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(2) Sonderfall: Grundlagenbescheid als Steuervorteil

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Der BGH erachtet die Feststellung von steuergünstigen Tatsachen in Grundlagenbescheiden (§ 171 Abs. 10 S. 1) wegen der Bindungswirkung gem. § 182 Abs. 1 S. 1 für Folgebescheide seit einer dazu am 8.12.2008 ergangenen Grundsatzentscheidung[450] als ausreichend für die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils i.S.d. § 370 Abs. 1.[451] Die Entscheidung betraf die einheitliche und gesonderte Feststellung nach §§ 180 ff. AO. Im Anschluss daran hat der BGH die Rechtsprechungsänderung auch für Verlustfeststellungsbescheide (gem. § 10a GewStG oder § 10d Abs. 4 EStG) bestätigt.[452] Demgegenüber hatte die Rspr. zuvor in der Erlangung eines unzutreffenden Grundlagenbescheides noch keinen Taterfolg gesehen,[453] sondern auf die Steuerverkürzung im Folgebescheid abgestellt.[454]

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Nach der vom BGH in der genannten Grundsatzentscheidung vertretenen Auffassung ist bereits mit dem Wirksamwerden eines Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a ein ungerechtfertigter Steuervorteil erlangt.[455] Zwar bewirke ein unrichtiger Feststellungsbescheid als bloßer Grundlagenbescheid noch keine Steuerverkürzung, da in ihm lediglich die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, während die Festsetzung der Steuern dem Folgebescheid vorbehalten bleibt. Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheides für den Folgebescheid begründe aber eine hinreichend konkrete Gefährdung des Steueranspruchs, die für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils genüge.[456] Dementsprechend stellt es nach der Rspr. des BGH ebenfalls einen Steuervorteil dar, wenn der Täter durch unrichtige Angaben erreicht, dass ein zu hoher vortragsfähiger Verlust festgestellt wird.[457] Bereits damit werde eine Besserstellung des Steuerpflichtigen bewirkt, nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs.

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Den Umstand, dass sich erst anhand des Folgebescheides die steuerlichen Auswirkungen feststellen lassen, hält der BGH im Hinblick auf die Strafzumessung für unproblematisch. Es genüge, dass sich „die Dimension der Gefährdung“ bereits aus dem Grundlagenbescheid erkennen lasse.[458] Auch im Hinblick auf die Anwendung des Regelbeispiels aus § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 (Hinterziehung großen Ausmaßes) bedürfe es der Bezifferung der Auswirkungen des Steuervorteils nicht. Die Bestimmung einer Wertgrenze für Steuervorteile der hier fraglichen Art sei bislang durch die Rspr. nicht erfolgt, komme aber grundsätzlich in Betracht.[459] Nachdem der BGH jede Differenzierung für die Bestimmung des großen Ausmaßes aufgegeben hat und nun einheitlich einen Betrag von 50 000 EUR ansetzt,[460] ist davon auszugehen, dass er diesen Betrag auch für Feststellungsbescheide heranziehen wird, wobei fraglich bleibt, wie dieser berechnet werden soll.

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Diese Rspr. ist in der Literatur umstritten[461] und nach der hier vertretenen Auffassung abzulehnen. Mit der gesonderten Feststellung erfolgt noch keine Festsetzung der Steuer, sondern lediglich die Feststellung der Grundlagen der erst im Folgebescheid erfolgenden Besteuerung.[462] Sie ist damit innerhalb des Festsetzungsverfahrens eine Vorstufe zur Steuerfestsetzung.[463] Erst durch Übernahme der Feststellungen in den Folgebescheid wird die Verkürzung i.S.d. § 370 Abs. 1 erreicht. Insoweit hinkt auch der Verweis darauf, dass die Regelung des § 370 Abs. 4 S. 1 belege, dass es auf den Eintritt eines steuerlichen Schadens nicht ankomme, sondern eine Gefährdung des Steueraufkommens grundsätzlich als Steuerhinterziehungserfolg genügt.[464] Denn auch nach dieser Vorschrift kommt es dem Wortlaut nach sehr wohl auf die (Nicht-)Festsetzung der Steuer an[465] – auf irgendwelche Vorstufen zur Festsetzung stellt § 370 an keiner Stelle ab. Die Gefährdung macht aus den Feststellungen des Grundlagenbescheides weder eine Steuerverkürzung noch einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil. Demgegenüber verlagert der BGH durch eine weite Auslegung des Begriffs des „steuerlichen Vorteils“ (als zweite Erfolgsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 1) die Vollendung des Tatbestandes vor und hebt dabei die nach dem Wortlaut des § 370 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 und 2 getroffene Differenzierung zwischen der Steuerverkürzung (die nach § 370 Abs. 4 S. 1 u.a. die – hier erst im Folgebescheid erfolgende – zu niedrige Steuerfestsetzung umfasst) und dem Erlangen steuerlicher Vorteile auf.[466] Es erscheint widersprüchlich, den Eintritt einer Steuerverkürzung zu verneinen, weil diese erst mit Übernahme der Feststellungen in den Folgebescheid eintrete, die Vollendung dann aber über den Umweg der vermeintlichen Gewährung eines steuerlichen Vorteils doch zu bejahen.[467] Der Steuervorteil wird so zu einer Vorstufe der Steuerverkürzung.[468] Die dadurch erreichte Vorverlagerung der Strafbarkeit ist auch aus kriminalpolitischen Gründen nicht angezeigt, da einerseits Vollendung bei der Festsetzung von Steuern bereits dadurch vorverlagert ist, dass ein Schadenseintritt nach § 370 Abs. 4 S. 1 nicht vorausgesetzt wird[469] und andererseits Strafbarkeitslücken bei Bejahung der Strafbarkeit als Versuch (§ 370 Abs. 2) nicht entstehen.

