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Es bleibt uͤberhaupt wahr: „die Richtigkeit „einer Sprache entzieht ihrem Reichthum:„ 15 und wir duͤrfen, um dies in Augenſchein zu ſezzen, die aͤlteſte Sprache, die Hebraͤiſche, oder Arabiſche mit der Unſern in Abſicht auf den Reichthum vergleichen; er iſt ſo unterſchieden, wie die Haushaltung jener und unſerer Gegenden. Sie ſamleten Vieh und Knechte; wir ſamlen Gold und Hausgeraͤth: ſo iſt auch der Reichthum beider Sprachen.

Jhre iſt reich an Vieh:) Naturnamen ſind in ihr haͤufig: im kleinen Buch der Hebraͤer, das wir allein noch uͤbrig haben, ſind ſchon 250 Botaniſche Woͤrter: Namen, die unſre Sprache zwar kann ausdruͤcken, aber nicht auszudruͤcken weiß; 16 weil die καλοι καγαϑοι unſerer buͤrgerlichen Welt ſich auf nichts minder legen, als Hirtenkaͤnntniſſe einzuziehen: weil unſre Naturphiloſophen unter Buͤchern wohnen, und wieder zu Lateiniſchen Buͤchern hinkehren Unſre Schaͤferdichter und Saͤnger der Natur koͤnnen alſo die Blumen dieſer Kraͤuter nicht brechen: haͤtte man auch Deutſche Namen: ſo waͤren dieſe nicht bekannt gnug: ſie haͤtten nicht gnug Poetiſche Wuͤrde: denn unſre Gedichte werden nicht mehr fuͤr Hirten geſchrieben; ſondern fuͤr ſtaͤdtiſche Muſen; unſre Sprache iſt zur Buͤcherſprache eingeſchraͤnkt. — Hingegen hat es ſchon Leibniz bemerkt, daß unſre Sprache eine Weidund Bergwerksſprache iſt; ich glaube aber, zum Theil, geweſen iſt; weil viele dieſer Woͤrter theils veraltet ſind; theils vor Kunſtund Handwerkswoͤrter gelten, da unſre Lebensart nicht mehr Jagd und Bergwerke iſt.

Wir bemuͤhen uns alſo mehr um Hausgeraͤth:) Kunſtwoͤrter: buͤrgerliche Ausdruͤcke: Redensarten des Umganges ſind die haͤufigſten Scheidemuͤnzen im muͤndlichen und Buͤchercommerz: die Alten hingegen wechſelten mit Goldſtuͤcken: ſie ſprachen durch Bilder; wir hoͤchſtens mit Bildern, und die bildervolle Sprache unſrer ſchildernden Dichter verhaͤlt ſich zu den aͤlteſten Poeten, wie ein Exempel zur Allegorie, wie eine Allegorie zum Bilde in einem Zuge. Leſet den Homer, und denn leſet Klopſtock; jener malet, indem er ſpricht; er malet lebende Natur und Politiſche Welt: dieſer ſpricht um zu malen, er ſchildert; und um neu zu ſeyn: eine ganz andre Welt; die Welt der Seele und der Gedanken, da jener ſie hingegen in Koͤrper kleidet und ſpricht: Laß ſie ſelbſt reden!

Die Oekonomie der Morgenlaͤnder war reich an Knechten; ſo iſt es auch ihre Sprache.) Die Erfinder der Sprachen, ohne Zweifel nichts minder als Philoſophen, druckten natuͤrlicher Weiſe das durch ein neues Wort aus, was ſie noch nicht unter einen andern Begrif zu ordnen wußten. So entſtanden Synonyme, die dem Dichter eben ſo vortheilhaft waren, als ſie dem Grammatiſchen Philoſophen zum Aergerniß gereichen. Der Arabiſche Dichter, der zum Loͤwen 500 Woͤrter hat, die verſchiedene Zuſtaͤnde deſſelben bedeuten, z. E. junger, hungriger Loͤwe ꝛc. kann durch ein Wort malen, und durch dieſe mit einem Zuge entworfne Bilder vielſeitiger ſprechen, wenn er ſie gegen einander ſezzt; als wir, die dieſen Unterſcheid blos durch dazu geſezzte Beſtimmungen deutlich machen. Die Choͤre der Morgenlaͤnder koͤnnen ſich in ihren beiden Gegenſaͤzzen beinahe wiederholen; allein das Bild, oder die Sentenz bekommt durch eine Wendung, oder ein Wort Neuheit. Das Kolorit veraͤndert ſich, und dieſe Veraͤnderung gefaͤllt dem Ohr der Morgenlaͤnder; hingegen unſre Sprache, die an dieſen beinaheSynonymen gefeſſelt iſt, muß entweder die Wiederholungen ohne dieſen Nebenzug ausdruͤcken; und alsdenn ſind ſie fuͤr unſer Ohr verdrießliche Tavtologien; oder ſie druͤckt ſie gar ſchielend aus, und verirrt ſich, wie ſehr oft in der Deutſchen Bibeluͤberſezzung, von der Hauptidee des Gemaͤldes. Der Fehler liegt wirklich in der Verſchiedenheit unſrer Sprachen, und iſt ſchwer zu vermeiden.

