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(1) Vollendung bei Veranlagungssteuern

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Bei Veranlagungssteuern (ESt, KSt, GewSt, GrESt) ist die Steuerhinterziehung durch aktives Tun mit unzutreffender Festsetzung der Steuer vollendet. Die Festsetzung erfolgt regelmäßig durch Bekanntgabe eines Steuerbescheids (§§ 155 Abs. 1, 157 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 1). Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 gilt der im Inland übermittelte Steuerbescheid nach drei Tagen als zugegangen und damit als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder später zugegangen ist. Der Wortlaut stellt klar, dass ein früherer Zugang unerheblich ist. Insoweit handelt es sich um eine Bekanntgabefiktion.[508] Dagegen kann der spätere Zugang nachgewiesen werden, so dass es sich insoweit nur um eine Zugangsvermutung handelt.[509] Fällt der letzte Tag der Drei-Tages-Frist auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag, so verlängert sich die Frist bis zum nächsten Werktag (§ 108 Abs. 3).[510] Den Zugang hat im Zweifel die Finanzbehörde nachzuweisen, den verspäteten Zugang der Steuerpflichtige.[511] Die Vollendung tritt auch ein, wenn die Steuerfestsetzung vorläufig (§ 165) oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) erfolgt.[512]

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Berücksichtigt das Finanzamt die falschen Angaben nicht, bzw. erfolgt trotz falscher oder unterbliebener Angaben eine zutreffende oder zu hohe Festsetzung, tritt keine Vollendung ein. Es bleibt dann beim Versuch. Die Vollendung kann dann noch im Rechtsbehelfsverfahren erreicht werden.

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Wird trotz bestehender Pflichten keine Steuererklärung abgegeben (Unterlassen), tritt Vollendung entweder durch Bekanntgabe eines Schätzungsbescheides ein[513] oder dann, wenn nach Nichtabgabe keine Veranlagung erfolgt. Entscheidend für die Feststellung der unterbliebenen Veranlagung ist der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre.[514] Zur Bestimmung des Zeitpunkts wird auf den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten im zuständigen Finanzamt abgestellt.[515] Um diesen Zeitpunkt zutreffend zu bestimmen, müsste in jedem Einzelfall der tatsächliche Arbeitsstand des zuständigen Finanzamts für jedes Veranlagungsjahr erhoben werden. Außerdem wäre zu klären, ab welcher Erledigungsquote, die zumindest unter 100 % liegt,[516] davon gesprochen werden kann, dass die Arbeiten „im Allgemeinen“ abschlossen sind. In der Praxis wird der Zeitpunkt meist nach generellen Erwägungen grob ermittelt. DerBGH zieht in Erwägung, zumindest bei einfach gelagerten Fällen von einer Bearbeitungszeit für fristgerecht eingereichte Erklärungen von längstens einem Jahr auszugehen.[517] Es sei von Rechts wegen nicht geboten, Tatvollendung stets erst zum Zeitpunkt der Tatbeendigung anzunehmen, wenn also das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat und demzufolge nicht mehr mit einer Veranlagung zu rechnen ist.[518]

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Gewährte Fristverlängerungen sind bei der Frage der Vollendung zugunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (s. dazu Rn. 115).

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Der Abschluss der Veranlagungsarbeiten und damit der Vollendungszeitpunkt bzgl. der Jahressteuern lässt sich anhand genereller Überlegungen unter Berücksichtigung allgemein gewährter Fristverlängerungen überschlägig ermitteln. Die Frist zur Abgabe von Jahressteuererklärungen läuft nach § 149 Abs. 2 AO, sofern nicht Sondervorschriften eingreifen, bis zum 31. Juli des auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres. Wirkt an der Erstellung der Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- oder Umsatzsteuer-Erklärung sowie zur gesonderten oder zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 des Außensteuergesetzes eine nach den §§ 3 und 4 StBerG befugte Person oder Institution mit, wird die Frist zur Abgabe gem. § 149 Abs. 3 bis Ende Februar des übernächsten Folgejahres verlängert.[519] Es dürfte daher zumindest bis nach dem 28./29. Februar des übernächsten auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres nicht mit dem Abschluss der Bearbeitung und damit mit Tatvollendung zu rechnen sein. Nimmt man den letztmöglichen Fristverlängerungstermin und verlängert ihn um geschätzt drei Monate für die Bearbeitungszeit des Finanzamts nach Eingang der letzten Erklärungen, so würde die Vollendung Ende Mai des übernächsten Jahres nach dem Veranlagungsjahr eintreten.[520]

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Auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer handelt es sich um Veranlagungssteuern, wobei die Veranlagung nicht regelmäßig abschnittsbezogen für fortlaufende Besteuerungszeiträume erfolgt, sondern bezogen auf einzelne Schenkungs- oder Erbschaftsfälle (§ 1 Abs. 1 ErbStG). Der Begünstigte hat den steuerpflichtigen Vorgang binnen einer Frist von drei Monaten anzuzeigen (§ 30 Abs. 1 ErbStG). Die Anzeigepflicht trifft auch den Schenker (§ 30 Abs. 2 ErbStG). Anhand der Anzeige prüft das Finanzamt, ob es die Abgabe einer Steuererklärung innerhalb einer von ihm dazu zu setzenden Frist von mindestens einem Monat fordert (§ 31 Abs. 1 ErbStG). Der Steuerpflichtige kann daher eine Steuerhinterziehung durch die Nichtabgabe bzw. die Abgabe einer falschen Anzeige gem. § 30 ErbStG begehen sowie durch falsche Angaben im Rahmen der Erklärung gem. § 31 ErbStG. Unterlässt der Steuerpflichtige die Anzeige gem. § 30 ErbStG, so tritt Vollendung in dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung spätestens stattgefunden hätte, wenn er seiner Anzeigepflicht rechtzeitig nachgekommen wäre, also nach Ablauf der drei-monatigen Frist zur Anzeige zzgl. der fiktiven Bearbeitungsdauer beim Finanzamt. Letztere setzt der BGH mit einem Monat an,[521] da das Finanzamt den Steuerpflichtigen auffordern kann, binnen einer Frist von einem Monat eine Steuererklärung mit von ihm selbst berechneter Schenkungsteuer abzugeben (§ 31 Abs. 1 und 7 ErbStG).

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Ist die Unterlassungstat nicht bereits zuvor vollendet, so tritt mit der Bekanntgabe eines Schätzungsbescheides, in dem die Steuer zu niedrig festgesetzt wird, Tatvollendung ein.[522] Wird die Steuer in dem Schätzungsbescheid hingegen richtig oder zu hoch festgesetzt, so kann die Unterlassungstat nicht mehr vollendet werden, da kein Verkürzungserfolg eintritt.[523] Wird dem Täter die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits vor Bekanntgabe von Schätzungsbescheiden mitgeteilt, ist wegen des Nemo-Tenetur-Grundsatzes für die Annahme vollendeter Taten insoweit kein Raum mehr.[524]

Steuerstrafrecht

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