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Zweiwöchiger Nothaushalt
ОглавлениеIn einem öffentlichen Brief unterschreiben am Dienstag, dem 1. März mehr als 300 Ökonomen einen Aufruf gegen die geplanten republikanischen Haushaltskürzungen, die nach deren Ansicht eine Erholung der Wirtschaft schade und die Wettbewerbsfähigkeit der USA für kurzsichtige Haushaltseinsparungen gefährde.
Die Bundeseinrichtungen ergreifen erste Maßnahmen, um einen Government Shutdown durchführen zu können. Präsident Obama versucht wenige Tage vor Ablauf der Frist am 4. März mit einem Notfallplan die Ausgabenkürzungen der Republikaner teilweise entgegenzukommen. Nach seinen Plänen sollen noch im laufenden Geschäftsjahr 4 Milliarden US-Dollar aus dem Bundeshaushalt herausgestrichen werden. Zudem plädiert er für eine Einfrierung der Löhne von Bundesangestellten für insgesamt fünf Jahre. Ein zehnminütiges Telefonat zwischen Obama und Boehner bringt jedoch keine Fortschritte in der Haushaltskrise. In der kurzen Konversation zwischen beiden Spitzenpolitikern beharrt Boehner auf größere Sparanstrengungen vonseiten der Demokraten.
Eine Zwei-Wochen-Schonfrist für weitere Verhandlungen über den US-Haushalt 2011 hält das Weiße Haus als zu kurz und fordert von den Republikanern einen weiteren Überbrückungshaushalt für einen gesamten Monat. Doch das Repräsentantenhaus legt am Dienstag, dem 1. März eine Abstimmung für einen zweiwöchigen Übergangshaushalt vor, der mit 335 zu 91 Stimmen angenommen wird. Nun liegt das zweiwöchige Ausgabengesetz beim Senat, der schnellstmöglich über den republikanischen Vorstoß entscheiden muss.
Am Mittwoch, dem 2. März votiert auch der Senat mit großer Mehrheit für den zweiwöchigen Nothaushalt. Gespräche waren zwischen den Verhandlungsführern nicht mehr geplant. Auf eine Änderung des Gesetzestextes wurde verzichtet. Am Mittwochnachmittag kommen die Verhandlungsführer der Demokraten im Weißen Haus zur Strategiebesprechung zusammen.
Am darauffolgenden Tag unterzeichnet Obama den Nothaushalt. Der zweiwöchige Nothaushalt ist bis zum 18. März befristet. Die Schonfrist von zwei Wochen ist für die Demokraten teuer erkauft worden. Sie stimmten einer Ausgabenkürzung von 4 Milliarden US-Dollar zu, die aus dem noch zu beschließenden Bundeshaushalt für 2011 aus den Sozialausgaben gestrichen werden sollen. Die Republikaner wollen mit dieser Minimalfrist die Demokraten zu weiteren Zugeständnissen in den Haushaltsverhandlungen zwingen.
Doch viele republikanische Senatoren und Mitglieder des Repräsentantenhauses sind skeptisch, dass die Demokraten zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen sind. Derweil verkaufen die radikalkonservativen Kongressmitglieder den zweiwöchigen Nothaushalt als Teilsieg über die Demokraten. Sie halten unverändert an ihren hohen Forderungen von insgesamt 61 Milliarden US-Dollar an Ausgabenkürzungen fest. Nach den für die US-Amerikaner so wichtigen Umfrageergebnissen, kommen beide Parteien nach der beinahe Abschaltung der Regierung schlecht weg.
Ein großer Konsens besteht in der Demokratischen Partei, dass die zweiwöchige Minimalfrist zu teuer erkauft wurde, da sie Kürzungen von 4 Milliarden US-Dollar in Bildungs- und Schulprogrammen auslöst. Trotz eines drohenden Regierungs- und Verwaltungsstillstandes stimmten einige Demokraten gegen den Nothaushalt. Bei den Republikanern waren es Vertreter der Tea Party Bewegung, die dieses Gesetzesvorhaben wegen zu geringer Einsparung ablehnten, darunter die Sprecherin der Tea Party Bewegung Michele Bachmann. Bekannte Spitzenpolitiker der Tea Party Fraktion, wie Ron Paul, nahmen wohl wissend einen Regierungsstillstand für ihre Belange in Kauf.
