackerte. Oder lag es an meinen Augen? Weiße und schwarze Flecke, die die Sicht in einen Flickwerkvorhang aus mit Pech getränkter Dunkelheit und blendendem, rasendem Licht verwandelte.

Ich roch den Geruch der Magie. Der Macht, die so rein und wild war, daß nur ein Narr versuchen würde, sie zu beherrschen. Nur ein Narr würde sie heraufbeschwören.

Ein Narr, oder ein Wahnsinniger. Ein Mann wie Chosa Dei.

Oder ein Narr wie ich?

Hoolies, ich hatte Schmerzen. Dumpfe Kopfschmerzen flammten erneut auf, pochten hinter weit geöffneten Augen. Ich spürte den mühsamen Schlag meines Herzens, das sich hinter dem Brustbein wand, das beunruhigende Kribbeln feiner Haare, die sich auf Armen und Beinen aufrichteten, das tiefe, hohle Zusammenkrampfen eines vor Angst übersäuerten Magens.

Ein zischendes, gehauchtes Röcheln: hinein und hinaus, hinein und hinaus, zwang die Lungen, zu arbeiten. Der Versuch, einen benebelten Kopf freizubekommen, der sowohl von einem Pferdehuf als auch von der Gegenwart fremdartiger Magie und dem Versprechen von Chosas Macht erschüttert war.

Wenn ich ihm nur beweisen könnte, daß meine Seele stärker war ... Ich lachte innerlich. Spöttisch und verächtlich, vor Selbstverachtung triefend. Wer, zu den Hoolies, war ich? Ein unnützer, alternder Mann mit schmerzenden Knien und einer von vielen Narben überzogenen Haut, der sein Schwert verkauft, um leben zu können, der nur die Fähigkeiten ehrt, die reine Verzweiflung geschmiedet hat, und das Verlangen, etwas Besseres zu sein – jemand, der mehr ist –, mehr als ein namenloser Sklave, der als Kind von einer Mutter verlassen wurde, die zu erschöpft gewesen war, um sich um ihn zu kümmern.

Unsicherheit flackerte kurz auf. Del hatte einmal gesagt, es gäbe keinen Beweis. Daß die Salset vielleicht gelogen hätten. Daß ich vielleicht nicht zum Sterben zurückgelassen worden war, zumindest nicht absichtlich.

Aber das würde ich niemals erfahren können. Das einzige Verbindungsglied zu meiner Vergangenheit, die einzige Person, die bereit gewesen wäre, darüber zu sprechen, war nur Tage zuvor gestorben, von ihrem Volk verspottet, weil ein eifersüchtiger, alter Magier, dem man alle schwindende Macht genommen hatte, gesagt hatte, sie verdiene Bestrafung, weil sie mir geholfen hatte. Und obwohl niemand sie wirklich getötet hatte, war sie doch sowohl geistig als auch körperlich krank geworden.

Sula. Die, ohne jemals zu schwanken, immer an mich geglaubt hatte.

Die Selbstverachtung schmolz dahin.

Ich atmete ganz tief ein und überließ mich der Macht, die sich als Antwort auf meinen Ruf sammelte. Als Antwort auf Chosa Dei. Wir wollten sie beide. Wir brauchten sie beide. Aber nur einer konnte sie handhaben. Nur einer konnte siegen.

Ein Gesang kam mir in den Sinn. Ein kleiner, ruhiger Gesang. Ich versuchte, ihn zu fassen, hatte Mühe damit, setzte ihn wieder zusammen. Schnürte alle Riemen, knüpfte alle Knoten. Und machte ihn dann wieder zu einem Ganzen. Machte ihn wieder zu etwas von mir. Eine Brise kam auf. Sand küßte rauh meine Wange, setzte sich zwischen meine Zähne, trieb Tränen in weit geöffnete Augen. Aber ich konnte meinen Gesang nicht aufgeben.

Die Welt wurde weiß. Ich schaute, blinzelte, schaute erneut. Ich konnte nichts sehen. Nichts als nur das Weiß.

