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III.Tatbestand 1.Objektiver Tatbestand

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15Dieser setzt die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache voraus. Anders als bei § 246 ist eine (objektive) Zueignung nicht erforderlich; vielmehr genügt es, dass der Täter in subjektiver Hinsicht die Zueignung der Sache erstrebt.

16a) Unter Sachen sind nur körperliche Gegenstände i. S. d. § 90 BGB unabhängig von ihrem Wert oder ihrem Aggregatszustand (fest, flüssig, gasförmig) zu verstehen4. Erforderlich ist für ihre Eigentumsfähigkeit lediglich, dass sie hinreichend abgrenzbar sind. Tiere werden vom Sachbegriff des StGB unmittelbar erfasst5, wie die Gleichstellung in §§ 324a Abs. 1 Nr. 1, 325 Abs. 1, 6 Nr. 1 von Tieren mit „anderen Sachen“ bestätigt6. Auf die Regelung des § 90a BGB, die zum gleichen Ergebnis führen würde, kommt es richtigerweise nicht an7, da keine Akzessorietät zu den zivilrechtlichen Regelungen besteht.

17aa) Rechte – wie Forderungen oder Patente – sind von § 242 nicht geschützt. Diese werden nur partiell von §§ 288, 289, 292 ff. und den Strafvorschriften des Urheberrechts erfasst. Papiere, die ein Recht verbriefen, sind jedoch taugliches Tatobjekt. Strahlen und elektrische Energie sind ebenfalls keine Sachen; die Anwendung des § 242 wäre daher eine nach Art. 103 Abs. 2 GG verbotene Analogie zu Lasten des Täters8. Um die damit verbundene Strafbarkeitslücke zu schließen, hat der Gesetzgeber für elektrische Energie die Vorschrift des § 248c geschaffen9. Auch Daten sind keine Sachen; die Kopie eines Computerprogramms ist daher nicht tatbestandsmäßig10. Allerdings kommt ein Diebstahl am Datenträger in Betracht, wenn etwa eine CD weggenommen wird.

18bb) Dem Körper eines lebenden Menschen kommt keine Sachqualität zu. Dies gilt auch für damit fest verbundene künstliche Teile (z. B. Keramikkrone, künstliches Hüftgelenk, Herzschrittmacher), die Bestandteil des Menschen werden und damit mit Einfügung in den Körper ihre Sachqualität verlieren11. Werden Körperteile abgetrennt (z. B. Zähne oder Haare) oder entnommen (z. B. Organe oder Blut), so fallen diese als Sachen unmittelbar in das Eigentum der jeweiligen Person, ohne dass es eines weiteren Aneignungsakts bedarf12. Dies gilt richtigerweise auch dann, wenn der Körperbestandteil – wie bei einer Sperma- oder Organspende – einem fremden Körper wieder eingefügt werden soll13.

19cc) Leichen sind nach h. M. zwar Sachen14, es fehlt jedoch regelmäßig an der Eigentumsfähigkeit, wenn diese bestattet werden sollen15. Werden der Körper oder Körperteile eines verstorbenen Menschen unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten weggenommen, so kommt eine Störung der Totenruhe nach § 168 oder Verwahrungsbruch nach § 133 in Betracht16. Implantierte Hilfsmittel, die bei einem lebenden Menschen keine Sachqualität besitzen, können nach dem Tod wieder Sachqualität erlangen und damit eigentumsfähig sein17.

Bsp.: Arzt T entnimmt dem bei einer Operation verstorbenen O sogleich den Herzschrittmacher, um diesen später anderweitig zu verwenden. – T macht sich nach § 246 strafbar. Wird der Herzschrittmacher später einem anderen Patienten als neuwertig eingesetzt, so kommt ggf. tatmehrheitlich noch ein Betrug, § 263, zu Lasten des Patienten in Betracht.

20Soweit der Körper oder Körperteile nach dem Tod – wie etwa plastinierte Leichen oder Mumien – nicht zur Bestattung bestimmt sind, handelt es sich um eigentums­fähige Sachen, so dass insoweit Eigentumsdelikte verwirklicht sein können18.

21b) Beweglich sind alle Sachen, die bewegt werden können. Es genügt, wenn sie erst durch die Wegnahme beweglich gemacht werden.

Bsp. (1):19 Schäfer T lässt eine fremde Weide durch seine Schafe „abmähen“. – Das Gras wird durch das Abkauen der Tiere beim Gewahrsamwechsel beweglich, was für § 242 genügt. In Tateinheit hierzu kann § 303 stehen, wenn die Tiere die Weide abgrasen und zertreten; im Gegensatz zu § 242 werden von § 303 auch unbewegliche Sachen erfasst.

Bsp. (2): T bricht nach bestandener Staatsprüfung zur Erinnerung einen Stein aus dem Universitätsgebäude und stellt diesen als Denkmal in seiner Wohnung auf. – § 242 ist (unproblematisch) verwirklicht.

22c) Eine Sache ist fremd, wenn sie im Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum einer anderen natürlichen oder juristischen Person steht. Dabei kommt es nur darauf an, dass ein anderer als der Täter Eigentümer ist. Wer einem Dieb die Sache wegnimmt, begeht demnach selbst einen weiteren Diebstahl zu Lasten des Eigentümers. Für die Bestimmung des Eigentums gelten die Regelungen des BGB, wobei Rückwirkungsvorschriften – etwa die ex tunc-Wirkung bei der Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB oder die Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB – keine Berücksichtigung finden können, weil für die Beurteilung der Strafbarkeit der Zeitpunkt der Tathandlung entscheidend ist und andernfalls rückwirkend eine Strafbarkeit begründet würde20. Im Rahmen der strafrechtlichen Fallbearbeitung müssen bei diesem Merkmal also ggf. sorgfältig zivilrechtliche Vorschriften (insb. §§ 929 ff. BGB) geprüft werden.

Bsp.: Erblasser E verstirbt in seinem Haus in Stuttgart, in dem auch seine Tochter T wohnt. T und O, der in Hamburg lebt und keinen Schlüssel zum Haus besitzt, sind Miterben (§ 2032 BGB). T nimmt einige Gegenstände aus dem Haus und veräußert diese für sich. – Für T handelt es sich aufgrund des Miteigentums des O um fremde Sachen. Fraglich ist dann, ob T fremden Gewahrsam gebrochen hat und damit eine Wegnahme vorliegt. Dies ist aber zu verneinen, weil nach dem Tod des E die Gegenstände im Alleingewahrsam der T standen. O besaß keine Zugriffsmöglichkeit und der fiktive Erbenbesitz nach § 857 BGB vermag eine tatsächliche Sachherrschaft nicht zu begründen21. Es kommt damit lediglich eine Strafbarkeit nach § 246 in Betracht.

23aa) Herrenlose Sachen, gleichgültig ob von Natur aus oder durch Eigentumsaufgabe nach §§ 958 ff. BGB (Dereliktion), sind nicht fremd; in Betracht kommt in solchen Fällen aber eine Wilderei nach §§ 292, 293. Davon sind verlorene Sachen zu unterscheiden, bei denen kein Eigentums-, sondern allenfalls einen Gewahrsamsverlust anzunehmen ist22. Werden Altkleider oder Sperrmüll zur Abholung an den Straßenrand gestellt, so ist darin keine Dereliktion, sondern – entsprechend dem Verwendungszweck des Eigentümers – ein Angebot zur Übereignung zu sehen23. Keine Dereliktion liegt auch vor, wenn eine Sache in Vernichtungsabsicht zum Abfall gegeben wird24.

