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Dreiwöchiger Nothaushalt

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Am Dienstag, dem 15. März wird im Repräsentantenhaus ein Budgetvorschlag mit 271 zu 158 Stimmen verabschiedet. Die Abgeordneten stimmen mehrheitlich für einen weiteren Nothaushalt für drei Wochen mit einer Einsparung aus dem laufenden Haushalt von 6 Milliarden US-Dollar zu. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, fordert den Senat auf, dem Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses ebenfalls zuzustimmen, da ein Regierungsstillstand „schädlicher für unsere wirtschaftliche Erholung“ ist und daher notgedrungen zu verabschieden sei. Carney äußert sich jedoch besorgt, um die vielen kurzfristigen Notlösungen und Haushaltskrisen, die endlich „in einer sinnvollen Art und Weise“ zu beenden seien. Unter den Demokraten wie auch unter den Republikanern werden die Stimmen für einen endgültigen Haushaltsbudgetplan 2011 lauter. Für beide Seiten ist eine solche blamable Strategie der ständigen Nothaushalte ein desaströses Ergebnis. Der Republikaner Allen West aus Florida bringt das Treiben auf den Punkt: „Wir fangen an ein wenig wie inkompetente Idioten auf das amerikanische Volk (…) auszusehen.“

Kurz vor Ablauf der Frist wird mit einer Mehrheit der Senatoren der Gesetzesentwurf aus dem Repräsentantenhaus im Senat am Donnerstagnachmittag beschlossen. Dem Präsidenten wird das Ausgabengesetz am Donnerstagabend überreicht. Obama unterzeichnet am Freitagmorgen den dreiwöchigen Nothaushalt. Dieser endet am 8. April und erneut haben die Kongressmitglieder aus beiden Kammern sowie das Weiße Haus etwas Zeit gewonnen, um einen längerfristigen und für alle Seiten akzeptablen Bundeshaushalt für das Jahr 2011 zu beschließen.

Der Minimalkonsens bringt neue Kürzungen mit sich, die sich auf doppelte Regierungsprogramme auswirken und überfinanzierte Vorjahresbudgets reduzieren sollen. So wird das Budget des US-Zensus auf 1,74 Milliarden US-Dollar gekürzt und Gelder, die für die Volkszählung 2010 zurückgestellt worden waren und nicht mehr benötigt werden, gestrichen. Subventionen für die Stahlindustrie werden ebenso gestrichen wie nationale Entwicklungsprogramme für den Ausbau des digitalen Rundfunks.