Hieraus erklaͤrt ſich, glaube ich, die Bemerkung unſers Philologiſchen Sehers in den Orientaliſchen Sprachen: 17 „daß dieſe Tav„tologien, die dem Ohr der Morgenlaͤnder ge„fielen, unſerm unleidbar ſind„ jenen waren ſie nicht Tavtologien, denn Tavtologien ſind immer eckelhaft, und koͤnnen wenigſtens nie vergnuͤgen; ſondern wenn ein Chor das andere erklaͤrte, beſtimmte, oder das vorgetragne Gemaͤlde mit Nebenzuͤgen neu machte: ſo befriedigte dies Aug und Ohr. Jch glaube, Michaelis wird finden, daß es in der Grundſprache ſelten voͤllige Wiederholungen ſind; nur freilich in der Deutſchen Ueberſezzung, und am meiſten in den Crameriſchen Pſalmen, da ſind es perpetuae tavtologiae, Europae inuiſae, aures laedentes, prudentioribus ſtomachaturis, dormitaturis reliquis.

Cramer ſcheint ſich in ſeinen Predigten ſowohl, als in den ſogenannten Oden; in Cantaten und in der fließenden Proſe ſo ſehr an dieſe Wiederholungen und Umſchreibungen gewoͤhnt zu haben, daß er vergißt, ob das Deutſche Ohr, das Kuͤrze fodert, und der Deutſche Verſtand, der Nachdruck liebet, damit zufrieden iſt. Seine ungemein gluͤckliche Leichtigkeit in der Verſifikation verfuͤhrt ihn ſo ſehr, daß er vergißt, ob ſeine Wiederholungen auch der Deutſchen Sprache angemeſſen ſeyn. Seine Oden — und ſie waren vor Klopſtock und Ramler das Muſter der Deutſchen Oden — ſind ja oft ein Geklingel von Reimen, und ich zweifle, ob ein David und Aſſaph, zu unſerer Zeit, in unſrer Sprache Cramerſche Pſalmen geſchrieben haͤtte? „Er hat ſie ja aber uͤberſezzen, nicht „umbilden wollen?„ Gut! ſo uͤberſezze er ſie als Orientaliſche Pſalmen, mit allem ihrem Licht und Schatten; nur umſchreiben muß er nichts; alsdenn iſts weit natuͤrlicher fuͤr unſer Genie und Sprache, ſie zuſammen zu ziehen. Jch urtheile frei, weil ich glaube ſo urtheilen zu koͤnnen und doͤrfen: Haͤtte Michaelis Cramers Verſifikation, oder Cramer Michaelis Geſchmack des Orients: ſo wuͤrden wir erſt die Morgenlaͤndiſchen Gedichte nach dem Genie unſrer Sprache, als einen Deutſchen Schatz bewahren koͤnnen; jetzt fehlt beiden was.