Bsp.:25 O stellt einen Sack mit alten Kleidern zur Abholung durch das Rote Kreuz an den Gehweg vor seinem Haus. T öffnet den Sack und nimmt erfreut einige hübsche Stücke mit. – Da O das Eigentum nicht aufgegeben hat, handelte es sich für T um fremdes Eigentum. Da der verschlossene Sack vor seinem Haus stand, hatte er unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung auch noch Gewahrsam daran, so dass T § 242 verwirklicht.

23aDies gilt richtigerweise auch für das sog. Containern von Lebensmitteln. Gemeint sind Fälle, in denen Supermärkte Lebensmittel in Abfallcontainern entsorgen, die jedoch genießbar sind und daher von den Containern entnommen werden26. Auch im Entsorgen in den Containern kann keine Dereliktion gesehen werden27. Auch wird man jedenfalls bei abgesperrtem Gelände oder abgesperrten Containern auch von keiner mutmaßlichen Einwilligung ausgehen können28. Dafür spricht schon das Interesse des Eigentümers, Risiken im Zusammenhang mit verdorbener Ware durch die Vernichtung auszuschließen29. Letztlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers, eine nachhaltige Verwendung von Lebensmitteln zu regeln.

24bb) Problematisch sind die Eigentumsverhältnisse an Betäubungsmitteln. Zu erkennen ist zunächst, dass (ausnahmsweise) nicht nur das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft, sondern auch die rechtsgeschäftliche Übereignung der Betäubungsmittel30 und des gezahlten Kaufpreises31 nach § 134 BGB in Verbindung mit den Vorschriften des BtMG unwirksam sind. Daher wird teilweise bereits mangels Verkehrsfähigkeit der Sache die Anwendbarkeit von Eigentumsdelikten verneint. Das Eigentum, das nur originär erworben werden kann (vgl. §§ 950, 953 BGB), sei zu einer leeren „Begriffshülse“ reduziert32. Dabei muss man sehen, dass nicht nur Verfügungen ausgeschlossen sind, sondern auch bereits der Besitz als solcher mit Strafe bedroht ist33. Der 2. Strafsenat des BGH erwog ebenfalls – im Zusammenhang mit der Frage nach der Schutzwürdigkeit von Betäubungsmitteln im Rahmen der Vermögensdelikte (§§ 253; 263)34 – eine „teleologische Reduktion“ der Eigentumsdelikte35. Letztlich behielt er aber, nach durchweg ablehnenden Stellungnahmen der übrigen Senate, seine Rechtsprechung bei, wonach Betäubungsmittel aufgrund ihrer (originären) Eigentumsfähigkeit tauglicher Gegenstand der Eigentumsdelikte sind36. Dem ist beizupflichten, da der Schutz des Eigentums durch Eigentumsdelikte formaler Natur ist und daher der Wert der Sache sowie die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten, mit der Sache (nach Belieben) zu verfahren, unerheblich sind37. Auch würde bei Betäubungsmitteln ansonsten das von § 903 BGB gewährte Recht auf Eigentumsaufgabe und Vernichtung der Sache geleugnet.

Bsp. (1):38 O kauft Heroin bei Dealer D. T nimmt O dieses zum Eigenverbrauch weg. – O konnte an dem Heroin aufgrund § 134 BGB kein Eigentum erwerben, da das dingliche Rechtsgeschäft unwirksam war. Dennoch handelte es sich für T um eine fremde Sache, da jedenfalls der Betäubungsmittelproduzent Eigentümer blieb, wenn alle nachfolgenden Veräußerungsakte unwirksam waren. T macht sich daher nach § 242 strafbar.

Bsp. (2):39 T kauft bei O Heroin an. Gleich nach dem Konsum fasst er den Entschluss, das als Kaufpreis übergebene Geld wieder an sich zu nehmen. – Für die Lösung des Falles ist entscheidend, dass auch die Übereignung des Kaufpreises nach § 134 BGB unwirksam ist40. Da das Geld daher weiterhin im Eigentum des T stand, handelte es sich um keine fremde Sache. Ein Betrug nach § 263 scheidet schon deshalb aus, weil T den Entschluss erst nach Abwicklung des Rechtsgeschäfts fasste.

25d) Unter Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams zu verstehen41. Dabei ist zu beachten, dass die „Wegnahme“ in § 168 (Bruch eines tatsächlichen Obhutsverhältnisses42) und § 289 (jedes Entziehen aus dem Machtbereich) im Lichte des geschützten Rechtsguts abweichend ausgelegt wird (sog. Relativität der Rechtsbegriffe43). Für die Wegnahmeprüfung kann zur Orientierung folgendes Schema zugrunde gelegt werden, ohne dass dies freilich in der Falllösung detailliert „abgearbeitet“ werden sollte44:

1. Fremder Gewahrsam

a) Gewahrsam

aa) Sachherrschaftsverhältnis (objektive Komponente)

bb) Natürlicher Sachherrschaftswille (subjektive Komponente)

b) Fremder Gewahrsam: Alleingewahrsam, über- oder gleich geordneter Gewahrsam einer anderen Person

2. Bruch des fremden Gewahrsams

a) Aufhebung des Gewahrsams, nicht bloße Gewahrsamslockerung

b) Gegen bzw. ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers → ansonsten tatbestandsausschließendes Einverständnis; dabei aufgrund des Exklusivitätsverhältnisses Abgrenzung zum Betrug nach § 263

3. Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams

26aa) Bruch fremden Gewahrsams bedeutet die Aufhebung der Sachherrschaft gegen den Willen bzw. ohne das Einverständnis des bisherigen Gewahrsamsinhabers45. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, welche Person vor der Tathandlung Gewahrsam an dem Gegenstand besaß. Unter Gewahrsam versteht man die Sachherrschaft (objektive Komponente), die von einem natürlichen Sachherrschaftswillen getragen wird (subjektive Komponente)46. Entfällt eine der beiden Komponenten, so endet der Gewahrsam.

27(1) Ein Sachherrschaftsverhältnis liegt vor, wenn für den Berechtigten die Möglichkeit zur physisch-realen Einwirkung auf die Sache besteht und der Ausübung der Herrschaft keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen. Dabei sind die konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung entscheidend, wobei eine normative Betrachtung im Vordergrund steht47. Im Rahmen einer solchen normativen Betrachtung kann für einen Gewahrsam sprechen, dass sich der Gegenstand in der räumlichen Sphäre einer Person befindet (Einwurf in den Briefkasten, Verwahrung im Lager usw.). Umgekehrt ist der Gewahrsam nicht schon deshalb beendet oder ausgeschlossen, wenn aufgrund räumlicher Distanz die faktische Zugriffsmöglichkeit gelockert ist48.

Bsp. (1): O stellt seinen Wagen auf einem Parkplatz ab und fährt in den Urlaub; O lässt seinen Kater durch den ganzen Ort streunen; das Postpaket wird vor der Haustür des abwesenden O abgelegt; die Zeitungen werden am frühen Morgen auf der Straße vor dem Kiosk des O abgelegt. – Nimmt T die Sachen, so bricht er den gelockerten, aber dennoch fortbestehenden Gewahrsam und begeht einen Diebstahl.

Bsp. (2): T nimmt das silberne Besteck im Restaurant des O mit. – Zwar hält T dieses während des Essens in seinen Händen. Jedoch hat O in seiner räumlichen Sphäre weiterhin jederzeit die Zugriffsmöglichkeit und auch einen entsprechenden Sachherrschaftswillen, so dass er mindestens Mitgewahrsam besaß. Diesen hat T spätestens gebrochen, als er das Restaurant verließ.

