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Verstehen

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Nach dem Hören käme für die Zukunft unserer Kirche das Verstehen. Dafür haben wir, wenn wir vorher hingehört haben, gutes Werkzeug gelernt im Studium der Theologie. Beim Bibeltext nachfragen und bei den Menschen. Offen sein für alle Wege Gottes. Differenziert - sprich ethisch - auf die Menschen und ihre Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte zu achten, um nach zukunftsfähigen Lösungen miteinander suchen zu können.

Auch das Verstehen, haben wir leider nicht oder nur mangelhaft gelernt. Wir lernen zu argumentieren, UNS durchzusetzen, Macht auszubauen, Lösungen zu finden, die unsren Interessen nützen und vieles andere mehr. Dabei sind wir in der Regel rückwärtsgewandt durch Analysen und Lösungsmuster, die schon mal funktioniert haben, durch Traditionen und bewährte Wertesysteme, die vom Machterhalt unterstützt sind. All das wird angelernt durch Fehlerkorrektur. Noch immer funktioniert Lernen in unserem Kulturkreis durch Fehlerberichtigung. Fehler werden angestrichen, herausgehoben, markiert und erzeugen eine Liste von Fehlern im Gehirn, die über eine Strafen-Vermeidungsstrategie von uns eingesetzt werden um das vermeintlich richtige zu tun. Aber: nicht falsch muss noch nicht richtig sein.

Deshalb ist man in der Pädagogik heute weiter: Statt zu sagen, was hier falsch ist, ist es viel besser richtige Möglichkeiten aufzuzeigen. Das ergibt nämlich dann im Kopf eine Liste von

Möglichkeiten, die in die richtige Richtung weisen. Diese Art fördert also eine positiv-Liste an Möglichkeiten, erweitert also das Werte- und Handlungssystem, während Fehlerkorrektur einschränkt und die Möglichkeitsliste um nichts erweitert. Fehlerkorrekturmuster teilen ein in richtig und falsch und folgen so einer Moral, die die absolute Wahrheit sucht, die es aber nicht gibt. Das Verstehen sieht ethisch auf das, was in diesem Moment und dieser Situation wahrhaftig sein kann und ist deshalb auf dem Weg der Nächstenliebe.

Bei Verstehen geht es um die Wahrnehmung der Möglichkeitslisten im Beziehungsgeflecht zweier Menschen. Der fehlertrainierte Mensch reagiert auf ein Problem typischerweise mit dem Satz: „Im Prinzip gibt es nur zwei Möglichkeiten, was man hier machen kann ...“ Der Mensch, der verstehen will und hört sucht gemeinsam mit dem gegenüber nach allen Möglichkeiten von Lösungen. Das ergibt eine viel größere Offenheit, weil Wertesysteme damit erweiterbar bleiben, eigene Traditionen und Denkmuster durchbrochen und die Analyse um die Phantasie erweitert wird.

Ein großer Vorteil am echten Verstehen nach dem Hören ist die Zukunftsorientiertheit. Nicht die Frage warum etwas so ist, gilt als Leitmotiv, sondern die Frage wie wir beide (oder mehrere oder alle) in Zukunft miteinander oder mit einer Sachlage umgehen. Bei genauem Hinsehen nützt es dem Zusammenleben nämlich wenig eine Schuld gefunden zu haben. Das hält uns in der Vergangenheit fest. Vergebung zu leben heißt in die Zukunft zu schauen, Wege und Möglichkeiten aktiv zu suchen, wie das Zusammenleben möglichst aller Schöpfung so funktioniert, dass alle gut und in Gerechtigkeit und Frieden leben können. Denn Hören und Verstehen sind die Pflastersteine auf dem Weg des Friedens.

Versehen ist ein Geschäft, das Geduld braucht und Zeit. Schnell mal… geht hier nicht. Macht zu haben verhindert eher das Verstehen, es sei denn, Macht ist mit Gnade gepaart, aber das ist dann schon göttlich. Echtes Verstehen würde uns auch zurückführen zu Recht und Gerechtigkeit, weg vom Rechthaben wollen und Recht behalten, sondern Recht gewähren und Gerechtigkeit schaffen. Waffen aller Art sind in einer Kultur des Hörens und Verstehens nicht mehr nötig. Denn wer verstanden wird, der ist glücklich und zufrieden. So hat es der amerikanische Paarforscher John Gottman, der sich ein Leben lang damit beschäftigt hat herauszufinden, was Paare glücklich macht, herausgefunden. Glück empfindet ein Mensch, wenn er verstanden wird und andere versteht. Und dieses Verstehen geschieht durch entsprechend richtige Kommunikation, die mit dem rechten Hören und Verstehen anfängt. Wer dauernd nur twittert und postet schafft Streit, Aggression und Hass. Das ist gut abgesicherte, wissenschaftlich fundierte Erkenntnis zum heutigen Stand.

Nebenbei: Digitalisierung der Gesellschaft heißt im Klartext, dass eine Gesellschaft dargestellt wird durch Nullen und Einsen. Die Digitalisierer teilen das ein, wer zu den Nullen und wer zu den Einsen gehört. Wenn das nicht so sein soll, ist es nötig nicht mehr einfach nur von der Digitalisierung der Gesellschaft zu sprechen, sondern zu sagen, was man damit wirklich meint. Wenn wir als Gesellschaft das nicht wollen, wird es Zeit zur Emanzipation von und Mündigkeit gegenüber den Digitalisierern, wer immer da als solche identifiziert wird. Kirche auf jeden Fall, hat die Aufgabe die Diversität der Schöpfung zu schützen, zu stärken und zu erhalten. Und deshalb sind Hören und Verstehen Bausteine auf einem guten Weg in die Zukunft.

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