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Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung wird die Erlangung eines fehlerhaften Feststellungsbescheides als straflose Vorbereitungshandlung qualifiziert,[470] da der Täter mit den dazu gemachten Erklärungen noch nicht zur Tatbestandsverwirklichung ansetze. Grundsätzlich kann es bei zeitlich gestreckten Handlungsabläufen an einem unmittelbaren Ansetzen fehlen, wenn zwischen vorbereitenden Handlungen und Erfolgsherbeiführung noch eine Mehrzahl von Handlungsschritten erforderlich ist.[471] In diesem Sinne sieht bspw. Beckemper in den Angaben zur Erwirkung eines Feststellungsbescheides keine Hinterziehungshandlung, weil dadurch der tatbestandliche Erfolg noch nicht eintreten solle.[472] Allerdings geht Beckemper wohl unzutreffend davon aus, dass der Steuerpflichtige von dem Feststellungsbescheid durch Einreichung zu seiner Steuererklärung Gebrauch mache.[473] Tatsächlich erfolgt die Mitteilung (auch) durch das Feststellungsfinanzamt von Amts wegen an das für die Steuerfestsetzung zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt. Der Steuerpflichtige kann die Angaben auch nicht durch Berichtigung im Rahmen seiner Steuererklärung korrigieren, sondern müsste dazu für eine Änderung des Feststellungsbescheides Sorge tragen (§§ 182 Abs. 1, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1). Eher lässt sich für diese Ansicht vorbringen, dass zur Übernahme der Feststellungen in den Folgebescheid behördenintern noch ein Zwischenschritt erforderlich ist.[474] Ob daraus aber der Schluss gezogen werden kann, dass eine unmittelbare Gefahr im Hinblick auf die Steuerverkürzung erst bestehe, wenn die Übernahme in die nachfolgende Steuerfestsetzung bevorstehe,[475] erscheint vor dem Hintergrund, dass die Übernahme der Feststellungen zwingend ist, zweifelhaft.[476]

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Überzeugend war demgegenüber der BGH – und mit ihm andere Stimmen in der Literatur – vor Änderung seiner Rechtsprechung, d.h. als er den Erlass eines Feststellungsbescheides noch nicht als steuerlichen Vorteil betrachtete, davon ausgegangen, dass der Täter mit Einreichen der Feststellungserklärung beim Finanzamt das Geschehen aus der Hand gibt und – bei entsprechendem Tatplan – i.S.d. § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes ansetzt.[477] Der BGH verwies insoweit darauf, dass die Erklärung bei gewöhnlichem Ablauf ohne Weiteres in den Feststellungsbescheid und dieser gem. § 182 Abs. 1 S. 1 wiederum in den Steuerbescheid münde,[478] mit der Folge, dass der Steueranspruch bereits konkret gefährdet sei.[479] Demnach macht sich der Steuerpflichtige mit falschen Angaben im Rahmen der Feststellungserklärung einer versuchten Steuerhinterziehung strafbar.[480]

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Darüber hinaus überzeugt die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2008[481] auch insoweit nicht, als er ausführt, die Feststellung der steuerlichen Auswirkungen des Grundlagenbescheides lasse sich ohne Betrachtung des Folgebescheides zumindest als „Dimension der Gefährdung“ aus dem Grundlagenbescheid erkennen und das genüge für alle im Steuerstrafrecht erforderlichen Betragsfeststellungen. Dies widerspricht allen hergebrachten Grundsätzen. Weder leuchtet ein, inwieweit sich die „Dimension der Gefährdung“ ohne Betrachtung der Folgebescheide ergeben soll, noch wie die bloße „Dimension“ u.a. im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden soll. In der Literatur wird dagegen vorgebracht, auf die Feststellung der konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen der durch einen Feststellungsbescheid herbeigeführten Verlustgefahr für das Vermögen des Staates dürfe nicht verzichtet werden, weil es sich bei § 370 um ein Vermögenserfolgsdelikt handele.[482] Andere Stimmen in der Literatur wollen es bezogen auf Verlustfeststellungsbescheide genügen lassen, dass im Einzelfall eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit der künftigen Verlustnutzung gestellt werde.[483] Auch das genügt jedoch nicht den bislang – soweit ersichtlich – einhellig an die Genauigkeit der Berechnung der hinterzogenen Beträge gestellten Anforderungen, noch den betragsmäßig vorgegebenen Grenzen für die Bestimmung des großen Ausmaßes, der verlängerten Verjährungsfrist nach § 376 Abs. 1 und der Sperrwirkung für die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 3.[484] Ein Abstellen auf die bloße „Dimension der Gefährdung“ ist daher als weder rechtmäßig noch praktisch handhabbar abzulehnen.[485]

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Die Verjährung beginnt nach Rspr. des BGH erst mit Bekanntgabe des Folgebescheides;[486] die durch die Umsetzung der festgestellten unrichtigen Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung in den Folgebescheiden bewirkte Steuerverkürzung stelle einen weitergehenden Taterfolg dar, der insbesondere für den Zeitpunkt der Tatbeendigung und damit für den Verjährungsbeginn der Steuerhinterziehung von Bedeutung sei. Sofern mehrere Festsetzungsbeteiligte vorhanden sind, tritt nach der hier vertretenen Auffassung Vollendung mit Erlass des ersten Folgebescheides ein, Beendigung mit Erlass des letzten Folgebescheides.

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