Stahl erzitterte in meinen Händen. Er erwärmte sich, wurde weicher, bis ich spürte, daß er frei ausfloß, sich seinen Weg durch Lederbänder und den gelösten Griff starrer Finger erzwang. Ich umfaßte den Stahl fester, versuchte ihn wieder hineinzudrängen, aber er floß weiter aus. Er tropfte aus zusammengeballten Händen und befleckte den sternenbeschienenen Sand.

Wenn Chosa das Schwert vernichtete ...

»... nicht...«, sagte ich erneut.

Die Brise wehte stärker, aber ich konnte nichts davon sehen. Nur Weiß, nichts als Weiß ...

Und dann, plötzlich, Rot. Das Rot von Feindesblut, das Rot von innerlich durch die Anstrengung zu starren Sehens blutenden Augen. Augen, die so verbissen versucht hatten zu unterwerfen.

Das Schwert erzitterte. Runen flammten kupferhell auf, glühten dann kurzzeitig blutrot, bevor sie erneut silbern verblaßten. Als die Klinge den Sand berührte, sah ich ein aschfarbenes Brodeln aufbrechen. Und dann die stille Explosion von Staub und Sand und Erde, den silber-goldenen Hauch von Kristallen von tief unter der Oberfläche.

Durchscheinende Punjakristalle, tödlich im südlichen Sonnenlicht. Sand rieselte davon, bis der größte Teil der Klinge bloßlag, die verkohlte, schwarze Verfärbung offenbarte. Sie war einen Fingerbreit höher gestiegen.

»Kann nicht sinken«, murmelte ich. »... muß höher gelangen, zu mir ... «

Aber natürlich würde ich es nicht zulassen.

Ich klammerte mich an den Gesang, umhüllte mich mit seiner Macht. Del sagt, ich kann nicht singen, sagt, daß ich meistens mißtönend krächze, nicht weiß, wie man Noten oder Melodien gestaltet, aber das war mir gleichgültig. Samiel kümmert sich nicht um Können, sondern nur um die Konzentration und die Kraft, die Magie zu singen, bevor Chosa alles vernichtet.

Geräuschlos zerriß eine dünne Linie die Sandmulde. Ich beobachtete, wie sie aus der Schwertspitze heraustropfte und sich dann ausbreitete. Die Lautlosigkeit dieses Vorgangs war unheimlich. Ein Riß hier, ein Riß dort, bis ich inmitten eines Netzwerks kniete, das sich in alle Richtungen ausbreitete, schwarz im Licht der Sterne.

Es zog sich nicht zusammen, wie man vielleicht erwarten würde, den Sand hierhin und dorthin schiebend. Es blieb liegen, flach wie Glas, ein komplexes Netzwerk von Rissen, die in die Wüste ausströmten.

»Kann es nicht vernichten«, stieß ich zähneknirschend hervor. »... kann mich nicht vernichten ...«

Ich preßte die Hände noch fester zusammen. Sang meinen Gesang noch inbrünstiger, als sei ich geistig weggetreten. Und spürte, wie die Macht zunahm.

Rauch. Zuerst eine Rauchwolke, ein Rauchfaden, wie warmer Atem an einem kalten nordischen Morgen. Von den Rissen ausgestoßen.

Rauch, gefolgt von Feuer.

Aber nur ein wenig.

Die Luft wurde wärmer. Am Horizont, der sich vor mir erstreckte, knisterte Wetterleuchten. Die Luft stank danach. Die Haare an meinem Körper richteten sich auf. Mein Nacken kribbelte. Die Haut zuckte und kam dann zur Ruhe, Das Atmen wurde noch schwerer. Die Brise wurde zum Wind. Er kam, um mich zu besuchen, brachte körnige, unwillkommene Gesellschaft mit und warf sie mir ins Gesicht. Er zischte, als er sich gegen die mit Runen versehene Klinge warf, als er an meiner Haut schabte, Falten und Runzeln und Narben fand und Sand hinterließ, um seine Spur zu markieren. Entfernte die Haare aus meinem Gesicht, damit es noch sicherer zerkratzt wurde.