Doch auch wenn es für Boehner nach einem wiederholten Teilsieg der Republikaner über die Demokraten und eine weitere Budgetkürzung von 6 Milliarden US-Dollar aussieht, so hat er doch erhebliche Probleme gehabt, überhaupt dieses Gesetzesvorhaben mit ausreichenden Stimmen der gemäßigten Republikaner durchzuführen. Es haben mehr Republikaner gegen das Vorhaben gestimmt, als in der vorherigen Abstimmung zum zweiwöchigen Nothaushalt. Die Stimmen mehren sich, endlich eine umfassende Budgetkürzung auf den Weg zu bringen. Boehner muss nun beweisen, dass er in drei Wochen einen besseren Abschluss erzielen und seinen radikalkonservativen Parteiflügel mit einbeziehen kann. Denn auch die zusammen 10 Milliarden US-Dollar Kürzungen sind von einem Großteil der Tea Party Mitglieder abgelehnt worden. Die republikanische Sprecherin der Tea Party Fraktion, Michele Bachmann, hatte gegen beide Notlösungen gestimmt, da diese in ihren Augen zu geringe Einschnitte in den Bundeshaushalt auslösen. Sie hätte bei einer Mehrheit der Nein-Sager in beiden Kammern einen Regierungsstillstand ausgelöst und auch in Kauf genommen. Denn zunehmend werden auch die 87 Neulinge des erzkonservativen Flügels desillusionierter im Kampf gegen das Staatsdefizit. Innerhalb der Republikaner dürfte der Kampf der alteingesessenen und auf einen Kompromissvorschlag hinarbeitenden Parteimitglieder gegen die Neulinge bald heftiger ausbrechen. Boehner muss nun zwischen beiden Fraktionen in seiner Partei vermitteln und ein neues Ausgabengesetz in drei Wochen ausarbeiten sowie die schwer kontrollierbaren Tea Party Anhänger besänftigen. Er weiß, dass eine weitere Kürzung in kleinen Schritten nicht mit den Neulingen umzusetzen sein wird. Eine Revolte innerhalb der republikanischen Partei will Boehner auf jeden Fall vermeiden. Nach einer neuen wöchentlichen Umfrage sieht die Mehrheit der US-Amerikaner die Republikaner als klare Schuldige eines drohenden Regierungsstillstandes. Denn auch die Wähler sehen die zunehmend radikaler auftretenden Republikaner mit Unbehagen. Der festzementierte und als alternativlos dargestellte Kürzungswahn des erzkonservativen Flügels der Republikaner bricht auch das seit Jahrzehnten bestehende Konsenssystem der US-amerikanischen Innenpolitik auf, auch wenn viele die alte Hinterzimmerpolitik immer mit Argwohn betrachtet haben. Doch mit einem Konsensergebnis war der Wähler durchaus zufrieden, da beide Parteien ihre Wählerschaft mit Zuwendungen gleichermaßen bedachten. Nun sehen sie eine radikale dritte Partei entstehen, die dieser Konsenspolitik entgegensteht und abschaffen will. Dass die Tea Party Mitglieder dabei das gesamte politische System des Checks and Balances in eine Dysfunktion zwingen, nehmen sie billigend in Kauf.

Und obwohl Boehner mit der Tea Party Bewegung durchaus Gemeinsamkeiten sieht, kann er bei einer zu rechten Auslegung der republikanischen Politik keine langfristige und nachhaltige Politik mit den Demokraten führen. Sollte er sich wiederum den Demokraten und deren sozialliberalen Flügel annähern, könnte Boehner eine Revolte unter den Neulingen auslösen, die seiner eigenen politischen Karriere das Aus bedeuten könnte. Im schwerwiegendsten Fall könnte es die Spaltung der Republikaner herbeiführen, da auch die Kompromissbereiten sich gegen die Dogmatiker auflehnen würden. Boehner führt eine in sich zerrissene Partei ohne klare Linie. Zwar überlagert die rechte Fraktion mit ihrem schrillen Auftreten die gesamte Partei, doch fühlt sich nicht einmal die Hälfte der Republikaner ihr zugeneigt.

Barack Obama muss sich nun aktiver in die Haushaltsdebatte einschalten und auf John Boehner zugehen. Das Weiße Haus hatte in den vergangenen Monaten einen alternativen Budgetplan verfasst, es aber versäumt mit Nachdruck dafür zu werben. Obama selbst muss Ausgabenkürzungen verkünden, die auch seiner Wählerklientel nicht gefallen wird. Hatte das Weiße Haus die Strategie der Nichteinmischung nun lange aufrechterhalten können, so muss es nun eine Teilschuld an dieser Misere anerkennen. Denn auch die Demokraten und das Weiße Haus müssen den Wählerwillen aus den Wahlen des Repräsentantenhauses von 2010 respektieren und ihre Ausgabenpolitik zumindest überdenken. Obama wird gezwungen sein, seine Innenpolitik für die nächsten Jahre der Öffentlichkeit vorzustellen.

Am 21. März schreiben 64 Tea Party Abgeordnete einen offenen Brief an ihren Präsidenten Barack Obama und fordern ihn auf, endlich weitreichende Kürzungen im laufenden Bundeshaushalt innerhalb der drei Wochen des Nothaushaltes vorzulegen. Die Neulinge wollen langsam den öffentlichen Druck auf den Präsidenten und auf die Demokraten erhöhen und ihre Fundamentalopposition ausbauen.