Auch wenn beide Parteien und das Weiße Haus bis zum 18. März kurzfristig etwas Verhandlungsspielraum gewonnen haben, droht das Finanzministerium die Schuldenobergrenze von 14,29 Billionen US-Dollar ohne Neuverschuldung im April bis spätestens Mitte Mai zu erreichen. Die nächsten Tage werden die politische Agenda der USA stark auf die Haushaltsverhandlungen beschränken. Die USA sind komplett mit sich selbst beschäftigt. „Eine Regierungsabschaltung alle paar Wochen ist nicht verantwortbar und es setzt unseren wirtschaftlichen Fortschritt in Gefahr“, sagt Obama in einer Radioansprache, die zugleich zum Dialog an beide Parteien auffordert. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklären der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner und der Minderheitsführer im Senat Mitch McConnell, dass die Republikaner auf das Sparpaket von 61 Milliarden US-Dollar von den Demokraten abwarten werden und keine weiteren Kürzungsvorschläge diesbezüglich vorgeben wollen. Mit diesem Statement macht John Boehner als Verhandlungsführer der Republikaner jedoch auch klar, dass seine Partei an ihrem Vorhaben, die 61 Milliarden US-Dollar aus dem laufenden Haushalt zu schneiden, festhalten wird.
In beiden Parteien mehren sich zuletzt die Stimmen, dass es ein frustrierendes Regieren sei, alle paar Wochen und Monate einen neuen Nothaushalt verabschieden zu müssen und einen Durchbruch in der Haushaltsdebatte nicht erzielen zu können. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die gewählten Volksvertreter ist laut einer Umfrage niedriger als während des Regierungsstillstandes Mitte der 1990er Jahre. Damals war die Wirtschaftslage jedoch nicht so langanhaltend prekär wie nach dem Platzen der Immobilienblase und des Bankencrashs von 2008.
Seit Obamas Amtsantritt fragen die Republikaner mit jedem Gesetzesvorhaben der Demokraten, wie sie neue Jobs schaffen und die hohe Arbeitslosenquote bekämpfen wollen. Die ständigen Angriffe auf Obamas Gesundheitsreform, die die Republikaner als „Job-Tötungs-Gesetz“ diffamieren, war eine erfolgreiche Strategie, um die Demokraten als Haushaltsdefizit-Partei hinstellen zu können. Sie bemängelten die hohen langfristigen Ausgaben im Sozialbereich, ohne auf die drängenden wirtschaftlichen Probleme des Landes zu reagieren. Doch nun, da die Republikaner seit den Wahlen im November letzten Jahres die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen, kann ihnen dieser Kritikpunkt selbst vorgeworfen werden. Mit ihrer harten Sparpolitik am Rande des staatlichen Zusammenbruchs, stellen sie selbst zehntausende öffentliche Stellen zur Disposition. Und eine Agenda zur Joboffensive legen sie dem Kongress nicht vor, denn die Defizitbekämpfung allein schafft keine neuen Arbeitsplätze.
Präsident Obama selbst scheint die Verhandlungen mit den Republikanern weiter zu scheuen und entsendet seinen Vizepräsidenten Joe Biden als Verhandlungsführer in die Gespräche, der im Dezember 2010 mit den Republikanern schon ein Steuerabkommen ausgehandelt hatte. Mit den Kongressführern beider Parteien pflegt Biden seit Jahren freundschaftliche Beziehungen. Biden selbst sieht es kritisch, das komplizierte Haushaltsproblem lösen und die kurzfristigen Finanzierungsmaßnahmen beenden zu können. Er wird gezwungen sein, weitere Kompromisse mit umfangreicheren Budgetkürzungen eingehen zu müssen. Biden muss versuchen, eine stabile Mehrheit der Demokraten im Senat für seine Verhandlungsergebnisse zu bekommen. Als geschickter und talentierter Verhandlungsführer muss er auch seine eigene Partei von schmerzlichen Einsparungen überzeugen.