Ich spie aus. Blinzelte. Ergriff das Schwert noch fester. Kein verflüssigter Stahl floß mehr durch starre, verkrampfte Finger. Was ich jetzt festhielt, war etwas Heiles.

»... hörst du mich, Chosa. Ein Teil von mir ...«

Der Wind blies die Flammen aus. Trug den Rauch davon.

»Ein Teil von mir«, sagte ich erneut.

Der Wind erstarb lautlos. Der Sand ließ sich nieder. Die Welt war wieder die Welt und ich noch immer ich selbst in ihr.

Ein Gedanke kam auf: War ich es? War ich ich selbst?

Was war ich?

Was, zu den Hoolies, hatte ich gerade getan?

Chosa Dei ... heraufbeschworen ... und bekämpft.

Ein Frösteln kräuselte meine Haut. Ich wußte, warum und was ich getan hatte. Ich stellte die Notwendigkeit nicht in Frage. Ich stellte die Realität nicht in Frage.

Ich stellte nur in Frage, wer es getan hatte: Ich? Ich? Ich?

Einige Monate zuvor hätte ich über die Möglichkeit gelacht. Über den Gedanken gelacht, daß ein Mann so etwas tun könnte. Hätte mich mit Selbstverachtung bestraft, wenn ich einen solchen Gedanken zugelassen hätte.

Zu wissen, daß man an solche Dinge denkt, an solche Siege des Geistes, öffnet Qual und Schmerz die Tür.

Bei den Salset hatte ich es nicht gewagt.

Aber bei Chosa Dei wagte ich es. Ich wagte es nicht nur, sondern ich tat es auch.

War ich wegen der Magie stärker? Wegen des nordischen Schwerts? Oder war ich nur eher bereit, in bezug auf Dinge, die ich nicht verstand, Risiken auf mich zu nehmen?

In mir erklang eine grausame Stimme: Du bist ein Narr, Chula. Du bist, wozu du dich selbst gemacht hast und wozu du alle erreichbaren Werkzeuge benutzt hast. Wenn du der Magie den Rücken zukehrst, kehrst du dir selbst den Rücken zu.

Ich fluchte. Lachte leise. Bedachte mich mit Schimpfnamen. Richtete meine Aufmerksamkeit auf die bestehende Aufgabe: mich mit dem auseinanderzusetzen, was geschehen war.

Das krampfartige Atmen verlangsamte sich. Ich schluckte und wünschte, ich hätte es nicht getan. Der Sand und das rauhe Atmen hatten meine Kehle wundgescheuert. Ein Schaudern durchlief meinen Körper, während die Anspannung verging und einen dicht mit Staub und Sand überzogenen, ziehenden, schmerzenden Körper zurückließ. Der Geruch der Magie war fort. Jetzt lag der scharfe Gestank von verausgabter menschlicher Anstrengung in der Luft.

Als ich mich letztendlich wieder rühren konnte, löste ich meine schmerzenden Hände voneinander. Das Schwert fiel zu Boden. Als es aufprallte, zerbrach etwas.

Einen Moment lang konnte ich mich nicht bewegen. Ich konnte nur knien, zu steif, um mein Gewicht zu verlagern, bis sich die Muskeln schließlich lockerten und ich unbeholfen aufstand. Rund um mich herum zerbrach noch mehr, und ein Schauer silbrigen Staubs ging hernieder.

Hoolies, das juckte. Sand, körniger Sand und Staub, klebte auf der vom Schweiß feuchten Haut wie eine Hülle, grub sich in Gelenke und Hautfalten und ahmte Punjawürmer nach. Ich schüttelte mich von Kopf bis Fuß, befreite mich von einer Schicht Dreck und hörte das leise Klingen.

Ich schaute hinab. Wie ausgeworfene Orakelknochen lagen winzige Glasstückchen um meine Füße verstreut. Sich in alle Richtungen erstreckend, bildeten sie einen fast vollständigen Kreis, glatt und flach und glänzend.

