Читать книгу Schwertmagier - Jennifer Roberson - Страница 13
SIEBEN
ОглавлениеHmpf«, kommentierte ich und dachte, das würde genügen.
»Sieh es dir an«, drängte Del. »Siehst du, was du getan hast?«
Ich zuckte die Achseln. »Spielt das eine Rolle? Ich wollte es nicht wirklich. Und überhaupt weiß ich nicht, welchen Wert es hat, daß du dich so darüber aufregst. Ich meine, was kannst du damit anfangen?«
»Sehr reiche Leute fertigen damit Fenster.«
»Damit?«
»Es ist Glas, Tiger.«
»Ich weiß, was es ist.« Ich betrachtete stirnrunzelnd den zerbrochenen Kreis. Der unmittelbare Mittelpunkt war ein spiralförmig abwärts führender Trichter aus hellem Sand, gesäumt von einem aufgeworfenen Rand, der an den Rand einer Schüssel erinnerte. Ein komplexes Netzwerk haarfeiner Risse verlief nach außen, erstreckte sich in alle Richtungen. Ein zerbrechlicher, vollkommener Kreis, aber gefährlich für einen Schwerttänzer, wenn er dumm genug war, ihn barfuß zu betreten. (Ich nicht. Ich hatte meine Sandale repariert.) »Aber jedes Fenster, das ich jemals gesehen habe ...« (was in der Tat nicht sehr viele waren: eins) »... hatte richtige Glasscheiben. Dickes Glas vielleicht, schwer hindurchzusehen ... aber nicht lauter kleine Stücke, die nicht größer als mein Daumen sind.«
»Du hast es letzte Nacht zerbrochen«, erklärte sie. »Du hast letzte Nacht eine Menge Dinge getan, wobei Glas zu zerbrechen noch zu den geringsten gehörte.«
Ich regte mich gereizt, noch immer steif von der Nacht zuvor. »Mit der Magie, die ich heraufbeschworen habe.«
»Mit etwas, Tiger – ich glaube nicht, daß es dein gutes Aussehen war.« Del lächelte süß.
Ich betrachtete sie verärgert. »Sind wir heute morgen nicht glücklich?«
»Glücklich?« Helle Brauen wurden gewölbt. »Ziemlich glücklich. Wieviel glücklicher sollten wir sein, wo wir doch gedungene Mörder auf unserer Spur wissen?«
Ich schaute Richtung Norden. »Da wir gerade davon sprechen, wir sollten wirklich weiterreiten.«
»Willst du kein Andenken mitnehmen?«
»An was? Nein. Warum sollte ich? Es ist nur Glas, Bascha!«
Del zuckte fast verteidigend die Achseln. »Bei Sonnenaufgang ist es sehr hübsch. All die Cremefarben und Rottöne und das Silber. Fast wie Tausende von Diamanten.«
Ich knurrte und wandte mich ab. »Komm schon, Delilah! Das hat im flammenden Tageslicht keinen Sinn.«
Sie schaute mir nach, während ich durch den Sand und die Erde zu dem wartenden Hengst schlurfte. »Du hast überhaupt keine Phantasie.«
Ich nahm die herabhängenden Zügel auf. »Als ich es das letzte Mal nachgeprüft habe, hattest du auch keine.«
»Ich!« Del folgte mir wütend.
»Hoolies, Frau, alles, woran du sechs ganze Jahre deines Lebens lang gedacht hast, war, dich an Ajani zu rächen. Diese Art Besessenheit erfordert keine Phantasie. Sie erfordert einen Mangel daran.« Ich stellte einen sandalenbekleideten Fuß in den Steigbügel und zog mich hoch. »Ich mache dir daraus keinen Vorwurf, weißt du – du hast getan, weswegen du ausgezogen warst. Der Sohn eines Ziegenbocks ist tot – aber jetzt gibt es uns.«
Del wartete darauf, daß ich den Steigbügel freigeben würde, damit sie ihn benutzen könnte. »Uns?«
»Viele andere Menschen ohne Phantasie sind hinter uns her. Glaubst du wirklich, wir hätten Zeit, kleine Glassplitter aufzusammeln?«
Del knirschte mit den Zähnen und stieg auf. »Ich dachte nur, du würdest vielleicht ein Andenken an die Magie haben wollen, mit der du es letzte Nacht zu tun hattest. Es tut mir leid, daß ich etwas gesagt habe.«
Ich stemmte mich in den rechten Steigbügel, um ihr Gewicht auszugleichen und den Sattel gerade zu halten. Ich wartete, bis sie saß, richtete Beine, Satteltaschen und Harnisch und wandte den Hengst dann südwärts. »Das ist das Problem bei Frauen. Sie sind zu sentimental.«
»Sie sind phantasievoll«, murmelte sie. »Und noch vieles mehr.«
»Darauf trinke ich.« Ich sortierte die Zügel und drängte den Hengst mit den Knien vorwärts. »Los, alter Junge ... wir haben noch ein gutes Stück vor uns.«
Das ›gute Stück‹ entpuppte sich als erheblich weiter als erwartet. Und es lag in einer anderen Richtung. Aber immer der Reihe nach.