28Der Gewahrsam ist im Übrigen unabhängig von den zivilrechtlichen Eigentums- und Besitzregelungen zu beurteilen. Zivilrechtlicher Besitz und strafrechtlicher Gewahrsam können zwar gleichlaufen, unterscheiden sich aber vor allem in folgenden Fällen: Der mittelbare Besitzer (§ 868 BGB) hat häufig keinen Gewahrsam; die tatsächliche Sachherrschaft wird zumeist beim unmittelbaren Besitzer liegen. Auch der (fiktive) Erbenbesitz (§ 857 BGB) begründet keine tatsächliche Sachherrschaft. Umgekehrt kann der Besitzdiener (§ 859 BGB), der selbst nicht Besitzer ist, die tatsächliche Sachherrschaft und daher Gewahrsam erlangen; je nach Sachverhaltsgestaltung kann dieser jedoch auch – ohne eigenen Gewahrsam – bloßer Gewahrsamsgehilfe bzw. Gewahrsamshüter des Geschäftsherrn sein.

29(2) An den natürlichen Sachherrschaftswillen als subjektive Komponente werden recht geringe Anforderungen gestellt. Es genügt zunächst ein genereller Sachherrschaftswille, der nicht auf einen konkreten Gegenstand bezogen sein muss, sich vielmehr grundsätzlich auf alle Sachen erstreckt, die sich im Herrschaftsbereich bzw. in der räumlichen Sphäre des Betreffenden befinden49. Anderes kann freilich bei Gegenständen gelten, die dem Betroffenen aufgedrängt werden und seinen Interessen zuwiderlaufen.

Bsp. (1): An einem verlorenen Geldschein in einem Ladengeschäft hat der Ladeninhaber Gewahrsam, selbst wenn er keine Kenntnis von dem Geldschein hat. Steckt die Putzfrau oder ein Kunde den Geldschein ein, so liegt daher Diebstahl (§ 242) und nicht lediglich Unterschlagung (§ 246) vor. Entsprechendes gilt für andere in Behördengebäuden, Stadthallen, Gaststätten, öffentlichen Verkehrsmitteln usw. liegen gebliebene Gegenstände.

Bsp. (2): O vergisst nach dem Abheben am Bankautomaten das Geld aus dem Ausgabefach mitzunehmen. Bevor es wieder eingezogen wird, greift T erfreut zu. – Das Geld war für T eine fremde bewegliche Sache; es stand weiterhin im Eigentum der Bank (mangels Übergabe keine Übereignung an O). Auch der Gewahrsam stand der innerhalb der Bank zuständigen natürlichen Person zu, da das Ausgabefach des Bankautomaten deren Gewahrsamssphäre zuzuordnen ist50. Dieser Fall kann ersichtlich nicht anders behandelt werden, wie wenn der Kunde außerhalb eines Abhebungsvorgangs am Automaten Geld liegen lässt oder verliert51.

30Es wird ferner kein ständig aktualisiertes Herrschaftsbewusstsein gefordert, so dass auch ein Schlafender oder Bewusstloser – selbst wenn dieser vor seinem Tod nicht mehr aus der Bewusstlosigkeit erwacht – weiterhin Gewahrsam haben kann52. Auch Kinder können den natürlichen Herrschaftswillen haben. Der Sachherrschaftswille endet erst mit dessen Aufgabe oder durch Tod des Gewahrsamsinhabers.

31Da nur natürliche Personen einen Herrschaftswillen bilden können, kommen juristische Personen nicht als Gewahrsamsinhaber in Betracht53. Wenn etwas unpräzise vom Gewahrsam eines Unternehmens, eines Warenhauses, einer Behörde usw. gesprochen wird, ist damit der Gewahrsam (und damit auch der Gewahrsamswille) der jeweils zuständigen Person (z. B. Geschäftsinhaber, Behördenleiter, Organ oder sonst beauftragte Person) gemeint54. Nimmt eine solche Person einen Gegenstand mit, so scheidet – sofern nicht Mitgewahrsam eines Dritten besteht – § 242 aus. In Betracht kommt eine Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 und 2 sowie nach § 266.

32(3) Die Beurteilung der Gewahrsamverhältnisse kann bei der Beteiligung mehrerer Personen kompliziert sein, weil hier neben dem Alleingewahrsam einer Person auch ein gleichrangiger oder mehrstufiger Mitgewahrsam anderer Personen in Betracht kommt, der mitunter von diffizilen Erwägungen abhängig gemacht wird.

Klausurhinweis: Für Klausuren ist nicht entscheidend, dass die unzähligen Fallkonstellationen auswendig gelernt werden, sondern anhand der verschiedenen Kriterien argumentiert wird.

33Bevor auf Einzelheiten dieser Gewahrsamsverhältnisse eingegangen wird, soll die Bedeutung dieser Einteilung verdeutlicht werden: Steht die Sache im Alleingewahrsam des Täters, so scheidet § 242 immer aus, da in diesem Fall kein fremder Gewahrsam gebrochen wird; in Betracht kommt nur eine Strafbarkeit nach § 246. Hat der Täter hingegen selbst keinen Gewahrsam an der Sache und wird fremder Gewahrsam – sei es Alleingewahrsam, sei es Mitgewahrsam – gebrochen, so ist § 242 verwirklicht, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Steht die Sache im Gewahrsam von mehreren Personen, so spricht man von Mitgewahrsam. Nehmen alle Mitgewahrsamsinhaber einverständlich die Sache weg, so liegt kein Gewahrsamsbruch vor. Gleichrangigen Mitgewahrsam (z. B. unter Ehegatten) kann jeder Mitgewahrsamsinhaber brechen und damit § 242 verwirklichen55. Mehrstufiger Mitgewahrsam kann nur „von unten nach oben“ und nicht „von oben nach unten“ gebrochen werden. § 242 kann daher nur derjenige verwirklichen, der untergeordneten Mitgewahrsam, nicht aber derjenige, der übergeordneten Gewahrsam hat56. Mehrstufiger Mitgewahrsam kommt vor allem in Dienst-, Arbeits- und Auftragsverhältnissen in Betracht57. Bei genauer Betrachtung ist die Figur des untergeordneten Gewahrsams (und damit zugleich diejenige des übergeordneten Gewahr­sams) jedoch entbehrlich. Man kann in diesen Fällen im Wege einer normativen Betrachtung ebenso gut davon ausgehen, dass der Geschäftsherr (Allein-)Gewahrsam besitzt, der von seinem Angestellten usw. oder einem Dritten gebrochen werden kann58.

Bsp.: Die Mitnahme eines Computers durch den Geschäftsinhaber ist – unabhängig davon, ob dieser Alleingewahrsam oder übergeordneten Mitgewahrsam hat – nicht tatbestandsmäßig; nimmt dagegen der Auszubildende (auch mit untergeordnetem Mitgewahrsam) das Gerät mit, kann § 242 verwirklicht sein.

34Diese abstrakten Grundsätze sollen anhand einiger wichtiger Fallgruppen exemplarisch verdeutlicht werden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass bereits kleine Änderungen des Sachverhalts zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung des Gewahrsamsverhältnisses führen können.

35Bei verschlossenen, aber transportablen Behältnissen (z. B. Geldkassette, Koffer) hat regelmäßig derjenige Alleingewahrsam am Inhalt, der auch die Sachherrschaft am Behältnis hat. Der Schlüsselinhaber oder Codeinhaber hat nach h. M. insoweit keinen Mitgewahrsam, da er keinen Einfluss auf das Schicksal der Sache hat. Eine Ausnahme wird man aber zulassen müssen, wenn dieser weiß, wo sich das Behältnis befindet und er ungehinderten Zugriff auf das Behältnis und damit den Inhalt hat59. Ist das Behältnis fest mit einem Gebäude verbunden bzw. kann es nur mit großen Anstrengungen fortgeschafft werden (z. B. Wand- oder Stahltresor, Automaten), wird man entgegen der h. M. nicht Alleingewahrsam des Schlüsselinhabers60, sondern Mitgewahrsam desjenigen anzunehmen haben, der die räumliche Sphäre beherrscht. Dies wird vor allem in Fällen deutlich, in denen dem Schlüsselinhaber der Zugang zu den Räumlichkeiten nicht ohne weiteres möglich ist61.