Das Weiße Haus gibt zeitgleich mit Bidens Ernennung bekannt, dass auch der Stabschef des Weißen Hauses, William Daley, und Budget Direktor des Weißen Hauses, Jacob Lew, in die Verhandlungen mit den Kongressführern eintreten werden. Das Weiße Haus drängt, die lästige Haushaltskrise durch eine langfristige Haushaltsvereinbarung abhaken zu können. Schon einen Tag nach der Verabschiedung des Nothaushaltes treffen am Donnerstagnachmittag Biden mit dem Republikaner John Boehner, dem demokratischen Mehrheitsführer im Senat Harry M. Reid, dem republikanischen Minderheitsführer im Senat Mitch McConnell und der demokratischen Minderheitsführerin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi zu Gesprächen zusammen. Mit der Zustimmung des Weißen Hauses legt Biden ein erstes Angebot mit einem Einsparpotential von 6,5 Milliarden US-Dollar während des Treffens den Kongressführern vor. Doch für Boehner und McConnell ist diese Offerte zu gering und weisen sie als „inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen“ zurück.
Die Republikaner fordern für jede weitere Woche eines Nothaushaltes zwei Milliarden US-Dollar ein, bis die Demokraten einen Budgetplan zur Umsetzung der 61 Milliarden US-Dollar vorgelegt haben. Boehner selbst verspricht süffisant, nach einer erfolgreichen Abstimmung der republikanischen Ausgabenkürzungen und nach Unterzeichnung durch den Präsidenten eine gemeinsame Pressekonferenz mit Obama abhalten zu wollen, um die schmerzhaften Einsparungen der Öffentlichkeit verkünden zu wollen und Obama in dieser schwierigen Zeit öffentlich beizustehen. Nach dieser schamlosen Chuzpe des republikanischen Spitzenpolitikers beklagen die Demokraten, dass auch über den Weg der kurzfristigen Überbrückungshaushalte mit je 2 Milliarden US-Dollar Budgetkürzungen pro Woche, die Ausgabenkürzungen der Republikaner von insgesamt 61 Milliarden US-Dollar auch bald erreicht sein werden. Eine solche unberechenbare Politik und das ständige Regieren am Rande einer Regierungsabschaltung werden von einem Großteil der Abgeordneten und Senatoren als ein Versagen der politischen Elite des Landes angesehen. Die Demokraten sind von der Dreistigkeit der Republikaner erbost. In den Medien verkaufen die Republikaner den zweiwöchigen Nothaushalt als den Beginn der Haushaltssanierung.
