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112. Kongress 2011

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Der 112. Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika kommt am Montag, dem 3. Januar zusammen. An diesem Tag wird auch der Republikaner John Boehner zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt und löst die Demokratin Nancy Pelosi ab. Er will eine Gegenposition zu Barack Obama einnehmen und wird auch dadurch mit den Stimmen der Tea Party Mitglieder zum Sprecher gewählt. Boehner spielte zuvor auf Pressekonferenzen den Konterpart des Präsidenten und erklärte öffentlich alles zu tun, um Obamas Gesundheitsreform, abschätzig auch Obamacare genannt, zu verhindern. Später hat sich der Begriff „Obamacare“ ohne negative Assoziation als allgemeiner Begriff zum „Affordable Care Act“ durchgesetzt und wird auch in diesem Buch als ein neutraler Begriff verwendet.

Das beginnende neue Jahr wird durch ein Attentat auf die Demokratin Gabrielle Giffords am 8. Januar überschattet, durch das sechs Menschen, darunter ein neunjähriges Mädchen und der Bundesrichter John McCarthy Roll, aus nächster Nähe erschossen werden. Gabrielle Giffords überlebt die schweren Kopfverletzungen nur knapp. Das Attentat löst eine regelmäßig wiederkehrende Diskussion über schärfere Waffengesetze in den USA aus, die jedoch folgenlos bleibt.

Obama wird in seiner Amtszeit einige traurige Gelegenheiten erhalten, auf schärfere Waffengesetze nach sogenannten „school shootings“ und anderen Amokläufen zu fordern. In den USA sind 2009 rund 400 Kinder und Jugendliche durch Schusswaffengebrauch gestorben, weitere 1.000 wurden verletzt. Doch sperrt sich der überwiegende Teil der Republikaner und auch ein Teil der Demokraten gegen eine Verschärfung des Waffenrechts. Nur in wenigen Bundesstaaten wurden nach Amokläufen die Auflagen für das Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit verschärft. 2011 sollen nach einer Studie der Organisation „Brady Campaign to Prevent Gun Violence“ schon 2.700 Kinder und Jugendliche durch Schusswaffengebrauch gestorben sein. Die meisten starben durch das versehentliche Abfeuern ungesicherter Schusswaffen im Haushalt.

Am Dienstag, dem 25. Januar spricht Präsident Barack Obama in seiner „Rede zur Lage der Nation“ von seinen Plänen zur Ankurbelung der Wirtschaft sowie seine Forderung, die wohlhabenderen Bürger mit einem gerechteren Beitrag am Defizitabbau in Form von höheren Steuern zu beteiligen. In der darauffolgenden traditionellen Gegenansprache der Opposition spricht sich der Republikaner Paul Ryan für höhere Sparanstrengungen und Ausgabenkürzungen des Staates aus (als Antwort auf die wichtige und landesweit verfolgte Rede des Präsidenten zur Lage der Nation ist es Tradition, dass die Opposition eine Antwort auf die Forderungen und Wünsche des Präsidenten gibt). Eine symbolische Geste der freundschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern ist die Zusammensetzung der Kongressmitglieder, die sich in der Sitzplatzverteilung vermischen. Die von Millionen US-Amerikanern verfolgte Ansprache wird einmal jährlich vor beiden Kammern des Kongresses gehalten und vom Präsidenten als Präsentation seiner Ziele für die kommenden Monate genutzt.

Die Reaktion der Republikaner auf die Rede Obamas zeigt eine zunehmende Fixierung auf die Ausgabenpolitik. In der Republikanischen Partei setzt sich die Auffassung eines gestutzten schlanken Staates durch die Tea Party Bewegung durch. Die restriktiven Ausgabenkürzungen werden für die Republikaner wichtiger, da sie sich zunehmend als Gegenpol zu den Demokraten etablieren und die Aufgaben der US-Regierung neu definieren wollen. In den nachfolgenden Debatten fordern die republikanischen Kongressmitglieder das Versprechen von Barack Obama aus dem Vorjahr ein, endlich mit dem Sparen beginnen zu wollen. Obama wiederholte in seiner Rede seine Zugeständnisse an die republikanische Seite, indem er einen „schlankeren und intelligenteren“ Staat anstrebe, ohne jedoch in der „Wettbewerbsfähigkeit“ der USA gegenüber den aufstrebenden Mächten wie China und Indien „auch in der Zukunft“ Einbußen hinnehmen zu müssen.

