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aa) Einziehung gem. §§ 73 ff. StGB

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[937]Die Einziehungsvorschriften sind durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017[938] mit Wirkung zum 1.7.2017 grundlegend geändert worden. Nach Rechtsprechung des BGH steht der Anwendung des neuen Einziehungsrechts auf frühere Taten gem. § 316h EGStGB weder das Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG,[939] noch das des Art. 7 Abs. 1 S. 2 EMRK[940] entgegen, da die Einziehungsentscheidung keinen Strafcharakter habe.[941] Anders ist dies zu beurteilen, soweit hinsichtlich der Taten, wegen der die Einziehung erfolgen soll, bereits bei Inkrafttreten des neuen Einziehungsrechts Verfolgungsverjährung eingetreten war.[942] Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für eine solche Tat etwas erlangt, so ordnet das Gericht die Einziehung an (§ 73 Abs. 1 S. 1 StGB). Die Anordnung hat nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1 S. 1 StGB zu erfolgen und steht somit nicht im Ermessen des Gerichts. Voraussetzung der Einziehung ist, dass durch die Tat beim Täter tatsächlich ein Vermögensvorteil eingetreten ist.[943] Bei der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB[944] sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart.[945] Als nicht gegenständliche Vorteile verbrauchen sich ersparte Aufwendungen bereits mit ihrer Inanspruchnahme und unterliegen von vornherein nur der Wertersatzeinziehung gem. § 73c S. 1 StGB in entsprechender Höhe. Voraussetzung für die Ersparnis von Aufwendungen ist das Vorliegen einer vollendeten Steuerhinterziehung. Die teilweise vertretene Ansicht, wonach bei Veranlagungssteuern die Tatvollendung nicht Voraussetzung für die Erlangung eines Vorteils sei, da der Täter bereits mit Versuchsbeginn einen der Einziehung unterliegenden Vermögensvorteil in Form einer Steuerersparnis erlange,[946] ist unzutreffend. Die Vertreter dieser Ansicht stellen darauf ab, dass die Steuer bereits zu diesem Zeitpunkt – und nicht erst mit Festsetzung – entstanden sei. Entscheidend ist aber nicht die Entstehung der Steuer, sondern die Erlangung eines Vermögensvorteils. Einen solchen erlangt der Steuerpflichtige erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Steuer bei ordnungsgemäßer Veranlagung fällig geworden wäre.[947] Vor diesem Zeitpunkt muss er keine Zahlung leisten und erspart folglich auch keine Aufwendungen i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB. Die Fälligkeit tritt bei der ESt und der KSt gem. § 36 Abs. 4 S. 1 Alt. 2 EStG (i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 KStG) grds. einen Monat nach Festsetzung der Steuer ein, im Fall des Unterlassens folglich einen Monat nach dem Zeitpunkt, zu dem bei fristgemäßer Abgabe der Steuererklärung mit einer Veranlagung zu rechnen gewesen wäre.[948] Bei der Hinterziehung von Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer ergibt sich ein unmittelbar messbarer Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt, z.B. weil er diese günstiger vermarkten kann.[949] Die Einziehung ersparter Aufwendungen für nicht abgeführte Verbrauchsteuern kommt nicht in Betracht, wenn die entsprechende Ware – insbes. nach den steuerlichen Sicherungsvorschriften gem. §§ 215 ff. AO – sichergestellt worden ist.[950]

Bei Hinterziehung von Umsatzsteuer durch die Ausstellung von Scheinrechnungen mit gesondertem Steuerausweis erlangt der Aussteller der Rechnung nicht die nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldete und nicht angemeldete Steuer, da sich diese nicht als Vermögensvorteil in seinem Vermögen niederschlägt.[951] Ein ggf. abzuschöpfender Vermögensvorteil tritt (abgesehen von Vergütungen, für die Rechnungsausstellung) nur im Vermögen des Rechnungsempfängers ein, der auf der Grundlage der Scheinrechnung unberechtigt Vorsteuer geltend macht.