Eine Woche zuvor kamen der Sprecher des Repräsentantenhauses John Boehner und der republikanische Minderheitsführer des Senats Mitch McConnell überein, die Anhebung der Schuldenobergrenze an den Haushalt 2011 und 2012 koppeln zu wollen, um weitreichende Kürzungen herausholen zu können. Zudem soll eine Verfassungsänderung durch McConnell ins Spiel gebracht worden sein, die einen ausgeglichenen Bundeshaushalt erzwingen würde. Alle Einnahmen des Staates müssten dann alle Regierungsausgaben zu hundert Prozent finanzieren. Eine Neuverschuldung würde nur durch besondere Ereignisse, wie dem Ausbruch eines Krieges, möglich sein. Prompt fordern Demokraten die Anhebung der Kreditobergrenze nicht an Bedingungen zu knüpfen. Damit würde ein innenpolitischer Streit nun auch internationale Auswirkungen erreichen, der das Ansehen der USA massiv beschädigen würde. Ein Zahlungsausfall der USA würde laut Finanzminister Geithner schädlichere Auswirkungen haben als die Finanzkrise von 2008 und 2009. Er fordert beide Seiten auf, die Schuldenobergrenze um 738 Milliarden US-Dollar für das laufende Geschäftsjahr zu erhöhen. Doch zugleich fordern die Tea Party Mitglieder eine sofortige Umsetzung der Verfassungsänderung, sodass die Summe der Neuverschuldung von 738 Milliarden US-Dollar komplett aus dem laufenden Bundeshaushalt gekürzt werden müsste. Damit würden die USA 70 Prozent in allen nicht sicherheitsspezifischen Bundesbehörden und -programmen Kürzungen vornehmen. Der Staat würde faktisch keine elementaren Aufgaben mehr vollständig übernehmen können.

Doch die Forderungen gehen noch weiter. Für jede weitere Anhebung der Schuldenobergrenze sollen im gleichen Umfang Budgetkürzungen vorgenommen werden. Für die US-Amerikaner würden die harten Einschnitte in 2012 also fortgesetzt werden. Doch die radikalkonservative Forderung wird keine Reduzierung der Neuverschuldung erwirken, wenn man die höchstwahrscheinlich daraus resultierende Rezession nicht einmal mit einrechnen würde. Auch ein hart gekürzter Bundeshaushalt würde den Schuldenstand des Staates nicht verringern. Der von der Tea Party Bewegung losgetretene Kampf gegen das Haushaltsdefizit ist zugleich kein Garant, die hohe Arbeitslosigkeit von 9,0 Prozent zu bekämpfen. Der überwiegende Teil der Wirtschaftsexperten geht von einer größeren Entlassungswelle nach den von den Tea Party Mitgliedern geforderten radikalen Haushaltskürzungen aus.

Damit weitet sich die Budgetkrise auf die Schuldenobergrenze aus. Beides sind verschiedene Finanzierungsmaßnahmen, da ein beschlossener Bundeshaushalt nur zum Teil durch die Steuereinnahmen des Staates finanziert werden kann und daher das Finanzministerium neue Kredite aufnehmen muss. Das Finanzministerium der Vereinigten Staaten, das United States Department of the Treasury, steht jedoch nur ein vom Kongress regelmäßig neu beschlossenes Kreditlimit zur Neuverschuldung zur Verfügung. Diese Kreditobergrenze würde nun bald erreicht werden, weil das Finanzministerium keine weitere Erlaubnis zur Neuverschuldung mehr hat. Die Republikaner sehen darin eine legitime Möglichkeit, die Demokraten zu weiteren Zugeständnissen zu zwingen, doch verkomplizieren sich die Verhandlungen dadurch abermals erheblich.

Geithner wird versuchen, die Anhebung der Schuldenobergrenze vom errechneten Termin Mitte März, durch das Anzapfen von nicht benötigten Rückstellungen auf den 31. Mai zu verschieben. Damit bleibt dem Kongress mehr Zeit für eine gütliche Einigung im Schuldenstreit zur Verfügung. Finanzexperten sind sich einig, dass die Ausweitung der Haushaltskrise auf die Schuldenobergrenze die Kreditwürdigkeit der USA stark beeinträchtigen wird, auch wenn eine Lösung gefunden werden sollte.