Wie ... Fluchen.
Es war jetzt spät am Mittag. Nicht heiß, aber auch kaum kühl. Nicht einmal annähernd kalt. Es schwankte irgendwo dazwischen, aber je weiter wir nach Süden ritten, desto heißer würde es werden. Und die Erwartung würde es immer noch schlimmer erscheinen lassen.
Im Moment war es ausreichend warm. Unter Burnus und Untergewand stach der Schweiß in meine Haut. Er stach in die aufgekratzten Stellen der vom Staub wundgescheuerten Kratzer.
Del wischte sich mit dem Handrücken über eine feuchte Oberlippe. Der helle Zopf hing schlaff herab, fiel über eine Schulter. »Zu Hause war es kühler.«
Ich machte mir nicht die Mühe, auf eine solch alberne, wenn auch wahre Bemerkung einzugehen. Del weiß es im allgemeinen besser, aber ich denke, daß jedermann sich irren kann. Ich hätte darauf hinweisen können, daß ›zu Hause‹ für mich nicht zu Hause bedeutete, weil ich ja Südbewohner war. Andererseits bedeutete ›zu Hause‹ für sie auch nicht mehr zu Hause, da sie formell daraus verbannt worden war. Was sie genausogut wußte wie ich, aber sie dachte nicht darüber nach. Vielleicht weil es ihr heiß war und die Wahrheit noch nicht ganz in ihr Bewußtsein gedrungen war. Ich würde sie nicht daran erinnern. Statt dessen fluchte ich nur. Was wahrscheinlich auch nicht sinnvoller war als Dels unnötige Bemerkung, aber ich fühlte mich dadurch besser.
Kurzzeitig.
Aber nur ein wenig.
Ich stand neben dem Markierungszeichen: einem gemörtelten Stapel aus neun gesprenkelten, grau-grünen Steinen, die behauen worden waren, um richtig aufeinander zu passen. In den obersten Stein waren Pfeile eingemeißelt, die die Richtungen anzeigten, und das bekannte segnende (oder gesegnete) Zeichen für Wasser: eine grobe Tränenform, die oft vom Wind und Sand und der Zeit verwischt, aber nichtsdestoweniger ausdrucksvoll war. Steinhaufen wie diesen gab es im Süden häufig, um Wasserstellen anzuzeigen.
In diesem Fall trog das Markierungszeichen.
»Nun?« fragte Del.