Der Senat stimmt in der darauffolgenden Woche über zwei konkurrierende Haushaltsentwürfe der Republikaner und der Demokraten ab. Die Demokraten wehren sich weiter vehement gegen die von den Republikanern eingeforderten 61 Milliarden US-Dollar Budgetkürzungen, da sie die umfangreichen Kürzungen von Sozial- und Bildungsprogrammen für unangemessen halten und den ärmeren Bevölkerungsschichten des Landes einseitige Benachteiligungen einbringen, ohne dass wohlhabendere Wählergruppen ebenbürtige Kürzungen von staatlichen Programmen erfahren müssten. Der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, Gene Sperling, meint, dass die Demokraten „bereit sind, das Budget auf einer gemeinsamen Basis weiter zu senken“, wenn die Einsparungen in Bildung, Innovation und Forschung in richtiger Weise erfolgen. „Auf halbem Weg“, so Sperling, würde das Weiße Haus mit den Republikanern ein Einsparvolumen aus dem laufenden Haushalt, der noch sechseinhalb Monate finanziert werden muss, 51 Milliarden US-Dollar herauskürzen. Obama hatte den Republikanern in den ersten Haushaltsgesprächen ein Angebot von 100 Milliarden US-Dollar unter Berücksichtigung von sozialer Fairness zugesagt. Der demokratische Vorschlag würde die Finanzierungsmaßnahmen der Bundesbehörden nicht beschneiden und nur acht Regierungsprogramme betreffen. Darunter fallen der Finanzierungsfonds für historische Kunst des Smithsonian Institutions for Arts and Industries Building mit einem Volumen von 30 Millionen US-Dollar sowie der Stopp eines Programmes zur Förderung des High-Speed-Internets in den ländlichen Gegenden der USA mit einem Umfang von 29 Millionen US-Dollar. Das Bildungsministerium und die Federal Highway Administration würden zusammen eine Milliarde US-Dollar weniger für laufende Programme zur Verfügung erhalten. Die Republikaner wollen daraufhin den Vorschlag des Weißen Hauses prüfen und merken zugleich an, dass weiteres Einsparpotential in den Bundesbehörden vorhanden wäre.
In einer Gallup-Umfrage von Anfang März erklären 40 Prozent der befragten Bürger, dass die Defizitbekämpfung über die Staatsausgaben ein hohes politisches Ziel der Regierung sein sollte. Mit einer Mehrheit von 56 Prozent der Befragten soll jedoch die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze die höchste Priorität der Regierung sein. Leider ist in den letzten Monaten dieses politische Ziel von der Agenda beider Parteien verdrängt worden. Zum einen, weil die Republikaner meinen von ihrer Wählerklientel den Auftrag bekommen zu haben, die Staatsausgaben radikal zusammenstreichen zu müssen und zum anderen, weil die Republikaner durch ihre hohen Budgetkürzungsforderungen die Demokraten vor sich hertreiben können. Ein wirtschaftliches und politisch tragbares Konzept gegen die Arbeitslosigkeit haben beide Parteien sowie das Weiße Haus zurzeit nicht.
In der Haushaltsdebatte ist am Sonntag, dem 6. März weiter keine Einigung zwischen den Kongressführern in Sicht. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, keine ernsthaften Vorschläge für einen Bundeshaushalt vorzulegen. Der Republikaner Mitch McConnell beklagt die fehlende Einsicht der Demokraten für tiefgreifende Einschnitte in den Staatshaushalt, um die hohe Staatsverschuldung endlich bekämpfen zu können. In einem Fernsehauftritt gibt sich McConnell „nicht optimistisch“ einen gemeinsamen Budgetplan beschließen zu können, angesichts einer Regierungsabschaltung in nur wenigen Tagen. Derweil beschuldigen Demokraten die Republikaner unverantwortlich harte Einschnitte in Bildung- und Umweltprogramme durchsetzen zu wollen, bei gleichzeitig unangetasteten Verteidigungsausgaben. Die Republikaner fordern eine 15-prozentige Reduzierung des Head Start Programs, das zur Förderung der Vorschulerziehung zehntausende Kinder aus armen Familien dient. Demnach würden 218.000 Vorschulkinder betroffen sein und 16.000 Klassenräume leer bleiben. Weitere Einschnitte fordern die Republikaner im Federal Pell Grant Program zur Förderung von Studenten aus finanzschwachen Familien. Rund 1,7 Millionen Studenten wären von den Kürzungen betroffen.
