Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 110
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Оглавление„Warum mag es doch ſo ſchwer ſeyn, uͤber „den Urſprung der Sprachen mit einiger „Gruͤndlichkeit zu philoſophiren? Jch weiß „wohl, daß ſich von geſchehenen Dingen, da„von wir keine urkundliche Nachrichten ha„ben, ſelten mehr als Muthmaßungen her„ausbringen laſſen. Allein warum will den „Weltweiſen auch keine Muthmaßung, keine „Hypotheſe gluͤcken? Wenn ſie uns nicht ſa„gen koͤnnen, wie die Sprachen wirklich ent„ſtanden, warum erklaͤren ſie uns nicht wenigſtens, wie ſie haben entſtehen koͤnnen? — „Sollte es nicht daher kommen, weil uns die „Sprachen ſo natuͤrlich geworden, daß wir „nicht ohne dieſelben denken koͤnnen? So „wenig die Augen in ihrem natuͤrlichen Zu„ſtande, das Werkzeug des Sehens, die Licht„ſtralen deutlich wahrnehmen: eben ſo we„nig mag vielleicht die Seele das Werkzeug „ihrer Gedanken, die Sprache, bis auf ihren Ur„ſprung unterſuchen koͤnnen — Dies mag uns „ſo lange zur Entſchuldigung dienen, bis ein „gluͤcklicheres Genie die Entſchuldigungen un„noͤthig macht5". —„
Jch bin nicht dies gluͤckliche Genie, ſondern ſezze, da ich von einer aͤhnlichen, nicht aber derſelben Aufgabe ſchreiben will, dieſe Entſchuldigungen zum Voraus, weil ich ihrer noͤthig habe.
Jm 13. Theil der Litt. Briefe6 kommen Bemerkungen vor, die ich gleichſam meinem Geiſt entwandt glaubte: ſie gefielen mir aber nicht ſo, daß ich nicht eine ſorgfaͤltigere Entwikkelung, Auseinanderſezzung und Anwendung fuͤr moͤglich gehalten haͤtte Mein Aufſazz, wo ich dieſe Materie weitlaͤuftiger behandelt hatte, war verlohren gegangen, und ich nehme alſo jene Worte zum Leitfaden, etwas uͤber die Lebensalter einer und beſonders unſerer Sprache zu ſagen. Hier iſt die Stelle:
„Das Genie einer Sprache iſt in ihrer Ju„gend nicht weiter beſtimmt, als durch die Bil„dung der Worte, ihre Abaͤnderungen und ih„re Reihen in einer gewiſſen Abhaͤngigkeit. „Zu dem erſten Stuͤcke laͤßt ſich vermittelſt „der Analogie, vieles dazu ſezzen: das an„dre Stuͤck bleibt wohl meiſt unwandelbar, „aber der verſchiedene Gebrauch kann noch „beſtimmt werden: und das dritte Stuͤck be„haͤlt zwar ſeine weſentlichen Zuͤge; aber die „feinern Zuͤge koͤnnen noch hinzu gethan und „veraͤndert werden, ohne daß das Geſicht zu „einem andern Geſicht wird, als es urſpruͤng„lich war. — Ohne Verſuche, die mit dieſer „Abſicht verknuͤpft ſind, kann keine rohe Spra„che vollkommen, kann kein Proſaiſte in der„ſelben vollkommen werden. Eine ausgear„beitete Sprache druͤckt ſchon die Namen der „Begriffe aus, erhaͤlt Nachdruck und Reuig„keit durch die mannichfaltige Anordnung der „Vorſtellungen; Deutlichkeit und Genauigkeit „durch die Verſchiedenheit ihrer Beugungen; „Kurze und Ernſt durch gut bezeichnete Ver„bindungen. Man gebe einem rohen Genie „eine ganz rohe Sprache: es wird nichts „vortrefliches hervorbringen koͤnnen, als das „Drama, und zwar dieſes nur in ſeinen be„ſten Theilen. Zum Ausdruck der Leiden„ſchaften, zu lebhaften Bildern ſind alle Spra„chen in den Haͤnden eines Geniesreich. Aber „der kaͤltere zierliche Vortrag; der ernſthafte „hiſtoriſche Styl; die gute Verſifikation in „der Dichtkunſt, dieſe erfordern eine ganz be„arbeitete Sprache. Daher erſcheinen auch „die beſten Schriftſteller von den lezten Ar„ten nicht vor dieſer Periode, und wenn ſie „in ihrer Landesſprache erſcheinen: ſo haben „ſie dieſelbe erſt nach dem Muſter einer an„dern gefeilet. Die Roͤmer und Shakeſpea„re und ſelbſt die griechiſche Litteratur, wenn „wir vor Homers Zeiten etwas gewiſſers als „Muthmaßungen von ihr wuͤſten; koͤnnen ſich „in dieſem Punkte fuͤr mich verbuͤrgen.„
Wie fern ich mit dem Verfaſſer einerlei Meinung bin, mag folgendes Fragment zeugen.