Ich atmete geräuschvoll, erschöpft und staubig Widerwillen aus. »Die Punja war hier.«
Sie wartete einen Moment. »Und das bedeutet?«
»Das bedeutet, daß sie den Brunnen zugeschüttet hat. Siehst du, wie flach es hier ist? Wie verkrustet?« Ich schabte mit einer Sandale über eine festgebackene Fläche feinen, knochenfarbenen Sandes und löste eine Staubwolke aus, ohne etwas zum Vorschein zu bringen. »Es ist alles sehr hart, was bedeutet, daß der Samum schon vor längerer Zeit hier hindurchgekommen ist. Der Sand hatte Zeit genug zu verkrusten ... und das bedeutet, daß es keine Hoffnung gibt, tief genug graben zu können, um an Wasser zu kommen.« Ich hielt inne. »Selbst wenn wir die Mittel dazu hätten.«
»Aber ...« Del vollführte eine Geste. »Zehn Schritt in jene Richtung gibt es Erde und Gras und Bewuchs. Könnten wir nicht dort graben?«
»Es ist ein Brunnen, Bascha, kein unterirdischer Fluß. Ein Brunnen ist ein Loch im Boden.« Ich deutete mit einem steifen Finger abwärts. »Gerade hinunter, wie eine Schwertklinge ... Es gibt nichts anderes, Bascha. Hier ist keine Chance auf Wasser.«
»Warum ist dann überhaupt ein Brunnen da?«
»Tanzeers und Karawanenführer ließen sie für die Handelsrouten ausheben. Diese Brunnen sind überall verstreut, obwohl einige von ihnen bereits ausgetrocknet sind. Du mußt einfach wissen, wo sie sind.«
Sie nickte nachdenklich. »Aber ... wir sind noch nicht weit genug im Süden, um die Punja erreicht zu haben. Noch nicht.« Sie runzelte die Stirn. »Oder?«
»Normalerweise würde ich nein sagen. Die Punja sollte sich noch mehrere Tagesritte vor uns befinden, wenn wir diese Richtung beibehalten.« Ich richtete eine Hand geradeaus nach vorn. »Aber darum ist es die Punja. Sie geht, wohin sie will, und verwirft alle Regeln.« Ich zuckte ergeben die Schultern. »Landkarten sind hier meistens nicht viel wert, es sei denn, man kennt die Eigenheiten des Wetters. Die Grenzen ändern sich ständig.«
Del betrachtete nachdenklich die verkrustete Schicht festgebackenen Sandes voller glitzernder Punjakristalle. »Also reiten wir woandershin.«
Ich nickte. »Das werden wir müssen. Im Moment geht es uns gut ... wir können bis heute abend zurechtkommen, aber vor dem Morgen werden wir Wasser brauchen. Warte mal ...« Ich rief mir im Geist die Landkarte, die ich so viele Jahre lang bei mir getragen hatte, vor die Augen. Wenn man sich die Markierungszeichen nicht merkt, wenn man sich die Brunnen nicht merkt, wenn man sich die Oasen nicht merkt, könnte man genausogut tot sein.
Und selbst wenn man sie sich merkt, kann man vielleicht dennoch sterben.
»Also?« fragte sie schließlich.
Ich blinzelte ostwärts. »Dieser Weg ist der nächste. Wenn er noch dort ist. Manchmal weiß man es nicht... man zieht einfach weiter und riskiert es.«.
Del, die noch immer auf dem Pferd saß, wog die schlaffen Botas ab. Schwindendes Wasser schwappte. »Das meiste für den Hengst«, murmelte sie.
»Da er derjenige ist, der doppelt trägt.« Ich trat zu seinem Kopf. »Zeit, um zu Fuß zu gehen, Bascha. Wir werden dem alten Kerl ein wenig Ruhe gönnen.«
Der Sonnenuntergang erglühte gespenstisch orangefarben, schimmerte auf den in den Stirnriemen des Zaumzeugs des Pferdes eingearbeiteten Messingverzierungen. Spiegelte sich auf den einzelnen Metallteilen der Ausrüstung und den Waffen – noch ein gutes Stück entfernt, aber plötzlich zu nah.
»Oh-oh«, murmelte ich und parierte den Hengst durch.
Del, die zusammengesunken hinter mir gesessen hatte, richtete sich jetzt beunruhigt auf. »Was ist los?«
»Gesellschaft an der Oase.«
»Ist das unser Ziel? Eine Oase?« Sie beugte sich zur Seite und spähte um meinen Körper herum. Der Hengst spreizte die Beine, um das veränderte Gewichtsverhältnis auszugleichen. »Sicherlich glaubst du nicht, daß jedermann im Süden nach uns sucht!«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Ich schaute stirnrunzelnd über eine Schulter. »Setz dich gerade hin, oder steig ganz ab. Der arme alte Kerl ist müde.«
Del glitt hinab, löste die Beine aus einem Gewirr von Satteltaschenriemen und herabbaumelnden Botas, ganz zu schweigen von der übrigen Ausrüstung. »Er ist kein alter Kerl, er ist ein Pferd. Er wurde für solche Arbeit gezüchtet. Aber so, wie du immer mit ihm zu reden beliebst – und über ihn zu reden beliebst –, wie mit einem Menschen, fange ich an zu glauben, daß du tatsächlich sentimental bist.«