In den liberalen Medien fragen sich die ersten Kommentatoren, ob die Republikaner mit ihrem Auftrag, das Haushaltsdefizit merklich zu reduzieren, durch solche Forderungen übertreiben. Eine Ausartung dieser radikalen Beschneidung sozialstaatlicher Verantwortung gegenüber transferabhängigen Bürgern dürfte laut Medien keine mehrheitsfähige Meinung der Wähler darstellen. Zudem wird in der aktuellen Debatte vergessen, dass die staatlichen Bildungsausgaben seit den letzten 30 Jahren am Schrumpfen sind. Wurden 1960 für Bildungsprogramme 20 Prozent des Bundeshaushaltes ausgegeben, fallen in diesem Jahr ohne die geplanten Einsparungen nur noch knapp zehn Prozent an. Die Tendenz, nach den Budgetverhandlungen zu schließen, ist weiter fallend. Zugleich besteht innerhalb dieser Sozialausgaben eine Schieflage in der Verteilung der Gelder. Während ältere Bürger durch Programme wie Medicare hohe Staatsausgaben genießen, erhalten jüngere Menschen in den USA weitaus weniger finanzielle Zuwendungen. Im Vergleich zu anderen westlichen wohlhabenden Ländern wie Deutschland, bauen die USA ihre Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Gesundheit, Umweltforschung und Wissenschaft stetig ab. Andere Finanzierungsmaßnahmen des Staates, wie die Einführung neuer Steuern, wie die vieldiskutierte Gassteuer, lehnen die USA konsequent ab. Mit ihrer Position, eine Defizitreduktion allein durch Einsparungen überwiegend in den Sozialausgaben vornehmen zu wollen, stellen die USA eine Sonderposition in der westlichen Welt dar.
Unter den Bundesangestellten wird der Stresspegel im Laufe der letzten Tage wieder angestiegen sein. Denn eine Einigung bis zum 18. März scheint wegen den großen Meinungsunterschieden nicht greifbar. Bei einer Regierungsabschaltung sind die Bundesangestellten die ersten Betroffenen schmerzhafter Einsparungen. Sie haben kein Anrecht auf Lohnfortzahlung während einer Zwangsbeurlaubung oder erhalten, auch wenn sie als „essentiell wichtig“ eingestuft werden und arbeiten gehen müssen, während des Government Shutdowns kein Gehalt. In den vergangenen Regierungsstillständen oder Teilabschaltungen von Bundesbehörden wurden die Tage des Zwangsurlaubes zumeist nachträglich ausgezahlt. Der Kongress muss jedoch eine Finanzierungsmaßnahme beschließen, um die betroffenen Bundesmitarbeiter für den Zeitraum zu entschädigen. Damit erhöht sich der finanzielle Schaden eines Regierungsstillstandes merklich.
Präsident Obama bleibt der Debatte zwischen den beiden Kongresshäusern weiter fern. Das Bild seiner Präsidentschaft als sozialliberaler Präsident scheint er nicht verteidigen zu wollen. Eine fehlende Unterstützung seiner Demokratischen Partei und die ständigen Angriffe der Republikaner auf den US-amerikanischen Sozialstaat werden ihm zur Last gelegt. Für Verwirrung sorgt Obama zusätzlich, indem er in einer wöchentlichen Radioansprache eine Einsparung von 1 Billion US-Dollar über die nächsten zehn Jahren ab dem kommenden Haushaltsjahr 2012 vorschlägt. Das klingt in den Ohren der Hörer erst einmal unglaubwürdig, da die Regierung und der Kongress nicht einmal für das laufende Geschäftsjahr einen gemeinsamen Haushaltsplan verabschieden können. Joe Manchin, der demokratische Senator aus West Virginia, kritisiert das Weiße Haus wegen der unterlassenen Führung des Präsidenten in den Haushaltsverhandlungen. Beide Parteien würden aneinander vorbeireden und sich nicht zuhören. Zudem bemängelt er die Pattsituation, die sich die Parteien selbst zuzuschreiben haben: „Die Wahrheit ist, beide sind richtig und beide Vorschläge werden scheitern. Schlimmer noch, jeder weiß, dass sie im Kongress scheitern werden. “
Die Positionen beider Parteien liegen im Grunde knapp 50 Milliarden US-Dollar auseinander. Während die Republikaner die von Obama zugesprochenen 100 Milliarden US-Dollar einsparen wollen, kommen ihnen die Demokraten mit 51 Milliarden US-Dollar entgegen. Das laufende Haushaltsbudget für 2011 liegt bei 1,117 Billionen US-Dollar. Mit den schon erreichten Einsparungen aus den letzten Nothaushalten, fordern die Republikaner eine Einsparung von noch 91 Milliarden US-Dollar.
