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(3) Rechtswidrigkeit des Vorteils
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Der Steuervorteil darf nicht gerechtfertigt sein, was bedeutet, dass der Vorteil in Kenntnis des tatsächlichen Sachverhaltes nicht gewährt worden wäre. Das ist einerseits der Fall, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, so dass kein Anspruch (mehr) auf den Vorteil besteht und andererseits, wenn eine Ermessensentscheidung (z.B. eine Billigkeitsentscheidung nach §§ 163, 227 oder 258) aufgrund der unrichtigen Angaben zugunsten des Steuerpflichtigen getroffen wurde.[487]
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Ist materiell-rechtliche Bedingung für die Gewährung eines Vorteils das Vorliegen formeller Voraussetzungen, so ist der Vorteil nicht gerechtfertigt, wenn die Nachweise nicht vorliegen.[488] Die Abgrenzung formeller Voraussetzungen danach, ob sie materiell-rechtliche Bedingung oder bloß förmlicher Nachweis sind, ist häufig schwierig. Bis heute als materiell-rechtliche Voraussetzungen werden z.B. – entgegen der Rspr. des EuGH (siehe dazu Rn. 55) – das Vorliegen einer Rechnung i.S.d. § 14 UStG für den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG[489] oder die Vorlegung der in § 45a Abs. 2 oder Abs. 3 EStG bezeichneten Bescheinigung für die Anrechnung der durch Steuerabzug erhobenen Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 EStG[490] qualifiziert. Die Erteilung einer Umsatzsteueridentifikationsnummer (§ 27a UStG) ist nach Ansicht des EuGH ein rein formelles Erfordernis, so dass ein Anspruch auf Umsatzsteuerbefreiung grundsätzlich auch ohne Vorliegen bestehen kann.[491]
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Der EuGH hat – bezogen auf das europarechtlich vereinheitlichte Umsatzsteuerrecht – klar gestellt, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, das Recht auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Wesentlichen von der Einhaltung formeller Pflichten abhängig zu machen, ohne in Betracht zu ziehen, ob die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.[492] In Befolgung dieser Rspr. hat der BGH den buchmäßigen Nachweis gem. § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. § 13 UStDV als Voraussetzung der Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen nach § 4 Abs. 1 a Alt. 1 UStG relativiert[493] und betrachtet diesen nicht mehr als materiell-rechtliche Voraussetzung der Umsatzsteuerbefreiung.[494] Die Steuerfreiheit ist auch dann zu bejahen, wenn zwar der buchmäßige Nachweis fehlt, aufgrund der objektiven Beweislage aber feststeht, dass die Voraussetzungen von Ausfuhrlieferungen vorliegen.[495] Gleiches gilt für das Fehlen von Buch- und Belegnachweisen gem. §§ 17a und 17c UStDV bei innergemeinschaftlichen Lieferungen: steht aufgrund der objektiven Beweislage fest, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat (siehe dazu auch Rn. 55).[496]
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Hinsichtlich des umsatzsteuerlichen Vorsteuerabzugs geht der EuGH davon aus, dass die Vorlegung einer Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis nicht materiell-rechtliche sondern lediglich formelle Voraussetzung ist (siehe dazu Rn. 55). Die nationale Rspr. lehnt es bislang ab, daraus Folgen zu ziehen.[497] Liegt keine ordnungsgemäße Rechnung i.S.d. § 14 UStG vor, steht dem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug zu, wenn der Finanzbehörde vor ihrer Entscheidung – also spätestens bis zur Einspruchsentscheidung[498] – eine nach § 14 Abs. 6 Nr. 5 i.V.m. § 31 Abs. 5 UStDV berichtigte Rechnung vorgelegt wird.[499] Nach bisheriger nationaler Rspr. bewirkt die nachträgliche Rechnungserstellung, anders als die Rechnungsberichtigung, keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der ersten – fehlerhaften – Rechnung. [500] Daher musste die Rechnungsberichtigung von einer erstmaligen Rechnungserteilung abgegrenzt werden. Von der Berichtigung einer bereits zuvor erteilten Rechnung ist nach Ansicht des BFH jedenfalls dann ausgehen, wenn das zunächst erteilte Dokument, das später berichtigt werden soll, die Merkmale des Rechnungsbegriffs des § 14c UStG aufweist, also Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen USt enthält.[501] Unter Berücksichtigung der Rspr. des EuGH dürfte nun auch die nachträgliche Rechnungstellung auf den Zeitpunkt der Bewirkung des Umsatzes zurückwirken (s. dazu Rn. 55). Die Berichtigung darf nur durch den Rechnungsaussteller, nicht durch den Leistungsempfänger selbst, vorgenommen werden.[502]