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Nach § 73d StGB ist zur Bestimmung des Wertes des Erlangten in zwei Schritten vorzugehen. In einem ersten Schritt ist das Erlangte gem. §§ 73 bis 73c StGB festzustellen, wobei § 73e StGB zum Ausschluss der Einziehung zu berücksichtigen ist.[952] Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen können im zweiten Schritt grds. nur insoweit abgezogen werden, als sie zwar im Zusammenhang mit der Tat entstanden sind[953] aber nicht für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden sind.[954] Die Ausnahme, von diesem Abzugsverbot bilden Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat. Die Einziehung erfolgt damit, wie schon nach der früheren Gesetzeslage nach dem Bruttoprinzip. Erwirbt beispielsw. der Täter Scheinrechnungen, um damit Vorsteuer geltend zu machen und Betriebsausgaben zu fingieren, so kann er demnach die für den Erwerb zu zahlende „Provision“ nicht vom Einziehungsbetrag (d.h. von der durch Verwendung der Rechnungen erlangten Vorsteuer bzw. den ersparten Steuern und ggf. Sozialabgaben) abziehen. Für sog. Verschiebungsfälle, in denen der Steuerpflichtige im Umfang der durch Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen Anschaffungen tätigt und diese später im Wert steigen, hat der BGH[955] entschieden, dass diese Vermögenswerte keine Surrogate des Erlangten darstellen.

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Nach- und Rückforderungsansprüche des Fiskus stehen der Anordnung der Einziehung nach aktuellem Einziehungsrecht[956] nicht mehr entgegen. Die Einziehung ist vielmehr gem. § 73e Abs. 1 StGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Steueranspruch erloschen ist. Der Steueranspruch erlischt gem. § 47 u.a. durch Zahlung (§ 47 Alt. 1)[957] und Erlass (§ 47 Alt. 3). Gem. § 47 Alt. 4 erlöschen Steueransprüche – anders als zivilrechtliche Ansprüche – auch durch (Festsetzungs- und Zahlungs-)Verjährung, mit der Folge, dass verjährte Steueransprüche nicht mehr eingezogen werden können.[958] In der Lit. umstritten ist, ob nach Abschluss einer tatsächlichen Verständigung eine Einziehung im Strafverfahren über den sich aus der Verständigung ergebenden Betrag hinaus möglich ist.[959] Wird eine wirksame tatsächliche Verständigung abgeschlossen, so bindet sie den Steuerpflichtigen und die Finanzbehörde ab der Unterzeichnung.[960] Eventuell bestehende weitergehende Ansprüche können nicht mehr geltend gemacht werden.[961] Sinn und Zweck des § 73e Abs. 1 StGB sprechen dafür, dass eine Einziehung auf der Grundlage einer abweichenden Berechnung des Hinterziehungsbetrages im Strafverfahren nicht in Betracht kommt. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu: „Durch den Wortlaut (‚erloschen ist‚) stellt die Vorschrift klar, dass der Betroffene nicht nur dadurch befreit wird, dass er die geschuldete Leistung bewirkt (§ 362 Absatz 1 BGB). Vielmehr befreit ihn auch ein (Teil-)Erlass nach § 397 Absatz 1 BGB. Die Regelung ist mithin mit Blick auf den Grundsatz der Privatautonomie ‚vergleichsfreundlich‚ ausgestaltet.“[962] Auch wenn die Steuerfestsetzung nicht dem Grundsatz der Privatautonomie, sondern der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unterliegt, ist kein Grund ersichtlich, warum in dem Umfang, in dem der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung zulässig und für die Parteien bindend ist,[963] das einvernehmlich erzielte und steuerlich bindende Ergebnis nicht auch für die Einziehung anzuerkennen sein sollte.[964] Für die Gegenauffassung spricht, dass ein über den Betrag der Verständigung hinaus gehender Steuerbetrag nach der Rspr. des BFH nicht erlischt, sondern ledig nicht mehr geltend gemacht werden kann.[965] Mit Zahlung des Betrages aus der tatsächlichen Verständigung erlischt der Steueranspruch aber vollständig,[966] so dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt keine Einziehung eines überschießenden Betrages mehr in Betracht kommt.