Irgendwie hatte ich Glas produziert. Aus Sand beschworen, in Feuer geboren, hatte ich einen Kreis aus Glas geschaffen.

Glas, das zerbräche, könnte ich hinzufügen, wenn ich auch nur zuckte.

Und ich trug keine Sandalen.

Ich dachte daran zu fragen, wie und warum, wollte aber meinen Atem nicht verschwenden. Es würde keine Antwort erfolgen.

Das Schwert war heil. Das Herausfließen, das ich für real gehalten hatte, war nichts als Illusion gewesen. Samiel lag ruhig in einem Teich zerbrochenen Glases, das im Sternenlicht funkelnde und glitzernde Risse in alle Richtungen schuf.

Dann wandte ich mich um und sah Del.

Sie stand am Rande des Glaskreises, Boreal ungeschützt in den Händen. Das Schwert war ein Blitz sternenbeleuchteten Stahls, der ihre Brust diagonal teilte. Sie hatte den weißen Burnus abgelegt. Sie trug nur die nordische Tunika aus weichem cremefarbenen Leder, die ihre glatten, geschmeidigen Arme und den größten Teil wohlgeformter Beine offenbarte, auch Entschlossenheit offenbarte. Sie sang mit angespannten, deutlich hervorgehobenen Muskeln und der wachsamen Neigung ihres Kopfes, sang mit und durch ihren Körper. Sang mit der rückhaltlosen Bereitschaft ihrer Augen. Aber es gab auch noch etwas anderes. Etwas, das mich erschreckte. Del hatte Angst.

Sie ist eine Frau, die tötet, aber nicht aus einer Laune heraus. Nicht aus Verärgerung oder einem boshaften Verlangen, zu schaden. Sie tötet, wenn sie töten muß, wenn die Umstände sie dazu zwingen. Wenn sie eine Frau ist, die sich durch ihre Willenskraft und Hingabe im Namen der ermordeten Familie in jene Umstände bringt, so wertet das die Leistung nicht ab und läßt das Talent nicht weniger gefährlich werden. Sie hat ihr Können, ihre Befähigung, ihren Geist vervollkommnet, hat die Frau zu einer Waffe geformt. Sie weiß, wie und wann sie töten muß. Sie weiß sogar warum.

Eine von Dels Stärken ist eine bemerkenswerte Beherrschtheit: die Fähigkeit zu tun, was getan werden muß, ohne mehr an Kraft, Atem und Geisteszustand zu geben als der Augenblick unbedingt erfordert. Angst zerstört diese Beherrschtheit. Das ist bei jedermann beängstigend. Bei Del ist es tödlich.

Ich hob Samiel nicht an. Ich blinzelte nicht einmal.

Del wartete. Die Lider kurzzeitig gesenkt, während sie schnell die Spitze der Klinge betrachtete und die Verfärbung abschätzte. Dann wieder zu mir sah, mich maß, bis die Bewertung schließlich abgeschlossen war.

Fast unmerklich entspannte sich ihre Haltung. Aber nicht das Bewußtsein darüber, was geschehen war oder was ich in meinem ›Gespräch‹ mit Chosa Dei erreicht hatte.

Ich beschloß, daß jetzt nicht die Zeit war, wieder Zuflucht zur Ironie zu nehmen. »Sulhaya«, sagte ich ruhig, gebrauchte ihre eigene Sprache. »Das ist es, was ich auch gewollt hätte, wenn ich den Kampf an Chosa verloren hätte.«

Del wartete noch immer. Maß und schätzte ab, wenn auch weniger angespannt. Die anfängliche Gefahr war eindeutig vorüber. Sie maß mich jetzt anders.