»Er wurde nicht dafür gezüchtet, zwei Riesen wie uns herumzuschleppen. Einer ist mehr als genug. An einen ist er gewöhnt.«
Ich spähte zu der Oase. Ein dünner Rauchfaden schwebte in der Luft, vom Sonnenuntergang verschluckt. Es konnte ein Herdfeuer sein. Es konnte etwas anderes sein. »Ich kann nicht gut genug sehen, um zu erkennen, wie viele Leute dort sind ... oder um zu erkennen, wer sie sind. Es könnte eine Karawane sein, oder ein Stamm ...«
»... oder Schwerttänzer, angeheuert, um uns zu töten?« Del zog ihren Harnisch zurecht, glättete Burnusfalten. »Und was meinst du mit ›Riesen wie wir‹? Für nördliche Verhältnisse bist du nicht so groß.«
Nein, im Norden war ich vergleichsweise nicht so groß gewesen. Ich war irgendwie Durchschnitt gewesen, was für mich eine ziemliche Veränderung bedeutet hatte und auch ein wenig ärgerlich gewesen war. Im Süden war ich ein Riese, da ich einen ganzen Kopf größer war als die meisten südlichen Männer, während ich über Frauen hoch aufragte. Ich hatte mich daran gewöhnt, mich bei niedrigen Eingängen zu ducken, und war geschickt darin, herabhängende Lattendächer zu umgehen. Ich hatte mich auch daran gewöhnt, den Vorteil im Kreis zu nutzen: Ich bin groß, aber gut proportioniert, mit ausgewogener Arm- und Beinlänge. Meine Reichweite ist größer als die der meisten, und das gilt auch für meinen Schritt. Ich bin groß, aber ich bin schnell. Kein schwerfälliger Koloß. Und viele Männer des Südens hatten das zu ihrem Entsetzen erfahren.
Dann war da natürlich Del. Ihre blonde, blauäugige Schönheit hob sie in einem Land voller dunkelhäutiger, schwarzhaariger Völker von jedermann sonst ab. Ihre geschmeidige, langgliedrige Anmut verbarg nichts von ihrer Macht oder der Kraft, die sie auch zugunsten der Sitten des Südens, die sie für verabscheuungswürdig hielt, nicht verstecken würde.
Ach, ja: Delilah. Die absolut keine Ahnung davon hatte, was sie bei einem Mann bewirken – oder einem Mann antun – konnte. Ich streifte sie mit einem Blick. Und wandte mich dann betont ab. »Wenn du meinst, Bascha.«
Was natürlich sofort die von mir erwartete Reaktion hervorrief. »Wenn ich meine? Wenn ich was meine? Was meinst du?«
»Wenn es dir gefällt, dich für eine zartes Weibchen zu halten ...« Ich verstummte.
»Was? Du würdest mich wegen dieses Gedankens nicht eines Besseren belehren?« Del schritt an dem Hengst vorbei und trat neben mich. Flach auf dem Boden stehend, in Sandalen, war sie fast so groß wie ich. Ich bin volle vier Zoll über sechs Fuß groß. »Ich will keine einfältige, verweichlichte Frau sein...«
Ich grinste und unterbrach sie. »Auch gut, Bascha. Du hast auch eigentlich nicht das Zeug dazu.«
»Und ich will es auch nicht haben.« Jetzt war Del an der Reihe, mich von Kopf bis Fuß zu betrachten. »Aber wenn wir über Nachgiebigkeit sprechen sollten...«
Ich ließ sie nicht ausreden. »Wir sind hier, um über Wasser zu sprechen und darüber, ob wir unser Leben in dem Versuch aufs Spiel setzen wollen, es zu bekommen.«
Sie schaute an mir vorbei zu der entfernten Oase, schützte ihre Augen durch wie Fächer geformte Handflächen. Wir konnten Rufe hören, konnten aber die Worte nicht verstehen. Es konnte eine Feier sein. Es konnte etwas anderes sein.
Del verzog den Mund. »Die Botas sind fast leer.«
»Was bedeutet, daß es das Risiko wert ist.«
»Alles ist das Risiko wert.« Eine Schulterbewegung überprüfte das Gewicht des bequem diagonal über ihren Rücken hängenden nordischen Jivatma. »Wir sind, was wir sind, Tiger. Eines Tages werden wir sterben. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß ich ein Schwert in Händen halten werde, wenn es soweit ist.«
»Wirklich?« Ich grinste. »Ich hatte immer irgendwie gehofft, ich würde mit einer heißen, kleinen südlichen Basca in den Armen im Bett sterben, mitten in eifriger körperlicher Arbeit...«
»Das würdest du«, murmelte sie.
»... oder vielleicht mit einer nordischen Bascha.«
Del lächelte nicht: Sie ist sehr gut darin. »Wir sollten Wasser holen.«