Читать книгу ÜBER BOCK UND STEIN NACH SANTIAGO - Johannes Borer - Страница 11
Die königliche Familie in Zubiri
ОглавлениеNach einer ruhigen Nacht im Kloster regnete es morgens in Strömen. Meinen Vier-Euro-Regenponcho hatte ich schon beim Anziehen zerrissen. Er hing in Fetzen an meinem Körper.
»Kann ich meinem angeschlagenen Fuß den für heute geplanten Zweiundzwanzigkilometermarsch zumuten oder nehme ich besser den Bus bis Pamplona?«, überlegte ich. »Was mache ich dann in Pamplona bei diesem Regen? Soll ich vielleicht doch versuchen, bis Zubiri zu laufen? Hält der Fuß oder muss ich die Wanderung abbrechen und mit dem Taxi nach Pamplona und von dort nach Hause fahren?« Langes Überlegen brachte mich auch nicht weiter, also lief ich einfach los.
Beim Wandern durch diese große Pyrenäenbadewanne waren meine Beine schon nach kurzer Zeit durchnässt und auch meine Schuhe wurden immer feuchter. In einer Bar in Aurizberri/Espinal war es nach zwei Stunden Regenwanderung Zeit für eine Pause mit Kaffee und einem großen Bocadillo (Schinken- oder Käsebrot).
Nach zwanzig Minuten war meine Trekkinghose schon wieder trocken. Super! Auch die Regenjacke hielt dicht. Ich freute mich über meine gute Ausrüstung und lief weiter durch die Regenlandschaft. Nach einem steilen Abstieg durch ein steiniges Bachbett erreichte ich am Nachmittag endlich Zubiri. Mein Problemfuß hatte den Härtetest bestanden.
In der Gemeindeherberge fand ich für acht Euro ein freies Bett. Alles war nass. Auch die Sachen im Rucksack und natürlich meine Wanderschuhe. Wie trocknet man Schuhe ohne Sonne, ohne Heizung und ohne Föhn? Ich sah, dass einige Koreanerinnen ihre Laufschuhe mit Zeitungen ausstopften. Also erbettelte ich bei der Herbergsleitung auch eine alte Zeitung.
Egal, in welchem Land ich mich befinde und ob ich die Sprache beherrsche oder nicht, ich muss alle Zeitungen durchblättern und nach Bildern oder Karikaturen absuchen. Ich kann nicht anders! So auch hier in Zubiri. Schon auf der zweiten Seite fand ich ein großes Foto der königlichen Familie. Diese Seite knüllte ich zusammen und stopfte sie in die Spitze meines linken Schuhs. Warum sollte mir die spanische Königsfamilie nicht helfen, meine nassen Schuhe zu trocknen? Schließlich war es spanischer Regen. War das zu viel verlangt? Oder war das am Ende womöglich Majestätsbeleidigung?
Was soll’s! Außer mir und dieser adeligen Familie wusste es ja niemand.