Dabei ist der Kampf um die Schuldenobergrenze keine reine Idee der Tea Party Bewegung, sondern auch eine Strategie der Demokraten unter der Präsidentschaft von George W. Bush. Im Kongress forderte 2007 die Demokratin Nancy Pelosi, erste weibliche Sprecherin des Repräsentantenhauses, vom damaligen Präsidenten George W. Bush „einen Gesetzesentwurf zur allgemeinen Krankenversicherung für alle US-Amerikaner“. „Unter keinen Umständen wird die Schuldenobergrenze angehoben werden“, so Pelosi, wenn die demokratischen Forderungen nicht angenommen werden sollten. Die Schuldenobergrenze wurde später auch ohne eine allgemeine Krankenversicherung für alle US-Amerikaner angehoben, doch zeigt dieses Beispiel, dass auch in der Vergangenheit mit harten Bandagen für ideologische Überzeugungen gekämpft wurde.

Für die nächsten Monate kündigt sich neues Konfliktpotential an. Eine parteiübergreifende Initiative von mehreren Dutzend Kongressmitgliedern aus dem Senat und dem Repräsentantenhaus fordert das Weiße Haus auf, die notwendigen Reformen von Medicaid und Medicare noch in diesem Jahr auf dem Weg zu bringen. Die Kosten dieser beiden Gesundheitsprogramme sollen gesenkt und die Bürokratie abgebaut werden. Trotz dieser gemeinsamen Initiative von Demokraten und Republikaner dürften sie inhaltlich jedoch jeweils andere Reformziele anstreben. Denn die Republikaner wollen die Behandlungskosten zu größeren Teilen an die Versicherten weitergeben und damit die Eigenleistung erhöhen.

Auch eine dringend notwendige Steuerreform soll bis Ende des Jahres erarbeitet werden, um nach Ansicht der Demokraten die Belastung der Steuerzahler gerechter zu verteilen und reiche US-Amerikaner höhere Steuern zahlen zu lassen.

Bei den Republikanern wird noch intern über die Höhe der Kürzungen debattiert. Die Tea Party Fraktion lehnt eine vom republikanischen Abgeordneten Paul Ryan im Februar vorgestellte und mit 32 Milliarden US-Dollar reduzierte Haushaltsvorlage als unzureichend ab und verbleibt bei ihrer Verdopplung der Sparanstrengung von 61 Milliarden US-Dollar. Diese Haushaltsvorlage fällt demnach 100 Milliarden US-Dollar kleiner aus, als das Weiße Haus für den Haushalt für 2011 ursprünglich erachtet hatte (Berechnung auf Grundlage der Finanzierung des US-Bundeshaushaltes von 2010).

Ein von den Demokraten vorgelegter Budgetplan mit einer 20 Milliarden US-Dollar Einsparung soll Ende März den Republikanern vorgelegt werden. Der demokratische Vorschlag würde den Budgetplan von Paul Ryan sehr nahe kommen. Zusammen mit den 10 Milliarden US-Dollar Zwangskürzungen aus den letzten zwei Nothaushalten, erreichen die moderaten Republikaner ihr Sparziel von 30 Milliarden US-Dollar. Einig sind sich beide Seiten nur, dass bis zum 8. April ein umfassender Deal ausgearbeitet und keine kurzfristigen Notlösungen mehr als Verhandlungsergebnis akzeptiert werden sollen.