Unterstützt werden die Tea Party Anhänger durch neue Berichte über fortlaufende Steuergeldverschwendungen, die die Bürger mit traditioneller Vehemenz beklagen und schon immer vermutet hatten. Dabei können selbst hochrangige Regierungsvertreter nicht mehr leugnen, dass bei einigen Bundesbehörden doppelte Aufgabenbereiche und interdisziplinäre Überschneidungen vorkommen. So bemängeln die Tea Party Anhänger allein 80 laufende Programme für inländische Wirtschaftssubventionen, knapp einhundert Regierungsprogramme für das Transportwesen und über 80 Bundesprogramme zur Leistungseinschätzung von angehenden und lehrenden Pädagogen. Dabei kosten die parallel laufenden Regierungsprogramme nicht nur Milliarden US-Dollar, zugleich verwirren die doppelten Strukturen und Zuständigkeiten auch die einheimischen Unternehmen sowie Investoren und Unternehmensgründer. Nur selten wurden in der Vergangenheit Doppelstrukturen abgeschafft und gleichzeitig das Budget einer Behörde dem verkleinerten Aufgabenbereich angepasst. So wuchsen über die Jahre auch unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush die Finanzbudgets der Bundesbehörden stetig an. Die teilweise ausufernde Bürokratie in den USA lässt selbst liberale Wählerschichten eine schlankere Behördenstruktur befürworten. Für Barack Obama kann dieses Missmanagement innerhalb der Behörden zum Problem werden, falls er bei Beendigung unnötiger Bundesprogramme tausende Behördenmitarbeiter entlassen muss.

Die Wut der Tea Party Anhänger generiert sich auch aus neuen Meldungen über staatliche Programme, die längst hätten eingestellt werden sollen, jedoch seit Jahrzehnten weiter laufen. Wiederholt wird das Essential Air Service Program genannt, das mit 131,5 Millionen US-Dollar für das Jahr 2011 veranschlagt wurde. Mit diesem staatlichen Programm sollen ländliche Regionalflughäfen für Fluggesellschaften attraktiver gemacht werden, die vor den Folgen einer Liberalisierung des Flugmarktes von 1978 geschützt werden sollten. Seit 1978 erhalten Fluggesellschaften Subventionen, wenn sie bestimmte regionale Flughäfen ansteuern. Ursprünglich sollte das Programm 1988 enden, wurde jedoch aus Angst vor wirtschaftlichen Folgen in den ländlichen Gegenden weiterhin finanziert und sogar ausgeweitet. Die Tea Party Bewegung sieht hierin eine Wettbewerbsverzerrung und Verschwendung von Steuergeldern. Sie fordert einen Stopp von Wahlgeschenken, die in der Vergangenheit oftmals grundlos verlängert wurden. Die Finanzierung dieses Programms wird 2013 auf 241 Millionen US-Dollar anwachsen. 161 Flughäfen werden landesweit dadurch subventioniert.

Eine weitere Verschwendung von Steuergeldern beklagen die Tea Party Anhänger an der schieren Masse von Gebäuden und Grundstücken in bundesstaatlicher Hand. Im Jahr 2010 wurden 399.000 Immobilien aufgeführt, von denen 6.700 ungenutzt blieben. Utah ist mit 52 Prozent des Landes im Bundesbesitz, das sind rund 20 Millionen Hektar Land. Im Bundesstaat Nevada sollen knapp 81 Prozent unter Bundesbesitz stehen. Die größten Besitzflächen der US-Regierung liegen historisch bedingt in den westlichen US-Staaten.