36An verlorenen Gegenständen, bei denen der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber nicht weiß, wo sie sich befinden, hat er keinen Gewahrsam mehr62. Denn in diesem Fall besteht mangels Kenntnis von der Belegenheit der Sache keine faktische Einwirkungsmöglichkeit. In fremder räumlicher Sphäre kann allerdings ein Dritter – geht man von dessen generellem Sachherrschaftswillen aus – aufgrund seiner Einwirkungsmöglichkeit nunmehr Alleingewahrsam erlangen.

Bsp.: O weiß nicht, dass er seine Uhr in einem Park liegen gelassen hat. T findet diese und steckt sie ein. – Da O keinen Gewahrsam mehr besitzt, d. h. die Sache gewahrsamslos ist, begeht T „nur“ eine Unterschlagung nach § 246 Abs. 1. Verliert O die Uhr hingegen in der Bäckerei des B, so erlangt B Alleingewahrsam an der Uhr; nimmt T diese mit, so bricht er den Gewahrsam des B und begeht einen Diebstahl zu Lasten des O (Eigentümer).

37Hinsichtlich vergessener Gegenstände, bei denen der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber weiß, wo sich die Sache befindet, ist zu differenzieren: Hier besteht der Gewahrsam solange fort, wie der Gegenstand ohne wesentliche Hindernisse zurückerlangt werden kann63. Denn dann ist noch eine hinreichende Einwirkungsmöglichkeit gegeben. Der BGH möchte dies jedoch für Fälle einschränken, in denen die Sache in „einem öffentlichen, mithin für jede Person zugänglichen Bereich liegt und der ortsabwesende Geschädigte nicht in der Lage ist, auf die Sache einzuwirken“64. Sofern sich die Sache in einer fremden Herrschaftssphäre befindet, besteht aufgrund des generellen Sachherrschaftswillens des Dritten Mitgewahrsam am vergessenen Gegenstand65. Der (Mit-)Gewahrsam endet jedoch, wenn ein Zugriff auf die Sache nicht möglich ist.

Bsp.: Student O vergisst seinen Füller im Hörsaal. Als er ihn am Abend abholen möchte, steht er vor verschlossener Tür. Putzfrau T nimmt den Füller später mit. – O hat trotz Kenntnis vom Standort keinen Gewahrsam mehr, da er keinen Zugriff auf den Füller hat. Da er diesen in fremder Sphäre vergessen hat, steht der Füller im Gewahrsam des zuständigen Personals der Universität (Hausmeister, Verwaltung). T hat diesen Gewahrsam mit der Mitnahme gebrochen und daher § 242 verwirklicht.

38Nach h. M. haben Angestellte in Ladengeschäften, die unter Leitung bzw. Mitwirkung des Geschäftsherrn arbeiten, an den Waren, der Kasse und den Geldern, die sie von den Kunden in Empfang nehmen, keinen Mitgewahrsam. Sie sind lediglich Gewahrsamsgehilfen bzw. Gewahrsamshüter; der Geschäftsherr hat in diesem Fall Alleingewahrsam66. Entsprechendes gilt auch für kleinere Handwerksbetriebe, wenn der Arbeitnehmer Materialien oder Werkzeug mitnimmt. Selbst wenn man dies anders sieht und gleich- oder untergeordneten Mitgewahrsam annimmt, liegt immer noch ein Bruch fremden Gewahrsams vor.67 Angestellte, die in Kaufhäusern mit einem gewissen Maß an Eigenverantwortlichkeit einen räumlich abgegrenzten Bereich betreuen, können ggf. Mitgewahrsam an den darin befindlichen Sachen haben, der freilich dem Mitgewahrsam des Abteilungsleiters, Filialleiters, Geschäftsführers, Geschäftsinhabers usw. untergeordnet ist. Mit guten Gründen kann man aber auch hier die Figur des untergeordneten Gewahrsams als überflüssig ansehen68. Wer selbstständig eine Niederlassung oder Filiale leitet69 oder einen Sachbestand ganz selbstständig verwaltet70 hat Alleingewahrsam.

Bsp.: Der Angestellte T der Uhrenabteilung steckt nach Ladenschluss eine Uhr in seine Hosentasche, um diese anderweitig zu veräußern. – Da T nur untergeordneten Mitgewahrsam besitzt, bricht er bereits mit dem Einstecken der Uhr in seine Tasche (Gewahrsamsenklave)71 den übergeordneten Mitgewahrsam und macht sich daher nach § 242 strafbar.

39Ein Kassierer, der die Kasse eigenverantwortlich führt, soll nach h. M. regelmäßig Alleingewahrsam haben, wenn niemand bis zur Abrechnung das Geld gegen den Willen des Kassierers entnehmen darf72. Für einen Alleingewahrsam spricht auch die alleinige Zugriffsmöglichkeit, etwa durch den Besitz des einzigen Kassenschlüssels. Anders (Mitgewahrsam) kann aber zu entscheiden sein, wenn weitere Personen – etwa beim Zählen des Geldes – eingeschaltet sind73.

Bsp.: Studentin T jobbt als Bedienung in einer Cocktailbar. Hierzu rechnet sie mit einer eigenständig geführten Geldbörse an den Tischen ab, trennt das Trinkgeld von den Einnahmen und rechnet nach Schließung der Bar ab. Als sie in Zahlungsschwierigkeiten ist, nimmt sie das Geld einfach mit. – T hat, obwohl sie sich in der räumlichen Sphäre des Lokals befindet, Alleingewahrsam am Geld, da nur sie Zugriff auf die Geldbörse hat. Es liegt daher keine Wegnahme vor; T macht sich aber nach § 246 Abs. 1 und Abs. 2 strafbar.

40Beim Warentransport per LKW liegt zunächst ein Alleingewahrsam des Fahrers nahe, da dieser alleinigen Zugriff auf Wagen und Ladung hat. Allerdings bedarf es auch hier einer normativen Betrachtung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung74. Alleingewahrsam des Fahrers ist dann anzunehmen, wenn nach Art der Fallgestaltung keine Einflussnahme oder Kontrolle durch den Geschäftsherrn mehr möglich ist. Indizien dafür sind eine lange Dauer der Fahrt, eine große Fahrtstrecke (Fernfahrten)75, eine Vielzahl anzufahrender Kunden mit nur kurzem Aufenthalt bei diesen sowie eine freie Wahl der Fahrtroute. Übergeordneter Mitgewahrsam des Geschäftsherrn ist hingegen anzunehmen, wenn trotz der Lockerung der Herrschaftsbeziehung noch erhebliche Einflussmöglichkeiten bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn nur kurze Strecken gefahren werden, der Fahrer in der Bestimmung der Fahrtroute praktisch keine Freiheiten hat und per Funk Weisungen erhält.76

Bsp. (1): T fährt für die Firma Fri-Frost Tiefkühlkost zu einem festen Kundenstamm. Als er dabei an seiner Wohnung vorbeifährt, füllt er seine eigene Gefriertruhe auf. – T macht sich nach § 242 strafbar, da es sich um eine Fahrt im örtlichen Umkreis mit einer bestimmten Route (Kunden) handelt und er daher übergeordneten Mitgewahrsam gebrochen hat.