In den Budgetverhandlungen wird auch die Gruppe der „Gang of Six“ eine erhebliche Rolle spielen, die aus der gleichen Anzahl von Demokraten und Republikanern besteht und versucht, das Haushaltsdefizit von 14 Billionen US-Dollar zu verringern. Ihre Arbeit basiert auf den Vorschlägen der vorherigen Bowles-Simpson-Schuldenkommission und soll einen Kompromiss zwischen beiden zerstrittenen Lagern durch angemessene Kürzungen in allen Ausgabenbereichen vermitteln. Die Bowles-Simpson-Kommission bestand aus dem Demokraten Erskine Bowles und dem Republikaner Alan Simpson. Ihr ausgehandelter Budgetplan sollte bis 2020 knapp 4 Billionen US-Dollar an Staatsschulden reduzieren. Doch der Plan wurde aufgrund von Parteienstreitigkeiten nicht verwirklicht.

Währenddessen eröffnet die größte Gewerkschaft für Angestellte des öffentlichen Dienstes, die American Federation of Government Employees, eine Kampagne für den Erhalt von Arbeitsplätzen in öffentlichen Ämtern und den Verzicht auf radikale Budgetkürzungen von Regierungsprogrammen in mehreren wichtigen Bundesstaaten der USA. Sie fordern eine angemessene Budgetkürzung und die Berücksichtigung der Interessen von Bundesangestellten. Die Gewerkschaft ruft ihre Mitglieder dazu auf, Protestbriefe an ihre Volksvertreter zu verfassen und andere Mitbürger für dieses Thema zu sensibilisieren. In der Kampagne, die auf knapp 100 Radiostationen im gesamten Land zu hören ist, wird zudem vor einem Regierungsstillstand gewarnt, der hunderttausende Bundesmitarbeiter in den unbezahlten Zwangsurlaub versetzen würde.

In einer geschlossenen Tagung der Republikaner im Repräsentantenhaus soll John Boehner über die stockenden Verhandlungen mit den Demokraten den Ausspruch gesagt haben: „Wir werden [den Demokraten; Anm. d. A.] in den Arsch treten“. Damit bringt Boehner über die fortlaufende Ablehnung der Demokraten auf weitreichendere Ausgabenkürzungen seinen Frust zum Ausdruck und zugleich seine Unnachgiebigkeit, keine Zugeständnisse den Demokraten geben zu wollen, neuen Nachdruck. Der Druck soll auf die Demokraten erhöht werden. So wollen die Spitzen der Republikaner weiter auf ihre Forderung von 61 Milliarden US-Dollar bestehen bleiben und auf das demokratische Angebot von 20 Milliarden US-Dollar Ausgabenkürzungen nicht eingehen.

Neben der überparteilichen Gruppe der „Gang of Six“, versucht auch der republikanische Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Paul Ryan, einen weiteren Haushaltsvorschlag zu erarbeiten. Seinen Budgetplan will er wenige Tage vor dem Fristende dem Kongress vorstellen.

Derweil machen die Tea Party Aktivisten wieder auf sich aufmerksam. Am Mittwoch, dem 30. März schlagen sie medienwirksam eine große handschriftliche Nachricht an die Tür des Capitols, gerichtet an den Mehrheitsführer im Senat, dem Demokraten Harry M. Reid. Der Demokrat Reid ist einer der größten Gegner des republikanischen Haushaltsvorschlages mit einer Budgetkürzung von 61 Milliarden US-Dollar, der im Senat keine Mehrheit bekommen hatte. Die Aktivsten geben Reid persönlich die Schuld für die schlechte Abstimmung des republikanischen Budgetvorschlages und fordern ihn auf, seine ständigen „Pflichtverletzungen“ zu beenden. Weitere Kundgebungen gegen einzelne Demokraten, die sich öffentlich gegen die 61 Milliarden US-Dollar Kürzung bekennen, werden angedroht. Innerhalb der Republikanischen Partei treten weitere Tea Party Gruppierungen, wie die Tea Party Patriots, in Klausurtagungen auf. Ihre bekannteste Sprecherin, Michele Bachmann, spricht von einem „Versagen des Senats“, da dieser keine notwendigen und weitreichenden Kürzungen zur Abstimmung vorgelegt hat.

