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Opfertod und Kreuzigung sind neu zu denken
ОглавлениеDie Predigt am Karfreitag hat, ganz ohne Übertreibung, Jahr für Jahr den meisten Predigtschweiß von mir verlangt. Was sage ich am Karfreitag den Menschen? Den Menschen, die durch einen schuldlosen Unfall ein Kind, eine Mutter, eine ganze Familie verloren haben; den Menschen, die an Krebs erkrankt sind obwohl sie auch nicht schlechter und besser sind als alle Anderen; den Menschen, die vom Leben benachteiligt, mit mäßigen Begabungen ausgestattet, auf der Schattenseite des Lebens oft nicht mehr das Nötigste haben. Sage ich denen und vielen anderen allen: Eure Schuld hat Gott an das Kreuz gebracht? Was werden sie bei „Schuld“ wohl denken? Was wird denen dieser Satz zum Leben helfen? Zu welcher guten Haltung und Tat wird sie das motivieren? Wird es sie dazu führen drei Tage später Auferstehung zu feiern? Und die zentrale Frage: Ist es wirklich das, was Gott zu mir am Karfreitag sagt? Was in Evangelium und Predigtabschnitt rechtfertigt das?
Wenn Gott quer durch die Bibel ein Gott ist, der die Menschen liebt, weil sie seine Geschöpfe, seine Kinder sind und nichts unterlässt ihnen zu zeigen, wie sie gut leben können, und dann in der Taufe ihnen die Bindung an die Erbsünde abnimmt, warum sollte Gott dann seinen Tod uns zum Vorwurf machen wollen? Das passt nicht. Und das ist auch kein Evangelium.
Das ist eher so komisch, wie die Logik eines Confiteor am Anfang eines Gottesdienstes, das uns erst bei unserer Schuld festnagelt, um dann im nächsten Atemzug zu sagen: Ätschibätsch - Gott hat sich unser schon längst erbarmt… Alles schon in Butter, ich wollte Dir nur mal kräftig Angst machen. Es wundert mich nicht, dass viele Menschen das nicht mehr mit sich machen lassen, es wundert mich mehr, dass immer noch welche da sind, die das scheinbar klaglos hinnehmen. Und wenn wir ehrlich sind, ist in vielen Gottesdiensten vom fröhlichen Christsein auch nicht mehr viel zu spüren, bzw. es wird oft mit Clownerien und Firlefanz versucht - doch die Menschen merken Substanzlosigkeit schnell und bleiben dann erst recht weg. Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaut mal ehrlich hin, denn ich sage Euch keine Geheimnis: Ein menschlich und theologisch ehrlich durchdachter Gottesdienst zieht auch wieder Menschen an (siehe J. Pennig, Liturgie für die Seele, E-Book, neobook-Verlag 2018). Wenn es aber nicht stimmig ist, wenn es aufgesetzt und runtergespult daherkommt - weil‘s halt so ist - dann wird ein denkender und aufgeklärter Mensch, das Weite suchen.