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Müder Start in Saint-Jean-Pied-de-Port

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Morgens um neun Uhr hielt der Bus (wegen eines Bergsturzes fuhr kein Zug) im Pyrenäenstädtchen mit dem kuriosen französischen Namen: Heiliger Johannes mit dem Hafen am Fuß.

Auf der fast anderthalbstündigen Fahrt von Bayonne nach Saint-Jean-Pied-de-Port war ich ständig eingenickt und hatte von einem ruhigen Hotel irgendwo in den Bergen geträumt. Diese menschliche Schwäche hatte ich mir zugestanden, denn schließlich hatte ich bereits eine 16-stündige Busreise von Sion nach Bayonne hinter mir. Trotzdem führten mich die ersten Schritte direkt ins Pilgerbüro. Dort wurde ich vom holländischen Helfer Wim beraten, bekam meinen ersten Pilgerstempel und kaufte eine Jakobsmuschel. Ich beobachtete dabei ein deutsches Ehepaar, das sich überhaupt nicht einig war, wie es weitergehen sollte. In diesem Ort muss man sich nämlich erstmals entscheiden, welchen Weg nach Roncesvalles man nehmen will. Die anspruchsvollere »Route Napoléon« oder die etwas kürzere Originalroute mit deutlich weniger Höhenmetern, entlang der Passstraße.

Für mich, der ich mit einer Sehnenscheidenentzündung am rechten Fuß gestartet war und deswegen immer noch Pillen schluckte, war die Sache klar. Ich leide auch auf der einfachen Route genug und möchte mir in Santiago nicht auch noch das Märtyrerzertifikat abholen, sagte ich mir.

In einer Brasserie bestellte ich ein großes französisches Frühstück und machte mich für die ersten Pilgerkilometer bereit. An einem Nebentisch entdeckte ich das Paar (vielleicht war es gar kein Ehepaar). Sie waren sich immer noch nicht einig, welche Route sie nehmen sollten und stritten sich lautstark. Ihre Pilgerreise fing ja schon gut an! Er fühlte sich fit und schwärmte von der schönen Aussicht auf der »Route Napoléon« und sie war einfach nur müde und gereizt und wollte entlang der Passstraße nach Valcarlos.

Als ich später an diese Weggabelung kam, fragte ich mich, ob ich warten sollte, um zu sehen, für welche Variante sie sich schlussendlich entschieden hatten. Ich war zwar neugierig, aber viel zu müde und deshalb lief ich weiter. Wie würde es mit dem Paar wohl weitergehen? Die einfachste Lösung wäre gewesen, mal für einen oder zwei Tage getrennte Wege zu gehen. Vielleicht haben sie sich auch so verkracht, dass sie sich für einen konfliktärmeren Badeurlaub entschieden haben. Oder sie sind zu der Erkenntnis gekommen, dass es besser wäre, den ganzen Weg bis Santiago getrennt zu laufen. Im nächsten Jahr. Jedenfalls habe ich das Paar nie wieder gesehen.


Auf dem Weg Richtung Venta kläfften mich die ersten harmlosen Hunde an. Ein ganz kleiner knurrte zwar gefährlich, verzog sich aber hinter eine Scheune, als ich ihm meine Trekkingstöcke zeigte. In Arnéguy gönnte ich mir das erste und letzte Bier auf französischem Boden. Auf dem Weg nach Valcarlos begleitete mich dann während etwa zwei Kilometern ein großer brauner Hund. Manchmal lief er knapp vor mir und bremste mich ab oder er schnupperte an meinen Waden, was ich gar nicht mochte. Ich beschloss mit ihm zu reden. »Wie sind deine Erfahrungen mit Pilgern?«, fragte ich. Leider konnte oder wollte er mir nicht antworten – aber immerhin hat er mich nicht gebissen.


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