Auch wenn ein Großteil der US-Amerikaner der Regierung misstraut, werden seit Jahren Misswirtschaft und Fälle von unterdurchschnittlichen Leistungen von Bundesbehörden bekannt, die das jahrzehntelange Schlechtreden von Bundeseinrichtungen nur zu bestätigen scheint. Seit Jahrzehnten haben auch republikanische Präsidenten die Praxis, altgediente Militärs in die öffentliche Verwaltung unterzubringen, fortgesetzt. Als „Abladeplatz“ verschrien, wollen viele junge talentierte Studienabgänger sich nicht an öffentliche Einrichtungen bewerben. Auch eine aufgeblähte Hierarchieebene von bis zu 60 Entscheidungsträgern, fördert die Reputation der öffentlichen Bundesverwaltung nicht. Eine Privatisierung der staatlichen Verwaltung, wie es die Tea Party Bewegung regelmäßig einfordert, würde eine Verschwendung von Steuergeldern jedoch nicht automatisch verhindern.

Die Staatsverschuldung liegt Anfang 2011 bei 14 Billionen US-Dollar und bricht damit einen neuen Rekord. Die Republikaner wollen ihrerseits ihr Versprechen einlösen und einen Vorschlag zur Reduzierung der Staatsausgaben von rund 100 Milliarden US-Dollar vorlegen. Der Finanzminister Timothy F. Geithner warnt davor, die notwendige Anhebung des Kreditlimits zum 31. März nicht für innenpolitische Machtspiele auszunutzen. Er ermahnt beide Parteien, eine Lösung der Schuldenkrise zu finden und abermals im März die Schuldenobergrenze anzuheben, da sonst die Zahlungsunfähigkeit der USA drohen würde.

Für die kommenden Wochen wird sich Präsident Obama auf einen erneuten zähen Kampf mit den Republikanern und ihres radikalkonservativen Parteiflügels einstellen, die die Schuldenbekämpfung als oberstes Gebot ihrer Bewegung betrachtet. Sie halten Obama vor, seit seinem Amtsantritt die Staatsverschuldung um 3,4 Billionen US-Dollar erhöht zu haben. Dabei vergessen sie selbst, dass er wegen der Immobilienkrise, der Bankenkrise und der anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit die Wirtschaft durch Förderprogramme unterstützen musste, da sonst die USA laut führenden Ökonomen eine viel stärkere Rezession durchgemacht hätten. Alle Investitionen in die heimische Wirtschaft sowie die Notkredite für US-amerikanische Unternehmen wurden auch durch die Republikaner teilweise befürwortet. Doch davon wollen die Tea Party Anhänger nichts wissen. Sie geben die Schuld für die riesige Staatsverschuldung allein den Demokraten und fordern sofortige radikale Ausgabenkürzungen ein. Die Regierung hatte die beiden Hypothekenbanken Fannie Mae (Federal National Mortgage Association) und Freddie Mac (Federal Home Loan Mortgage Corporation) mit 187 Milliarden US-Dollar teilverstaatlicht. Die Immobilienkrise (auch Subprimekrise genannt) von 2007 löste 2008 die Bankenkrise mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers Investmentbank aus, die weitere Milliarden US-Dollar an Notkrediten an Banken und Versicherungen in den USA notwendig machte.

Obama kann diesem Ansinnen nicht ohne Gefahr einer wiederholten Rezession der Wirtschaft nachgeben, obwohl er weiß, dass 71 Prozent der US-Amerikaner eine weitere Anhebung der Schuldenobergrenze ablehnen. Der Widerstand zu Obamas Wirtschaftspolitik wird vonseiten der republikanischen Tea Party Fraktion noch spürbar zunehmen, da sie sich selbst als ausführende Kraft des Bürgerwillens sehen. Dass eine Rosskur der Finanzen jedoch auch schmerzliche Steuererhöhungen und radikale Ausgabenkürzungen im Sozialbereich nach sich ziehen würde, lehnt wiederum der Großteil der Wähler ab.