Am Montag, dem 7. März ist eine Einigung über die Kürzung der 4 Milliarden US-Dollar im Kongress erreicht worden. Sie wurde notwendig, da im zweiwöchigen Nothaushalt diese Budgetkürzung beschlossen wurde, jedoch nicht an welcher Stelle im Bundeshaushalt gespart werden sollte. Die Kürzungen betreffen ausschließlich soziale Regierungsprogramme und Zuwendungen für Arme und Bedürftige in den USA. So werden beispielsweise 15 Prozent vom Head Start Program gestrichen, die 1,1 Milliarden US-Dollar Einsparungen einbringen.
Diese Kürzungen werfen Fragen der vernünftigen Mittelverwendung der Bundesregierung auf, die ausschließlich die Ärmsten und Jüngsten der Bevölkerung treffen und eine Chancengleichheit durch bessere Bildung in den USA erschwert. Finanzexperten sind zudem schockiert von der Tatsache, dass die ursprüngliche Forderung der Republikaner, einen aufgeblähten und „ineffizienten“ Staatsapparat zu bekämpfen, nichts mit diesen Kürzungen zu tun haben. Das von der Bevölkerung sehr gut angenommene Head Start Program verhalf nachweislich hunderttausenden US-Amerikanern zur besseren Bildung und es ist keine Mittelverschwendung festgestellt worden. Die Medien werfen auch die Frage auf, wie ein sozialliberaler Präsident eine solche Kürzung mittragen kann.
Eine auch von den Neulingen der Tea Party Bewegung angestoßene Schulreform bringt eine neue Konfliktsituation hervor. Denn die radikalkonservativen Kongressmitglieder wollen die Investitionen des Staates in ihrer Schulreform entscheidend beschneiden. Obama hingegen möchte das bestehende No Child Left Behind Act ausbauen. Große Defizite zwischen den einzelnen Schulen sind laut den neusten Testergebnissen besorgniserregend, da auf den Lerngebieten wie Lesen, Schreiben und Mathematik ein Großteil der Schüler große Defizite aufweist.
Das „No Child Left Behind Act“ ist unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush 2002 ins Leben gerufen worden und soll einheitliche Mindestschulleistungen in den Schulen der USA erfassen, auswerten und bei entsprechend schlechten Schulergebnissen Sanktionen nach sich ziehen, die bis zur Schließung der Schulen führen können. Nach neusten Schätzungen aus dem März 2011 könnte jedoch ein Großteil der öffentlichen Schulen die vorgegebenen Ziele verfehlen, die sich durch die Kürzungen von Vorschulprogrammen weiter erschweren werden.
Am Mittwoch, dem 9. März lehnt der Senat beide vorgelegten Gesetzespakete der Republikaner und der Demokraten ab. Die Verhandlungsführer werden daraufhin gebeten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und einen Kompromissvorschlag zu erarbeiten. Vonseiten der Republikaner sind jedoch keine Verhandlungstermine bekannt. Die demokratischen Spitzen des Kongresses finden sich am Mittwochnachmittag im Weißen Haus zu einer Sondersitzung zur weiteren Strategiebesprechung zusammen. Der von den Republikanern eingebrachte Budgetplan war um 61 Milliarden US-Dollar wie angekündigt in Bildung, Energie und Umwelt beschnitten worden und wurde mit deutlicher Mehrheit der demokratischen Senatoren abgelehnt. Der von den Demokraten vorgebrachte Budgetplan mit weniger als 5 Milliarden US-Dollar Einsparpotential erzielt mit 42 zu 58 Stimmen ebenfalls keine Mehrheit. Aus der Fraktion der Demokraten stimmen elf Senatoren gegen den eigenen Budgetplan und zeigen damit auf, dass auch eine Uneinigkeit in der Demokratischen Partei herrscht. Die einzige Gemeinsamkeit ist, so stellt Budgetdirektor des Weißen Hauses Jack Lew folgerichtig am Mittwoch fest, dass beide Seiten den Regierungsstillstand verhindern wollen, diesen aber gleichzeitig durch ihre Kompromisslosigkeit auslösen würden.
