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FEIERABEND

Am Nachmittag des 7. Juli 1990, einem Samstag, kletterten die Temperaturen über die 37-Grad-Marke. Im Mittleren Tennessee ist der Juli ein Monat mit schwülheißen Tagen und feuchtwarmen Nächten; ein Monat, in dem saftig-grüne Wiesen ohne Bewässerung verdorren und sich erst im Frühjahr danach wieder erholen; ein Monat, in dem die Kirchgänger unter den Farmern noch leidenschaftlicher als sonst für ihre welkenden Feldfrüchte beten; ein Monat, in dem sich die Hunde in der Stadt nach drinnen ins Kühle und auf dem Land unters Haus verkriechen.

William und seine Farmkolonne hatten seit den frühen Morgenstunden Heu eingefahren. Es war beinahe Feierabend. Für ihn und die jüngeren Arbeiter, die sich keinerlei Gedanken ums Geld machten, war der Tageslohn der Eintritt zu einem zügellosen Abend mit Drinks und Billard in der örtlichen Kneipe. Verglichen mit anderen Stammgästen katapultierten zwei Zwanziger und ein Zehner diese Arbeiter in die oberste Einkommensliga. So eine Samstagabend-Rechnung leerte für gewöhnlich die Portemonnaies lange vor dem nächsten Zahltag – und manchmal auch schon vor Ende des Abends. Für William und seine Kumpel war ein solches Leben – von Woche zu Woche, von Zahltag zu Zahltag – trotzdem vertretbar. Man könnte es als das Erbe ihrer Väter bezeichnen.

Die Schwangerschaft machte Mary zu schaffen, weshalb sie diesen Samstagvormittag größtenteils im Bett verbrachte. Aber schließlich stand sie auf und schleppte sich in die Dusche. Sie würde pflichtbewusst mit dem Auto am Feldrand stehen und warten, bis William Feierabend hatte. Doch ihr größter Wunsch war, abends mit ihm auszugehen. Sie lief durch die Küche, in der mindestens ein Dutzend Limo- und Bierdosen verstreut auf der Ablage lagen, wie fast überall in ihrem verwahrlosten Mietshaus. Auf dem Weg nach draußen nahm sie die Kühlbox mit. Sie öffnete den Kofferraum und warf eine bunte Ansammlung aus leeren und zerknüllten Dosen heraus, um Platz für die Kühlbox zu schaffen. Mary lächelte. Sie wusste, dass ein kurzer Abstecher, bei dem sie Bier und Eiswürfel besorgte, das größte Geschenk sein würde, das sie William heute machen konnte.

Der ramponierte Hyundai hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber immerhin fuhr er. Nur vier Wochen zuvor hatte Mary Williams neueren Wagen bei einem Unfall zu Schrott gefahren und sich dabei blaue Flecke, kleinere Kratzer und eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen. Glücklicherweise war ihrem ungeborenen Kind nichts passiert. Sie erinnerte sich schwach, dass sie den Notarzt hatte sagen hören, ihr Kind sei vermutlich deshalb mit dem Leben davongekommen, weil sie nicht angeschnallt war. Seit dem Unfall hatte sie den Gurt nicht mehr angelegt.

Sie fuhr den staubigen Kiesweg entlang und bog nach links auf die asphaltierte Hauptstraße ab. Der Tacho zeigte mehr als hundert Sachen und sie fuhr gegen die Sonne. Die Klimaanlage funktionierte nicht, weshalb alle vier Fenster offen waren. Die Vorderreifen waren nahezu abgefahren und es war eine Unwucht zu spüren, durch die das Lenkrad etwas vibrierte. Aber Mary kümmerte das nicht. Sie freute sich einfach auf einen netten Abend in der Stadt.

Normalerweise war man eine halbe Stunde unterwegs, aber heute schaffte sie es in 20 Minuten. Sie parkte unter zwei großen Platanen, öffnete die Fahrertür und wartete. Ein leichter Wind blies durch die Bäume. Sie drehte Merle Haggard im Radio auf volle Lautstärke und plante innerlich den aufregenden Abend, der vor ihr lag. William kam hundemüde zum Auto. Seine Wrangler-Jeans und sein langärmliges Arbeitshemd waren dreckig und verschwitzt. Schließlich hatte er seit frühmorgens 30 Kilo schwere Heuballen hochgewuchtet. Er hatte zehn volle Stunden geackert, Anhänger für Anhänger mit den rechteckigen Heuquadern beladen und sie in einer stickig heißen, staubigen Scheune aufgestapelt. Nun Mary und ihren wachsenden Bauch zu sehen, bedeutete für ihn das reinste Glück. Die eiskalte Fuhre, die im Kofferraum auf ihn wartete, erzielte den erwünschten Effekt. Er war durch und durch zufrieden.

Sein Mittagessen hatte nur aus einer Scheibe Salami auf zwei Scheiben Weißbrot, zwei Fertigbiskuits und einer Limonade bestanden. Jetzt, fünf Stunden später, war er erschöpft, ausgedörrt und hungrig. Wie schon unzählige Male erprobt, stellte Bier einen annehmbaren Nahrungsersatz dar, der ihn sättigte – eine gekühlte Dose nach der nächsten.

Bald standen nur noch wenige ungeöffnete Bierdosen in der Kühlbox, aber weder William noch Mary machten sich Gedanken darum. Jedes Zischen und Schäumen linderte Williams Schmerzen und ließ ihn die Arbeit in der sengenden Hitze vergessen. Es war ein Leichtes für Mary, ihn zu überreden, auswärts essen und feiern zu gehen. Aber vorher musste er duschen und sich umziehen und sie machten sich auf den Heimweg. Mary kuschelte sich beim Fahren eng an ihn und legte ihre Hand auf seinen rechten Oberschenkel. Ihr Gurt blieb unangetastet.

Die Geschwindigkeitsbegrenzung lag auf dieser Strecke bei 80 km/h, aber da weder Verkehr noch Polizei in Sicht waren, drückte William auf die Tube, bis der Tacho 120 anzeigte. Abgelenkt von Marys Hand, von der Vorfreude auf den bevorstehenden Abend und durch seine vom Alkohol eingeschränkten Reflexe war er der kurvenreichen Straße vor ihnen nicht gewachsen.

Für immer beste Freunde

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