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Macht statt Theologie

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Dieser absolute Wahrheitsanspruch durchzieht die (Kirchen-)Geschichte wie ein roter Faden und die Einsicht, dass Wahrheit kaum absolut gefasst werden kann, ist eine der größten Kröten, die Kirchen zu schlucken hatten und noch immer daran herumkauen.

Dieses Muster der Wahrheitsmacht ist in der Apostelgeschichte gut erkennbar. Z.B. in der Pfingstpredigt des Petrus wird dieser Gegensatz als Stilmittel eingesetzt. Apg. 2,23f: „diesen Mann, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Den hat Gott auferweckt und hat aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, dass er vom Tode festgehalten werden konnte.“ Doch auch hier ist die eigentliche Macht die der Auferstehung, die für die eigene Macht mit(ss) gebraucht wird.

Interessant ist hier nämlich zweierlei: Einmal wird hier die opfertheologische Entmachtung der Menschenmacht beschrieben: „durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben … habt ihr durch die Hand der Heiden…“. Also: Die Tötung Jesu war Gottes Vorsehung (Opferansatz) und gar nicht Eure Macht, sondern zeigt Eure Machtlosigkeit. Und das wird dann noch gesteigert: „Den hat Gott auferweckt…“. Der entscheidende Hinweis auf das Erlösungshandeln ist jedoch der zweite Teil. Und, während der opfertheologische erste Teil mehr auf die Machtfrage zwischen den Menschen ausgerichtet ist, ist das Entscheidende aber ja wohl ganz unstrittig, das, was Gott tut im zweiten Teil. Und das ist die Auferweckung, nicht der Tod Jesus. Im Leben NACH DEM TOD liegt das Heilshandeln begründet. Es ist kein Heils-Tod, sondern eine heilsame Auferweckung, die hier verkündet wird. Keine Opfertheologie, sondern eine Gnadentheologie. Keine Todesfeier, sondern eine Lebensfeier.

In Apg 2,36 wird das noch einmal prägnant auf den Punkt gebracht: „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, DASS GOTT diesen Jesus, den IHR gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat.“ Die Erlösungsgestalt entsteht nicht durch den Tod, den Menschen eingefädelt haben, sondern dadurch, dass Gott selber Jesus zum Christus gemacht hat. Und dahinter steht die Auferstehung, die Göttlichkeit Jesu, die Leben schaffen kann, auferwecken, heilen, ins Leben der Gemeinschaft zurückholen kann. Und so geht es weiter: in Apg 3,15; in Apg 4,10; in Apg 5,30;

Daraus ist also zu erkennen, dass der opfertheologische Ansatz keine soteriologische sondern lediglich eine apotropäisch-apologetische Funktion hatte. Das rettende, das soteriologische Argument bezieht sich auf das Handeln Gottes in Auferstehung und Göttlichkeit Jesu.

Ein zweiter wichtiger Hinweis ergibt sich vielleicht daraus, dass die Zusammenschau von Tod und Erlösung erst in den späten Abendmahlsformeln in der Bibel auftaucht. Das fällt in eine Zeit in der es anfing, dass Christen wegen ihrer Abendmahlspraxis in verdächtiges Licht gerieten, dort Menschenopfer darzubringen, weil nur Halbwissen nach außen drang. Damit wurde die junge christliche Kirche für das römische Reich zur Sekte auf der Liste des Verbotenen.

Aus dem sicher jesuanischen Mk 10,45: „der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele“, richtiger: ‚für die Vielen‘, wird in Mk14,24 die Abendmahlsformel: “ Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird.“ Daraus entwickelt sich später erst die Heils-Formel ‚Für unsere Sünden‘, wie in 1 Kor 13, Röm 4,25 oder Gal 1,4.

Zunächst aber ist die Rede von „sein Leben gebe“. Das Lösegeld ist das Leben, das Jesus einsetzt um zu zeigen, wie es nach Gottes Willen ist. Das Vorbild im Leben, nicht das Vorbild im Sterben steht hier als leuchtendes Beispiel im Rampenlicht des Evangeliums und in der Mitte des Abendmahls. Alles andere ist ja auch quatsch, weil Gott ja nicht in erster Linie den Tod will, sondern vom ersten Blatt der Bibel an, das Leben der Menschen. Das schöpfungsgemäße gute Leben für alle.

Wir erkennen also als Opfertheologie einen Prozess, der von der ipsissima vox Jesu ausgehend eine Deutung in eine ganz bestimmte Richtung erfährt, und es ist sehr wohl anzunehmen, dass das mit der Lebenswirklichkeit der ersten Christengemeinden etwas zu tun hatte. Aber nicht unbedingt mit jesuanischer Lehre, sondern ebenso wahrscheinlich mit den Deutungen, die sich aus den unterschiedlichen Erfahrungen im Glauben und mit dem Glauben breit machten. Es ist auch unbestritten, dass es da anfänglich gar keine Einheitlichkeit gab, sondern lange darum gerungen wurde. Und bei diesem Ringen kamen natürlich auch andere als allein hehre theologische Überzeugungen zum Tragen. Man erinnere sich nur an die Methoden und Interessen, die bei der Credo-Bildung angewandt wurden bis zu Mord und Todschlag, um die eigene Überzeugung und Macht durchzudrücken. Feine Argumente und das nachhören auf das was Jesus wollte, gehörten sicher nicht bei allen Beteiligten zum bevorzugten Repertoire.

Betrachtet man heute die Flügelkämpfe in Kirchen-Synoden, Vatikanischen Gremien oder religiösen Gruppierungen, dann wird dies augenscheinlich, dass Machtfaktoren immer schon auch theologische Entscheidungen mitbestimmt haben und mitbestimmen.

Das ist ein wichtiger Grund, die Opfertheologie heute noch einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen und zu prüfen, wie sehr sie denn wirklich in der Verkündigung Jesus verankert ist. So findet sich „kaum ein Hinweis, dass Jesus seinem Tod die Bedeutung der Sündenvergebung gegeben hätte“. (F.de Goya, Christus am Kreuz - Christ on the Cross / Goya / 1810/12 - F. de Goya, Le Christ sur la croix)

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