Bsp. (2): A und B fahren mit ihrem LKW quer durch Europa, um für den O Computerzubehör auszuliefern. Sie sind in Planung und Fahrtroute frei. Unterwegs füllt A – von B unbemerkt – seinen Kleiderkoffer mit teurer Ware, um diese nach der Rückkehr zu veräußern. – Zwar besaß O mangels Einwirkungsmöglichkeit keinen Gewahrsam an der Ware; jedoch hat A gleichrangigen Mitgewahrsam des B gebrochen und daher § 242 verwirklicht.

41(4) Unter Bruch des Gewahrsams ist die vollständige Aufhebung des Gewahrsams gegen oder zumindest ohne das Einverständnis des Gewahrsamsinhabers zu verstehen77. Erforderlich ist, dass der bisherige Gewahrsamsinhaber die Zugriffsmöglichkeit auf die Sache verliert78. Die Begründung des neuen Gewahrsams ist das Spiegelbild zum Gewahrsamsbruch und zugleich das Ergebnis des Gewahrsamswechsels. Die Kriterien des Gewahrsams müssen nun auf eine andere Person – nicht zwingend den Täter selbst – zutreffen79.

Bsp.:80 LKW-Fahrer T soll mit einem Fahrzeug seines Arbeitgebers verschiedene Waren beim Unternehmen O abholen. Als er einige teure Fernsehgeräte in den Lagerhallen entdeckt, lädt er diese „zusätzlich“ ein, um diese später für sich zu verkaufen. Für den vollendeten Gewahrsamsbruch mit Verladen der Fernsehgeräte kommt es nicht darauf an, ob T oder sein Arbeitgeber Gewahrsam an den Fernsehgeräten im LKW erlangt, da kein tätereigener Gewahrsam begründet werden muss.

Der Täter (bzw. ein Dritter) muss infolge des Gewahrsamswechsels die Sachherrschaft dergestalt erlangen, dass er sie ohne wesentliche Hindernisse ausüben kann und der bisherige Gewahrsamsinhaber nicht mehr über die Sache verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsmacht des Täters zu brechen81. Eine bloße Gewahrsamslockerung genügt für einen Gewahrsamsbruch und damit einen Gewahrsamswechsel nicht. In solchen Fällen ist jedoch zu beachten, dass der endgültige Gewahrsamsbruch noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann. Die zeitlich exakte Festlegung der Wegnahme und damit der Vollendung ist vor allem für das Verhältnis zu § 252, aber auch für die streitige Frage der sukzessiven Beteiligung und der Anwendbarkeit der Qualifikationen nach Vollendung von Bedeutung. Auch scheidet ab diesem Zeitpunkt ein Rücktritt nach § 24 aus.

Bsp.: T steckt im Supermarkt heimlich eine Packung Zigaretten in die Einkaufstasche der Rentnerin R. – Hier ist der Gewahrsam des Marktleiters usw. mit dem Einstecken gebrochen. Zwar befand sich die Sache noch im Rahmen der räumlichen Sphäre des Ladens, jedoch kann auf Gegenstände, die in Kleidung und Taschen von Kunden verborgen werden, nicht einfach zugegriffen werden. Es liegt eine vollendete Wegnahme vor, weil T neuen Gewahrsam bei R begründet hat und der Gewahrsamswechsel ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers erfolgte.

42Bei den im Alltag (aber auch in Klausuren) häufig vorkommenden Ladendiebstählen ist der Gewahrsamswechsel, solange der Täter die Sachen noch in der Hand trägt, regelmäßig erst vollzogen, wenn er den räumlichen Herrschaftsbereich des Geschäftsinhabers verlässt82. Im Einzelfall kann Vollendung aber auch schon nach dem Passieren der Kasse anzunehmen sein; so beispielsweise, wenn in einem Einkaufszentrum unmittelbar nach der Kasse der Bereich des Ladengeschäfts endet und sich eine andere Fläche (Flur, weiteres Geschäft) anschließt. Andererseits kann der Herrschaftsbereich auch Flächen vor dem Gebäude erfassen, wenn dort ebenfalls Waren angeboten werden83. Das bloße Ergreifen kann den Gewahrsamswechsel allenfalls bei ganz kleinen Gegenständen – wie bei Geld – bewirken. Ansonsten genügt bei kleineren beweglichen Sachen für einen Gewahrsamsbruch auch in fremden räumlichen Sphären bereits das Verbergen am Körper, in der Kleidung oder in einer mitgeführten Tasche des Täters (Gewahrsamsenklave), weil der Zugriff hier wesentlich erschwert ist und eine Beeinträchtigung des höchstpersönlichen „Tabubereichs“ erfordert84. Entsprechendes gilt auch, wenn der Täter in einem Warenhaus Kleidungsstücke wie eigene davon trägt85; daran ändert sich selbst dann nichts, wenn die Kleidungsstücke für das Ladenpersonal (teilweise) sichtbar sind. Keine Gewahrsamsenklave wird hingegen begründet, wenn die Gegenstände in Behältnisse des Ladens – z. B. Körbe oder Einkaufswagen – gelegt werden. Auch bei größeren Gegenständen, die sich nicht in einer Gewahrsamsenklave befinden, bedarf es regelmäßig des Passierens des Kassenbereichs oder des Verlassens des Ladens86.

43Der Gewahrsamsbruch wird nach h. M. nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem Täter aufgrund einer Beobachtung durch einen Kaufhausdetektiv die spätere Flucht aufgrund von Sicherungsmaßnahmen möglicherweise erschwert wird. Die Beobachtung kann nämlich die Vollendung der Tat nicht hindern87. Nichts anderes ist mit dem häufig zitierten Satz „Diebstahl ist keine heimliche Tat“ gemeint88. Freilich ist nicht zu verkennen, dass durch das Beobachten und eine mögliche Verfolgung auch die Zugriffsmöglichkeit auf die Sache im Laden deutlich erhöht wird, so dass man im Einzelfall unter Berücksichtigung der räumlichen Gestaltung, der Größe des fortzuschaffenden Gegenstandes und der Zugriffsmöglichkeiten auch zu einem anderen Ergebnis gelangen kann89.

Bsp.: Detektiv D beobachtet die T, wie sie einen Lippenstift in ihre Handtasche steckt. Als T ohne Bezahlung gerade den Laden verlässt, wird sie von D gestellt, der sie festhalten möchte. Um die Beute zu verteidigen, schlägt T dem D ihre Handtasche ins Gesicht und flieht. – Das Beobachten der T hindert nach h. M. die Vollendung der Wegnahme durch das Überführen des Lippenstifts in die Tasche als Gewahrsamsenklave nicht. Auch kann in dem bloßen Geschehenlassen des Gewahrsamsbruchs durch den Detektiv kein tatbestandsausschließendes Einverständnis gesehen werden90. T hat daher zunächst § 242 verwirklicht. Hinzu kommt durch die Gewaltausübung zur Besitzerhaltung nach Vollendung, aber noch vor Beendigung des Diebstahls eine Tat nach § 252, die § 242 im Wege der Spezialität verdrängt. Bei D kommt eine versuchte Freiheitsberaubung nach §§ 239 Abs. 1 und Abs. 2, 22, 23 in Betracht, die jedoch nach § 127 Abs. 1 StPO gerechtfertigt ist.

43aEntsprechendes gilt, wenn an dem Gegenstand ein Sicherungsetikett angebracht ist, da dieses nicht den Diebstahl hindert, sondern nur der Wiedererlangung der bereits gestohlenen Sache am Ausgang dienen soll91. Anders kann bei sog. Sicherungsspinnen gelten, die im Ladengeschäft entfernt werden müssen und die dann bereits einen Alarm auslösen und somit bereits die Wegnahme erschweren92.

