Читать книгу ÜBER BOCK UND STEIN NACH SANTIAGO - Johannes Borer - Страница 18
In Nájera lag nicht nur das Geld auf der Straße
ОглавлениеOhne Frühstück nahm ich Punkt sieben Uhr die geplante Fünfundzwanzig-Kilometer-Etappe nach Azofra unter die Füße. Wie jeden Morgen schmerzte mich auf den ersten Kilometern mein linker Fuß. Die Sehnenscheidenentzündung war leider noch nicht ganz verheilt. Wenn hin und wieder ein stechender Schmerz durch den Fuß raste, stöhnte oder schrie ich ein »Oh Madonna!« in die stille Natur. Trotzdem war ich zufrieden, denn ich hätte nie gedacht, dass ich mit diesem Fuß und meinem spinnigen Knie so weit kommen würde. Ich hatte mich schon zu Hause darauf eingestellt, gelegentlich den Bus nehmen zu müssen. Da ich gelesen hatte, dass Buspilger bei echten Pilgern nicht sehr beliebt sind, hatte ich mir quasi als Entschuldigung diesen Problemfuß-Ausweis mit Medikamentenrezept gebastelt.
Ich kam gut voran und leistete mir für ein ordentliches Frühstück sogar einen kleinen Umweg nach Ventosa. Magen und Füßen ging es danach viel besser und ich lief guten Mutes weiter durch die Weinberge.
»Hallo, Johannes!«, rief plötzlich eine weibliche Stimme von einer kleinen Anhöhe aus. Dort oben standen Uschi und Joachim, die ich am Bahnhof von Bayonne kennengelernt hatte. Er würde in einem Monat siebzig Jahre alt werden und die beiden wollten den runden Geburtstag in Santiago feiern. Aus diesem Grund trieb die etwa fünfzehn Jahre jüngere Uschi ihren Ehemann immer wieder an, damit sie bis zum sechsten Juni auch wirklich dort ankämen.
»Ich bin müde und mag nicht mehr, aber meine junge Frau will immer, dass ich noch einige Kilometer weiterlaufe«, hatte sich der leidende Joachim auf dem steinigen Abstieg vom »Alto del Perdón« bei mir beklagt.
Immerhin gönnte sie ihm jede Stunde eine Pause. Wir liefen zusammen Richtung Nájera. Beim Ortsschild ging ein heftiges Gewitter nieder. Ich hetzte durch den Regen und sah am Straßenrand eine Zweieuromünze glänzen. Freudig hob ich sie auf und betrachtete sie als Spende für einen Willkommensdrink. Plötzlich sah ich, wie Joachim vor mir ausrutschte und über den Gehsteig auf die Straße stürzte. Geschockt rannte ich ihm zu Hilfe. Glücklicherweise hatte er den Sturz heil überstanden und alles funktionierte noch. Mir wurde wieder bewusst, wie schnell der Jakobsweg zu Ende sein kann.
Ich setzte mich alleine in eine Bar und bezahlte das Bier mit der gefundenen Münze. In der Zwischenzeit hatte es aufgehört zu regnen. In der Altstadt besuchte ich einen mittelalterlichen Markt und lief dann weiter bis Azofra.
In der Gemeindeherberge bekam ich für nur sieben Euro ein komfortables Zweibettzimmer. Ich teilte den kleinen Raum mit Antonio, einem jungen und sympathischen Italiener, der in Straßburg lebte. Wir versicherten uns gegenseitig, dass wir nicht schnarchten und so lag eine ruhige Nacht vor uns.
Im Garten hing die Wäsche vieler Pilger in allen Farben an den zahlreichen Leinen. Meine Merino-Unterwäsche fängt zwar erst nach zehn Tagen an zu riechen, aber es war trotzdem wieder mal Zeit für eine größere Wäsche. So hingen schon bald auch meine Sachen an der Sonne.
Später traf ich Uschi und Joachim in der nahen Albergue beim Pilgermenü. Der Tintenfisch, auf den ich mich gefreut hatte, war leider alle, aber der Fisch war ebenfalls ganz gut. Auch Joachim hatte es geschmeckt und er war vor allem froh, dass er den brutalen Sturz auf die nasse Straße schadlos überstanden hatte. Etwas später setzte sich Klara zu uns und wir verbrachten einen fröhlichen Abend.