Schließlich lächelte sie. »Deine Aussprache ist entsetzlich.«

Die Erleichterung war überwältigend. Ich wollte mich im Moment nicht mit Dels Ängsten befassen, weil sie meine eigenen vergrößerten. »Ja, nun ... du bedankst dich nicht sehr oft. Wie soll ich es dann also wissen?«

Sie verzog die Lippen. Sie nahm das Schwert herab, veränderte die Schräglage der Klinge. »Bist du in Ordnung?«

Jetzt konnte ich das Ich sein, das ich besser kannte. »Steif. Wund. Ein wenig zittrig.« Ich zuckte die Achseln. »Und ich brauche jetzt noch dringender ein Bad als zuvor ...« Ich kratzte mit einer Hand über meinen Bauch. »Hoolies, dieses Zeug juckt ...«

Del hockte sich hin, nahm einen Splitter auf und betrachtete ihn. Während sie ihn ansah, glitzerte er wie Eis. »Interessant«, murmelte sie.

Ganze zehn Fuß trennten uns. Del kniete im Sand. Vor mir schimmerte ein zerrissenes Tuch aus glitzerndem magischen Glas. »Tu mir einen Gefallen«, sagte ich. »Hol mir bitte meine Sandalen.«

In der Wüste, bei Nacht, ist es kühl, wodurch die Hitze des Tages Lügen gestraft wird. Ich lag auf ausgebreiteten Decken, eingehüllt in ein Untergewand und den Burnus, und versuchte einzuschlafen. Wir hatten höchstens drei Stunden Zeit, bevor die Sonne aufgehen würde. Nur ein Narr würde diese Zeit verschwenden. Ich regte mich jede Minute, versuchte, Del nicht aufzuwecken, die einen leichten Schlaf hat, versuchte aber auch immer wieder, selbst zur Ruhe zu kommen. Einen Moment lang fühlte sich die Lage gut an – dann befiel mich erneut der Drang, wie es so viele Male geschehen war, und ich kratzte juckende Haut.

Ein Finger bohrte sich in mein Rückgrat. »Setz dich hin«, sagte sie. Dann: »Setz dich hin. Glaubst du, ich will die ganze Nacht hier liegen, während du dir die Haut wundkratzt?«

Sie klang ungewöhnlicherweise wie viele Mütter, die ich ihre Kinder tadeln gehört hatte. Was bewirkte, daß ich mich schlechter fühlte. »Ich kann nichts dagegen tun. All der Schmutz und Sand und Glasstaub machen mich sandkrank.«

Der Finger bohrte sich erneut in meine Haut. »Dann setz dich hin, und ich werde mich darum kümmern.«

Ich rollte herum und richtete mich auf einen Ellbogen auf, während sich Del neben mich kniete. »Was wirst du tun?«

Sie machte eine ungeduldige Handbewegung, während sie ein Tuch aus den Satteltaschen hervorzog und nach einer Bota griff. »Zieh alles aus. Das hätten wir schon früher tun sollen.«

»Ich kann nicht baden, Del ... wir können das Wasser nicht verschwenden.«

»Für mich ist die Wahl einfach: Wir waschen soviel Staub ab wie möglich, hier und jetzt, oder wir verbringen den Rest der Nacht wach, während du dich kratzt und herumjammerst.«

»Ich habe kein Wort gesagt.«

»Du sagst mehr als die meisten anderen, ohne auch nur den Mund aufzumachen.« Del drückte das zusammengelegte Tuch an den Hals der Bota und wrang es aus. »Zieh dich aus, Tiger. Du wirst mir dankbar sein, wenn ich fertig bin.«

Wenn Del sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, gibt es keine Diskussion mehr. Ich tat, wie mir geheißen, und zog alles bis auf den Dhoti aus. Ein Blick auf Arme und Beine, von den Sternen beleuchtet, offenbarte die an Haut und Haaren klebende Glas- und Sandschicht.

Del schnalzte mit der Zunge. »Sieh dich an. Du hast dich so sehr gekratzt, daß du schon wunde Stellen hast. Und Kratzspuren ...«

»Macht nichts«, grollte ich. »Tu einfach, was du tun willst.«

Del lachte unerwartet auf. »Eine verlockende Einladung ...« Aber sie unterbrach ihre Bemerkung und machte sich an Armen und Beinen zu schaffen, wobei sie sehr vorsichtig die Hautfalten an den Innenseiten der Knie und Ellbogen versorgte. Sie hatte recht: Ich war wund. Die wunde Haut schmerzte.