Am Mittwoch, dem 30. März ist eine Resolution im Repräsentantenhaus eingegangen, die eine Aussetzung der Gehälter der Kongressmitglieder und des Weißen Hauses während eines Regierungsstillstandes erwirken soll. Damit werden die Volksvertreter und der Präsident zukünftig auch persönlich in Haftung genommen, wenn keine Einigung im Haushaltsstreit zustande kommen sollte. Ob diese Gesetzesvorlage mit dem US-amerikanischen Verfassungsrecht übereinstimmt, wird noch geprüft. Der Senat wird laut Reid eine eigene Gesetzesvorlage zum Gehaltsverzicht der Kongressmitglieder ausarbeiten. Zugleich wird nochmals die republikanische um 61 Milliarden US-Dollar gekürzte Haushaltsvorlage verabschiedet, die auch weiterhin keine Mehrheit im Senat finden wird und daher nur symbolischen Charakter hat. Einzelne Demokraten sprechen offen von „Lösegeldforderungen“ der Republikaner.

Zwar kann das Repräsentantenhaus Gesetzesinitiativen verabschieden, die auch ohne Zustimmung des Senats rechtskräftig werden, doch streiten sich Abgeordnete, ob die Befugnisse des Repräsentantenhauses durch diese Gesetzesinitiative überschritten werden. Gemeint ist: Artikel I, Abschnitt 5, Absatz 2 der Verfassung, die Sanktionierungen gegen Kongressmitglieder in der Geschäftsordnung durchaus zulassen. Die Fragen um die Verhältnismäßigkeit der Bestrafung bei einem schädigenden, „ungeordneten“ Verhalten von Mitgliedern sind gänzlich ungeklärt.

Am selben Tag erklärt auf einer Pressekonferenz der Verhandlungsführer des Weißen Hauses, Joe Biden, dass es zu einer vorläufigen Einigung zwischen Boehner und ihm im Haushaltsstreit gekommen sei. Auf dieser Grundlage ist die Ausarbeitung eines Gesetzestextes nicht mehr weit. Doch die Zuversicht, das Budgetproblem langfristig und schnellstmöglich zu lösen, ist am darauffolgenden Tag schon wieder verflogen. Boehner verkündet am Donnerstag, dem 31. März auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz im Capitol, dass es zu keiner, wie tags zuvor vom Vizepräsident Biden optimistisch behauptet wurde, nahen Einigung zwischen beiden Parteien gekommen ist und auch keine Absprachen mit Biden gemacht wurden. „Es gibt keine Einigung über die Zahlen“, sagt Boehner. Damit tritt Boehner die Flucht nach vorn an, um einer nahen vorläufigen Einigung ohne Mitwirkung der Tea Party Mitglieder entgegenzutreten. Dass er dabei den Verhandlungsführer Biden bloßstellt, nimmt Boehner in Kauf. Selbst wenige Minuten zuvor verkündete der Mehrheitsführer im Senat, Harry M. Reid, eine nahe Vereinbarung mit den Republikanern stehe bald bevor. John Boehners Furcht vor einer Revolte seiner radikalkonservativen Fraktion, die innerhalb der republikanischen Partei intensive Lobbyarbeit für eine 100 Milliarden US-Dollar Kürzung betreibt und einzelne republikanische Kongressmitglieder unter Druck setzt, ließ ihn diesen Weg gehen. Denn der Sprecher des Repräsentantenhauses muss um seine eigene Abwahl fürchten, falls zu viele Republikaner seinen Verhandlungsweg nicht mitgehen sollten. Die Aussagen um eine vorläufige Einigung kamen eindeutig zu früh und für Boehner daher ungelegen. Sollte er sich zu sehr an die Demokraten angenähert haben, so müsste er einen Aufschrei des rechten Parteirandes befürchten. Auf der Pressekonferenz betont Boehner zugleich, nur begrenzte Möglichkeiten zu haben, um Druck auf die Demokraten ausüben zu können. Auf die Demokraten müsse laut Boehner auch zugegangen werden, da die Republikaner nur eine Mehrheit in den beiden Kongresskammern stellen. Damit gibt er auch zu verstehen, dass es ohne einen Kompromiss mit den Demokraten und einer republikanischen Kompromissbereitschaft zu keiner Einigung kommen wird.