Im Februar 2010 greift die Debatte um Ausgabenkürzungen wichtige demokratische Parteiinteressen an. Die Republikaner wollen die finanzielle Unterstützung zur Gemeindeentwicklung und das finanzielle Hilfsprogramm zur Unterstützung für Warmwasser und Heizungskosten für finanzschwache US-Haushalte stutzen. Dagegen sieht Obama im Budget des Pentagons Einsparungen von rund 78 Milliarden US-Dollar, die auch vom Verteidigungsminister Robert M. Gates teilweise unterstützt werden. Die Ausgaben für die Sicherheit der USA, ehemals ein stark wachsender Sektor der Innenpolitik und von beiden Parteien in den Budgetkürzungen als unantastbar angesehen, kommen nun in den Blickpunkt der Ausgabenkürzungen. Während Obama seinen Vorschlag, die Finanzierungsmaßnahmen aller Bundesbehörden für fünf Jahre zu deckeln, die Höhe jedoch beizubehalten, in die Debatte einbringt, wollen die Republikaner große sofortige Einschnitte umsetzen. Die Republikaner planen mit ihrem 360-seitigen Maßnahmenkatalog einen großen Eingriff in die Sozialpolitik des Landes. In ihrem Gesetzesentwurf sollen Bildungsförderprogramme komplett gestrichen werden, darunter auch Vorschulprogramme für Kinder aus Armutsfamilien (geplant ist zum Beispiel die Abschaffung des „Teach for America“ Programms, das junge Pädagogen für Schulen mit überwiegendem Anteil von Kindern aus finanzschwachen Familien finanziert). Auch die Bundesbehörden würden von den Streichungen große Budgetsummen verlieren. So soll die Bundessteuerbehörde IRS keine neue Computerausstattung für die Bearbeitung von Steuerfestsetzungen erhalten.

Eine überparteiliche Arbeitsgruppe unter Führung vom Demokraten Mark R. Warner und dem Republikaner Saxby Chambliss arbeitet seit dem vergangenen Jahr an einer Blaupause für eine Steuerreform in den USA. Zusammen mit 30 Senatoren und in Kooperation mit der von Obama eingeleiteten Defizitkommission verhandeln sie ein Arbeitspapier für den Kongress aus. Eigene republikanische Sparvorschläge werden durch die Tea Party Mitglieder als unzureichend abgelehnt. Ihre Sprecherin Michele Bachmann, die sich als Wortführerin und Aktivistin der Tea Party Bewegung einen Namen erkämpfen will, kritisiert die Spitzenpolitiker der Republikaner für ihre unzureichenden Sparvorschläge und setzt damit die Führung der Republikaner öffentlich stark unter Druck. In diese Kritik stimmen auch die konservativen Lobbygruppen club of growth und Heritage Aktion ein, die die von den Republikanern vorgelegten 100 Milliarden US-Dollar Ausgabenkürzungen ebenfalls als zu gering erachten. Die republikanischen Kongressführer haben mit der ablehnenden Haltung ihrer radikalkonservativen Fraktion nicht gerechnet, obwohl sie die Staatsausgaben auf den Stand vor Obamas Präsidentschaftsantritt senken wollen und damit ein Wahlversprechen von 2010 einlösen würden. Einige altgediente Republikaner äußern sich daraufhin verärgert über die radikalen Neulinge in der Grand Old Party, die vom Bundeshaushalt keine Ahnung hätten und „unschooled“ die Verhandlungen und Abstimmungen torpedieren würden. Als „Tea Party Freshmen“ werden die neuen Kongressmitglieder der Tea Party Bewegung auch innerhalb der Republikanischen Partei genannt.

Unterstützt durch konservative Lobbygruppen versuchen die Tea Party Neulinge die Republikanische Partei zur ihren Bedingungen zu verändern. Die Kompromissbereitschaft für einen parteiübergreifenden Budgetplan sinkt dramatisch. Jedweder Lösungsvorschlag von den Demokraten wird abgewiesen und als unzureichend deklariert. Es scheint, als ob ein Kompromiss von vornherein abgelehnt wird, da ihre hohen Forderungen von den Demokraten nicht unterstützt werden. Der Kompromiss selbst, also die Akzeptanz gegensätzliche Forderungen anzunehmen und eigene Überzeugungen zurückzustellen, wird in der Tea Party Bewegung als Schwäche ausgelegt.