44Eine bloße Gewahrsamslockerung liegt hingegen vor, wenn Gegenstände in Behältnissen verborgen werden, die – wie etwa Einkaufswagen oder Verpackungen – dem Bereich der Opfersphäre zuzuordnen sind93. Der Gewahrsamsbruch an der versteckten Ware wird hier regelmäßig erst mit Verlassen des Kassenbereichs vollzogen, wobei im Einzelfall die Abgrenzung von Diebstahl und Betrug von Bedeutung sein kann.

Bsp.:94 T „versteckt“ im Einkaufswagen einige CDs unter Getränkekisten und ein Miniradio in einer Packung Windeln, damit diese bei der Abrechnung an der Kasse übersehen werden. Da bei Behältnissen des Warenhauses – anders als bei mitgebrachten Taschen – jederzeit eine Zugriffsmöglichkeit besteht, ist die Wegnahme mit dem Verbergen nicht vollendet. Beim Passieren der Kasse ist dann in Abgrenzung von Diebstahl und Betrug sorgfältig zu prüfen, ob eine Wegnahme i. S. d. § 242 oder eine täuschungsbedingte Vermögensverfügung i. S. d. § 263 vorliegt95.

45Nichts anderes gilt, wenn der Täter leere Getränkeflaschen aus einem abgestellten Kasten nimmt, um dann an der Kasse das Flaschenpfand zu kassieren. Das Hineinlegen der Flaschen in den Einkaufswagen begründet noch keinen Gewahrsamsbruch96. Auch an der Kasse scheidet eine Wegnahme aus, da die Flaschen dort übergeben werden. Vielmehr wird der Kassierer über den Anspruch auf das Flaschenpfand getäuscht, so dass hinsichtlich der Erlangung des Geldes ein Betrug gemäß § 263 vorliegt97.

46Auch bei der Übergabe von Waren zur Ansicht – der Verkäufer reicht dem Kunden z. B. ein Schmuckstück – liegt nach den bereits geschilderten Grundsätzen noch kein Gewahrsamswechsel vor. In diesen Fällen kann also der fortbestehende Gewahrsam durch eine weitere Handlung gebrochen werden.

Bspe.: O reicht dem T in seinem Ladengeschäft eine Tischdecke, damit T diese vor dem Geschäft bei Tageslicht betrachten kann; O übergibt dem T sein Mobiltelefon, damit dieser bei Dunkelheit mit der integrierten Taschenlampe einen Gegenstand suchen kann. – Nimmt T die Tischdecke bzw. das Mobiltelefon in Zueignungsabsicht mit, so bricht er fremden Gewahrsam und begeht einen Diebstahl; durch die Übergabe der Sache hat O den Gewahrsam noch nicht verloren98.

47Die eben geschilderten Grundsätze lassen sich auf Diebstähle in Büroräumen und Privatwohnungen übertragen. Wird die Beute in die Kleidung oder eine mitgebrachte Tasche gesteckt, ist der Diebstahl vollendet. Ansonsten wird man Vollendung mit Verlassen des Gebäudes oder des befriedeten Besitztums annehmen können99. Bei schwer zu transportierenden Gegenständen kann die Vollendung auch erst mit dem Verladen auf ein Fahrzeug vorliegen.

Bsp.:100 A, B und C schleppen einen 300 kg schweren Tresor aus dem Haus des O. Auf der Straße werden sie von der Polizei gestellt. – Angesichts des Gewichts des Tresors kommt lediglich ein versuchter Diebstahl in Betracht.

Beachte: Im Falle des Einbruchs sind bei Geschäftsräumen § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und bei Wohnungen § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 zu prüfen.

48Versteckt der Täter die Beute im räumlichen Herrschaftsbereich des Opfers, so wird man noch keinen Gewahrsambruch annehmen können. Der Fall liegt nicht anders, als wenn der Gewahrsamsinhaber vergisst, wo er den Gegenstand aufbewahrt. Auch erstreckt sich der generelle Gewahrsamswille immer noch auf diese Sache. Dies gilt selbst dann, wenn der Täter Zugriff auf die Sache hat und diese daher jederzeit abtransportieren kann. Es liegt jedenfalls keine mit einer Gewahrsamsenklave vergleichbare Situation vor101.

49bb) Die Begründung des neuen Gewahrsams wird sich häufig unmittelbar an den Gewahrsamsbruch anschließen, zwingend ist dies freilich nicht.

Bsp.:102 T wirft im Außenbereich des Gartenbaumarkts O eine teure Pflanze sowie Gartenmöbel über den Zaun. Diese möchte er später mit seinem Wagen abholen. Er wird jedoch vom Detektiv, der das Geschehen beobachtet hatte, im Kassenbereich gestellt. – Endet das Gelände des Baumarkts am Zaun und ist der dahinter iegende Bereich nicht einsehbar, so kann – je nach räumlicher Lage im Übrigen – der Gewahrsam bereits gebrochen sein. Neuer Gewahrsam durch T wird hingegen erst mit dem Abholen der Gegenstände begründet. Für eine etwaige Versuchsstrafbarkeit kommt es darauf an, ob der Täter auch unmittelbar zum Abtransport und damit zum Gewahrsamswechsel ansetzt103.

50Für die Begründung des neuen Gewahrsams und damit die Vollendung der Wegnahme ist es nicht erforderlich, dass der Gewahrsam (endgültig) gesichert ist. Daher ist auch nicht notwendig, dass beim Überführen eines Gegenstandes in eine Gewahrsamsenklave die fremde Herrschaftssphäre verlassen wird104. Gelingen die Festigung und Sicherung des Gewahrsams, etwa durch den Abtransport der Beute nach Hause oder in ein Versteck, liegt bereits eine Beendigung der Tat vor105. Bei kleinen Gegenständen kann Beendigung auch schon mit dem Verlassen der räumlichen Herrschaftssphäre vorliegen.106

51cc) Kein Bruch des fremden Gewahrsams liegt vor, wenn der Gewahrsamsinhaber mit dem Gewahrsamsverlust bzw. dem Gewahrsamswechsel einverstanden ist, weil dieser dann nicht gegen bzw. ohne dessen Willen erfolgt107. Bei diesem tatbestandsausschließenden Einverständnis108 ist allein auf den Gewahrsamsinhaber und nicht einen etwa personenverschiedenen Eigentümer abzustellen. Der Inhaber von übergeordnetem Gewahrsam kann das Einverständnis auch für den Bruch von untergeordnetem Gewahrsam erteilen109; hingegen ist das bei gleichrangigem Mitgewahrsam nicht möglich. Das Einverständnis ist – anders als die rechtfertigende Einwilligung – rein tatsächlicher Natur. Es genügt hierfür die natürliche Einsichtsfähigkeit, die auch bei Minderjährigen gegeben ist. Auch eine rein innere Zustimmung ist ausreichend, so dass das Einverständnis nicht gegenüber dem neuen Gewahrsamsinhaber erklärt werden muss. Besitzt dieser jedoch keine Kenntnis von dem Einverständnis, so liegt ein versuchter Diebstahl vor, weil der Tatentschluss in diesem Fall auf eine Wegnahme gerichtet ist. Im Rahmen der Prüfung des tatbestandsausschließenden Einverständnisses kann die Abgrenzung von Diebstahl und Betrug Bedeutung erlangen. Eine freiwillige Preisgabe mit dem Bewusstsein, dass der Gewahrsam vollständig aufgegeben wird (und nicht nur eine Gewahrsamslockerung vorliegt), schließt die Wegnahme und damit den Tatbestand des § 242 aus. Nach den Regeln des tatbestandsausschließenden Einverständnisses gilt dies auch dann, wenn das Einverständnis auf einer Täuschung beruht110. Insoweit ist an dieser Stelle der Diebstahl vom Betrug abzugrenzen (vertiefend u. Rn. 555 ff).

