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dd) Festsetzung von Hinterziehungszinsen, §§ 235, 238
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Nach §§ 235, 238 sind hinterzogene Steuern monatlich mit einem Zinssatz von 0,5 Prozent zu verzinsen. Daraus ergibt sich ein jährlicher Zinssatz von 6 Prozent. Voraussetzung der Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist, dass das Vorliegen einer Steuerhinterziehung nach den Vorschriften der AO und der FGO – d.h. nicht nach den Vorschriften der StPO, jedoch unter Berücksichtigung des In-dubio-pro-reo-Grundsatzes – festgestellt wird.[1038] Wird der Verkürzungsbetrag geschätzt, muss er für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen mit der Gewissheit strafrichterlicher Überzeugung feststehen.[1039]
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Bei den Zinsen handelt es sich nicht um eine (zusätzliche) Strafmaßnahme, sie dient vielmehr dazu, im Wege einer grundsätzlich zulässigen Typisierung[1040] den erlangten Zinsvorteil abzuschöpfen. Die Vorschrift des § 238 könnte folglich verfassungswidrig sein, wenn der Zinssatz dauerhaft deutlich über dem Marktzins läge. Denn aus dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG hergeleiteten Übermaßverbot folgt dass ein Steuerpflichtiger nicht zu einer unverhältnismäßigen Abgabe herangezogen werden darf.[1041] Die Unverhältnismäßigkeit hat das BVerfG[1042] für die Zeit bis 2006 sowie der BFH zunächst für die Zeit bis Ende 2011[1043] und später bis 2013[1044] verneint. Dabei hatte es der BFH bislang dahinstehen lassen, ob der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK eröffnet ist und sich daraus oder aus Art. 19 Abs. 4 GG die Rechtswidrigkeit eines Zinsbescheides wegen überlanger Verfahrensdauer ergeben kann.[1045] Mit Beschluss v. 25.4.2018 – IX B 21/18 hat der BFH schließlich schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 238 Abs. 1 S. 1 AO geregelten Höhe von Nachzahlungszinsen von einhalb Prozent für jeden vollen Monat jedenfalls ab dem Verzinsungszeitraum 2015 geäußert und bzgl. der entsprechend festgesetzten Zinsen Aussetzung der Vollziehung gewährt.[1046] Mit Beschluss vom 3.9.2018 – VIII B 15/18 hat der BFH die AdV mit Verweis auf den vorgenannten Beschluss auch auf Zinszeiträume ab 2012 erstreckt.[1047]
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Ist die Zinsfestsetzung aus sachlichen oder persönlichen Gründen unbillig, kommt ein Zinserlass nach § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 als Billigeitsmaßnahme in Betracht, die im Ermessen der Finanzbehörde liegt. Allein die überlange Verfahrensdauer rechtfertigt nach der finanzgerichtlichen Rspr. keinen Billigkeitserlass.[1048] Erzielt der Steuerpflichtige tatsächlich nicht die typisierend angesetzten 6 % Zinsen, so rechtfertigt auch das keinen Billigkeitserlass, da die Zinsbelastung typische Folge der gesetzlichen Regelung ist und den gesetzgeberischen Vorstellungen entspricht.[1049]
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Schuldner der Zinsen ist nach § 235 Abs. 1 S. 2 derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind, also der Steuerschuldner. Das gilt auch dann, wenn er an der Hinterziehung nicht beteiligt war.[1050] Der Tod des Steuerhinterziehers, der seiner strafprozessualen Verfolgung entgegensteht, hindert nicht die Festsetzung von Hinterziehungszinsen.[1051] Nach § 4 Abs. 5 Nr. 8a EStG unterliegen Hinterziehungszinsen einem Abzugsverbot.