Wie auch mein Stolz. »Ich hätte das selbst tun können.«

»Was? Du? Willst du damit sagen, du magst es nicht, wenn eine Frau zu deinen Füßen kniet und sich liebevoll um dich kümmert?« Del grinste kurz und hob beredt die Brauen. »Das ist nicht der Sandtiger, den ich vor so vielen Monaten in jenem dreckigen, stinkenden Wirtshaus getroffen habe.«

»Gib mir das.« Ich beugte mich hinab, entriß ihr das feuchte Tuch und begann, meine Rippengegend zu schrubben. »Wir alle ändern uns, Bascha. Keiner bleibt immer gleich. So ist das Leben.«

Sie stand jetzt vor mir, eine Hand auf der sehr muskulösen Trennlinie zwischen ihrer schmalen Taille und der geschwungenen Hüfte. Das Sternenlicht umschmeichelte sie. Aber es ist schwer, grausam zu sein, wenn ein Körper so vollkommen wirkt. »Gib es zu«, schlug sie vor. »Du bist jetzt ein besserer Mensch als zu der Zeit, als ich dich traf.«

Ich schrubbte sandige Haut. »Und soll das bedeuten, daß du dir diese Verbesserung zuschreibst?«

Ein langsames, träges Achselzucken einer einzigen, sehnigen Schulter. Ihre Antwort war unmißverständlich: Wenn ich sie nicht getroffen hätte, wäre ich nicht der Mann, für den sie mich jetzt hielt.

Welche Art Mann auch immer das war. Wer weiß, was eine Frau denkt?

Das Schimmern in ihren Augen schwand. Sie wirkte jetzt nachdenklich. Sie streckte eine Hand aus und zog sanft die so tief über meine Rippen verlaufende, wulstige Narbe nach. Die verletzte Haut war noch immer bläulich, würde noch mehr Zeit benötigen, bis Purpur zu einem Rotton und später zu Silberweiß werden würde.

Die Haut erzitterte unter ihrer Berührung. Die Anspannung verkrampfte meinen Magen und tiefer Liegendes. Del sah mich an.

»Was erwartest du?« grollte ich. »Ich habe niemals ein Geheimnis daraus gemacht, was du bei mir bewirkst.«

Dels Mund wurde zu einer schmalen Linie. »Was ich bei dir bewirke? Oder was ich dir antue?« Sie zog ihre Hand von der Narbe zurück. »Ich hätte es getan, Tiger. Das Töten. Wenn es nötig gewesen wäre.«

»Welches?« konterte ich. »Das in Staal-Ysta? Oder das vorhin?«

»Egal. Beides.« Ihr Gesicht zuckte kurz. »Du weißt nicht, wie es damals war ... damals, als ich dein Schwert berührte und Chosas Macht spürte. Die Heftigkeit seines Verlangens spürte.« Del erschauderte, was untypisch für sie war. »Wenn er die Gelegenheit bekommt, wird er mich vereinnahmen, mit einem Schwert, das aus Stahl gefertigt ist. Oder mit einem Schwert aus Fleisch und Blut.«

Sie war von Ajani vergewaltigt worden und später beinahe auch von den als Loki bekannten Dämonen. Solche Gewalt fordert ihren Tribut. Ich konnte es in ihren Augen erkennen. Die meisten, die es nach ihrem Körper verlangt, würden sich nicht einmal die Mühe machen, in sie hineinzusehen.

Ich atmete tief ein, seltsam benommen. »Also hättest du mich wirklich getötet, in dem Glauben, ich sei Chosa.«

Dels Gesicht war angespannt. Weiß. Starr. »Es wird vielleicht eine Zeit kommen, in der du es bist.«

Seltsamerweise schmerzte es nicht. Ich hatte es bereits selbst erkannt, mit Chosa Dei auf dem Sand.

Ich gab ihr das Tuch zurück. »Und es wird vielleicht eine Zeit kommen, in der du es tun mußt.«

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