In den Medien wird Boehners Dementi fassungslos bis wütend kommentiert. Die Frage, ob mündliche Absprachen aus den Hinterzimmern des Kongresses nun gar nichts mehr bedeuten, graut selbst konservativen Medien. Dass Boehner die Zusagen gemacht hat, davon geht ein Großteil der Medien aus. Er hätte nur ein vorläufiges Stillschweigen mit Biden vereinbaren sollen.

Um den Druck auf ihren Sprecher zu erhöhen und ihn an seine Sparversprechen zu erinnern, ziehen mehrere hundert Tea Party Aktivisten vor das Capitol. Darunter deren Spitzenkandidatin Michele Bachmann und der Republikaner Mike Pence aus Indiana. Lautstark wollen sie ihren Sprecher an die im Repräsentantenhaus vor zwei Monaten verabschiedete Haushaltsvorlage mit einer insgesamt 61 Milliarden US-Dollar großen Einsparung erinnern.

Nach dem Hin und Her einer möglichen Einigung und eines bevorstehenden Regierungsstillstandes, gehen einige Bundesbehörden den Weg an die Öffentlichkeit, um auf die Dringlichkeit ihrer wichtigen Arbeit zum Wohl des Landes hinzuweisen. Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) warnt den Kongress vor weitreichenden Budgetkürzungen an Programmen zur Wettervorhersage und Sturmwarnungen. Die NOAA hat ein eigenes Satellitenprojekt für die Wettervorhersage für Nordamerika gestartet, das jedoch ein Großteil des Budgets belastet. Ein Sprecher der NOAA befürchtet eine Verschlechterung der Wettervorhersagen durch Verzögerungen im Satellitenprogramm. Extremereignisse wie Überschwemmungen und Wirbelstürme könnten so ungenauer vorhergesagt werden und Menschenleben gefährden.

Die United States Agency for International Development (USAID) bemängelt, dass bei einer Kürzung ihres Budgets die für viele Staaten weltweit notwendigen Entwicklungsprogramme reduziert oder gestoppt werden müssten. In ihrem drastischen Aufruf an die Kongressmitglieder geht die Bundesbehörde auch von 70.000 toten Kindern in Entwicklungsländern aus, sollten die medizinischen Unterstützungsprogramme wie die Malariabekämpfung oder die Geburtshilfe eingestellt werden müssen. Auch die Umweltbehörde, die US Environmental Protection Agency (EPA), könnte nach eigenen Angaben nur beschränkt die Kontrollfunktionen im Bergbauwesen ausüben.

Unterdessen kursieren mehrere gekürzte Budgetvorschläge der Demokraten in den Medien, die Einsparungen in der Nähe von 30 Milliarden US-Dollar beinhalten. Damit kommen die Demokraten den Tea Party Mitgliedern auf halbem Weg entgegen. Die moderaten Republikaner können sich mit dieser Einsparung anfreunden. Sie waren es auch, die einen um 30 Milliarden US-Dollar gekürzten Budgetvorschlag ursprünglich einbrachten. Erst die Tea Party Fraktion forderte nach internen Streitigkeiten die doppelte Kürzungssumme. Damit, so hoffen die Demokraten, dürfte eine Einigung möglich sein, wenn die republikanische Partei ihre radikalen Kräfte bändigen kann.

