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Führt Gott in Versuchung Ein Beitrag zur Diskussion um das Vaterunser-Verständnis in unserer Zeit

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Joachim Pennig 2018

2018 ging eine Äußerung von Papst Franziskus durch die Presse, dass wohl der Satz im Vaterunser: "Und führe uns nicht in Versuchung…" so nicht korrekt sein kann, weil uns Gott doch mit Sicherheit nicht in Versuchung führt.

Auch wenn eine Änderung am Vaterunser-Text von den meisten Theologen laut und entschieden zurückgewiesen wurde, finde ich, dass auch dieser heilige Text nicht unantastbar sein darf, wenn er heute nicht mehr im Sinne Jesu verstanden werden kann.

Denn was haben wir denn davon, wenn die Menschen das Vaterunser nicht mehr beten, weil es ihnen doof vorkommt, was sie da sagen sollen, weil sie es nicht mehr verstehen, wie es in theologischen Aufsätzen mühevoll und feinsinnig so lange interpretiert wird, bis es irgendwelchen Dogmen nicht mehr widerspricht?

Hier plädiere ich für den Mut zum lebendigen Glauben. Nicht leichtfertig aber auch nicht mit Scheuklappen. Die Menschen werden es leichter verstehen als die Ängste der Theologiehüter und es wird ohnehin zwei Generationen dauern, wie so eine Veränderung bei den meisten angekommen ist. Also brauchen wir die Diskussion darüber, wie wir das in Zukunft sagen wollen, damit es die Wahrheit wiedergibt und nicht eine dogmatische Festlegung.

Meine Überlegungen zu diesem Thema sind wie folgt:

Jesus hat das aller Wahrscheinlichkeit nach auf Aramäisch-Hebräisch und nicht auf Griechisch gesprochen, also könnte eine Überlegung helfen, wie es da gelautet haben wird. Und das führt vielleicht aus dem philologisch-dogmatischen Dilemma heraus.

Natürlich hat Papst Franziskus recht, wenn er zu bedenken gibt, dass Gott niemanden in Versuchung führt und deshalb die Zeile aus dem Vaterunser bedacht werden will: Und führe uns nicht in Versuchung. Natürlich hat Jesus nicht gemeint und nicht gesagt, dass Gott uns in Versuchung führt, sondern eben gerade nicht. Auf Hebräisch, also wie Jesus es vielleicht gesagt hat, hieße die Zeile „Und führe uns nicht in Versuchung“ (rückübersetzt)

Aramäisch, dem Dialekt Jesu:


Das lässt sich übersetzen mit: Du wirst uns nicht in Versuchung führen, sondern uns vom Bösen erlösen. Und schon klingt das ganz anders und auch so, wie wir es selber verstehen, wenn wir nur eine magere Ahnung vom Gott der Bibel haben. Das ist es, was Gott vorhat und auf jeder Seite der Heiligen Schrift uns einmal mitteilen lässt.

Ich bete für mich im Gottesdienst jetzt länger schon:

"Du führst uns nicht in Versuchung,

sondern erlöst uns von dem Bösen."

Das fällt kaum auf im Konzert mit den anderen und der anschließende Verbinder "denn" klingt plötzlich logisch und stimmig: "Denn Dein ist das Reich und die Kraft …." Das braucht kein "in Versuchung führen". Die Erlösung führt nämlich in die Herrschaft Gottes. Das passt so wunderbar, dass es schon verwunderlich ist, dass da vorher noch kaum jemand hingedacht hat. Vielleicht aus falscher Ehrfurcht, vielleicht aus dogmatischer Angst, vielleicht …. ??? Ich bin auch überzeugt, dass die Einheit der Christen über dieser Frage nicht zerbrechen wird. Im Gegenteil: Bei den Menschen, die das nachsprechen gibt es einen Aha-Effekt. "Endlich verstehe ich …!"

Menschen werden in der Bibel, soweit ich das sehe wohl in Versuchung geführt, aber nicht von Gott, sondern von der Welt, vom sog. Teufel (dem Nicht-Gott), vom Reichtum usw. Auch Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt aber vom Teufel versucht! (Vgl. Mt 4 am Anfang und Parallelen)

Diese Argumentationslinie sehe ich auch bei Paulus, z.B. im 1. Korintherbrief: "Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr's ertragen könnt." (1. Kor 10,13)

Versuchung ist ein Begriff für das von Gott wegziehen. Der Wille Gottes ist aber ein zu-Gott-Hinziehen. Es macht also aus keiner Perspektive einen Sinn auf dem Hintergrund des biblischen Gottesbildes, von Gott in Versuchung geführt (aktiv) zu werden. Und das macht für mich klar, dass Jesus das so nicht formuliert hat, zu allermindest nicht so gemeint hat.

Das hebräische Wort für Versuchung, zum Beispiel in der Abrahamsgeschichte Gen 22, ist vielleicht aufschlussreich: Nasah = jemanden vor eine Wahl stellen. Es geht um den freien Willen des Menschen, der sich für oder gegen Gott entscheiden kann und dann jeweils die Konsequenzen zu tragen hat. Versteht man das so, dann würden die Zeilen aus dem Vaterunser bedeutet: Weil Gott uns die Erlösung zeigt, macht er uns die Wahl ganz einfach. Wir haben die Wahl aber Gott zeigt uns gleich, wohin die Entscheidung für Ihn uns führt: in die Erlösung in das Reich Gottes, hin zu Gottes Macht und Herrlichkeit. Gott führt uns nicht in die unbestimmte Wahl zwischen irgendwas, sondern zeigt uns gleich die Erlösung.

Ich glaub ich bleib bei meiner Version, weil sie sich gut und leicht ins Vaterunser einbringt und doch die wichtige Veränderung signalisiert:

"Du führst uns nicht in Versuchung,

sondern erlöst uns von dem Bösen."

Danke Gott, das brauch ich!

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