Aber meine Anmerkung verirret ſich zu weit davon ab: daß die Grammatik und das Vernuͤnfteln uͤber die Sprache, den Reichthum geſchwaͤchet hat. Der haushalteriſche Philoſoph fragte: warum ſind ſo viel unnuͤtze Knechte? ſie ſtehen ſich im Wege! und er hat ſie abgeſchaft; den uͤbrigen aber ihr genaues Geſchaͤfte angewieſen, um nicht muͤßig zu ſeyn. Jch will ohne Bilder reden! Da man die Begriffe mehr unter einander ordnen lernte: ſo druckte man das mit einer Beſtimmung (adiectiuum, participium, aduerbium) aus, wozu man erſt ein neues Wort ſezzte. — Noch blieben aber Synonymen! Aber der Philoſoph ſuchte ſeine Unterſchiede in ſie zu legen, und ſie alſo als neue, guͤltige Woͤrter zu gebrauchen. Zum Beweiſe fuͤhre ich im Deutſchen Wolf und Baumgarten an. Durch die Deutſchen Schriften des erſten ſind die Woͤrter, die unter dem Gebiet der Philoſophie ſtehen, ſehr an Synonymen vermindert, da er ſie genau zu beſtimmen geſucht. Und noch mehr Baumgarten: geht ſeine Metaphyſik durch, und bemerkt, die unten angezogne Deutſche Woͤrter: die Philoſophie gibt den meiſten muͤßigen Synonymen Arbeit und beſtimmte Poſten. Das iſt nun aber die Sprache der Philoſophie: laſſet Sulzern, der noch lebende Baumgarten, die Woͤrter: angenehm, ſchoͤn, lieblich, reizend, gefaͤllig, in ſeiner Aeſthetik beſtimmen; die Welt wird ihm vielen Dank wiſſen: laſſet andere auf der Bahn des Baumgartens fortgehen, und einen Kant in ſeinen Beobachtungen uͤber das Schoͤne und Erhabene, ſeine Unterſchiede zwiſchen beinahegleichen Woͤrtern bemerken: ſie arbeiten fuͤr die Deutſche Philoſophie und Philoſophiſche Sprache; aber nicht fuͤr die Sprachkunſt, uͤberhaupt. Alle kannſt du nicht beſtimmen, Philologiſcher Weltweiſe! Die wirſt du vermuthlich auswerfen wollen? Aber wirft ſie auch die Sprache des Umganges aus? Nein! ſo weit reicht noch nicht dein Gebiet, und noch minder ins Land der Dichter — Der Dichter muß raſend werden, wenn du ihm die Synonyme raubſt; er lebt vom Ueberfluß. — Und wenn du ſie beſtimmeſt? Geſezt, aber du kannſt es nicht: ſo faͤllt ſchoͤne Proſe und ſchoͤne Poeſie ganz weg; alles wird ein Roſenkranz abgezaͤhlter Kunſtwoͤrter. Jmmer ein Gluͤck fuͤr den Dichter, und ein Ungluͤck fuͤr den Weltweiſen, daß die erſten Erfinder der Sprache nicht Philoſophen und die erſten Ausbilder meiſtens Dichter geweſen ſind.

Unſere Sprache hat alſo die Synonyme eingeſchraͤnkt und bemuͤhet ſich ſtatt Knechte, Gold und Muͤnzen zu ſammlen. Man erlaube mir die Woͤrter abſtrakter Jdeen damit zu vergleichen. Beide werden willkuͤhrlich gepraͤgt, und durch einen willkuͤhrlich feſtgeſezzten Werth gaͤng und gaͤbe; die ſolideſten unter beiden werden als Schaͤzze aufbewahrt; das kleinere wird Scheidemuͤnze. Auch auf dieſer Seite verliert unſre Poeſie, in der der eingebildete Werth ſchwindet, und blos der natuͤrliche gilt; wo die abſtrakten Woͤrter alſo blos gelten, nach dem Maas man ſie ſinnlich darſtellen kann. — Durch unſre Philoſophen kann die Dichtkunſt alſo nichts gewinnen, und hat nichts gewonnen; ſo wenig als die Alten unſre Buͤcher-und Cathederſprache in allen ihren Nuancen uͤberſezzen koͤnnten: ſo wenig koͤnnen wir den Alten nachſprechen.

Und was folgt nun aus allem dieſem? Vielleicht viel — aber hier mag eins genug ſeyn! — Es iſt immer ein Girard im Deutſchen zu wuͤnſchen; recht ſehr zu wuͤnſchen — aber ein Geſezgeber muß er nicht durchaus werden. Jn einer nicht JdealPhiloſophiſchen Sprache alle Synonymen abſchaffen zu wollen, gebuͤhret einem zweiten Claudius und Chilperich, die neue Buchſtaben einfuͤhren wollten, und Grammatiker zu A B C Maͤrtirern machten.

Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang

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