Am Freitag, dem 1. April, der auch der Tag des Scherzes ist, wird das Government Shutdown Prevention Act mit 221 zu 202 Stimmen knapp im Repräsentantenhaus beschlossen. Aus dem Senat melden sich Demokraten zu Wort, die diese Gesetzesinitiative nicht anerkennen und eine Abstimmung im Senat einfordern. In dieser Gesetzesinitiative werden die 61 Milliarden US-Dollar Ausgabenkürzungen wie vorgesehen verabschiedet. Als strittigen Punkt werden die ausbleibenden Gehaltszahlungen der Kongressmitglieder während eines Verwaltungsstillstandes angesehen. Als Coup bringen es die Republikaner fertig, auch über eine demokratische Gesetzesinitiative zu entscheiden, die zuvor durch den Senat positiv abgestimmt wurde. Darin war sich die Mehrheit der Demokraten einig, ebenfalls die Gehälter aller Kongressmitglieder und des Präsidenten während eines Regierungsstillstandes zu kürzen. Das Weiße Haus stuft die Initiative der Demokraten jedoch als verfassungswidrig ein, was die Republikaner heute den Demokraten lautstark vorhalten. Damit wird die gesamte Situation skurril. Denn beide Parteien hatten Gesetzesinitiativen beschlossen, die als Druckmittel den Gehaltsverzicht eines jeden Abgeordneten und Senators während eines Regierungsstillstandes auferlegte. Und beide Seiten bezichtigten sich der gegenseitigen Verfassungswidrigkeit ihrer Initiativen.

Nach Ansicht der Republikaner ist ihre Gesetzesinitiative rechtskonform, da sie die Gelder nur zurückhalten würden, anders als bei den Demokraten, die alle Gehälter der Kongressmitglieder mit der Anzahl der Tage eines Regierungsstillstandes kürzen wollen. Die Abstimmung über die demokratische Initiative scheitert durch die Mehrheit der republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus mit 188 zu 237 Stimmen.

Boehner und Cantor verhandeln trotz dieses politischen Theaters weiter mit dem Weißen Haus. Es verbleiben noch gut sieben Tage, um einen Regierungsstillstand abzuwenden. Beide Seiten sind trotz einer Budgetkürzung von 33 Milliarden US-Dollar seitens der Demokraten noch immer weit von einem Konsensergebnis entfernt. Laut den liberalen Medien verkommt die Debatte um höhere Forderungen der Republikaner zu einem gefährlichen Spiel mit dem Feuer. Um weitere 30 Milliarden US-Dollar aus dem laufenden Haushalt zu schneiden, wird ein Regierungsstillstand in Erwägung gezogen, der das gesamte Land in eine Rezession stürzen könnte und von dem niemand vorhersagen kann, wie lange er anhalten würde. Ein weiteres Entgegenkommen der Demokraten auf die republikanischen Forderungen wird es nach Ansicht der meisten Kommentatoren nicht geben.

Am Samstag, dem 2. April telefoniert Obama mit dem republikanischen Verhandlungsführer John Boehner und dem demokratischen Mehrheitsführer im Senat Harry M. Reid. Der Präsident will nun stärker in die Verhandlungen eingreifen und persönlich an den Sitzungen teilnehmen. Er entbindet damit seinen Vizepräsidenten Joe Biden von der Aufgabe als Verhandlungsführer. Die Verhandlungen sollen über das Wochenende fortgesetzt werden. Zugleich versichert Obama den Demokraten keine größeren Ausgabenkürzungen akzeptieren zu wollen. Das mehr als 30 Milliarden US-Dollar große Angebot soll nicht weiter aufgestockt werden.

Selbst viele Demokraten halten die Initiative von Barack Obama, sechs Tage vor dem Fristende, als verspätet. Als die Republikaner, allen voran Cantor, sich lautstark beschwerten, dass der Verhandlungsführer Joe Biden eine längere Zeit aus den Verhandlungen wegen Auslandsbesuchen ausgestiegen war und Obama seinen Part nicht eingenommen hatte, monierten die Demokraten die Passivität Obamas nicht. Das könnte sich nun rächen, denn Obama bringt in die neu angefachte Debatte keine neuen Lösungsvorschläge mit ein. Paul Ryan wird in weniger als zwei Tagen seinen viel diskutierten Budgetplan vorstellen und mit neuen Forderungen die Demokraten stark unter Druck setzen wollen. Obama wird sich deshalb schon vor der Veröffentlichung des Ryan Budgets im Verhandlungspoker zurückgemeldet haben.

Government Shutdown USA 2013

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