Bsp.: T behauptet gegenüber O bewusst wahrheitswidrig, dass eine CD mit einem Computerspiel ihm gehöre und er diese dem O vor geraumer Zeit überlassen habe. O, der sich nicht mehr erinnert, schenkt dem T Glauben und gestattet die Mitnahme. Tatsächlich gehört aber das Spiel dem O. – Es handelt sich für T bei der CD zunächst um eine fremde bewegliche Sache; auch hat ein Gewahrsamswechsel stattgefunden. Jedoch war O damit – wenn auch täuschungsbedingt – einverstanden, so dass eine Wegnahme ausscheidet. Es liegt jedoch ein Betrug nach § 263 vor, weil O aufgrund der Täuschung des mit Bereicherungsabsicht handelnden T einem Irrtum unterlegen ist und deshalb eine vermögensmindernde Handlung vorgenommen hat, die einen Schadenseintritt bewirkte.


52(1) Es gilt der Grundsatz, dass § 242 und § 263 in einem Exklusivitätsverhältnis stehen, so dass ein und dieselbe Handlung nur einen Diebstahl oder nur einen Betrug darstellen kann111. Entweder erfolgt die Wegnahme gegen bzw. ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers, so dass ein Diebstahl vorliegt, oder es liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis in die Wegnahme vor, das zu einer freiwilligen Vermögensverfügung führt und daher im Falle der Täuschung einen Betrug begründet.

Bsp.: T nimmt dem O ein Buch weg. Als einige Wochen später O den T darauf anspricht, leugnet T die Tat. O schenkt ihm Glauben und verzichtet daher auf weitere Rückforderungen. – Zunächst liegt (unproblematisch) Diebstahl vor. Anschließend kann man noch einen Betrug annehmen, wenn man in dem Verzicht auf weitere Rückforderungen eine Vertiefung des bereits durch den Diebstahl entstandenen Vermögensschadens bejaht112. Da sich beide Taten gegen denselben Rechtsgutsträger richten, tritt § 263 als sog. Sicherungsbetrug auf Konkurrenzebene als mitbestrafte Nachtat zurück113. Dies widerspricht nicht dem eben aufgestellten Grundsatz, wonach Diebstahl und Betrug in einem Exklusivitätsverhältnis stehen, weil es hier um die strafrechtliche Beurteilung zweier verschiedener Handlungen geht.

53(2) Die Frage, ob inhaltlich überhaupt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliegt, muss sorgfältig untersucht werden. Das bloße Beobachten der Wegnahme durch einen Ladendetektiv stellt kein tatbestandsausschließendes Einverständnis in die Gewahrsamsaufgabe dar114, zumal der Detektiv regelmäßig auch nicht zur Verfügung über die Waren befugt ist. Soll der Täter zur Überführung einer Tat in eine Falle gelockt werden, kann jedoch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis gegeben sein, wenn hierzu gerade ein vollendeter Gewahrsamswechsel für notwendig erachtet wird115. Da der Täter das Einverständnis jedoch regelmäßig nicht kennen wird, liegt dann immerhin noch ein strafbarer Versuch vor.

Bsp.: Auszubildender T steht im Verdacht, mehrmals auf dem Schreibtisch des Sekretariats liegende Sachen gestohlen zu haben. Arbeitgeber O lässt daher einen USB-Stick sowie ein paar präparierte Geldscheine auf dem Tisch liegen und hofft, dass T diese mitnimmt. O gibt dazu vor, einen wichtigen auswärtigen Termin zu haben; tatsächlich versteckt er sich aber in einem Nebenraum. Nachdem T den Stick sowie das Geld eingesteckt hat und das Gebäude verlässt, stellt O den T. – Zwar ist hier mit dem Einstecken der Sachen, spätestens aber mit dem Verlassen des Gebäudes der Gewahrsamswechsel erfolgt; da T jedoch zum Zwecke der Überführung des T damit einverstanden war, scheidet eine vollendete Tat aus. Weil T, der das Einverständnis nicht kennt, aus seiner Sicht den Gewahrsam gegen den Willen des T bricht, liegt ein Versuch nach §§ 242 Abs. 1 und Abs. 2, 22, 23 vor. Hinzu kommt noch eine vollendete Unterschlagung gemäß § 246, weil sich T die Sachen mit dem Einstecken objektiv zugeeignet hat. Die Zueignung war auch objektiv rechtswidrig; es kann in solchen Fällen nämlich nur dann von einer rechtfertigenden Einwilligung ausgegangen werden, wenn das Opfer auch einen dauerhaften Verlust der Sache in Kauf nimmt116. Allerdings ist auch die vollendete Unterschlagung angesichts ihrer Funktion als Auffangtatbestand nach § 246 Abs. 1 a. E. formell subsidiär117.

54(3) Dem Einverständnis muss ferner eine bewusste Entscheidung über die Aufgabe des Gewahrsams an dem konkreten Gegenstand zugrunde liegen118. Dem entsprechend wird beim Sachbetrug korrespondierend eine bewusste Vermögensverfügung verlangt119. Daran fehlt es beim Verstecken von Sachen unter anderen Kaufobjekten oder Gegenständen im Einkaufswagen, weil der Kassierer bei der Abrechnung keine Kenntnis von den Gegenständen besitzt und daher darüber auch nicht bewusst verfügen kann120. Eine pauschale Verfügung über den Inhalt des gesamten Einkaufswagens scheidet jedenfalls aus.

Bsp.: T legt im Supermarkt unter eine Kiste Mineralwasser ein paar Tafeln Schokolade. Kassiererin O sieht nur die Kiste und berechnet daher die Schokolade nicht. – Vor der Kasse liegt keine vollendete Wegnahme vor, weil T den Gewahrsam nicht gebrochen hat (bloße Gewahrsamslockerung); bei der Verwendung von Behältnissen des Ladens besteht noch eine hinreichende Zugriffsmöglichkeit121. Der Gewahrsamswechsel erfolgt erst nach Verlassen des Kassenbereichs bzw. des Ladens. Weil die Kassiererin den T passieren lässt, könnte jedoch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliegen, das die Kassiererin als Angestellte grundsätzlich auch erteilen kann. Das Einverständnis bezog sich hier jedoch nicht auf die Schokolade, weil die O davon keine Kenntnis besaß. Daher liegt ein Gewahrsamsbruch ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers, d. h. eine Wegnahme i. S. d. § 242 vor. Korrespondierend (Exklusivitätsverhältnis) scheidet eine Strafbarkeit nach § 263 aus; es fehlt hier an einer bewussten Vermögensverfügung hinsichtlich der Schokolade.

55Entsprechendes gilt, wenn in die Verpackung der gekauften Ware weitere Gegenstände hinzugepackt werden. So etwa, wenn in die Verpackung eines CD-Players auch noch ein paar CDs gesteckt werden. Auch hier bezieht sich das Einverständnis nicht auf das Gesamtpaket mit „Zubehör“122. Dafür spricht auch, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Kassierers hinsichtlich des Kaufvertrags und der Übereignung gar nicht auf diese Gegenstände gerichtet sind123. Letztlich ist nicht anders zu entscheiden, wenn der Inhalt vollständig ausgetauscht wird, z. B. aus einer Schachtel eine Plastikschüssel herausgenommen und dafür Elektrozubehör hineingepackt wird124.