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Das „Ob“ der Einziehung sowie der Umfang der Einziehung sind nicht tauglicher Gegenstand einer Verständigung i.S.d. § 257c StPO.[967] Möglichkeiten zum Absehen von der Einziehung eröffnet aber § 421 StPO. Im Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft nach § 421 Abs. 3 StPO das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen als Einziehung beschränken, kann also verfügen, dass von der Einziehung abgesehen wird. Da § 421 Abs. 3 StPO nicht auf Abs. 1 verweist, bindet der dortige Katalog die Staatsanwaltschaft nicht.[968] Im gerichtlichen Verfahren kann ein Absehen von der Einziehung unter den Voraussetzungen des § 421 Abs. 1 StPO mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft erfolgen. In der Praxis wird es als zulässig erachtet, diese Möglichkeiten in Verständigungsgespräche einzubeziehen, da es sich um eine sonstige verfahrensbezogene Maßnahme i.S.d. § 257c Abs. 2 StPO handelt.[969] Wenig Bedeutung dürfte in der Praxis § 421 Abs. 1 Nr. 1 StPO erlangen, der ein Absehen von der Einziehung erlaubt, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat, da für den „geringen Wert“ in anderen strafrechtlichen Vorschriften, wie § 248 StGB, in der Praxis in der Regel auf Beträge zwischen 30 € und 500 € abgestellt wird.[970] § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO soll nur die Einziehung von Tatmitteln, Tatobjekten und Tatprodukten betreffen, da nur für diese ein Strafcharakter bejaht wird, während ein Abstellen auf das Verhältnis der Einziehung zur verhängten Strafe bei der Einziehung von Taterträgen keinen Sinn macht, wenn man dieser keinen Strafcharakter zumisst.[971] Auch diese Vorschrift dürfte daher im Steuerstrafverfahren eine untergeordnete Rolle spielen. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO erlaubt ein Absehen von der Einziehung, wenn diese einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.[972] Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach §§ 422, 423 StPO die Möglichkeit der Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung besteht, wodurch u.U. eine Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat ohne Belastung mit der Einziehungsentscheidung ermöglicht wird. Ein Absehen kommt z.B. in Betracht, wenn das Finanzamt die Steuer bereits festgesetzt hat und diese eigenständig erhebt bzw. vollstreckt. Eine parallele Einziehung wird dann in der Regel einen unangemessenen Aufwand erfordern, da eine Abstimmmung mit den Finanzbehörden über die bereits geleistete Schadenswiedergumachung erforderlich wäre,[973] ohne dass die Einziehung im Hinblick die Erhebung oder Vollstreckung der Steuer einen Mehrwert bringt. Das gilt insbesondere, wenn das Finanzamt die Steuer gestundet (§ 222) oder Vollstreckungsaufschub (§ 258) gewährt hat und wenn Raten gezahlt werden. Eine Einziehung könnte dann die Beitreibung durch das Finanzamt gar gefährden. Darüber hinaus kann die Höhe des Einziehungsbetrages auch durch eine (Verständigung über die) Beschränkung des Verfahrensgegenstandes nach §§ 153a, 154, 154a StPO beeinflusst werden, da eine Einziehung nur soweit zulässig ist, wie die Tat noch Gegenstand des Verfahrens ist.[974]