Die Grand Old Party scheint zerrissen und in zwei Lager, der Politveteranen und der Neulinge, gespalten zu sein. Selbst eine Telefonkonferenz mit Tea Party Neulingen und dem republikanischen Haushaltssachverständigen, Paul Ryan, bringt beide Seiten auf keinen gemeinsamen Nenner. Doch der Druck auf die republikanische Führungsspitze zeigt eine erste Wirkung. Die Forderungen um Ausgabenkürzungen werden eine Woche später verdoppelt. Demnach würde die Umweltschutzbehörde ein um 30 Prozent geringeres Budget erhalten und die Forschung am National Institutes of Health reduziert werden. Die Bundesbehörde für Lebensmittelsicherheit würde aufgrund republikanischen Sparwillens weniger Kontrollen durchführen können. Rund 4.500 Polizisten würden landesweit entlassen werden. Programme zur Familienplanung würden aufgrund der Budgetkürzungen ihre Leistungen reduzieren. Aber auch republikanische Interessen, wie die Grenzsicherung und -überwachung, müssten mit weniger Geld auskommen. Es wäre die größte Budgetkürzung in der Geschichte der USA.

Die Demokraten im Senat wollen den republikanischen Gesetzesvorschlag zur Ausgabenreduzierung ablehnen und sehen Kürzungsmöglichkeiten der Bundesmittel bei nur 61 Milliarden US-Dollar innerhalb des laufenden Jahres. Die Republikaner scheinen mit ihren hohen Forderungen keine langfristigen wirtschaftlichen Ziele zu verfolgen, sondern schlicht die Ausgaben des Staates radikal kürzen zu wollen. Sie untergraben mit ihrem Vorstoß jedoch sozialdemokratische Prinzipien und die sozialstaatliche Fürsorgepflicht.

Nach Berechnung von Wirtschaftsinstituten, die den Demokraten nahestehen, könnten die radikalen Ausgabenkürzungen einen Verlust von 700.000 Arbeitsplätzen bis Ende 2012 verursachen. Das Wirtschaftswachstum würde sich um 0,2 und im darauffolgenden Jahr um 0,5 Prozentpunkte reduzieren. Für Barack Obama, der auf seine Wiederwahl 2012 hinarbeitet, sind die republikanischen Kürzungspläne ein politisches Debakel. Selbst mit den demokratischen Budgetplänen mit einer Ausgabenreduzierung von rund 61 Milliarden US-Dollar befürchtet er hohe Stimmenverluste bei den ärmeren Wählern. Wollte Obama ursprünglich das soziale Netz in den USA ausbauen, drohen ihm die republikanischen Hardliner seine Pläne sogar umzukehren. Und in dieser wirtschaftlich angespannten Lage die größte Ausgabenkürzung in der Geschichte der USA durchzuführen, sieht er als unsinnig und kontraproduktiv an.

Schon jeher setzten beide Parteien gegensätzlich stehende Prognosen von ihnen wohlgesinnten Ökonomen PR-wirksam ein, um eigene Forderungen zu untermauern oder Initiativen des politischen Gegners zu untergraben. Dass die Ergebnisse von demokratisch und republikanisch gesinnten Wirtschaftsfachleuten zumeist diametral entgegenstehen, überrascht nicht. So kommt der Wirtschaftsprofessor von der Stanford Universität, John Taylor, zu einer gänzlich anderen Prognose und sagt ein Jobwachstum, ausgelöst durch das republikanische Sparpaket, voraus. Gegenteiliger kann die Position des Präsidenten und der oppositionellen Republikaner also nicht sein. Obama will die mit 9,4 Prozent hohe Arbeitslosigkeit mit staatlichen Investitionsprogrammen bekämpfen, doch die Republikaner beißen sich an den Haushaltskürzungen fest. Bis zum 4. März muss ein Bundeshaushalt beschlossen sein, da sonst den USA ein Regierungsstillstand droht.

Obama stellt seinen eigenen Haushaltsentwurf am 14. Februar vor. Er weicht darin von seiner eigenen Linie ab und legt ebenfalls große Budgetkürzungen für einzelne Bundesinstitute vor. Damit geht er einen Schritt auf die Republikaner zu, setzt die Kürzungen jedoch sozial verträglicher an. So forderte er schon in seiner Rede zur Lage der Nation die Erhöhung des Renteneintrittsalters für Sozialhilfeempfänger und eine Reduzierung von Steuervergünstigungen bei Hypothekenzinsen. Die Forderung der Republikaner, die Einführung seiner Gesundheitsreform auf 2014 zu verschieben, lehnt er entschieden ab.