56(4) Das Einverständnis muss ferner auf einer freiwilligen Entscheidung beruhen. Entscheidend ist demgemäß die innere Willensrichtung und nicht das äußere Erscheinungsbild (bei Nehmen § 242, bei Geben aber § 263125). Ein wirksames Einverständnis ist auch noch bei einer Täuschung zu bejahen, so dass in solchen Fällen nur Betrug in Betracht kommt126. Bei einem Einsatz von Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel kommt auch eine Strafbarkeit wegen Raub gemäß § 249 oder (räuberischer) Erpressung gemäß § 253 (§ 255) in Betracht. Auf der Grenze zwischen Diebstahl und Betrug (Exklusivitätstheorie) liegt das Vortäuschen einer behördlichen Beschlagnahme127. Das Opfer beugt sich in diesen Fällen dem vermeintlichen Zwang in der Vorstellung, Widerstand sei nicht zulässig und daher zwecklos128. Ein Einverständnis zur Gewahrsamsübertragung kann man hierin kaum sehen. Zu Recht nimmt die h. M. daher einen Diebstahl und keinen Betrug an129.

Bsp.: T klingelt bei Rentnerin O und behauptet von der Kriminalpolizei zu sein. Er erklärt, er müsse einige Schmuckstücke beschlagnahmen, weil etliche Juweliere vor Jahren gestohlene Ware veräußert hätten. O beugt sich dem Druck und gestattet dem T, die Schmuckstücke durchzusehen und einige davon mitzunehmen. – Aufgrund des ausgeübten Drucks liegt nach h. M. kein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor, so dass sich T nach § 242 strafbar macht.

57(5) Das tatbestandsausschließende Einverständnis kann nach h. M. auch an Bedingungen geknüpft werden, was insbesondere für die Wegnahme aus Automaten Bedeutung erlangt130. So soll das mit dem Aufstellen eines Warenautomaten konkludent erteilte generelle Einverständnis in die Entnahme der Waren und damit den Gewahrsamswechsel unter der Bedingung der ordnungsgemäßen Betätigung des Automaten, insbesondere der Bezahlung der Ware, stehen131.

Bsp. (1): T bedient einen Warenautomaten mit Metallplättchen anstelle von Euro-Münzen und hilft auch noch mit einem Draht nach. Er erlangt so mehrere Schokoriegel. – Zunächst liegt keine wirksame Übereignung der Ware an T vor, weil das Übereignungsangebot unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der Bezahlung erfolgt. Es handelt sich demnach um eine fremde (bewegliche) Sache. Zwar ist der Aufsteller generell mit der Entnahme der Ware einverstanden, jedoch steht auch diese unter der Bedingung der ordnungsgemäßen Bezahlung. Da T diese Bedingung nicht erfüllt, liegt eine Wegnahme und damit ein Diebstahl vor. Hingegen ist § 265a nach durchaus bestreitbarer h. M. zu verneinen, weil der Tatbestand nicht bei Warenautomaten, sondern nur bei sog. Leistungsautomaten anwendbar sein soll132. Bei computergesteuerten Automaten kann zudem § 263a zu prüfen sein133.

Bsp. (2):134 T präpariert einen Geldschein an der Kante mit einem Tesafilmstreifen so, dass er den Schein nach Einführen in einen Geldwechselautomaten wieder herausziehen kann. Auf diese Weise entnimmt T dem Automaten das Wechselgeld, ohne dass der Geldschein eingezogen wird. – Das Wechselgeld ist für T wie in Bsp. 1 mangels Übereignung eine fremde bewegliche Sache. Auch hat T dieses weggenommen, weil das generelle Einverständnis mit der Entnahme des Wechselgelds unter der Bedingung einer ordnungsgemäßen Betätigung des Automaten steht. Hinsichtlich des präparierten Geldscheins liegt hingegen kein Diebstahl vor, weil dieser mangels Übergabe i. S. d. § 929 Satz 1 BGB noch nicht übereignet war und T daran auch noch Gewahrsam besaß.

58Zu fordern ist jedoch, dass die Bedingung – wie die ordnungsgemäße Betätigung des Automaten – nach außen in Erscheinung tritt135. Innere Bedingungen, die z. B. die Berechtigung, die Zahlungswilligkeit usw. betreffen, sind dagegen unbeachtlich. Dies erlangt vor allem für die Entnahme von Geld aus Geldautomaten Bedeutung.

Bsp.:136 T hebt mit der ec-Karte des O in Kenntnis der Geheimzahl, aber ohne dessen Erlaubnis am Geldautomaten der Bank B Geld ab, um dieses für sich zu verwenden.

Zunächst ist umstritten, ob das Geld für T überhaupt eine fremde Sache ist. Die h. M. geht davon aus, dass das Geld nicht an den unbefugten Automatenbenutzer übereignet wird und damit ein taugliches Tatobjekt darstellt137. Die Kreditinstitute wollen – wie die Zuteilung der PIN zeige – das Geld nur an berechtigte Karteninhaber, nicht aber an unbefugte Dritte übereignen. T hat aber den Gewahrsam der B nicht gebrochen, weil ein den Tatbestand ausschließendes Einverständnis bzgl. des vom Automaten freigegebenen Geldes vorliegt138. Eine etwaige Bedingung der B, dass nur der berechtigte Karteninhaber Gewahrsam am Geld erlangen soll, ist entgegen einer Mindermeinung139 unbeachtlich, da T sich bei der Bedienung des Automaten nach außen ordnungsgemäß verhält. Der Fall ist letztlich vergleichbar mit einem Bankangestellten, der weisungsgemäß Geld an jeden auszahlt, der sich durch die Codekarte und PIN legitimiert. Eine Strafbarkeit nach § 242 scheidet daher aus. Verneint man eine Übereignung des Geldes, so ist aber § 246 verwirklicht, der jedoch gegenüber dem Computerbetrug i. S. d. § 263a Abs. 1 Var. 3 gemäß § 246 Abs. 1 a. E. formell subsidiär ist140; in Klausuren sind ferner §§ 265a, 266, 269 zu prüfen141. Ein Diebstahl an der Karte kommt nur in Betracht, wenn diese nicht mehr zurückgegeben werden soll142.

58aSchwieriger ist der Fall zu beurteilen, wenn das Geld von einem Dritten aus dem Ausgabefach entnommen wird, nachdem der Berechtigte den Auszahlungsvorgang in Gang gesetzt hat.

Bsp.:143 T lenkt Bankkunden beim Abheben von Geld am Geldautomaten ab und ergreift das im Ausgabefach liegende Geld.

Zunächst muss man sehen, dass der Gewahrsam der Bank an den Scheinen in ihrer räumlichen Sphäre noch fortbestand144. Je nach Konstellation kann auch bereits Mitgewahrsam des Kunden bestehen. Zu Recht geht der 3. Strafsenat des BGH in seinem Anfragebeschluss davon aus, dass kein tatbestandliches Einverständnis in die Wegnahme vorliegt145; dies hatte zuvor der 2. Strafsenat146 im Rahmen der Prüfung des § 249 anderes gesehen147. Denn letztlich liegt mit der Ausgabe des Geldes allenfalls eine Gewahrsamslockerung, jedoch keine willentliche Übertragung an Dritte vor; das Einverständnis ist damit auf denjenigen beschränkt, der sich nach außen durch Einführung der Karte und Eingabe der PIN legitimiert148. Soweit der Täter etwa versucht, während des Ablenkungsvorgangs einen höheren Betrag einzugeben, ändert sich an der mangelnden Legitimation nichts. Die willentliche Preisgabe an Dritte wäre auch im Hinblick auf das Vertragsverhältnis des Kreditinstituts mit den Kunden kaum haltbar. Im Ergebnis ist daher § 242 und bei Einsatz von Nötigungsmitteln § 249 zu bejahen149. Zu einem entsprechenden Ergebnis gelangen erst recht diejenigen, die beim Abheben durch einen unberechtigten Kartenbesitzer bereits eine Wegnahme bejahen150 oder dazu gelangen, dass der Kunde bereits Mitgewahrsam erlangt hat, der sodann vom Dritten gebrochen wird151.

Strafrecht - Besonderer Teil II

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