Читать книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Hebbel - Страница 114

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Unter ſo vielen Philoſophiſchen Sprachverbeſſerern nehme ich einen, deſſen Lob ich in den Litteraturbriefen gern unterzeichne: Sulzer, in ſeinem beliebten Jnbegriff der Wiſſenſchaften, 10 in dem vielleicht kein Artikel aͤrmer iſt, als der uͤber die Sprache. Er fordert zur Vollkommenheit einer Sprache

„1) einen hinlaͤnglichen Vorrath von Woͤrtern „und Redensarten, wodurch jeder Begriff „deutlich und beſtimmt ausgedruckt wird.„ Nun! und wenn die Sprache einen uͤberfluͤßigen Vorrath hat? So muß der Ueberfluß fort! — Vollkommen fuͤr den Philoſophen, aber ſchlecht fuͤr den Dichter, der von dieſem Ueberfluß leben muß, der nicht Begriffe deutlich und beſtimmt, ſondern Begriffe und Empfindungen ruͤhrend und reich ausdruͤcken will. Wenn dieſer neue Plato eine Republik errichtet, wo Synonyme, und uneigentliche Woͤrter verbannt werden: lebet wohl, ihr Dichter! ihr muͤßt von ſelbſt Abſchied nehmen.

„2) Eine gnugſame Anzahl deutlicher Len„kungen,„ und

„3) eine Biegſamkeit in der Zuſammenſez„zung vieler Woͤrter in einen Sazz, damit „ein ganzer Gedanke richtig, beſtimmt und „nach Beſchaffenheit der Sache leicht und nach„druͤcklich ausgedruckt werde.„ Hier ſteigt ſchon der Weltweiſe etwas herunter, weil er ſieht, daß ſeine Sprache von Menſchenkindern geredet werden ſoll. Wenn der Weiſe ſich ganz genau, ganz richtig und beſtimmt ausdrucken will: ſo braucht er keinen biegſamen, keinen leichten, keinen nachdruͤcklichen Perioden; die Richtigkeit iſt ſteif, die Gruͤndlichkeit veſt, und die Ueberzeugung ſtatt des Nachdrucks.

„4) Eine hinlaͤngliche Mannigfaltigkeit „langer und kurzer, hoher und tiefer, heller „und dunkler Sylben, und der daher entſte„henden Fuͤße, Perioden und Versarten.„ Eine vollkommene Sprache braucht dieſe gar nicht. Wenn wir blos als Geiſter einander Begriffe in die Seele reden: ſo fragen wir nicht nach hohen und tiefen Sylben: ſo wenig als in den Buͤchern, wo dieſe Philoſophiſche Sprache allein gelten kann, die helle und dunkle Sylben ins Auge fallen.

Auf die Art gehe man das ganze Stuͤck von der Sprache durch, und man findet in allen Vorſchlaͤgen den nehmlichen Fehler, daß er dem Schoͤnen der Sprache immer zu nahe tritt. Ja waͤren wir ganz Geiſt: ſo ſpraͤchen wir blos Begriffe, und Richtigkeit waͤre das einzige Augenmerk; aber in einer ſinnlichen Sprache muͤſſen uneigentliche Woͤrter, Synonymen, Jnverſionen, Jdiotismen ſeyn. Sein Plan, der Philoſophiſch ſeyn ſoll, iſt alſo ein Hermaphrodit: die Philoſophiſche Vollkommenheit erreicht er nicht, und der ſinnlichen Schoͤnheit thut er zu viel: als Plan, was eine vollkommene Sprache ſeyn ſollte, zu wenig; als Projekt, was irgend eine wirkliche Sprache ſeyn koͤnnte, viel zu viel: und was die beſte Sprache waͤre, vielleicht nicht getroffen.

Der Kunſtrichter in den Litteraturbriefen 11 ſtoͤßt auch auf dieſen Fehler. Sulzer ſagt: „Es waͤre nuͤtzlich, wenn man eine allgemeine Philoſophiſche Grammatik haͤtte, „welche Regeln gaͤbe, nach denen die Vollkom„menheit einer Sprache beurtheilt werden „muͤßte; mit dieſen Regeln koͤnnten die, durch „den Gebrauch eingefuͤhrten verglichen, und „daraus gebeſſert, und vermehrt werden.„ Und der Recenſent ſezt dazu: „Jch weiß nicht, „ob die ſchoͤuen Wiſſenſchaften von dieſer Ver„gleichung Vortheil haben wuͤrden. So wie „die Sprachen jetzt ſind, hat eine jede, ſo zu „ſagen, ihre Eigenſinnigkeit, die der ſchoͤne „Geiſt vortreflich zu nutzen weiß. Er zieht „aus dem Ueberfluͤßigen und Unregelmaͤßigen „ſeiner Sprache oͤfters Schoͤnheiten, die eine „richtige Philoſophiſche Sprache entbehren „muß. Nur ein einziges Exempel anzufuͤh„ren: die Philoſophiſche Grammatik wuͤrde „vermuthlich die Unterſcheidung der Geſchlech„ter bei lebloſen Dingen fuͤr uͤberfluͤßig er„klaͤren, und gleichwohl wuͤrden ſich die Fran„zoͤſiſchen und Deutſchen Dichter die Schoͤn„heiten ungern rauben laſſen, die ſie aus die„ſem unnoͤthigen Unterſcheide der Geſchlechter „gezogen haben. Einige Sprachen unter„ſcheiden die Geſchlechter auch in der Conjugation der Zeitwoͤrter, welches ihren Schrif„ten zu einer beſondern Zierde gereicht 12.„ Eine Anmerkung, die man oft in dieſem Fragment wird wiederholen muͤſſen.

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang

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