Читать книгу ÜBER BOCK UND STEIN NACH SANTIAGO - Johannes Borer - Страница 17
Seitensprünge nach Logroño
ОглавлениеNach einem einfachen Frühstück in der Herberge lief ich durch die Weinberge Richtung Hauptstadt des Rioja. Der Himmel war schwarz, aber immerhin regnete es noch nicht. Vor Logroño hatte ich das Haus von Maria verpasst, der Tochter der legendären Doña Felisa. Leider saß sie nicht mit einem Megaphon vor dem Haus, um ihren speziellen Pilgerstempel anzubieten. Ich vermutete, dass sie an der heutigen Ersten-Mai-Feier in Logroño teilnahm und dort für höhere Stempelgebühren demonstrierte – oder vielleicht hatten mich einfach die großen Kettenhunde in diesem Quartier abgelenkt. Kerkeling ist der Meinung, wer sich hier keinen Stempel hole, sei nicht gepilgert. Was soll’s, dann bin ich eben nur gewandert.
Nach einem kurzen Kaffeestopp lief ich weiter durch Logroño. Falls es eine Erste-Mai-Demonstration gab, fand sie entweder in einer anderen Straße oder erst am Nachmittag statt. Auf dem asphaltierten Spazierweg außerhalb von Logroño wimmelte es von spanischen Spaziergängern, Joggern und Bikern. Sie nutzten den freien Tag für sportliche Aktivitäten. Viele Spanier wünschten mir einen »Buen camino«. Bei rücksichtslosen Bikern musste ich aufpassen, dass ich nicht überfahren wurde, und oft half nur noch ein Seitensprung nach rechts oder links. Schließlich wurde mir das Seitenspringen zu mühsam und ich lief neben dem Weg weiter. Kurz vor dem Naherholungsgebiet La Grajera fing es heftig an zu regnen. Ich rettete mich ins Restaurant beim Stausee und bestellte ein kleines Fläschchen Rioja.
Bald war der Regen vorbei und die Sonne drückte durch die Wolken. Beschwingt und leicht angeheitert lief ich weiter durch die Rioja Weinberge bis nach Navarrete.
Nach zweiundzwanzig Kilometern hatte ich mein Tagespensum erreicht und stoppte in der ersten Herberge des Dorfes. In der »La Casa del Peregrino« bekam ich ohne Probleme ein Bett für acht Euro. Leider installierte sich kurz darauf die Nervensäge aus Luxemburg direkt im Stockbett über mir. Der fünfunddreißigjährige Single nutzte die Ferien, um auf dem Jakobsweg seine langweiligen und konservativen Ansichten unter die Leute zu bringen. Pilger sind tolerant und können nicht immer davonlaufen. Er war nicht unsympathisch, aber er redete und redete und ich hörte oft gar nicht zu, weil mich sein Geschwätz nicht interessierte. Als engagierter Anhänger der Pius-Bruderschaft waren ihm die meisten Pilger zu wenig religiös und er hoffte wohl, dass ich durch ihn zum wahren Glauben finden würde. Ich hatte damals bald genug und floh ins Zentrum von Navarrete.
In einer Bar zeigte ich mit dem Finger auf die Menükarte und bekam ein Riesensandwich mit Tinten- und Thunfisch. Die Sonne schien und viele Pilger saßen draußen hinter einem Bier oder Glas Wein. Ständig kannte ich wieder jemanden und wurde an einen Tisch gerufen. So kam ein Glas zum anderen und nach dem Besuch der Kirche mit dem prunkvollen Barockaltar lief ich zurück in die Herberge.
Ich war sehr müde und schlief bald ein. Allerdings nur, um kurze Zeit später wieder aufzuwachen. Der Luxemburger über mir hatte einen sehr unruhigen Schlaf. Er wälzte sich die ganze Nacht hin und her und gab manchmal unverständliche Worte von sich. Bei jedem Wälzer zitterte und schepperte das Eisenstockbett wie bei einem Erdbeben. Leider wurde es eine ziemlich schlaflose Nacht.