Doch nicht nur die Bundespolitik lässt die Bürger erahnen, welche politischen Grabenkämpfe in den kommenden Monaten ausgefochten werden sollen. Am 1. März 2011 rufen die Gewerkschaften in Wisconsin zu Streikposten auf. Sie demonstrieren gegen die feindseligen Bemühungen der lokalen Republikaner, die Rechte der Gewerkschaften einzuschränken und gleichzeitig Arbeitnehmerlöhne zu senken. Auch in anderen US-Staaten kommt es zu Demonstrationen. Angestellte der Sozialversicherungsbehörde Social Security Administration demonstrieren während einer verlängerten Mittagspause mit Flyern und Protestschildern gegen die republikanischen Pläne, Lohnkürzungen und Urlaubssperren von Bundesmitarbeitern durchzusetzen. Auf 75 Büros der Social Security Administration im ganzen Land werden die Demonstrationen ausgeweitet. Die Protestaktionen richten sich gegen die von den Republikanern geplanten Kürzungen im Budget der Sozialversicherungsbehörde um 1,7 Milliarden US-Dollar, während das Weiße Haus eine Erhöhung des bisherigen Budgets von 11,4 Milliarden US-Dollar auf 12,7 Milliarden US-Dollar durchsetzen möchte.

Auf einen Kampf gegen die Gewerkschaften richten sich speziell die großen Tea Party Gruppierungen ein. Die radikalkonservativen Mitglieder sehen in den Gewerkschaften eine unbequeme Macht, die die Lohnkosten der Staatsangestellten in die Höhe treibt. Der rechtskonservative Kampf gegen die Beamtenapparate ist zugleich ein Kampf gegen die Legitimität der Gewerkschaften, die sich wiederum mit aller Macht gegen die geplanten massiven Stellenstreichungen in den Bundesbehörden stemmen. Ging in den vergangenen Jahren die Washingtoner Politik mit den Interessen der Gewerkschaften zumeist konform, versuchen heute republikanische Kongressmitglieder deren Einflüsse zu tilgen. In der freien Wirtschaft können die Gehaltsunterschiede zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht Gewerkschaftsmitgliedern in den USA hoch ausfallen. Während unorganisierte Angestellte den Mindestlohn von 7,25 US-Dollar erhalten können, kann der Stundenlohn eines Gewerkschaftsmitglieds durchaus zwischen 14 und 21 US-Dollar betragen.

Scott Walker, der republikanische Gouverneur von Wisconsin, will die Gewerkschaften in seinem Bundesstaat schwächen und versucht mit einem gewerkschaftsfeindlichen Gesetzesvorhaben die Macht der Gewerkschaften zu brechen. Doch er könnte viele Wähler für die kommende Präsidentschaftswahl 2012 verprellen. Denn nicht alle Bewohner Wisconsins fallen auf seinem plumpen Populismus herein und sind für eine „Dämonisierung der Bundesangestellten“ verfänglich. Auch viele konservative Wähler stehen für die Grundrechte der Angestellten und Beamten auf gewerkschaftliche Organisation ein. Nach einer nationalen Umfrage sind die meisten Bürger gegen eine Schwächung der Tarifrechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Schon heute hat sich die Verhandlungsposition der Gewerkschaften deutlich verschlechtert, da sie seit Jahrzehnten mit sinkenden Mitgliederzahlen zu kämpfen haben. Doch die beginnenden Gewerkschaftskämpfe könnten eine neue Arbeiterbewegung ins Leben rufen und die Gewerkschaften neuen Mitgliederzulauf bescheren. Schon sprechen die Medien von einem neuen „Klassenkampf“, mit dem die Republikaner offenbar nicht gerechnet haben.

Die öffentliche Meinung steht nach drei Umfragen mehrheitlich hinter den Gewerkschaften und den öffentlichen Angestellten. Über 61 Prozent der Befragten sehen die Arbeit der Gewerkschaften positiv. Die schlechte Stimmungsmache der Republikaner gegen einen aufgeblähten Staatsapparat kommt in der Öffentlichkeit nicht überzeugend an und die ständigen Angriffe gegen Bundesangestellte bringen nachweislich Sympathien der Wähler für die staatlichen Angestellten ein. Zudem könnte die alte Kooperation zwischen den Gewerkschaften und den Demokraten wiederbelebt werden. In der Vergangenheit haben die Gewerkschaften wichtige Basisarbeit für die Demokratische Partei geleistet und zugleich ihren Einfluss in der Politik ausgebaut.