Der Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses, der Republikaner Kevin McCarthy, beklagt, dass der von Obama ernannte Verhandlungsführer im Haushaltsstreit, Vizepräsident Joe Biden, sich gerade in Russland aufhält und damit nicht an den Haushaltsverhandlungen teilnehmen kann. Der Republikaner Eric Cantor gibt resigniert bekannt, dass der Präsident sich nicht an den Haushaltsverhandlungen beteiligen mag. „Aber wo ist der Vizepräsident?“ und gibt damit am besten die Empörung der Republikaner über die verbesserungswürdige Verhandlungsbereitschaft des Weißen Hauses wieder.
Die Republikaner bemängeln auch, dass der Senat nicht die nötige Mehrheit unter den Demokraten zusammenbringen kann, um überhaupt einen Haushaltsplan mit einer bedeutenden Einsparung für das laufende Geschäftsjahr zu beschließen. Innerhalb der Demokraten gibt es viele Abgeordnete und Senatoren, die generell gegen jegliche Einsparungen sind, auch weil die Republikaner Budgetkürzungen nur in Bereichen wie Bildung und Umweltschutz vornehmen wollen. Die Demokraten sehen hier ihre Grundprinzipien verletzt und können diese auch vor ihren Wählern nicht vertreten. Damit der Kongress nicht plötzlich wieder einem Aktionismus kurz vor Fristende verfällt, fordern die Demokraten vom Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, seine Neulinge der Tea Party Bewegung in seiner Fraktion zu bändigen und diese zu einer akzeptablen Ausgabenkürzung zu bewegen, die auch der Senat mittragen kann.
Auch am Montag, dem 14. März scheint eine Einigung zwischen beiden Parteien nicht erreicht zu werden. Die sich wieder zuspitzende Haushaltskrise spiegelt sich auch in den Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen wider. Unternehmen, die überwiegend von staatlichen Aufträgen leben, sind verunsichert und stellen ihrerseits Investitionen zurück. Bundesmitarbeiter fürchten um einen Regierungsstillstand und einem sich anschließenden unbezahlten Zwangsurlaub. Die finanzielle Unsicherheit schürt Ängste über die Bezahlung von Hypothekenzinsen und Kreditkartenabrechnungen, die bei ausbleibenden Wochenlöhnen desaströse Schuldenprobleme der Bundesangestellten auslösen können. Auch unter den Staatsbeamten haben viele Mitarbeiter keine Rücklagen gebildet, wie in den gesamten USA der Konsum zumeist über Kleinkredite und Kreditkartenzahlungen finanziert wird. Vor dem letzten Regierungsstillstand von 1995 und 1996 sind Meldungen über Zahlungsprobleme von Bundesmitarbeitern bekannt geworden, die durch ausbleibende Gehälter ihre Hypothekenzinsen oder Kreditkartenabrechnungen nicht mehr begleichen konnten. Urlaubsreisen wurden aus Angst vor einem nahenden Geldengpass storniert, Aufträge an Unternehmen zurückgezogen oder ausgesetzt, Verträge und Ausschreibungen verzögert. Die seit Monaten anhaltende Budgetschlacht zwischen den Demokraten und den Republikanern kostet viel Geld und Vertrauen. Mit dieser innenpolitischen Pattsituation beeinträchtigen die Kongressmitglieder beider Kammern die wirtschaftliche Erholung der USA nach der Immobilien- und Bankenkrise. Ein Regierungsstillstand könnte sogar den leichten wirtschaftlichen Aufschwung in eine Rezession umkehren.