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Aus der Einziehung der Vorteile der Tat nach dem Bruttoprinzip würde bei gleichzeitiger Besteuerung des Bruttovorteils eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Doppelbelastung folgen. Dies wird grundsätzlich dadurch vermieden, dass bei der steuerlichen Festsetzung der eingezogene Betrag als Betriebsausgabe oder Werbungskosten berücksichtigt wird.[975] Mangels Strafcharakters unterliegt der Einziehungsbetrag nicht dem steuerlichen Abzugsverbot gem. § 12 Nr. 4 EStG, welcher den Abzug von Geldstrafen und sonstigen Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art verbietet, bei denen der Strafcharakter überwiegt.[976] Auch das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG für strafbare Zuwendungen und damit zusammenhängende Aufwendungen greift zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Doppelbelastung nicht.[977] In Fällen, in denen bereits bestandskräftige Bescheide vorliegen – und somit die Einziehung nicht mehr steuerlich berücksichtig werden kann – erfolgt die Berücksichtigung der steuerlichen Belastung nach aktueller Gesetzesfassung nicht mehr bei der Bemessung des Einziehungsbetrages,[978] da nach aktuellem Recht der Entreicherungseinwand des § 73e Abs. 2 StGB nur demjenigen offen steht, der nicht selbst Täter oder Teilnehmer ist. In allen anderen Fällen ist die Entreicherung erst gem. § 459g Abs. 2, Abs. 5 S. 1 StPO im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen.[979] Praktisch bedeutet das: Erlangt der Täter z.B. korruptive Zahlungen und führt auf diese Einkünfte keine Einkommensteuer ab, so kommt einerseits eine Einziehung bzgl. des aus der Brutto-Bestechungsbetrages in Betracht und andererseits die Festsetzung von Einkommensteuer auf den Bruttobetrag. Zur Vermeidung der daraus resultierenden Doppelbelastung können die eingezogenen Bestechungsbeträge grds. als Ausgaben bei der Einkommensteuer abgezogen werden.[980] Damit erfolgt der Ausgleich hinsichtlich der Steuer, die für den Veranlagungszeitraum der Einkünfteerzielung erhoben wird, zeitlich verschoben erst in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Einziehung erfolgt.[981] Eine Einziehung der (ersparten Aufwendung für die) Einkommensteuer auf die Bestechungsleistungen neben der Einziehung der Bestechungsleistungen kommt nicht in Betracht.[982] Ist die Steuer bereits bestandskräftig veranlagt, so bezieht sich die Einziehung zunächst auf den aus der Korruption erlangten Bruttobetrag. Erst im Rahmen der Vollstreckung ist der für die Einkommensteuer aufgewendete Betrag in Abzug zu bringen, so dass nur der (steuerliche) Nettobetrag der Vollstreckung unterliegt.[983]

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Nach § 73b StGB wird die Einziehung auch gegen Drittbegünstigte angeordnet.

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Beträge, die durch Taten erlangt worden sind, die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind, unterliegen nicht der Einziehung, da § 73 StGB nur das Erlangte aus verfahrensgegenständlichen Taten erfasst.[984] Vorläufig eingestellte Taten sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Gleiches gilt für nach §§ 153, 153a, 154a StPO eingestellte Taten bzw. Tatteile. Insoweit kommt nach § 76a Abs. 3 StGB eine selbstständige Einziehung in Betracht,[985] wobei neben § 421 Abs. 3 StPO insbes. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO der Einleitung eines gesonderten Verfahrens zur Einziehung entgegenstehen kann.[986]

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Strafprozessual erfolgt die Sicherung von Vermögenswerten nach § 111b ff. StPO. Nach § 111e Abs. 6 StPO steht die Möglichkeit einer Anordnung nach § 324 der Anordnung nach § 111e Abs. 2 StPO ausdrücklich nicht entgegen. Der unter alter Rechtslage darüber geführte Streit, ob die Anordnung nach § 111d StPO a.F. auch zugunsten des Fiskus erfolgen darf oder insoweit als milderes Mittel ein steuerrechtlicher Arrest nach § 324 auszubringen ist,[987] hat sich damit erledigt. Die Vollstreckung der Einziehung richtet sich nach §§ 459g ff. StPO.

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Die Anordnung der Einziehung gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung ist nach § 30 Abs. 5 OWiG ausgeschlossen, wenn gegen sie wegen derselben Tat eine Geldbuße festgesetzt wird.

Steuerstrafrecht

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