Zudem setzen die Gewerkschaften mit großangelegten E-Mail-Protestkampagnen ihrer Mitglieder und Radiospots in Washington D.C. die Kongressmitglieder beider Parteien unter hohen Druck. Doch Gouverneur Walker hält unbeirrt an seinen Plänen zur Reduktion der Behörden in Wisconsin fest. Nach seiner Meinung sind die Behörden in Wisconsin überfinanziert und sollen bis zu 12.000 Mitarbeiter entlassen. Sollten die Republikaner in Wisconsin eine solche radikale Rosskur durchführen können, werden weitere republikanisch geführte US-Staaten nachziehen, um die teilweise besorgniserregend hohen Haushaltsdefizite der einzelnen Bundesstaaten in den Griff zu bekommen. Auch daher ist zu erklären, warum ein lokaler Aufstand sich in solch kurzer Zeit in allen wichtigen Bundeshauptstädten ausbreiten konnte.

Die Angestellten der öffentlichen Einrichtungen auf lokaler und föderaler Ebene sind seit Neuaufstellung des Repräsentantenhauses 2010 Ziel von republikanischen Verbalattacken geworden und oftmals zum Sündenbock von ausufernden Budgetplanungen der einzelnen Behörden erklärt worden. Teilweise werden nicht selten in rechtskonservativen Medien die Behördenmitarbeiter als langsam und ineffizient dargestellt, was noch als harmloseste Beschreibung gilt.

Trotz der hohen Beteiligung an den Protestkundgebungen und den Versuchen der Demokraten das Gesetz zur Einschränkung des Tarifrechts zu verhindern, wird es durch die republikanische Mehrheit in Wisconsin Gesetz. Ein von den Gewerkschaften und den Demokraten eingeleitetes Abwahlverfahren des Gouverneurs Scott Walker scheiterte später ebenfalls.

Obama, der für seine leidenschaftlichen Wahlkampfreden von 2008 gefeiert wurde, verhielt sich trotz vorhandenen medienwirksamen Präsentationsmöglichkeiten auffällig still. Die Passivität des Präsidenten in der Haushaltsdebatte nehmen ihm nicht nur die linksliberalen Medien übel, sondern auch seine eigene Partei. Statt mit gewohnter Eloquenz taktiert Obama nur vorsichtig und beschwichtigend in der öffentlichen Debatte und reagiert auch auf Angriffe auf seine Gesundheitsreform nur mäßig. Für Obama kommt erschwerend hinzu, dass neue Berechnungen die Kosten seiner Gesundheitsreform weitaus höher prognostizieren als erwartet. Die Republikaner werden den Steuerzahlern die erhöhten Kosten als Steuergeldverschwendung darstellen und somit seinem bevorstehenden Wahlkampf erschweren. Nach den neuen Berechnungen müssen die Bundesstaaten bis 2020 zusätzliches Kapital von 20 bis 60 Milliarden US-Dollar bereitstellen. Die zu einem „Arbeitskampf“ ausartende Fehde zwischen Gewerkschaften und den Republikanern in Wisconsin konnte auch hier seine präsidiale Zurückhaltung nicht aufheben, wobei Wisconsin als Swing-State maßgeblichen Einfluss auf Obamas Wiederwahl haben wird. In den Medien wird Obama als Zuschauer von der Seitenlinie in der eskalierenden Haushaltsdebatte kritisiert. Allein seine Veto-Androhungen, um ein republikanisches Gesetzespaket zu verhindern, bringen keine Fortschritte in den Verhandlungen. Teilweise wird von einer Weigerung Obamas an den zähen Verhandlungen in den Medien gesprochen, da sie seinem Politikstil nicht entsprechen würden.

Als Swing-State bezeichnet man US-Staaten, die während der Präsidentschaftswahl eine hohe Wechselwählerschaft aufweisen, die zugleich einen großen Einfluss auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl haben. In den Swing-States werben beide Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und Republikaner besonders stark, da sie bei traditionell republikanisch oder demokratisch gesinnten US-Staaten keine große Umstimmung bei den Wählern bewirken können.

Government Shutdown USA 2013

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